Protokoll der Sitzung vom 20.04.2018

Das sehe ich, Frau Präsidentin. - Vielleicht noch der Hinweis: Schon in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten darf ein Betriebsrat gewählt werden. Übrigens - ich weiß nicht, ob es alle hier in diesem Hause wissen -: Mitbestimmung bei Betriebsschließungen, Kündigungen und damit auch Sozialplänen gibt es nur mit einem Betriebsrat. Das sind wichtige Gründe dafür, einen Betriebsrat zu haben. Meine Damen und Herren! Nur am Rande sei erwähnt

Herr Steppuhn, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

- ich bin dabei -: Auch in diesem Haus gibt es noch Landtagsfraktionen, die keinen Betriebsrat haben.

(Ulrich Thomas, CDU: Ui!)

Auch hier haben wir noch Nachholbedarf, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der LINKEN)

Wir werden nachher einen Alternativantrag zu dem Antrag der LINKEN zur Abstimmung stellen, für den ich schon jetzt um Zustimmung bitte, der uns dann die Möglichkeit gibt, uns hier im Hohen Haus weiterhin mit diesem Thema zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Steppuhn, jetzt muss ich aber doch eingreifen. Bitte! - Vielen Dank. Es gibt keine Anfragen.

(Zuruf von Florian Philipp, CDU - Unruhe)

Bitte, ich habe das - -

(Dr. Katja Pähle, SPD: Herr Philipp möchte an mich eine Frage stellen!)

- Das konnte ich jetzt nicht verstehen. Wenn es hier sehr unruhig ist, kann man das hier vorn wirklich ganz schwer verstehen. Deswegen würde ich Sie bitten, einen kurzen Moment innezuhalten, wenn jemand sich meldet und sagt, was er möchte. - Bitte, Herr Philipp.

Das ist jetzt ein bisschen ungewöhnlich. Weil die Einbringung geteilt ist, war mir nicht ganz klar, an welcher Stelle ich die Nachfrage stellen kann.

Das können Sie jetzt tun.

Frau Dr. Pähle, Sie haben gesagt, der Betriebsrat und die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat würden sich auf die Rendite eines Unternehmens auswirken. Sie haben aber offengelassen, in welchem Sinne. Im negativen oder im positiven?

(Heiterkeit bei der CDU - Zurufe von der LINKEN)

Ich würde gern wissen, ob Sie das konkretisieren können. - Das ist Punkt 1.

Punkt 2. Wenn Sie sagen, das wirkt sich positiv auf die Rendite eines Unternehmens aus, würde ich gern wissen wollen, wie Sie das ableiten.

Herr Philipp, wenn es negativ wäre, hätte ich es nicht erwähnt,

(Heiterkeit bei der CDU)

das muss ich sagen. Nein, es wirkt sich positiv auf die Rendite der Unternehmen aus. Es gibt regelmäßige Veröffentlichungen, beispielsweise der Hans-Böckler-Stiftung. Da gibt es immer schöne Heftchen, darin kann man das schön nachvollziehen. Sie hat Befragungen in Unternehmen mit Betriebsräten durchgeführt und mit Unternehmen ohne Betriebsräte verglichen. Die Zahlen kann ich Ihnen gern nachliefern.

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. - Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerin Frau GrimmBenne. Sie haben das Wort, Frau Ministerin.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen-Anhalt braucht starke Betriebsräte. Betriebsräte sind gelebte Demokratie in der Wirtschaft. Gerade im Zuge der Digitalisierung, wo sich die Arbeitsform und die Arbeitsverhältnisse stark verändern, brauchen wir sie. Diesen Wandel zur Arbeit 4.0, dem wir uns nicht verschließen, können Beschäftigte mit starken Gewerkschaften und Betriebsräten mitgestalten.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Demokratie darf nicht am Werkstor enden. Darum war es mir ein Anliegen, in den vergangenen Wochen für eine starke Beteiligung an den Betriebsratswahlen zu werben, und darum bin ich dankbar dafür, dass wir dieses Thema heute hier aufrufen.

Darum - und das sage ich ganz deutlich - reicht es nicht aus, einen allgemeinen Appell zu formulieren. Ein offener Dialog ist wichtig. Die richtigen Rahmenbedingungen sind wichtig.

Ich habe Ende März 2018 in Vertretung des Ministerpräsidenten an einer Veranstaltung des DGB zur Betriebsratswahl 2018 in Magdeburg teilgenommen. Mehrere Betriebsratsmitglieder und Gewerkschaftssekretäre haben von massiven Behinderungen des Betriebsrates und der Wahl von Betriebsräten durch Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt berichtet.

Darunter sind zum Beispiel Fälle, in denen Arbeitgeber versucht haben, Betriebsversammlungen zur Wahl eines Wahlvorstandes zu verhindern oder zu stören, indem sie zum Beispiel Räumlichkeiten zur Durchführung der Versammlung verweigern oder einzelne Beschäftigte gezielt zur Störung der Veranstaltung animieren.

Arbeitgeber übten in Einzelgesprächen Druck auf Beschäftigte aus, nachdem der Wunsch nach der Wahl eines Betriebsrates geäußert worden war. Arbeitgeber versuchen, Beschäftigte mit Prämien von der Betriebsratswahl abzuhalten. Initiatoren von Betriebsratswahlen wurde vor dem Eintreten des Kündigungsschutzes nach § 15 des Kündigungsschutzgesetzes gekündigt. Der Gewerkschaft wurde der Zutritt zum Betrieb verweigert. Auch wenn es dazu keine Statistik gibt, sind das wohl nicht nur Einzelfälle.

Die Gewerkschaftler beklagen, dass es schwierig sei, Notare zu finden, die alle notwendigen notariellen Tatsachenbescheinigungen ausstellen,

etwa dass eine Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, dass es nur in besonderen Fällen möglich sei, über Eilverfahren vor den Arbeitsgerichten Wahlvorstände schnell einzusetzen, dass die öffentliche Unterstützung und Förderung solche Arbeitgeber stärke, die Betriebsratswahlen ver- oder behindern, und dass ein besserer Schutz der Initiatoren von Betriebsratswahlen erforderlich sei. Zudem brauche es eine bessere und wirksamere Strafverfolgung bei Behinderungen von Betriebsratswahlen.

Ich habe dazu auch im Kabinett berichtet. Durch Herrn Ministerpräsidenten sind mehrere Prüfaufträge ausgelöst worden. Dafür bin ich sehr dankbar.

Meine Damen und Herren! Ich war im März dieses Jahres auch in Osterburg, wo in einem Pharmaunternehmen nach langer Diskussion ein Betriebsrat gegründet worden ist. Dort konnte der Arbeitgeber jetzt feststellen, dass es in dem Betrieb hinsichtlich der Motivation und des Zusammengehörigkeitsgefühls für dieses Unternehmen besser funktioniert. Derartige Beispiele kenne ich viele und sie waren auch Gegenstand in der Diskussionsrunde bei der DGB-Veranstaltung. Deshalb bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass heute der Fokus der Debatte auf die Frage zu richten ist, wie wir dort unterstützen können, wo die Welt eben nicht in Ordnung ist.

Auch wenn viele der genannten Probleme nicht unmittelbar von der Landesregierung gelöst werden können, ist die Beteiligung der Landesregierung an Dialogveranstaltungen mit Betriebsrätinnen und Betriebsräten aus meiner Sicht extrem wichtig. Die Landesregierung wird diesen Gesprächsfaden pflegen. Das Arbeitsministerium wird im November 2018 zum Beispiel zu einer Betriebsrätekonferenz einladen. Auch Debatten wie die heutige sind wichtig. Damit wiederhole ich mich gern.

Lassen Sie mich auf einige Zahlen blicken. Herr Philipp ist jetzt wieder da; er hat gerade hinsichtlich der Rendite nachgefragt.

Das IAB-Betriebspanel 2016 für Sachsen-Anhalt zeigt: Es gibt lediglich in jedem siebenten Unternehmen - also in 14 % der Unternehmen - mit mindestens fünf Beschäftigten ein Gremium der betrieblichen Mitbestimmung. Deswegen ist es dringend notwendig, sich für eine gezielte Stärkung der Mitbestimmung einzusetzen; denn es geht um die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse und um deren Qualität. Das ist wichtig. Es geht um viel mehr als nur den Einsatz für guten Lohn. Es geht vielmehr um die Gestaltung von Arbeitsbedingungen in einem sich stark ändernden Umfeld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Tätigkeitsfeld des Betriebsrates ist in § 80 des Betriebsverfassungsgesetzes näher beschrieben. Lassen Sie mich drei Punkte hervorheben.

Erstens. Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvor

schriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen tatsächlich umgesetzt werden.

Zweitens. Er hat auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit hinzuwirken.

Drittens. Er hat die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und seinen Beitrag dazu zu leisten, diese zu sichern.

Das Betriebsverfassungsgesetz legt ausdrücklich fest, dass Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten. Es geht dem Gesetz um Vermittlung, meine Damen und Herren Abgeordneten, nicht um Konfrontation, was, wie bereits betont, vielerorts sehr gut funktioniert. Die vermittelnde Rolle des Betriebsrats können beide Seiten, Beschäftigte wie Arbeitgeber, zum eigenen Vorteil nutzen.

Bei Unternehmen mit einem funktionierenden Betriebsrat stauen die Beschäftigten weniger Unzufriedenheit auf, tragen sich seltener mit dem Ge

danken zu kündigen. Sie haben in der Arbeitnehmervertretung vor Ort ein Sprachrohr, um auf Wünsche oder Missstände hinzuweisen. Ein Betriebsrat hilft, Informationsblockaden zwischen Belegschaft und Management zu überwinden. Wieso wird diese Funktion des Betriebsrates bei einigen Arbeitgebern in unserem Land wertgeschätzt, bei anderen nicht?

Wir haben konkrete Beispiele für die Sabotage von Betriebsratswahlen, wir haben glaubhafte Aussagen dazu, dass und wie Arbeitgeber versucht haben, die Wahl eines Wahlvorstandes zu verhindern, und vieles mehr. Meines Erachtens reicht es nicht zu fordern, dass das aufhört, zu fordern, dass die Gesetze verschärft werden, wie wir das in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE nachlesen können. Ich denke, wir müssen uns mit den Ursachen auseinandersetzen. Die Herausforderung besteht darin, Arbeitgeber von den Vorteilen der betrieblichen Mitbestimmung zu überzeugen und Beschäftigte zur Übernahme dieser verantwortungsvollen Tätigkeit zu motivieren.

(Zurufe von der LINKEN)

Nur damit ist eine Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung zu bewirken. Auch sollte klar sein, dass die Schulung der Betriebsräte ein ganz wichtiges Thema ist.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, was also ist für uns als Politiker zu tun? - Erstens. Wir sollten für die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung bei in- und ausländischen Unternehmen werben. Insbesondere von Letzteren wird die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland oftmals kritisch betrachtet. Dass das keinen Bestand haben muss, zeigen Beispiele, in denen insbesondere amerikanische Manager im Bereich der chemischen Industrie der deutschen Mitbestimmung zunächst sehr skeptisch entgegentraten. Sie bewerten das mittlerweile aber völlig anders.

Zweitens. Unternehmen, die nachweislich betriebliche Mitbestimmung behindern, dürfen nicht auch noch ausgezeichnet werden. Das würde ich persönlich gern auf die öffentliche Förderung ausgedehnt wissen.

Drittens. Ich stimme mit den Regierungsfraktionen darin überein, dass wir aktiv nach Unterstützungsmöglichkeiten für die Verbesserung der Betriebsratstätigkeit suchen sollten. Dazu werden wir auch den Dialog mit den Betriebsräten intensivieren.