Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! In einigen Monaten ist es wieder so weit. Die Rentnerinnen und Rentner bekommen mehr Geld. Im Osten sind das ganze 3,91 %. Toll, mag man im ersten Moment denken. Doch ganz toll finden es viele Rentnerinnen und Rentner beim zweiten Blick auf die Rentenerhöhung nicht mehr; denn genau diese bevorstehende Rentenerhöhung ab Juli führt bei ihnen dazu, das sie sich verunsichert fühlen.
Einige Tausend Rentnerinnen und Rentner werden damit erstmals im Rahmen der Steuererklärung abgabepflichtig werden. Im Jahr 2018 waren
es nach der Rentenanpassung im Juli immerhin 50 000 weitere Rentnerinnen und Rentner in ganz Deutschland, die das betraf. In diesem Jahr wird es wieder genauso sein.
Der Umstand der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung bzw. der Steuerpflichtigkeit ist für uns alle, die im Arbeitsprozess stehen und den Umgang mit der Behörde Finanzamt gewohnt sind, dem Grunde nach nicht erschreckend. Für Tausende Seniorinnen und Senioren in Sachsen-Anhalt ist dies aber ein Grund starker Verunsicherung. Sie stellen sich dann mit Recht die Frage: Muss ich nun eine Steuererklärung abgeben, und wenn ich keine abgebe, verstoße ich gegen Recht und Gesetz? Muss ich dann eventuell nach Jahren eine hohe Summe von meiner Rente an Steuern inklusive Zinsen und Versäumniszuschlägen nachzahlen? Bin ich ein Steuerhinterzieher? Wer kann mir helfen und mir Auskunft geben, ob ich erklärungs- bzw. steuerpflichtig bin oder eben doch noch nicht?
Genau diese Frage beschäftigte Herrn H. aus meinem Wahlkreis, und mit diesem Anliegen kam er letzte Woche in meine Bürgersprechstunde. Er war in den letzten Monaten nicht der einzige, der sich diese Fragen stellte. Sicherlich könnte man entgegnen, es gibt in Sachsen-Anhalt entsprechende Beratungsangebote der Lohnsteuerhilfevereine und der Steuerberater. Aber die kosten eben auch Geld. Die Finanzämter beraten sicher in ihren Sprechstunden auch. Aber die Hemmschwelle bei Rentnern, das Finanzamt zu befragen, ist sehr hoch. Das war das Argument von Herrn H.
Mir begegnen immer wieder Rentnerinnen und Rentner, bei denen genau diese Unsicherheit und diese Angst eines Versäumnisses sehr groß sind; denn gerade diese Bevölkerungsgruppe kommt sehr ungern mit dem Gesetz in Konflikt. Bereits im August letzten Jahres hat die Sendung „MDR um 4“ - zur besten Sendezeit für Rentnerinnen und Rentner ausgestrahlt - mit einem Finanzexperten unser heutiges Thema aufgegriffen, weil es eben viele Menschen bewegt.
Weil es so viele Menschen bewegt, hat es die Fraktion DIE LINKE jetzt aufs politische Tableau gehoben. Politik ist von Menschen für Menschen gemacht und genau die Stelle, an der eine Änderung herbeigeführt werden kann, und das wollen wir tun. Unser Antrag der Fraktion DIE LINKE „Umfang der Steuerpflicht für Seniorinnen und Senioren im Rentenbescheid einfügen“ könnte bei Zustimmung all die Unsicherheiten für einen großen Teil der Rentnerinnen und Rentner beenden und ein Angebot an die Rentnerinnen und Rentner sein, unkompliziert eine erste Auskunft über Abgabe- bzw. Steuerpflicht sein
- Das können Sie doch nachher zum Schluss machen. Vielleicht beantwortet sich das schon. - und genau die Sicherheit geben, wie mit dem aktuellen Rentenbescheid zu verfahren ist, die sich die Menschen wünschen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Modellversuch genau dieses Verfahren schon erfolgreich praktiziert. Der MDR-Finanzexperte bewertete diesen Modellversuch in der Sendung vom 7. August letzten Jahres als sehr praktikabel und eben Sicherheit schaffend. Das sogenannte Amtsveranlagungsverfahren aus MecklenburgVorpommern umfasst jedoch noch etwas mehr als nur den bloßen Umstand der Benennung der Steuerpflicht im Rentenbescheid. Genau dieses würde ich mir für die Rentnerinnen und Rentner in Sachsen-Anhalt auch wünschen.
Ein erster Schritt dahin ist unser Antrag. Mit dem klaren Ja zu unserem Antrag stellt der Landtag heute fest, dass bei vielen Rentnerinnen und Rentnern große Unsicherheit hinsichtlich der Besteuerung ihrer Renten herrscht und dass das Erstellen einer Einkommensteuererklärung für viele Seniorinnen und Senioren eine hohe Hürde darstellt. Das wollen wir ändern, indem wir heute beschließen, die Landesregierung aufzufordern, Aufklärung und Unterstützung zu leisten und Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass bereits mit der Ausfertigung des Rentenbescheides auf den Umfang der Steuerpflicht für Rentnerinnen und Rentner hingewiesen wird.
Ein einfacher Hinweis im Rentenbescheid, ob bei alleinigem Bezug dieser Rente eine Steuer zu zahlen ist bzw. eine Steuererklärung abzugeben wäre, würde vielen Seniorinnen und Senioren bereits helfen, mit dieser Unsicherheit souveräner umzugehen. So bestätigte mir dies auch Herr H. aus meinem Wahlkreis.
Daher werbe ich ganz klar um Zustimmung zu unserem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Bahlmann. Ich sehe keine Wortmeldung - doch, eine Wortmeldung von Herrn Borgwardt.
Wir haben uns entschieden, den Antrag zu überweisen, weil wir noch einmal im Ausschuss reden müssen; denn das Grundanliegen kann SachsenAnhalt nicht ändern. Das wissen Sie auch.
Vielen Dank, Frau Abg. Bahlmann. Es gibt trotzdem keine Fragen. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen eintreten, hat für die Landesregierung die Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort. - Jetzt haben wir schon zwei Kugelschreiber hier liegen. Vielleicht Frau Bahlmann? Frau Kollegin Bahlmann!
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das bundesdeutsche Steuerrecht ist keine einfache Materie. Dies gilt aber nicht nur für Seniorinnen und Senioren, sondern auch für viele weitere Bevölkerungsgruppen. Für viele Menschen stellt das Erstellen einer Einkommensteuererklärung eine Hürde dar. Das ist keine Besonderheit von Seniorinnen und Senioren. Nicht ohne Grund gibt es die Berufsgruppe der Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine. Nicht umsonst beschäftigen sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter stetig damit.
Unabhängig davon ist der Antrag letztlich so nicht umsetzbar. In Nr. 2 des Antrags heißt es unter anderem, dass bereits mit dem Ausfertigen des Rentenbescheides auf den Umfang der Steuerpflicht für Seniorinnen und Senioren hingewiesen wird. Eine solche konkrete, auf den Einzelfall bezogene Aussage als Bestandteil des Rentenbescheids kann und darf die Deutsche Rentenversicherung nicht treffen, weil ihr die hierfür erforderlichen Informationen nicht vorliegen. Sie darf auch aus rechtlichen Gründen eine individuelle Steuerberatung nicht anbieten. Das bundesdeutsche Steuerrecht ist viel zu kompliziert, als dass man allein aufgrund eines Zahlbetrages über eine Steuerpflicht befinden könnte.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Für alle, die 2040 oder später in Rente gehen, ist die gesetzliche Rente nach derzeitiger Gesetzeslage zu 100 % steuerpflichtig. Derzeit wird noch kei
ne Rente voll versteuert. Verantwortlich hierfür ist der sogenannte Rentenfreibetrag. Das Finanzamt ermittelt für jeden Rentner und jede Rentnerin persönlich den Freibetrag, der dann während des gesamten Ruhestands gleich bleibt. Das Finanzamt legt ihn endgültig zum Ende des zweiten Jahres des Rentenbezuges fest.
Ein Beispiel: Herr S. geht 2017 in Rente. Der Steuerfreibetrag für diesen Jahrgang liegt bei 26 %. Im Jahr 2018 hat er insgesamt 13 790 € Rente bezogen. Das Finanzamt errechnet hieraus seinen konkreten Freibetrag, nämlich 26 % von 13 790 €. Das sind 3 585,40 €. Dieser Betrag gilt nun für jedes künftige Steuerjahr. Zieht man diesen Betrag von der Jahresrente ab, bleiben 10 204,60 €. Hat er keine weiteren Einkünfte, bleiben davon 9 000 € steuerfrei. Auch auf die verbliebenen 1 024 € muss er keine Steuern zahlen, wenn er in seiner Steuererklärung, und zwar nur in dieser, für 2018 Posten angeben kann, die seine Steuerlast senken können, wie zum Beispiel Ausgaben für Kranken- und Pflegeversicherung, für Zahnimplantate oder für einen Kuraufenthalt, für die Hilfe beim Putzen oder im Garten oder Spenden, um einige Möglichkeiten zu benennen.
Ich denke, dieses Beispiel macht deutlich, dass es unmöglich ist, im Rentenbescheid, wie im Antrag unter Nr. 2 gefordert, auf den Umfang der Steuerpflicht hinzuweisen. Die Rentenbescheide beinhalten bereits heute einen fünf Absätze langen Hinweis, ob ich meine Rente versteuern muss, mit dem Schlusssatz: Bitte prüfen Sie auf jeden Fall, ob Sie eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen. Mehr kann und darf die Deutsche Rentenversicherung beim besten Willen nicht tun.
Aber, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend eine Bemerkung. Das Ministerium der Finanzen Brandenburg hat eine Broschüre „Renten und Steuern“ herausgegeben. Das dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen unterstehende Landesamt für Steuern hat im Internet sogar einen Alterseinkünfterechner eingerichtet, mit dem Seniorinnen und Senioren ihre Einkommensteuerschuld ermitteln und sich so einen Eindruck von ihrer steuerlichen Situation verschaffen können.
Solche Maßnahmen helfen insbesondere Rentnerinnen und Rentnern. Vielleicht können sie auch Vorbild dafür sein, in Sachsen-Anhalt ähnliche Informationsangebote durch das zuständige Ressort zu schaffen.
Herr Schröder hört zwar gerade nicht zu, und ich sage einmal, ich habe mir als Sozialministerin aufgrund des Stichworts Rente diesen Redebeitrag eingefangen. Aber sie finden Hilfe beim Finanzministerium in Brandenburg und beim Finanzministerium in Bayern. Mit diesen Beispielen gehe ich jetzt zu meinem Kollegen und sage ihm,
vielleicht können wir so etwas in Sachsen-Anhalt auch machen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin Grimm-Benne. Ein kleiner Hinweis: Auch Sie haben drei Minuten Redezeit wie alle anderen. Ich sehe keine Fragen. - Deshalb treten wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Für die SPD spricht der Abg. Herr Dr. Schmidt, und wir haben hier die Schnellbesetzung gemacht. Herr Dr. Schmidt, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Anliegen ist im Grundsatz richtig, wiewohl es wahrscheinlich geholfen hätte, genauer zu formulieren, was mit „Umfang“ gemeint ist. Die Ministerin hat jetzt auf den fallscharfen Umfang der Steuerpflicht in Form einer zu entrichtenden Steuer abgehoben. Das kann man in Rentenbescheiden schon deshalb nicht abbilden, weil die Rentenversicherung nicht weiß, welche anderen Einkünfte jemand hat. Das Finanzamt zählt immer alle Einkünfte zusammen - da sind die ganz böse - und bildet daraus die zu versteuernde Einkommenssumme. Insofern kann die Rentenversicherung bei der Steuerlast, die man zu tragen hat, nicht helfen.
Die Herkunft der Steuerpflicht zu erklären, da bin ich an Ihrer Seite. Das ist eine Sache, die den meisten Menschen in Deutschland unbekannt ist. Die meisten Leute wissen nicht, dass der Arbeitgeberanteil ihrer Rentenversicherungsbeiträge
schon immer steuerfrei war und infolge dessen dieser Teil ihrer Rente schon immer steuerpflichtig, weil im preußischen Staat irgendwann die Steuer kommt. Sehr wenige Leute haben den Moment im Jahr 2005 mitbekommen, als das Alterseinkünftegesetz den Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge steuerlich abzugsfähig gestellt hat. Deshalb geistern durch die sozialen Medien immer diese Kacheln von der Doppelbesteuerung der Rente und dieser ganze Unsinn. Der resultiert daraus, dass zugegebenermaßen komplizierte Lohnzettel von den Leuten nicht verstanden wurden.
Das zu erklären, ist eine vernünftige Sache, damit die Leute wissen, warum sie überhaupt auf ihre Rente jetzt Steuern zahlen müssen. Es würde die Deutsche Rentenversicherung sicherlich nicht kaputtmachen, ein Blatt dazuzulegen, das erklärt, wie Steuern zahlen geht.
nicht das eigentliche Problem. Ich gebe zu, das können wir hier nicht lösen. Infolgedessen führt eine Ausschussüberweisung nicht allein zum Ziel. Diese Rentenversicherungsbescheide sind irrsinnig kompliziert aufgebaut.