Protokoll der Sitzung vom 24.10.2018

Jetzt frage ich Sie, Herr Gürth: Ist es nicht vielleicht so, dass gerade der Verlust von Klartext auch in Ihrer Partei, der Union, von klaren Ansagen gegenüber einem linksradikalen politischen Gegner gerade dazu geführt hat, dass die CDU ihre Position nicht behaupten konnte und immer weiter nach links abgerutscht ist? Ist das nicht vielleicht ein Problem?

Herr Poggenburg, ich denke, wir sollten uns auf diesen Tagesordnungspunkt beziehen.

Auf die Aussage.

Ja, aber Sie gehen in eine ganz andere Richtung.

Ja, das war die Aussage. - Gut, dann bin ich fertig.

Gestehen Sie der AfD nicht zu, das vielleicht anders machen zu wollen?

Herr Gürth.

Verehrter Kollege Poggenburg, in der freien Gesellschaft, in der wir leben, in der Rechtsstaatsinstitutionen und auch die Polizei unsere Freiheit garantieren, auch wenn sie von Extremisten von links und rechts angepöbelt werden, kann man viel sagen und viel tun. Ihnen steht vieles zu; das ist überhaupt keine Frage.

Aber in der politischen Bewertung dessen, was Sie sagen und was Sie tun, müssen Sie sich auch Kritik gefallen lassen. Es ist nicht allein fehlender Klartext, der für die Verluste bei der Zustimmung der Wähler zu bestimmten Parteien, auch zu der CDU, verantwortlich ist. Das ist mit Sicherheit eine Summe von Gründen.

Egal was Klartext von der Definition her für Sie bedeutet, es wird Ihnen niemand absprechen, Klartext zu reden, es wird Ihnen auch niemand absprechen, pointiert und auch mal nachdrücklich das auszudrücken, was Ihnen politisch am Herzen liegt. Aber wenn Sie mehr und mehr für das, was Ihnen politisch am Herzen liegt, Vokabulare - ich meine nicht Volksgemeinschaften - benutzen, die zu Beginn des Dritten Reiches, in den späten 20er-, in den 30er- und in den 40er-Jahren O-Ton nationalsozialistischer Propaganda waren, dann muss man darauf hinweisen und dem entgegentreten.

Kollege Poggenburg, wir haben vielleicht am Wochenende ab und zu doch ein bisschen mehr Zeit. Es ist von der Abiturientenrede Goebbels bis zu vielen Schriften alles erhältlich. Es lohnt sich, da nachzulesen. Wenn Sie da verfolgen, wie sich das Vokabular in einer aufgeheizten Stimmung zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, das ohnehin unvorstellbar radikaler war als das, was man heute verwendet, entwickelt hat, werden Sie feststellen, wie viel verrohter, wie viel hemmungsloser es war in einem Punkt, der uns wichtig ist, und zwar darin, dass die persönliche Würde Andersdenkender immer weniger eine Rolle spielte, dass der Mensch als Individuum nichts war, dass ein Menschenleben nichts galt. Das stand am Ende eines solchen Prozesses der Verrohung der Worte. Deswegen kann ich nur mahnen, bei der Wortwahl - so herzhaft und leidenschaftlich wir für unsere Ideen auch eintreten - nicht ein Vokabular zu verwenden, das zur

schlimmsten Katastrophe des letzten Jahrhunderts geführt hat.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Die Antragstellerin hat natürlich auch das Recht - -

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, meldet sich zu Wort)

- Entschuldigung, ich habe Frau Lüddemann vergessen, Herr Gürth. - Entschuldigung noch einmal, Frau Lüddemann.

Kein Problem, Frau Präsidentin. Vielen Dank für die Worterteilung.

Bitte.

Ich will auf eine Frage an den Kollegen Gürth verzichten. Meine Kollegin Frau Frederking hat bereits in ihrer sehr ruhigen und dezidierten Art versucht, mit ihrer Frage auf den Kern der Diskussion zurückzukommen. Dem haben Sie, Herr Gürth, sich verweigert; das würden Sie vermutlich ein weiteres Mal tun.

Ich will ebenfalls sehr ruhig und dezidiert für meine Fraktion ganz klar sagen: Niemand von uns hat sich in irgendeiner Weise bewertend zu den Texten der hier in Rede stehenden Band geäußert. Das haben wir sehr bewusst nicht getan. Dazu kann und muss man an anderer Stelle eine Diskussion führen.

(Zurufe von der AfD)

Dazu haben wir auch eine klare Bewertung. Ich persönlich würde so ein Konzert freiwillig nicht besuchen. Aber jetzt hat die Diskussion einen anderen Kern. Genau das ist es, wonach die Kollegin Frederking gefragt hat. Der Kollege Gürth hat hier versucht, vom Kern der Diskussion abzulenken. Darin geht es dezidiert um Kunstfreiheit, um Rundfunkautonomie und darum, was wir unserem Staat an Schutz von Institutionen zutrauen; das ist der Kern. Diese Diskussion in SachsenAnhalt werden wir, die GRÜNEN - das verspreche ich und sage es sehr deutlich -, weiterführen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Herr Borgwardt möchte als Fraktionsvorsitzender das Wort ergreifen. Bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Ich wollte es eigentlich aus mehreren Gründen nicht noch einmal ergreifen. Aber der letzte Hinweis von der Kollegin Lüddemann nötigt mich dazu.

Das genau ist nicht unser Ansinnen. Unser Ansinnen als CDU-Fraktion war immer - wir sagen das quasi gebetsmühlenartig -, deutlich zu machen, dass wir es als Problem ansehen, wenn man Unterschiede zwischen den Formen von Extremismus macht.

Wir haben gegen jede Form von Extremismus etwas. Wir können auch nicht verstehen, dass - wie ich letztens gelesen habe - jemand meint, eine extremistische Band müsse man generell auftreten lassen. Zumindest ist der Kollege Striegel in der „Volksstimme“ entsprechend zitiert worden. Es ist für mich völlig unverständlich, wie lang die Halbwertzeit ist, wenn irgendeine rechte Band wieder etwas macht. Das muss man selbst bewerten. Ich hätte so eine Aussage nicht gemacht.

Ich will aber nachdrücklich für die CDU-Fraktion hier sagen: Das ist das, was den Unterschied innerhalb der Koalition ausmacht, wenn wir als CDU meinen, dass es eben keine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen das staatliche Gewaltmonopol gibt.

Sie haben vorhin in Ihrem Diskussionsbeitrag, Herr Striegel, so einen kurzen Anflug, als Sie gesagt haben: „Das rechtfertigt manchmal auch die Möglichkeiten, wie man zivilen Ungehorsam …“

(Zurufe von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ihr Argument kennen wir aus der Hausbesetzerszene; das können Sie nachlesen. Auch das war so ein Punkt, der mir da aufgefallen ist.

Ich sage es noch einmal deutlich: Für uns gibt es keine Rechtfertigung - mit welcher politischen Rechtfertigung auch immer -, irgendeinen Deut zuzulassen, wo das Gewaltmonopol liegt. Das liegt nämlich allein beim Staat. Es gibt keine Aushebelung in diesem Punkt.

Da haben wir Unterschiede; die müssen wir akzeptieren. Aber Sie bringen uns mit der Weise, wie das jetzt gesagt wurde, nicht dazu, dass wir hieran irgendwas relativieren. Wir relativieren hieran gar nichts. Für uns ist jede Form von Extremismus nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Wir sind am Ende der Debatte angekommen. Ich habe schon angekündigt, dass die Antragstellerin das Recht hat, zum Schluss zu erwidern. Das wird jetzt

Frau Quade für die Fraktion DIE LINKE tun. Ich wollte nur warten, bis Sie hier vorne sind. Bitte, Frau Quade.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! „Die Nazis als Kulturberater […] Na schönen Dank, wir wünschen viel Spaß in der Zukunft (und sehen die Vergangenheit?)“ - damit hat die Band Feine Sahne Fischfilet im Grunde das, was zu dieser Debatte zu sagen ist, auf den Punkt gebracht.

(Zurufe von der AfD)

Auffällig ist allerdings, dass dieselben Leute, die alles immer nicht so gemeint haben wollen, die NS-Vokabeln strategisch benutzen und sich zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt fühlen, wenn man ihnen das vorwirft, hier einen gänzlich anderen Maßstab anlegen. Sie fordern, Kunst wörtlich zu nehmen, und verwahren sich gleichzeitig dagegen, als Politiker an den eigenen Worten und Taten gemessen zu werden. Das ist eine bigotte Strategie.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wird immer nur dann genutzt,

(Zuruf von der AfD: Ach, was!)

- selbstverständlich! - wenn es ins politische Konzept passt.

Weil so viele Songtexte zitiert wurden, will auch ich einen Songtext zitieren.

(Zuruf von der AfD)

„Ein kleiner Schnitt und du wirst geil / Der Körper schon total entstellt / Egal - erlaubt ist was gefällt / Ich tu Dir Weh / Tut mir nicht leid /Das tut dir gut / Hört wie es schreit“

Das ist in der Tat ein Text der sehr populären und ebenfalls sehr kontrovers diskutierten Band Rammstein, die,

(Unruhe bei der AfD - Zuruf von Mario Leh- mann, AfD)

wie wir sehen, auch hier im Plenum Fans hat. Nehmen Sie, Herr Lehmann, das wörtlich? Nehmen Sie das wörtlich, meine Herren von der CDU?

(Andreas Schumann, CDU, schüttelt den Kopf - Zurufe von der AfD)

Warum wollen Sie immer nur dann, wenn es in die politische Strategie passt,