Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Da sind wir in Sachsen-Anhalt, Gott sei Dank, schon etwas weiter. Wir haben seit 2008 ein Informationszugangsgesetz. Dieses soll nun zu einem Transparenzgesetz fortentwickelt werden, wozu der vorliegende Gesetzentwurf augenscheinlich dienen soll. Diesem Anspruch kann er aber offenbar nicht wirklich gerecht werden. Diese Bewertung treffe ich nicht ausschließlich als Politikerin dieses Bundeslandes, sondern in erster Linie als Bürgerin dieses Landes.

(Zustimmung bei der AfD)

Für mich ist der Zugang zu den Informationen des Landes, in dem ich lebe, zu seinen Eigenbetrieben, Gemeinden und Landkreisen, vor allem aber das Erlangen von Umweltinformationen momentan ein haarsträubender Vorgang.

Sinn und Zweck eines Informationsfreiheitsgesetzes ist in erster Linie die Herstellung von Transparenz. Was schafft Transparenz? - Na, Vertrauen. Und wo herrscht genauso selten Vertrauen wie in der Politik? - Ganz klar: in der Verwaltung.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Im AfD-Lan- desverband!)

- Ja, das meinen Sie.

(Zuruf von der AfD: Ich habe Sie richtig vermisst, Herr Striegel! - Zurufe von der CDU)

- Richtig. Es war ziemlich still, als Sie nicht hier waren. Aber jetzt haben Sie mich um meine Redezeit gebracht.

Mithilfe von wenigen Mausklicks möchte ich über den Regionalen Entwicklungsplan informiert werden, dann weiter zum Flächennutzungsplan meiner Gemeinde, wo ich die geplanten sowie die bestehenden Wohn- und Industriegebiete, die Vorrang- und Schutzgebiete einsehen kann oder gar die städtebaulichen Ziele des B-Plans meiner Gemeinde verfolgen kann. Falls ich selbst bauen möchte, könnte ich zu meiner ausgewählten Fläche entnehmen, ob ich mich in einem Hochwasserrisikogebiet oder neben einem Windvorranggebiet befinde oder ob seit 20 Jahren eine neue Umgehungsstraße in Planung ist.

Ein derartiger freier Zugang würde vermutlich den unteren Behörden sehr viel Zeit ersparen, wenn mir das alles via Open Data frei zur Verfügung stehen würde. Ich könnte mir Karten ansehen, die aktuellen Wirtschaftspläne der Anstalten des öffentlichen Rechts, der Eigenbetriebe oder Kammern. Ich könnte studieren, wie sich die Mitgliedsbeiträge und Gebühren zusammensetzen und auf welcher Grundlage sie beruhen.

Ich möchte auch sehen, welche Fördermittel in welcher Höhe an Unternehmen und Konzerne in meiner Region gegangen sind und welche Vereine und Verbände mit welchem konkreten Projekt durch das Land gefordert wurden. Ich möchte nicht nur die Tagesordnung meines Gemeinderats und meines Kreistags lesen dürfen, sondern ich möchte auch wissen, mit welchem Abstimmungsergebnis die Sitzungen endeten. Ich möchte alle Gutachten, Studien und Statistiken, die das Land in Auftrag gegeben hat, lesen können,

(Marco Tullner, CDU: Alle?)

und dies nicht gestückelt ab einem Wert über 20 000 €. Ich möchte nicht nach kleinen Artikeln in Tageszeitungen, nach öffentlichen Bekanntmachungen, zum Beispiel zu Versteigerungen, Verbandsversammlungen oder Versammlungen von Planungsgesellschaften, suchen müssen, sondern sie mit ein paar Klicks auf meinem Rechner einsehen und mittels Verlinkung zu den entsprechenden Verbänden oder Betreibern kommen können.

Als Steuern zahlender Bürger ist es mein Recht, Informationen meiner Verwaltung und meiner Umwelt anonym, frei zugänglich und gebührenfrei abrufen zu können. Ich möchte zentriert auf ein großes Register zugreifen und die für mich wichti

gen allgemeinen Informationen und Umweltinformationen verwenden dürfen.

All das beinhaltet dieser Gesetzentwurf leider noch nicht. Wir wollten ihn zwar ablehnen, aber mit einer Überweisung in die Ausschüsse gebe ich mich zunächst zufrieden und empfehle dies meiner Fraktion. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, das Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zu einem Transparenzgesetz fortzuentwickeln. Ja, wir sind ständig dabei; die Daten hat der Minister genannt hat. Wir haben eine Änderung dieses Gesetzes am Anfang dieses Jahres beschlossen. Wir haben im letzten Jahr einen Beschluss im Landtag gefasst, der uns auf genau diesen Weg bringt. Wir sind ständig dabei, die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Transparenzgesetz zu erweitern und zu verbessern. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg.

Wir wollen wirklich von dem Informationszugangsgesetz zu einem Informationsfreiheitsgesetz, eben zu einer öffentlichen Transparenz unserer Verwaltung, kommen. Dieses kann und muss ein Beitrag für eine moderne Demokratie in unserem Land sein. Transparenz stärkt das Vertrauen in die Politik und in die Verwaltung. Dabei sind wir weiter auf dem Weg.

Bürgerbeteiligung lebt natürlich auch vom Bürgerwissen und das Wissen kann nur durch Informationen erlangt werden. Ein mündiger Bürger ist ein gut demokratischer Bürger.

Die Umsetzung des Beschlusses vom Mai 2017 ist jetzt wiederum ein Teil dieses Gesetzentwurfs. Insbesondere die unter Nr. 3 des Beschlusses vereinbarte Bereitstellung aller digital vorliegenden Informationen aus der Landesverwaltung in einem Landesportal ist wichtig. Der Minister hat in seiner Rede sehr viel über die technischen Daten und die technische Ausführung berichtet.

Dass die Gebührengrenze, die wir schon im Januar dieses Jahres eingeführt haben, nunmehr auch für die Landesverwaltung gilt, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir haben natürlich auch das E-GovernmentGesetz weiterhin in der Beratung. Wir wissen, zu welchen Ergebnissen die Anhörung zum

E-Government-Gesetz geführt hat. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen vereinbart, dass der Gesetzentwurf weitgehend überarbeitet wird, dass er neu erarbeitet und neu vorgelegt werden wird; denn auch wir sehen, dass das Auseinanderfallen von Landesverwaltung und Kommunalverwaltung nicht hingenommen werden kann.

In der letzten Sitzung des Umweltausschusses haben wir darauf hingewiesen, dass eine Zusammenlegung des Informationszugangsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes möglich und wünschenswert ist, allerdings nach der Änderung der bundesgesetzlichen Regelung.

All das sind Schritte in die richtige Richtung. Deshalb beantrage ich hiermit eine Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Finanzausschuss. Ich bitte um Zustimmung zu der Überweisung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich sehe keine Fragen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! In der Tat, ein demokratisches Gemeinwesen lebt von der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Tatsächlich ist Voraussetzung für demokratische Politik, dass sie kontrollierbar ist, und zwar durch die Bürgerinnen und Bürger, und für jeden und jede nachvollziehbar.

In diesem Fall geht es nicht um das politische Nachvollziehen-Können, sondern um den Zugang zu Informationen; das ist beschrieben worden. Frau Schindler, Sie haben das sehr deutlich gemacht: Klar ist Transparenz das Gebot der Stunde. Das Problem ist: Mit dem Gesetzentwurf, den Sie hier heute vorlegen, sind wir davon wirklich noch weit entfernt.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn natürlich muss sich ein modernes Informationszugangsgesetz messen lassen an dem Wert der Transparenz und daran, was es dazu beitragen kann, Transparenz herzustellen. Es ist auch schon erwähnt worden: Eigentlich ist es schon bezeichnend genug, dass wir nach wie vor über das Informationszugangsgesetz reden und nicht über ein Transparenzgesetz. Das wäre angezeigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Von diesem Ziel ist Sachsen-Anhalt leider noch meilenweit entfernt.

Es lohnt sich, die Empfehlungen des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit, die im Übrigen nicht neu sind, noch einmal anzuschauen. Ich möchte einige zitieren; sie sind seinem vierten Tätigkeitsbericht entnommen. Er sagt darin:

„Das IZG LSA muss zu einem echten Transparenzgesetz mit einem gesetzlich geregelten Transparenzregister weiterentwickelt werden.“

„In dem neuen Transparenzgesetz muss nicht nur ein Transparenzregister geregelt werden, es müssen auch die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden.“

„Die Ausschlussgründe des IZG LSA bedürfen einer grundlegenden Überarbeitung [...] Zu viele [...] Ausschlussgründe konterkarieren Open Data, Open Government und damit Bürgerbeteiligung und Demokratie.“

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ein anderes Zitat aus seinem Bericht lautet:

„Die Bereichsausnahmen im IZG LSA, insbesondere für den Verfassungsschutz und die Finanzverwaltung, gehen zu weit und sollten in einem neuen Transparenzgesetz durch Einzelfallprüfungen ersetzt werden.“

(Zustimmung bei der LINKEN)

In all diesen Forderungen hat der Beauftragte für die Informationsfreiheit selbstverständlich recht. Ich sagte es schon, sie sind nicht neu, sie sind lange bekannt.

Es ist wirklich bezeichnend für die Qualität des Entwurfes eines Informationszugangsgesetzes, den wir heute behandeln, dass nichts an diesen Empfehlungen abgemildert, dass nichts umgesetzt ist, dass die Landesregierung wieder dem Rat der Fachleute nicht folgt. Das ist bedauerlich.

Natürlich muss es das Ziel der Ausschussberatungen sein, hierbei noch zu Änderungen zu kommen. Wir werden uns einer Beratung im Ausschuss nicht verwehren; im Gegenteil. Ich will an dieser Stelle schon ankündigen, dass wir eine Anhörung - in dem Fall auch einmal eine richtige Anhörung, liebe SPD - beantragen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die Res Publica in ihrem eigentlichen Sinn hat nur eine Zukunft, wenn Öffentlichkeit und Transparenz leitende Prinzipien des staatlichen Handelns sind. Wer Bürger oder Bürgerin in Sinne eines Citoyen sein will, braucht Informationen über die öffentlichen Angelegenheiten, auch damit sich die Identifikation mit dem Gemeinwesen weiterentwickeln kann.