Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

(Beifall bei der LINKEN)

Durch das Rentenüberleitungsgesetz aus dem Jahr 1992 ist für diese in der DDR unübliche Regelung keine Anpassung vorgenommen worden. Gleichzeitig wurden frühere Anwartschaften aus der DDR-Rente abgeschmolzen und teilweise sogar gestrichen. Damit sind die im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen Frauen hinsichtlich ihrer Versorgungssituation wesentlich schlechter gestellt als Frauen in den alten Bundesländern. Ist dies nicht ungerecht, meine Herren Abgeordneten?

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

30 Jahre nach der Wiedervereinigung leben von den 800 000 Frauen nur noch 300 000, die dieses Unrecht noch heute jeden Tag zu spüren bekommen. Sie spüren es immer dann, wenn sie mit ihrer knappen Rente überleben müssen, wenn sie sich zigmal überlegen müssen, ob sie ein Weihnachtsgeschenk für die Kinder, die Enkel und Urenkel kaufen können, ohne in den Tagen nach

Weihnachten darüber zu grübeln, was es zu essen gibt oder ob man sich in diesem Monat überhaupt noch den Strom oder die Heizung leisten kann. Aus Scham lehnen sie Einladungen zu Geburtstagen ab, da ein Geschenk als Zusatzausgabe finanziell einfach nicht drin ist. Ist das Teilhabe?

Viele der betroffenen Frauen sind in den Wirren des Krieges oder in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg geboren worden und lebten schon damals in krasser Armut. Heute sind sie wieder von Armut betroffen, aber nur deshalb, weil sie in ihrem Leben selbstbewusst entschieden haben, dass sie mit dem Partner, zu dem einst Liebe bestand, keine Zukunft mehr finden können. Damit haben sie sich oft auch dafür entschieden, die Kinder allein großzuziehen, für deren gute Schulausbildung zu sorgen und dafür an sich selbst zu sparen, sodass es den ehemals Kleinen heute möglich ist, einen nicht unerheblichen Beitrag für unsere Gesellschaft und für unsere Solidargemeinschaft zu leisten. Mehr als 800 000 gut ausgebildete Menschen schaffen einen erheblichen Mehrwert für diese Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu der Zeit, als die lebensprägende Entscheidung der Frauen getroffen worden ist, war das Einkommen der Frauen nicht üppig und oftmals wesentlich geringer als das der Männer, aber es hat gereicht, um sich im Leben einzurichten. Allerdings war es in der DDR für viele Frauen auch üblich, die eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der Erziehung der Kinder zu unterbrechen oder einzuschränken, zumal die Kinderbetreuung erst in den späten 1970er-Jahren flächendeckend möglich wurde. Genau diese Dinge sind es, die bei einem ausbleibenden Versorgungsausgleich die Frauen schlechter dastehen lassen als die Frauen in Deutschland, die einen Versorgungsausgleich für Ehezeiten in der Rente erhalten.

Mit der vollen Härte trifft diese Frauen noch heute ein Satz, ein Satz, ob fahrlässig oder bewusst in einem Vertrag notiert, ein Satz, der spaltet und für Ungerechtigkeit sorgt, fast 30 Jahre lang, bis zum heutigen Tag, nämlich: Einen Versorgungsausgleich für vor 1992 in den neuen Bundesländern geschiedene Frauen gibt es nicht.

Ich persönlich ziehe den Hut vor dem Mut der Frauen, die sich zusammenschlossen und vehement auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machten.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie kämpfen bis zum heutigen Tag, ohne dass sich wirklich etwas an ihrer Situation geändert hat. Ich bewundere den Mut, den die Frauen aufbrachten, als sie sich an die Vereinten Nationen wandten. Ich achte die Entscheidung des Menschen

rechtsausschusses über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, welcher am 9. März 2017 - übrigens einen Tag nach dem Internationalen Frauentag - bestätigte, dass die Bundesregierung nach der verbindlich erforderlichen Umsetzung des UN-Frauenrechtsabkommens den Frauen endlich ihre Rechte zugestehen muss.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Aber wo sind diese Rechte geblieben? - Bisher ist dazu auf der Bundesebene nicht viel passiert. DIE LINKE hat auf der Bundesebene diese Frauen immer unterstützt. Anfang dieses Jahres hat dies auch die CDU in Thüringen getan, nämlich mit dem gleichen Anliegen eines Antrags, wie wir ihn heute in Sachsen-Anhalt stellen, und genau mit der Forderung nach einem Entschädigungsfonds, da eine Härtefallregelung bei Weitem nicht ausreichend ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es geht nicht um Almosen, werte Abgeordnete. Es geht um die Anerkennung von Lebensleistungen, von Erziehungsleistungen und um Entschädigungen für erlittenes Unrecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern die Landesregierung auf, sich auf der Bundesebene dafür einzusetzen, das Unrecht an den in der DDR geschiedenen Frauen zu beenden - so unsere Forderung unter den Punkten 1 bis 3. Unter Punkt 4 fordern wir eine Berichterstattung zur aktuellen Situation der in der DDR geschiedenen Frauen in Sachsen-Anhalt in den Ausschüssen für Arbeit, Soziales und Integration sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung. Wir regen an, in Letzterem ein Fachgespräch mit dem Verein der in der DDR geschiedenen Frauen durchzuführen. Hier könnten wir gemeinsam einen qualifizierteren Beschluss erarbeiten, als ihn der Alternativantrag beschreibt.

Mit der Zustimmung zu unserem Antrag und der klaren Willensbekundung für die Beseitigung des Unrechts an den in der DDR geschiedenen Frauen würden wir uns den Ländern Brandenburg, Bremen, Thüringen und Sachsen anschließen; denn dort wurde bereits ein sehr klares Bekenntnis abgegeben, welches weitreichender ist, als es im Alternativantrag formuliert wurde.

Sie werden sich vielleicht wundern, warum ich heute hauptsächlich die Männer im Hohen Haus angesprochen habe. Bei einem Männeranteil von knapp 80 % in unserem Landtag sind wir im 100. Jahr des Frauenwahlrechts nicht wesentlich weiter als im Jahr 1918. Mit der Zustimmung von jedem Einzelnen von Ihnen zu unserem Antrag würde dieser Erfolg haben und endlich ein kleiner

Schritt in die richtige Richtung sein, geltendes Unrecht fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zu beseitigen. Sie, werte Männer, können heute ein Zeichen für die Frauen setzen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir werden uns bei der Abstimmung zu dem Alternativantrag der Stimme enthalten. Sie sind gefragt, meine Herren und meine Damen Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann können wir jetzt in die Dreiminutendebatte eintreten. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau GrimmBenne. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Thematik, die dem hier vorliegenden Antrag zugrunde liegt, ist leider - das muss man sagen - beinahe so alt wie die deutsche Einheit selbst und wurde auch bereits in diesem Hohen Haus vielfach diskutiert.

Bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag im Jahr 1990 wurde der in der DDR unbekannte Versorgungsausgleich für geschiedene Frauen ausgeklammert. Die Frage sollte zu einem späteren Zeitpunkt geregelt und beantwortet werden.

Das DDR-Recht sah bei einer Scheidung keine Übertragung von Versorgungsansprüchen oder Unterhaltsansprüchen für Frauen vor. Es wurde davon ausgegangen, dass Frauen in der DDR grundsätzlich erwerbstätig waren und ausreichend eigene Rentenanwartschaften aufgebaut hatten.

Allerdings gab es auch in der DDR Frauen, die nicht berufstätig waren, die dann bei einer Scheidung insbesondere nach dem bundesdeutschen Recht oft ohne ausreichende Altersversorgung dastehen und auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind.

Das Institut des Versorgungsausgleichs, das in den alten Bundesländern für Ehescheidungen nach dem 1. Juli 1977 galt, wurde in den neuen Ländern erst zum 1. Januar 1992 eingeführt.

Zuverlässige Aussagen zu der Anzahl der betroffenen Frauen in Sachsen-Anhalt können leider nicht getroffen werden, weil sie statistisch nicht erfasst werden. Denn wenn man das Institut des Versorgungsausgleichs nicht in Anspruch nehmen kann, dann werden diese Daten und diese Frauen nicht erfasst.

Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass, den Angaben des Vereins der in der DDR geschiede

nen Frauen e. V. folgend, derzeit noch ca. 300 000 Frauen im gesamten Bundesgebiet von einer nachträglich einzuführenden versorgungsausgleichsähnlichen Härtefallregelung betroffen wären, wobei allerdings nicht alle geschiedenen Frauen mangels Bedürftigkeit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung haben.

Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2016 festgestellt, dass alle Prüfungen gezeigt haben, dass diese Thematik nicht lösbar ist, ohne an anderer Stelle neue Ungerechtigkeiten zu schaffen. Dennoch kommt nach nunmehr fast 30 Jahren Bewegung in diese Thematik. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist vereinbart worden, für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess einen Ausgleich durch eine Fondslösung zu schaffen.

Sie haben es schon angesprochen: Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen hat am 8. Juni 2018 einen gemeinsamen Antrag von Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Bremen zu einem staatlichen Entschädigungsmodell an die Bundesregierung weitergeleitet. Auch Sachsen-Anhalt hat sich diesem Antrag angeschlossen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unabhängig davon habe ich Herrn Bundesminister Heil im August dieses Jahres angeschrieben, um auf den vom Frauenausschuss der Vereinten Nationen in seiner 66. Sitzung am 20. und 21. Februar 2017 gefassten Beschluss zur Einrichtung eines Entschädigungssystems zur Ergänzung der Renten der in der DDR geschiedenen Frauen hinzuweisen.

Auch die Sozialministerkonferenz - das derzeitige Vorsitzland ist Nordrhein-Westfalen - hat sich im September dieses Jahres an Bundesminister Heil gewandt und für staatliche Entschädigungsleistungen für in der DDR geschiedene Frauen plädiert.

Nunmehr hat es gestern eine Auftaktsitzung der lange erwarteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe

„Härtefonds“ in Berlin gegeben. Unsere Abteilungsleiterin Frau Dr. T. hat daran teilgenommen. Sie hat insoweit mitgeteilt, dass dort erst einmal eine Bestandsaufnahme gemacht worden ist.

Man kann jetzt schon sagen, dass das, was im Koalitionsvertrag des Bundes erfasst worden ist, nämlich nur die Frauen, die sich in der Grundsicherung befinden, bedeuten würde, dass wir nur ca. 10 % der in der DDR geschiedenen Frauen überhaupt berücksichtigen könnten. Deswegen wollen die ostdeutschen Länder und das Bundesministerium noch einmal schauen, ob sie den Koalitionsausschuss bitten, die Regelung eventuell noch etwas zu erweitern, damit man tatsächlich die altgeschiedenen Frauen insgesamt erfasst.

Ich hoffe einfach auf die Koalitionspartner, dass es weitergeht. Denn ich glaube, dass es sonst nach wie vor zu Ungerechtigkeiten kommt. Wir haben zwar den Härtefonds für diejenigen eingerichtet, die sonst gar nicht weiterwissen, aber es ist, denke ich, auch eine Gerechtigkeitsfrage, und wir sollten diesen Auftrag weitergeben. Mehr gab es noch nicht bei der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Aber, ich denke, es ist ein weiterer Schritt, um endlich eine Entschädigungsregelung zu finden.

Wir sind nicht ganz untätig. Ich denke, der Antrag der Regierungsfraktionen ist Ihrem Antrag ähnlich, deswegen freue ich mich, dass wir im weiteren Verlauf über unsere Aktivitäten berichten können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke. - Wir treten nunmehr in die Debatte durch die Fraktionen ein. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Schon häufig haben wir uns mit dem Themenkomplex Rente und Alterssicherung beschäftigt. Inzwischen hat die unionsgeführte Bundesregierung mit dem Leistungsverbesserungs- und -stabilisierungsgesetz ein sogenanntes Rentenpaket vorgelegt, welches wichtige Punkte aufgreift. Dazu gehören unter anderem folgende Sachverhalte: die doppelte Haltelinie beim Beitragssatz- und Rentenniveau, die Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten und die Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten, die Mütterrente II.

Der Bundesrat hat im November 2018 dem Gesetz zugestimmt, sodass es zum 1. Januar 2019 und in Teilen auch erst zum 1. Juli 2019 in Kraft treten kann.

Noch nicht endgültig geklärt ist die Errichtung des Härtefallfonds. Hierzu findet sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD folgende Formulierung: „Für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess wollen wir einen Ausgleich durch eine Fondslösung schaffen.“

Genauso wie bei der Aussage: „Wir wollen schrittweise einen höheren Anteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR übernehmen und damit die ostdeutschen Bundesländer entlasten“, erwarten wir als Koalition auch in diesem Fall von der Bundesebene einen zeitnahen Vorschlag zur Umsetzung dieser Vereinbarung in die Realität. An dieser Stelle verweise ich, wie eben schon die

Ministerin, noch einmal auf den Beschluss der Konferenz der Ministerinnen und Minister für Gleichstellung vom Juni dieses Jahres.