„Den Jugendlichen sind Maßnahmen zur lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung anzubieten.“
„Anders als im Vollzug der Straf- und Untersuchungshaft können den Jugendlichen aufgrund der kurzen Verweildauer“
„grundsätzlich keine Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden, die ihnen den Einstieg in das Schul- und Berufsleben nach dem Vollzug erleichtern.“
Des Weiteren soll - oder meinen Sie - nur ein sehr geringer Teil der jugendlichen Arrestanten noch schulpflichtig sein, und wenn, wird der Arrest nach Möglichkeit in den Ferien vollzogen. Regulärer Unterrichtsbetrieb kann nicht geleistet werden.
Der notorische Schulschwänzer zum Beispiel, der derzeit für seine Verweigerungshaltung und nachfolgendes Begehen von Ordnungswidrigkeiten oder das Nichterfüllen richterlicher Auflagen ohnehin viel zu spät und viel zu selten mit Jugendarrest belegt wird, sitzt in der Anstalt also nicht als Strafe oder zum Nachholen des entgangenen Unterrichts ein, sondern um sein Ehrgefühl und Unrechtsbewusstsein zu wecken. Dies geschieht mit Beschäftigungen wie Sportangeboten, kreativem Basteln oder Kursen zum Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten, zum Beispiel eigenständige Nahrungszubereitung oder Ordnung und Sauberkeit.
Ein weiterer Kritikpunkt ist § 13 Satz 3, die Verpflegung. Dass die Anstalt für gesunde Ernährung zu sorgen hat, ist in unseren Augen richtig und auch selbstverständlich. Dass den Jugendlichen aber ermöglicht werden muss, die Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Aus dieser politisch korrekten Formulierung, Herr Striegel, ließe sich der Anspruch auf eine Sonderverpflegung für einzelne bestimmte Arrestanten herleiten. Dies widerspricht in unseren Augen dem Grundsatz der Gleichbehandlung.
Denn wo, bitte, sollen diese Sonderwünsche dann irgendwann einmal enden? Sollten dieser Klientel unsere Speisen oder die Töpfe, in denen die Verpflegung zubereitet wird, zu unrein erscheinen, dürfen sie sich natürlich sehr gern so verhalten, dass sie erst gar nicht in der Arrestanstalt, sondern weiterhin im Hotel Mama nach Fard, Mandub oder Halal verpflegt werden.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf erfüllt die Landesregierung einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, der in den Koalitionsvertrag Eingang gefunden hat, weil es eine aufgeschobene Sache ist, die wir noch aus der letzten Legislaturperiode zu erledigen haben und die deshalb dringend notwendig und jetzt auch überfällig ist. Deshalb begrüßen wir diesen Gesetzentwurf, der uns nunmehr vorliegt.
Wir haben uns auch in dieser Legislaturperiode mit dem Thema befasst. Es war der Antrag der Fraktion DIE LINKE vor ungefähr eineinhalb Jahren, der schon einmal darauf hinwies, mit welchen Wegweisungen wir in die Beratung zu einem Jugendarrestgesetz gehen.
Beim Jugendarrest ist es oft das erste Mal, dass Jugendliche Maßnahmen des Arrests erleben. Dieser kann von zwei Tagen bis zu vier Wochen dauern. Das ist schon ein gravierender Eingriff in die Rechte von Jugendlichen. Deshalb halten wir es für wichtig, dass dieses Gesetz dem Anspruch gerecht wird, dass es vor allen Dingen um Maßnahmen geht, die es ermöglichen, dass das erste Mal vielleicht auch das letzte Mal ist, eine Arrestmaßnahme über sich ergehen lassen zu müssen.
Darum haben vor allen Dingen die Umsetzung des Erziehungsplans und die erzieherischen Maßnahmen eine besondere Bedeutung. Es muss das
Ziel sein, die Jugendlichen von einem erneuten Fehlverhalten abzuhalten. Deshalb ist es uns und mir besonders wichtig, dass wir bei der Ausgestaltung des Vollzugs einen pädagogischen Ansatz pflegen und dass bei der sozialen Bildung und Erziehung schlussendlich die Förderung der Jugendlichen besonders im Fokus steht.
Heute Morgen haben wir in der Regierungserklärung viel von zeitgemäßer und moderner Justizpolitik gesprochen haben. Dazu gehört eben auch ein moderner Jugendarrest. Deshalb haben wir aus der Sicht der SPD noch entsprechende Hinweise, die wir in die Beratung über den Gesetzentwurf mit einbringen wollen.
Uns fehlt unter anderem die Frage der Evaluation dieses Gesetzes, um sicherzustellen, dass die hierin angekündigten Therapiemaßnahmen ausreichend sind, aber auch regelmäßig evaluiert werden.
Wir haben beim vorliegenden Gesetzentwurf zur Frage des gesonderten, gesicherten Arrestraums Diskussionsbedarf. Die Maßnahme, dass die Jugendlichen bis zu 24 Stunden in diesem gesicherten Arrestraum untergebracht werden können, soll der Abwehr von Gefahren für Personen und Sachen dienen. Die Frage ist, ob der Zeitraum von bis zu 24 Stunden angemessen ist. Das ist aus unserer Sicht deutlich zu restriktiv.
Das wäre mein letzter Satz gewesen. - Ich bitte daher, um dieses alles einzubringen, um Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Finanzen. - Vielen Dank.
Danke. Damit ist der Redebeitrag beendet. Es gibt keine Wortmeldung. - Von der Fraktion DIE LINKE hat die Abg. Frau von Angern das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte für die nächste Lesung schon ankündigen, dass wir dringend fünf Minuten Redezeit brauchten. Aber so viele PGF sind nicht im Raum.
Es ist inzwischen seit mehr als einem halben Jahrzehnt überfällig, dass wir hier in diesem Haus über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für den Jugendarrestvollzug beraten. Im Jahr 2006 stellte der BGH meines Erachtens sehr
deutlich fest, dass jeder Eingriff in ein Grundrecht einer gesetzlichen Regelung bedarf und dass dies selbstverständlich ohne Wenn und Aber für den Jugendstrafvollzug gilt.
Mir hat sich nie erschlossen, warum es bei der Verabschiedung des Justizvollzugsgesetzbuches, das seit dem 1. Januar 2016 in Kraft ist, nicht auch diese Materie gleich mit angegangen wurde und gerade die vom Jugendarrest betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden in diesem aus meiner Sicht verfassungswidrigen Zustand gelassen wurden. Aber bekanntermaßen befinden sich im Jugendarrest im Gegensatz zum Erwachsenenvollzug eher weniger bzw. keine klagefreudigen Personen.
Meine Damen und Herren! In der vergangenen Wahlperiode legte meine Fraktion aus der Opposition heraus - vor sechs Jahren, also bereits im Jahr 2013 - einen eigenen Gesetzentwurf zum Vollzug des Jugendarrests in Sachsen-Anhalt vor. Dieser unterfiel jedoch der Diskontinuität der neuen Wahlperiode.
Dies fiel uns damals politisch nicht leicht, da wir ja das Sanktionsmittel Jugendarrest dem Grunde nach als wirkungslos ablehnen, aber dieser quasi gesetzlose Raum veranlasste uns dazu.
Es gibt noch einige wenige Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, die den Zustand der Jugendarrestanstalt vor einigen Jahren kennenlernen durften bzw. kennenlernen mussten. Es gab dort erhebliche personelle und räumliche Defizite. Es war damals eben nicht die Landesregierung, sondern es waren die rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher, die Alarm schlugen und daraufhin mithilfe des Ministeriums und der JVA Halle eine Veränderung herbeiführten.
Rückblickend muss man feststellen, dass dieser Anstaltszustand eben auch möglich war, weil es kein Gesetz zur Ausgestaltung des Vollzugs des Jugendarrests gab.
Einen eigenen Gesetzentwurf blieb die Landesregierung in der sechsten Wahlperiode schuldig. Man verwies auf eine Arbeitsgruppe der Länder. Doch auch in dieser hielt sich die Arbeitswut in Grenzen. Vielleicht hat man auch gehofft, dass sich der Jugendarrest überlebt, dass er abgeschafft wird.
Allerdings ist dieser Traum ausgeträumt. In dieser Wahlperiode diskutiert man im Bundestag leider wieder über die Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze auf zwölf Jahre - meines Erachtens völlig absurd, unklug und indiskutabel. Aber man merkt, man kann bei diesem Thema nach unserer Meinung klar von anderen lernen. Verschärfte Strafgesetze, härtere Sanktionen und Repressionen haben bisher nirgends zu einer Verringerung der Kriminalitätsquote geführt.
Meines Erachtens sind kluge Präventionsstrategien, frühe Hilfen für Familien, Jugendliche und Schulen gefragt. Das ist der Schlüssel, den wir hierbei brauchen. Deswegen führen wir derzeit parallel im Bildungsausschuss auch die Diskussion zum sogenannten Schülerarrest. Vielleicht bringt uns die Expertinnenanhörung diesbezüglich weiter.
Wir beantragen für diesen Gesetzentwurf, dessen Überweisung in den Rechtsausschuss wir zustimmen werden, auch eine Mitberatung durch den Bildungs-, den Sozial- und den Innenausschuss.
Namens meiner Fraktion möchte ich außerdem schon heute den Wunsch äußern, dass wir uns im Rechtsausschuss auch über die Örtlichkeit des Jugendarrestvollzugs verständigen. Lassen Sie uns diesbezüglich von unseren Ausschussreisen partizipieren.
Andere Länder, wie die skandinavischen Länder, zeigen, was zeitgemäßer, wenn überhaupt erforderlicher Jugendarrest sein kann. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Als GRÜNE unterstützen wir das Vorhaben der Landesregierung, den Vollzug des Jugendarrestes auf eine solide und moderne gesetzliche Grundlage zu stellen. Dabei ist deutlich die Frage nach einer sinnvollen Ausgestaltung des Jugendarrestes zu stellen.
Wir sind uns auch mit der Kollegin von Angern einig, dass straffälliges Verhalten bei jungen Menschen erstens unmittelbare und zweitens spürbare Konsequenzen haben muss. Jeder Mensch muss lernen, dass eigenes Handeln Folgen für einen selbst und für andere Menschen hat. Ein Arrest kann dabei immer nur eine Ultima Ratio darstellen. Eine Tür zu schließen schafft doch keinen besseren Menschen. Der Vorzug vor dem Arrest muss der pädagogischen Intervention und der professionellen Sozialarbeit in- und außerhalb der Schule gegeben werden. Deshalb setzt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eben auch vehement für eine Stärkung der Schulsozialarbeit ein.
Wo der Jugendarrest zu einer schlichten Gefängnisstrafe light wird, kann er keinen positiven Effekt haben. Er wird von den Jugendlichen vielmehr als
eine Gängelung erlebt werden, die eher eine Abwehrreaktion nach sich zieht. Der Arrest bietet hier nicht nur Chancen. Bei schlechter Ausgestaltung hat er durchaus auch das Potenzial, die Situation zu verschlimmern. Dies wurde auch in den Stellungnahmen der Praktikerinnen und Praktiker der Jugendarbeit zum Gesetzentwurf der Landesregierung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Das Ziel muss es also sein, den Jugendarrest zu einem Baustein im Mosaik der Jugendhilfe zu machen. Der Arrest soll zu einer professionellen pädagogischen Kurzintervention ausgestaltet werden, die über den Tag hinaus Wirkung für den weiteren Lebensweg der jungen Menschen entfalten kann. Aufgrund der Kürze des Arrests kann nur so überhaupt eine nachhaltig positive Wirkung erzielt werden.
Hierzu bietet der Gesetzentwurf der Landesregierung einige brauchbare Ansätze. So sieht § 6 des Gesetzentwurfs zur Errichtung eines effektiven Hilfesystems rund um den Arrest insbesondere die Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe, den Jugendämtern und den öffentlichen und staatlichen Trägern der Jugendhilfe vor. Weitere Kooperationspartner sind aus grüner Sicht denkbar. Der Kreis der einzubeziehenden Stellen soll sich aus dem konkreten Bedarf des betroffenen Jugendlichen ergeben.