Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie konnte es eigentlich überhaupt zu dieser Situation kommen, die wir alle kritisch sehen und ansprechen? Ich denke, viele von uns hatten schon Kontakt mit dem Verein der in der DDR geschiedenen Frauen, nicht zuletzt im Rahmen eines Schreibens der Gruppe Magdeburg des Vereins vom 25. September 2018. Es ist durchaus zu vermuten, dass auch der heute vorliegende Antrag seinen Ursprung in diesem Schreiben hat.
Bei allem, was der Einigungsvertrag geregelt hat, gehört die Überleitung der Rentenansprüche für zu DDR-Zeiten geschiedene Frauen zu denjenigen Regelungen, die bedauerlicherweise gefehlt haben.
Das aus der Sicht der betroffenen Frauen und vermutlich auch einiger betroffener Männer bestehende Unrecht bedingt sich im unterschiedlichen Rentenrecht in der ehemaligen DDR und im bundesdeutschen System. Während in der DDR die letzten 20 Arbeitsjahre maßgeblich für die Rentenberechnung waren, zählt im heutigen System die gesamte Erwerbsbiografie des Rentenberechtigten.
Auch wenn die Gleichstellung von Männern und Frauen in der DDR recht fortgeschritten war, war sie bei Weitem nicht so glanzvoll, wie sie mancher noch heute darstellen möchte. So waren es in der DDR vor allem die Frauen, die zum Beispiel wegen der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen daheimblieben oder verkürzt arbeiteten - mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Rentenbezüge.
Den im Jahr 1970 in der BRD eingeführten Versorgungsausgleich zum Ausgleich der unterschiedlichen erworbenen Versorgungsansprüche während der Zeit der Ehe kannte das DDR-Recht nicht. Dieser trat endgültig auch erst am 1. Januar 1992 in den fünf neuen Bundesländern in Kraft.
Ob die veröffentlichte Zahl von 300 000 betroffenen Frauen richtig ist, lässt sich nur noch schwer überprüfen, aber nehmen wir an, diese Anzahl ist so groß. Dann muss die geschilderte Lösung jetzt schnell umgesetzt werden, damit die Betroffenen tatsächlich etwas davon haben. Weitere Verzögerungen darf es aus unserer Sicht nicht mehr geben.
In diesem Sinne bitte ich um eine Beschlussfassung zu unserem Alternativantrag mit folgender Ergänzung: Die Berichterstattung soll nicht nur im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration erfolgen, sondern - das ist mit der Fraktion DIE LINKE abgesprochen - auch im Ausschuss für
Recht, Verfassung und Gleichstellung. - In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und für eine spätere Beschlussfassung zu unserem Antrag.
Danke. - Wir können in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Daniel Rausch.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Frau Bahlmann! Zunächst möchte ich noch einmal aus dem Einigungsvertrag zitieren: „Einen Versorgungsausgleich für vor 1992 in den neuen Bundesländern geschiedene Frauen gibt es nicht.“
Dieser Satz im Einigungsvertrag sorgte für die heute besprochene Rentenungerechtigkeit. Denn es ist ungerecht, wenn für eine im Dezember 1991 in den neuen Bundesländern geschiedene Ehe kein Versorgungsausgleich durchgeführt wird, für eine im Januar 1992 geschiedene Ehe aber schon.
Wir haben es mehrfach gehört: Der Verein der in der DDR geschiedenen Frauen schätzt, dass ca. 300 000 Frauen betroffen sind und dass etwa die Hälfte der Frauen eine Rente unter der Armutsgrenze bekommt, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet hat. Das ist natürlich nicht länger hinnehmbar. Darum fordert die AfD-Fraktion, den betroffenen Frauen den Versorgungsausgleich nicht länger zu verweigern. Die Bundesregierung sollte einen steuerfinanzierten Ausgleichsfonds einrichten, und das ziemlich zeitnah.
Das Problem wurde schon vor Langem erkannt, jedoch immer auf die lange Bank geschoben. Zuerst sollte bis 1997 eine Rentenreform verabschiedet werden, die die frauenspezifischen Elemente des DDR-Rentensystems in das Westrecht überführt. Im Jahr 2000 sollte im Bundestag eine zeitnahe Lösung gefunden werden, und im Jahr 2010 bat der Bundesrat erneut darum, eine Lösung zu finden. Im März 2017 forderte der UNFrauenrechtsausschuss Deutschland auf, einen Ausgleichsfonds einzurichten.
Im Dezember 2017 wurde von der LINKEN ein ähnlicher Antrag im Bundestag gestellt. Der Titel lautete damals: Forderung der Vereinten Nationen zu den in der DDR geschiedenen Frauen sofort umsetzen. Dieser Antrag wurde in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen, dort am 28. Februar 2018 beraten und von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP abgelehnt. Die Fraktionen der AfD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprachen sich für den Antrag aus. Der Antrag war erledigt
und am 14. Juni 2018 gab es auf verschiedene Initiativen hin im Bundestag erneut ein Gespräch zum Rentenrecht.
Hier im Landtag werden eindeutig schöne und warme Worte ausgesprochen, aber in Wirklichkeit wird knallhart auf Zeit gespielt. Alle Bundesregierungen seit 1990 haben dieses Problem bisher erfolgreich ausgesessen. Jetzt muss endlich eine Lösung her.
Meine Damen und Herren! Nachdem die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestagsausschuss für die gleiche Sache gestimmt hat, bin ich heute voller Hoffnung, dass sie sich auch dem Antrag der LINKEN anschließen wird. - Danke schön.
Es gibt keine weiteren Fragen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der friedlichen Revolution war die Zusammenführung von Sozialsystemen im Rahmen der Wiedervereinigung sicherlich eine Herkulesaufgabe. Nicht nur mit dem Rentenüberleitungsgesetz war ein Gesetzgebungsverfahren nötig, das in seiner Komplexität so kaum wieder gesehen worden war. Dadurch ist es durchaus verständlich, dass nicht gleich alle Feinheiten und alle zu bedenkenden Anspruchsgruppen adäquat berücksichtigt wurden. So weit reicht mein Verständnis gerade noch.
Überhaupt nicht verstehen kann ich, dass sich die Betroffenen sofort, als der Einigungsvertrag bekannt geworden war - und das ist fast 30 Jahre her -, gemeldet haben und dass seitdem - das muss man so deutlich sagen - unter unterschiedlichen Bundesregierungen nichts passiert ist, mit dem geradezu zynischen Effekt, dass es heute nur noch 150 000 bis 300 000 Betroffene gibt. Ich glaube, die Zahl ist nicht ganz feststehend; sie ist leider Gottes auch täglich im Wandel, das muss man ganz deutlich sagen.
Die Frauen kämpfen um ihr Recht. Wenn man es zynisch weiterdenkt, wird die Bundesregierung, wenn sie nicht bald handelt, nicht mehr handeln müssen; denn dann hat sich das Problem traurigerweise von selbst erledigt. Das ist bitter und das ist in einem so reichen Land, das sich auch Sozialstaat nennt, schwer auszuhalten. Dann leben nämlich irgendwann schlicht keine Frauen mehr, die nach DDR-Recht geschieden wurden und deren Ansprüche infolge der Wiedervereinigung
grundlegend geändert und reduziert wurden, deren Eigentums- und Vertrauensschutz von der damaligen Bundesregierung einfach außer Kraft gesetzt wurde.
Diese Frauen, die kaum etwas an Rente erhalten, haben all die Jahrzehnte gekämpft. Ich habe höchste Hochachtung vor dem, was diese Frauen geleistet haben, bis hin zum UN-Ausschuss. Diese Frauen haben sich auf durchaus harte Weise mit Landes- und Bundespolitikern angelegt. Das konnte ich selbst erleben; denn seit Anfang der 1990er-Jahre bin ich auf unterschiedliche Weise mit den in der DDR geschiedenen Frauen und dem entsprechenden Verein verbunden.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die damalige grüne Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk sich schon im Jahr 1995 sehr aktiv für die in der DDR geschiedenen Frauen eingesetzt hat. Schon damals war klar: Wir können den Einigungsvertrag nicht mehr ändern; wir brauchen eine politische Lösung und die kann nur über die Herstellung eines Härtefallfonds erfolgen. Es ist bitter, dass sich die Gruppe der Frauen, die sich im Bundestag zusammengefunden hat - das muss man hier so deutlich sagen - nicht gegen die Gruppe der Männer durchsetzen konnte.
Auch auf dem Klageweg haben die Frauen alles ausgeschöpft, was man ausschöpfen kann; zuletzt sogar vor dem UN-Fachausschuss zur Frauenrechtskonvention. Auch dort haben sie vollumfänglich recht bekommen. Der Ausschuss forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, für diese Gruppe von Frauen Abhilfe und Gerechtigkeit zu schaffen. Dem kann ich mich nur voll und ganz anschließen.
Daher ist es nur folgerichtig, dass auch der Landtag von Sachsen-Anhalt nicht zum ersten Mal über diese Traurigkeit - so will ich es einmal formulieren - debattiert und noch einmal ein deutliches Zeichen in Richtung Bundesregierung sendet. Wir brauchen einen Entschädigungsfonds, der alle Frauen einschließt.
Das ist die Lösung. Diese ist seit fast 30 Jahren bekannt. Jetzt muss endlich gehandelt werden. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder erstaunt, auch bei der zuvor geführten Rentendebatte, welche Positionen die AfD-Fraktion bezieht.
- Herr Rausch, ich weiß nicht, ob Sie es gelesen haben. Am 15. Dezember 2018 - es ist noch gar nicht so lange her - gab es ein Interview mit Ihrem Parteivorsitzenden Herrn Meuthen in der „Welt“, in dem er erklärt hat, man müsste in Deutschland das solidarische gesetzliche Rentensystem abschaffen.
- Also, wenn Ihr Vorsitzender damit nur seine Privatmeinung geäußert hat … Ich sehe diese Aussage schon als Position der AfD.
Wenn man sich dieses Interview weiter durchliest, dann stellt man fest, dass alles über Eigenvorsorge geregelt werden soll
und alle, die das nicht können, in die Grundsicherung sollen. Das ist der Tenor dieses Interviews. Deshalb würde ich Sie bitten: Beschäftigen Sie sich einmal mit Ihrer eigenen Rentenpolitik.
Meine Damen und Herren! Das wichtige Thema Rentengerechtigkeit für die zu DDR-Zeiten geschiedenen Frauen hat uns schon an anderer Stelle beschäftigt, zum Beispiel in den Ausschüssen, aber auch im Parlament. Ich sage es sehr deutlich: Auch als Sozialdemokraten in Ostdeutschland haben wir uns zusammen mit unseren Bundestagsabgeordneten immer wieder dafür eingesetzt, dass es hierbei zu einer Lösung kommt und dass wir in diesem Bereich Rentengerechtigkeit herstellen.
Frau Minister Grimm-Benne hat es bereits angesprochen, und ich bin froh, dass es in dieser Angelegenheit in Berlin jetzt auch deutlich Bewegung gibt. Von daher ist es gut, dass wir dieses Thema heute aufgreifen.
In Richtung DIE LINKE will ich sagen: Unsere Anträge unterscheiden sich nur marginal, auch vom Inhalt her. Deshalb könnte man aus meiner Sicht fast beiden Anträgen zustimmen. Aber es ist wichtig, dass wir uns heute positionieren. Es ist endlich an der Zeit, Rentengerechtigkeit herzustellen
Angesichts dessen, dass der Versorgungsausgleich für diese Gruppe von Frauen im Einigungsvertrag nicht vergessen, sondern ausgeklammert worden ist, sehen wir einen deutlichen Handlungsbedarf. Deshalb bekennen wir uns als Sozialdemokraten auch hier zu diesem Thema, und das nicht nur, weil wir im 100. Jahr des Frauenwahlrechts leben, sondern weil wir diese Ungerechtigkeit einfach abschaffen wollen.