Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

Bibliotheken sind die mit Abstand am stärksten genutzten Bildungs- und Kultureinrichtungen. Sie garantieren den freien Zugang zu Bildung und Wissen. Die Frage jedoch ist: Wie wollen wir Teilhabeverluste minimieren, wenn in den vergangenen Jahren öffentliche Bibliotheken vermehrt Nutzungsgebühren erhoben haben?

So auch in Sachsen-Anhalt. Von den im Jahr 1990 erfassten 127 hauptamtlich geleiteten Bibliotheken haben laut Antwort der Landesregierung nur sechs Bibliotheken Nutzungsgebühren für die Ausleihe ihres Medien- und Bücherbestandes erhoben. Im Jahr 2017 erheben von den 73 erfassten hauptamtlich geleiteten kommunalen Bibliotheken bereits 55 Bibliotheken Nutzungsgebühren. Das ist schon ein enormer Anstieg.

Aber, meine Damen und Herren, wenn wir wollen, dass Bibliotheken vor allem für unsere Kinder und

Jugendlichen offenstehen, darf es einfach keine finanziellen Hürden geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der dritte Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfs liegt in der Qualitätsentwicklung. In § 1 des aktuell gültigen Bibliotheksgesetzes haben wir die Bibliotheken seinerzeit klar als Bildungseinrichtung definiert. Wörtlich heißt es im Gesetz dazu:

„Die Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen und dienen der Förderung der kulturellen Betätigung aller Einwohnerinnen und Einwohner. Sie sind Informations-, Kommunikations- und Lernorte und entsprechend ihren Aufgaben wichtige Kooperationspartner für andere Einrichtungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur.“

Wenn wir also Bibliotheken klar als Bildungseinrichtungen betrachten und das so im Gesetz festgeschrieben haben, müssen wir als Land auch ein Interesse daran haben, dass entsprechende Qualitätskriterien eingehalten werden. Um es zugespitzt zu formulieren: Wir wollen nicht, dass in irgendeiner Stadtverwaltung ein Bücherregal steht und man das als Bibliothek bezeichnet. Wir wollen Kriterien gesetzlich verankern, die eingehalten werden müssen, wenn das Land Bibliothekseinrichtungen fördern soll.

Als gutes Beispiel hierfür dient für uns das Musikschulgesetz des Landes. Auch hier haben wir gesetzlich festgeschrieben, welche Qualitätsstandards erfüllt werden müssen, um die entsprechende Landesförderung zu erhalten.

Auch bei den Musikschulen handelt es sich um kommunale Einrichtungen, die vom Land gefördert werden. Insofern lassen sich beide Sachen ganz gut miteinander vergleichen.

Mit dem Musikschulgesetz haben wir insgesamt seit seinem Inkrafttreten recht gute Erfahrungen gemacht. Also warum dieses Modell nicht auch bei anderen Kultursparten anwenden?

Als Land sollten wir immer die Bereitschaft signalisieren, Bibliotheken auch finanziell zu unterstützen und zu fördern, aber nur dann, wenn die Qualität stimmt. Als Kriterien haben wir formuliert: regelmäßige Öffnungszeiten, aktueller Bestand, angemessene Personalausstattung auch hinsichtlich der fachlichen Qualifikation, geeignete Räumlichkeiten und Ausstattung. Das sind quasi Grundbedingungen; diese sollten eigentlich von allen öffentlichen Bibliotheken erfüllt und eingehalten werden. Im Übrigen sind dies auch die Forderungen des Bundesbibliotheksverbands.

Meine Damen und Herren! Mit der Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage liegt

ein gut verwertbares Datenmaterial vor. Hiermit lässt es sich auch für uns als Fraktion gut arbeiten.

Einen herzlichen Dank an dieser Stelle an die Staatskanzlei, an deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns mit dem Zusammentragen des umfangreichen Zahlenmaterials sehr geholfen und dies zusammengestellt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Gesetzentwurf ist quasi das Resultat auf die Antworten, die Sie uns gegeben haben.

Ich bitte deshalb um Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Kultur sowie zur Mitberatung in den Finanzausschuss. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Warten Sie, Herr Gebhardt, es gibt eine Frage von Herrn Loth. Sie können danach entscheiden, ob Sie antworten möchten.

Na klar.

Herr Loth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Gebhardt, Sie sagten, es gebe in Deutschland 4,4 Millionen Kinder, die in Armut leben; das sei schlimm genug. Wie viele Kinder sind es in Sachsen-Anhalt? Das wäre meine erste Frage. Denn wir sind ja in Sachsen-Anhalt. Wir wollen uns mit der Bibliothek in Sachsen-Anhalt beschäftigen.

Des Weiteren haben Sie gesagt, die Beitragsfreiheit für die Nutzung dieser Bibliotheken soll dazu dienen, dass die Kinder an den Angeboten teilhaben können. Ich frage mich: Ist dieses Angebot vom Teilhabegesetz ausgeschlossen? Oder können die Mittel, die nach dem Bundesteilhabegesetz gewährt werden, für die Teilhabe an Bibliotheken und nicht nur an Sportvereinen verwendet werden?

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Zur ersten Frage. Die Zahlen, die ich zur Kinderarmut präsentiert habe, sind relativ neu; diese entsprachen dem kürzlichen Bericht des Kinderschutzbundes. Auf diese Quelle habe ich mich gestützt.

Ob der Kinderschutzbund die Zahlen auf Sachsen-Anhalt heruntergebrochen hat, entzieht sich

meiner Kenntnis. Ich kenne sie nicht. Ich kenne nur die Gesamtzahl in der Bundesrepublik; diese habe ich hier gebracht. Ich konnte keine Zahlen für Sachsen-Anhalt nennen, weil sie uns nicht vorlagen. Aber es wäre mit Sicherheit interessant, das zu recherchieren.

Zur zweiten Frage. Das beruht auf Erfahrungswerten. Ich will ein Beispiel nennen. Aus der Stadtbibliothek Magdeburg wurde uns das so klar so berichtet. Kinder bis zwölf Jahre sind Dauerkunden in einer Bibliothek. Ab dem Moment, in dem - wie in Magdeburg ab einem Alter von zwölf Jahren - Nutzungsgebühren erhoben werden, bleibt ca. die Hälfte der Kinder weg, auch wenn es nur 5 € sind. Denn sie sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern ihnen die 5 € mitgeben. Die Kinder verdienen noch nichts.

Daher sagen wir: Kinder, die logischerweise noch nichts verdienen, dürfen nicht in Abhängigkeit vom Geldbeutel ihrer Eltern Bildungseinrichtungen besuchen oder nicht. Das ist der Grundsatz. Wir wollen versuchen, den hier zu verankern.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann können wir in die Debatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht Staatsminister Robra.

Schönen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, welchen Standard und welche Ausgestaltung die 698 Bibliotheken damals gehabt haben, die auf der Grundlage der Verordnung des Ministerrats über die Aufgaben des Bibliothekssystems bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR eingerichtet worden waren. Ich weiß aber, dass die 73 hauptamtlich geleiteten und 109 neben- und ehrenamtlich geleiteten Bibliotheken, die wir heute haben, bereits hohen Ansprüchen genügen.

Das liegt daran - das will ich ausdrücklich mit einem Dank an die kommunalen Träger des Museumswesens bei uns und mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sagen -: Die Bibliotheken, die wir jetzt haben, entsprechen den höchsten Standards. Ich kann deswegen nicht wirklich nachvollziehen, warum wir mit staatlich gesetzten Qualitätsstandards die Kommunen unter Druck setzen sollen, hier noch mehr oder anderes, vermeintlich Besseres zu tun, als die Bibliotheken schon tun.

Ich habe einige dieser Bibliotheken besucht und war wirklich sehr positiv überrascht von dem, was ich dort sehen und erleben durfte. 116 000 registrierte Nutzer, die wir haben, haben - auch das ist eine große Leistung des Gesamtsystems ein

schließlich des Bibliotheksverbandes, den ich gern in meinen Dank einbeziehen will, und der Landesfachstelle, der auch Dank gebührt - alle Zugang zum Onleihe-Verbund. Dieser OnleiheVerbund ist Tag und Nacht geöffnet. Ich kann Tag und Nacht Bücher ausleihen.

Das gibt es wahrscheinlich nicht in allen Bundesländern. Insgesamt sind 5,8 Millionen Medien aus unseren Bibliotheken ausgeliehen worden. Fast 8 900 Veranstaltungen wurden für alle Bevölkerungsschichten durchgeführt, 60 % dieser Veranstaltungen für Kinder. Diese Veranstaltungen werden in nicht seltenen Fällen auch vom Land aus der Kulturförderrichtlinie gefördert. Wir haben ein breites Spektrum an Initiativen, aber auch ein breites Spektrum an Unterstützung.

Herr Gebhardt, ich will mit dem Eindruck aufräumen, den Sie hier - vielleicht auch ungewollt - erweckt haben. Wir haben ein sehr gutes Bibliotheksgesetz. In § 10 Abs. 3 dieses Bibliotheksgesetzes heißt es:

„In Bibliotheken ist die Nutzung des Bücher- und Medienbestandes ohne Ausleihe kostenfrei.“

Also all das, was die Kinder, die Jugendlichen, im Übrigen auch die Erwachsenen, in der Bibliothek lesen und beispielsweise an Tageszeitungen aus aller Welt, wenn sie bereitstehen, nutzen können, kostet nichts.

Für die Ausleihe dürfen - mit Ausnahme der Schulbibliotheken, die kostenlos sind; die haben wir auch noch - sozial ausgewogene Nutzungsentgelte und -gebühren erhoben werden. Das heißt, die Kommunen haben es in ihrer eigenen Verantwortung, das zu tun oder zu lassen und dabei alle Gesichtspunkte, die überhaupt nur berücksichtigt werden können, einzubeziehen.

Das ist, glaube ich, der wesentliche Unterschied zwischen den Christdemokraten und der LINKEN. Wir wollen nicht alles von oben, nicht alles vom Staat, nicht überall staatliche Vorgaben und nicht alles umsonst. Das mag von denjenigen abgewogen werden, die vor Ort verantwortlich sind, die auch ihrer Verantwortung in sozialer Hinsicht sehr gut gerecht werden.

Und auch das noch: Staatliche Standards zu setzen, heißt immer auch Bürokratie, heißt Rechenschaftslegung, heißt Überprüfung, heißt am Ende möglicherweise Sanktionierung mit allen Rattenschwänzen gerichtlicher Verfahren, die es geben kann. Das würde ich mir, dem Bibliothekswesen und den Kommunen wirklich gern ersparen wollen.

Ein wichtiger Unterschied zwischen dem Bibliothekswesen und dem Musikschulwesen besteht darin, dass es auch private Musikschulen gibt, die

sich nach dem Musikschulgesetz zertifizieren lassen können.

Im Bibliothekswesen haben wir ausschließlich kommunale Bibliotheken. Es ist gut und richtig, dass das Land diese unterstützt. Aber die Verantwortung sollte weiterhin bei den Kommunen liegen.

Spannend wäre für mich gewesen, Herr Gebhardt - darauf hatte ich mich, ehrlich gesagt, ein bisschen gefreut -, dass wir in dieser Diskussion zu der Großen Anfrage auch über die zeitgemäßen, die aktuellen Herausforderungen an Bibliotheken diskutieren.

Das Bibliothekswesen steht vor der allergrößten Herausforderung wegen der Digitalisierung, weil es all das, was es dort gibt, im Prinzip auch im Internet gibt.

Für mich ist die spannende Frage, wie wir die Smartphone-Generation der jungen Menschen wieder zum Lesen des - sprichwörtlich - guten alten Buches motivieren,

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

damit sie nicht immer nur am Smartphone kleben. Das ist die eigentliche Herausforderung.