Protokoll der Sitzung vom 20.06.2018

Was nun aber die Wirkungsweise einer Enquete angeht, schießen Sie einfach über das Ziel hinaus. Nach dem Gießkannenprinzip wird versucht, alles mitzunehmen, was sich irgendwie schön anhört und gut verkaufen lässt. Es werden Ärzte benannt und Krankenhäuser. Über die Pflege geht es zu den Hebammen und über den Haushaltsplan zum Krankenhausgesetz.

Meine Kollegen! Eine Enquete-Kommission darf kein zweiter Sozialausschuss sein.

Leider setzt sich die Fraktion der LINKEN dafür ein, dass die Arbeitsausschüsse im Land Sachsen-Anhalt für die Öffentlichkeit unzugänglich bleiben. Sie möchten keine Transparenz. Sie möchten geheime, für die Öffentlichkeit unzugängliche Ausschüsse. Wenn es allerdings andersherum wäre, wenn die Ausschüsse hier endlich einmal öffentlich wären, dann würden die Menschen auch wissen, welche Prioritäten Sie in die bestehenden Ausschüsse einbringen.

Ich habe eine kleine Aufstellung mitgebracht, welche Themen Sie in den letzten Monaten beispielsweise in den Sozialausschuss eingebracht haben - darauf legt die Fraktion der LINKEN ihre Prioritäten, liebe Bürger -: Wegwerfverbot für Lebensmittel, Kommunen entlasten - gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen und Migranten entbürokratisieren und verbessern -, keine Zweiklassenjugendhilfe für junge Geflüchtete, Krankenkassenkarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Sachstand Geflüchtete, Praxis der Visaerteilung für den Besuch von Sprachkursen.

Liebe Kollegen der LINKEN, wenn Sie für jedes dieser Themen ein Thema aus dem Gesundheitswesen eingebracht hätten, dann hätten wir die Hälfte der Enquete-Kommission jetzt schon abgearbeitet.

(Beifall bei der AfD)

Ohnehin heißt der Ausschuss in Sachsen-Anhalt „Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration“. In anderen Bundesländern heißt er „Sozial- und Gesundheitsausschuss“. Unserer Meinung nach

wäre es beispielsweise eine Wertschätzung, das Thema Gesundheit dem Thema Integration überzuordnen.

Liebe Kollegen! Unser Gesundheitssystem steht - das wissen wir alle - langfristig vor dem Kollaps. Ja, generell, sind Enquete-Kommissionen immer ein wirksames Mittel, um Probleme und Handlungsempfehlungen deutlich zu benennen. In diesem Fall schießt es aber über das Ziel hinaus. Es wird dem Auftrag absolut nicht gerecht. Wir werden uns daher der Stimme enthalten.

Einer Ausschussüberweisung stimmen wir natürlich gern zu. Im persönlichen Gespräch kann man es vielleicht noch einmal klären. Grundsätzlich halte ich diese Enquete aber für absolut überflüssig. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Nachfragen. Dann danke ich dem Abg. Herrn Siegmund für die Ausführungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, fährt das Rednerpult herunter - Florian Philipp, CDU: Das geht von der Redezeit ab!)

Nein, das geht nicht von der Zeit ab. Das ist eine inklusive Maßnahme, damit Sie mich sehen können. Daran haben Sie bestimmt ein hohes Interesse.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren Abgeordneten! Verehrte LINKE! Das Thema der Gesundheitsversorgung, insbesondere der Krankenhausversorgung, ist wichtig. Es ist gut, es immer wieder zum Thema zu machen. Es ist allerdings auch wichtig, es tatsächlich sachorientiert zum Thema zu machen.

Ich kann dem Kollegen Krull beipflichten. Wir haben angekündigt, dass nach dem Kinderförderungsgesetz das Gesetz zur Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt das große Gesetzesvorhaben im Sozialbereich in dieser Koalition werden wird. Wir werden viele Diskussionen führen. Es wird eine oder vielleicht mehrere umfassende Anhörungen geben. Es wird Gesprächstermine geben. Es wird die eine oder andere Podiumsdiskussion geben. Es wird an jeder Ecke, auf unterschiedlichen Ebenen Möglichkeiten des Austausches geben. Ob zusätzlich dazu eine EnqueteKommission tatsächlich zielführend ist, davon bin ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich überzeugt.

Ich hätte mich lieber ausschließlich, sehr dezidiert und sorgfältig auf das Krankenhausgesetz kon

zentriert. Sie wissen, solch eine Enquete bindet viel Zeit, bindet viel Personal, organisiert einen Overhead. Ob das alles sinnvoll ist - gut.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Ist das The- ma nun wichtig oder nicht?)

Es ist Ihr gutes Recht, dieses anzustreben und auch zu hinterfragen, ob die Diskussionsformate, die wir anbieten, ausreichend sind - überhaupt keine Frage.

Wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt, dann will ich wohl zugeben, dass es auch positive Möglichkeiten gibt, sich in einer Enquete abseits der Tagespolitik mit Ruhe und Zeit mit der Thematik zu beschäftigen.

Manchmal ist man schon sehr ratlos, wenn zum Beispiel die Krankenhausgesellschaft den Investitionsstau beschreibt und man als Fachpolitiker vor der schieren Menge steht. Es klingt dann auch alles sehr plausibel. Es klingt alles sehr sachgerecht. Grundsätzlich muss man sich auch in Acht nehmen, um zwischen gefärbter Lobbyarbeit und Sachargumenten unterscheiden zu können. Das ist insbesondere im Gesundheitsbereich nicht immer einfach.

Eine entsprechende Übersicht, Entscheidungsoptionen und einen Orientierungsrahmen für die Politik kann solch eine Enquete bieten. Das will ich hier gern zugeben. Wir stehen dem Anliegen also mit Skepsis, aber grundsätzlich positiv gegenüber.

An dieser Stelle muss man aber auch sagen: Wir haben wesentlich sinnfreiere Enquete-Kommissionen in diesem Landtag. Wenn man auf bundespolitischer Ebene agiert, dann ist der Begriff „Realsatire“ für das, was wir hier im Land machen, noch niedrig gegriffen.

Ein seriöses und wirklich wichtiges Thema für die Menschen in diesem Land in den Blick zu nehmen, bei dem wir wirklich Probleme haben, ist alle Mal gerechtfertigt.

Neben der Investitionsförderung stehen natürlich noch andere Fragen zur Krankenhausversorgung im Mittelpunkt. Was Sie unter Punkt 3 des Antrags beschreiben, das halte ich als Fragestellung für relevant. Welche Struktur macht unter den Bedingungen unseres alternden Flächenlandes weiterhin Sinn? Wie können wir Strukturen so aufstellen, dass sie tatsächlich auch weiterhin überlebensfähig - muss man an dieser Stelle fast schon sagen -, aber eben auch bezahlbar sind?

Meine Fraktion hat sich insbesondere der Geburtshilfe verschrieben. Das wissen Sie. Wir haben einen runden Tisch organisiert. Es gibt auch einen Abschlussbericht - im Laufe des Jahres ist das zu erwarten - und Handlungsempfehlungen.

Wenn ich sehe, dass jetzt in Zerbst, das ich als MdL betreue, die komplette Station abgemeldet wird, obwohl sie erst vor Kurzem mit Millionenbeträgen saniert und viel darin investiert wurde, dann mache ich mir wirklich mehr als Sorgen um dieses Land. Man sollte tatsächlich in der Gesamtheit darauf schauen.

Ich habe es schon bei der letzten Debatte gesagt - die schon eingeführt wurde; die der Kollege Krull schon thematisiert hat -, wir brauchen irgendwann einmal eine realistische Einschätzung - zumindest erst einmal eine Einschätzung; was wir davon politisch durchsetzen können, das werden wir sehen -, wie viele Krankenhausstandorte mit welchen Spezialisierungen wir sinnvollerweise auf Dauer für dieses Land verantworten können.

Das ist eine schwierige Frage. Daran hängen viele Interessen von unterschiedlichen Seiten. Vielleicht ist die Enquete eine Möglichkeit, auch über solche Fragen einmal ernsthaft nachzudenken. Ich meine, als verantwortungsbewusste Gesundheitspolitikerin und letztlich als Fraktion können wir uns vor dieser Frage nicht wegducken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Insofern ist es wichtig - das ist mein letzter Punkt, weil meine Redezeit gleich zu Ende ist -, sich den Auftrag, was die Enquete tun soll, noch einmal genau anzuschauen. Deswegen sind wir auch für die Überweisung des Antrags.

Wir würden tatsächlich auch schauen, wie man das Verhältnis zwischen ambulant und stationär stärker in den Blick nehmen kann. Es haben sich gerade durch die MVZ Strukturen entwickelt, die ihre Rolle im System noch gar nicht richtig gefunden haben. Ich glaube, es werden Sachen, die seit 30 Jahren, 50 Jahren in der alten Bundesrepublik immer als gesetzt gelten, tatsächlich obsolet.

Die Finanzierungssystematik und durchaus auch das Verhältnis zwischen den Pflegeberufen und dem Arztberuf, all diese Dinge sollten wir mit aufnehmen. Insofern: Ja, wir werden uns den Antrag noch einmal genauer anschauen. Wir werden hoffentlich in der Gemeinsamkeit den Auftrag neu fassen und dann wird die Enquete-Kommission arbeiten. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Nachfragen. Dann danke ich Frau Lüddemann für die Ausführungen. - Für die SPDFraktion spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. Frau Dr. Späthe, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich zitiere aus der Geschäftsordnung des Landtags von Sachsen-Anhalt: „Der Landtag hat das Recht, zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche“ - das trifft zu - „oder bedeutsame“ - das trifft ebenfalls zu - „Sachkomplexe Enquete-Kommissionen einzusetzen.“

Der Knackpunkt ist, dass es bei der Gesundheitsversorgung und der Sicherstellung der Pflege eben nicht nur um umfangreiche oder - keine Frage - bedeutsame, sondern eben um außerordentlich komplexe Sachverhalte geht.

Auch wir als Fraktion der SPD stellen uns dem Thema bereits jetzt in vielfältiger Art und Weise, in Gremien und bei unserer Arbeit in den Wahlkreiskommunen. Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die Zielstellung der EnqueteKommission, wie sie jetzt formuliert ist, dringend der Präzisierung und Klarstellung bedarf und deshalb eine Überweisung an den Ausschuss richtig ist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte das begründen. Ich habe eingangs von Sachkomplexen gesprochen. Diese komplexen Strukturen bzw. Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, Finanzierungsströme, Steuerungsmöglichkeiten des Landes - oder eben auch keine -, der kommunale Sicherstellungsauftrag und nicht zuletzt die Kammern, Interessenvertretungen und Krankenversicherungen - um nur einige zu nennen - entziehen sich vollständig oder teilweise dem Einfluss dieses Parlaments. Das bedeutet: Wir brauchen hier völlig andere Denkmuster. Vielleicht liegt darin aber auch eine Chance.

Hinzu kommen fachliche Erwägungen und Diskussionen, die diesen Antrag und vor allem die Begründung in dieser vorwurfsvollen Wucht sehr schwer nachvollziehbar machen. Ein Beispiel ist der in der Fachwelt derzeit stattfindende Diskurs zur Qualitätssicherung im Krankenhaussektor. Hier setzt sich der Gedanke zur Qualitätssicherung durch Spezialisierung durch, nämlich dass Krankenhäuser durch Spezialisierung höhere Fallzahlen, größere Routine und damit mehr Erfahrungswerte und somit auch eine größere Sicherheit für die Patientenversorgung erreichen. Das heißt aber auch, dass dieser Prozess zu längeren Anfahrtswegen für Patienten und ihre Angehörigen führt und führen wird.

Es zeigt sich bereits jetzt, dass unsere über das Internet und andere Formate aufgeklärten Patienten von heute das nicht nur hinnehmen, sondern akzeptieren und wünschen. Sie begründen aber Ihren Antrag unter anderem auch mit der Klage über die problematisch weiten Anfahrtswege. - Diesbezüglich muss noch besser sortiert werden.

Ich begrüße deshalb die Überweisung des Antrags in den Sozialausschuss ausdrücklich, da wir das Anliegen grundsätzlich unterstützen. Wir brauchen in der Tat einen unvoreingenommenen, sektorunabhängigen Blick auf die Problematik; denn wir im Land Sachsen-Anhalt eilen in demokratischer Hinsicht den anderen Bundesländern voraus und müssen unseren eigenen Weg finden. Das haben die Redner vor mir auch schon betont.

Eine der größten Herausforderungen der nächsten Zeit, die aber noch nicht in Angriff genommen werden konnte, sind definitiv die Reform der Pflegeausbildung und die Umsetzung der generalisierten Ausbildung. Dies wird Auswirkungen in allen Bereichen der medizinischen und pflegerischen Versorgung haben. 70 % der Pflegekräfte im Land werden derzeit an den freien Schulen des Landes ausgebildet.

Ich bin froh, dass wir mit dem Schulgesetz, über das wir heute Nachmittag debattieren werden, den Weg zur Schulgeldfreiheit beschließen werden, die fast alle Bundesländer schon haben.

Mir ist gestern bei einer parlamentarischen Begegnung beim Verband der Privatschulen deutlich geworden, dass die parlamentarische Begleitung dieser Reform eine absolute Notwendigkeit ist, die wir im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger nicht der reinen Verwaltung überlassen dürfen. Hierfür bietet eine Enquete-Kommission eine echte Chance, die mit Expertise aus der Praxis - ich meine Praxis und nicht nur die Ebene der Interessenverbände - und vor allen Dingen ressortübergreifend und ausschussunabhängig Handlungsempfehlungen erarbeiten und diese, wenn nötig, vom Landtag beschließen lassen kann.

Deshalb empfiehlt auch meine Fraktion die Überweisung in den Ausschuss. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine Nachfragen. Dann danke ich Frau Dr. Späthe für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht noch einmal der Abg. Herr Knöchel. Bitte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich hatte nicht die Illusion, dass wir uns über die Fragen im Gesundheitswesen sofort einig werden. Deswegen macht es Sinn, dass wir darüber noch einmal im Ausschuss reden. Wir denken schon, dass die Diskrepanz zwischen 35 Millionen € im Landeshaushalt und Forderungen der Krankenhäuser in Höhe von 190 Millionen € einer Evaluierung bedürfen.

Ich danke Ihnen zunächst für Ihre Ausführungen. Natürlich wird viel gemacht in diesem Land. Es