Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

Emissionen um 53 % gegenüber dem Jahr 1990 zu erreichen. Es besteht also Handlungsbedarf; denn wenn Deutschland die verpflichtenden Ziele nicht einhält, müssen wir in der Folge hohe Strafen zahlen.

Niemand bestreitet, dass vor allem die ostdeutschen Länder einen großen und schmerzlichen Teil zur Emissionssenkung beigetragen haben. Das entlässt uns aber nicht aus der Pflicht, auch weiterhin einen Beitrag zu leisten. Das Schwarzer-Peter-Spiel, bei dem jeder zuerst auf die anderen zeigt, interessiert den Klimawandel nicht und die Folgen daraus ebenso nicht.

(Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Clau- dia Dalbert)

Die gravierenden Risiken, die mit jedem Zehntelgrad Temperaturanstieg verbunden sind, hat der Sonderbericht des IPCC im vergangenen Oktober nachdrücklich herausgestellt. Schon heute sind die dramatischen Auswirkungen der weltweiten Erderwärmung deutlich zu spüren: Hitzewellen, Überschwemmungen und Extremwetterereignisse nehmen in Ausmaß und Häufigkeit zu, auch hier in Deutschland und in Sachsen-Anhalt.

Dazu, welche Ursachen die Erderwärmung hat und welchen Einfluss der Mensch darauf hat, haben wir uns bereits in unserer letzten Landtagssitzung ausführlich ausgetauscht. Meine Fraktion und ich sind froh darüber, dass die hier von einigen geäußerten Meinungen, dass der Verweis auf den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel nur Hysterie sei, nicht von der Mehrheit in Deutschland geteilt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Eine Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2018 ergab, dass 93 % der Bevölkerung für einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien sind. Dieser Meinung sind die Menschen bestimmt nicht nur, weil sie damit verdienen wollen, sondern weil sie die Notwendigkeit erkennen. Daher hat sich auch unsere Koalition im Land Sachsen-Anhalt darauf verständigt, den Klimaschutz konkret anzugehen und ein Klimaschutz- und Energiekonzept zu erstellen. Dieses Konzept soll dazu dienen, unser gesetztes Ziel, die Treibhausgasemissionen auf 31,3 Millionen t CO2-Äquivalente zu begrenzen, zu erreichen.

Über Klimaschutz reden ist das eine, ihn konkret umsetzen ist das andere. Um Klimaschutz zu erreichen, müssen alle Bereiche, alle Sektoren angesprochen werden und sich beteiligen. Klimapolitik ist deutlich mehr als die klassische Umweltpolitik. Hierbei geht es nicht nur um den Energiewirtschaftsbereich, der immer besonders im Fokus steht. Nein, es geht auch um Gebäude, Verkehr, Industrie und Wirtschaft, Landwirtschaft

und Forstwirtschaft sowie Bildung. So widmet sich auch das durch die Landesregierung erarbeitete Konzept verschiedenen Handlungsfeldern. Es wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten und Maßnahmen erarbeitet, erfasst und berechnet.

Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die sich an diesem Prozess beteiligt und sich eingebracht haben. Vertreter der Ministerien, Experten, die Wissenschaft, Gutachter und Verbände haben sich beteiligt. Ich mache keinen Hehl daraus und habe es an diesem Pult schon öfter gesagt: Ich hätte mir gewünscht, dass die Politik, speziell in Vertretung des Landtages, noch intensiver beteiligt worden wäre.

Nun haben wir den Katalog der möglichen Maßnahmen vorliegen. Die Ministerin hatte während ihrer Rede das dicke Paket auf dem Pult liegen. Das Konzept stellt einen Mix von Fördermaßnahmen, Bildungs- und Unterstützungsmaßnahmen und auch ordnungspolitischen Maßnahmen dar. Einige Beispiele seien genannt:

Im Sektor der Energiewirtschaft ist zum Beispiel der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung durch Förderung und Initiierung von Pilotprojekten zu nennen. Ich weiß, dass die Energiewirtschaft außerhalb des Ausstiegs aus der Kohleverbrennung zum Jahr 2038 einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird aber bis 2030, also kurzfristiger, vorgeschlagen.

Im Sektor Verkehr ist eine Maßnahme genannt, nämlich die Verlagerung des Alltagsverkehrs weg vom Pkw hin zum öffentlichen Verkehr. Dafür, wie das gelingen kann, gibt es nicht nur für die Zukunft, sondern bereits heute positive Beispiele. Der Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen, Landesgruppe Ost, titelt in seiner neuesten Informationsbroschüre - das wird die Abgeordneten aus Magdeburg freuen -: Grundlagen für ein Gelingen der Verkehrswende am Beispiel Potsdam und Magdeburg. Diejenigen, die täglich mit dem Auto nach Magdeburg kommen, spüren aber auch die Auswirkungen, die das nach sich zieht.

Das waren nur zwei kleine Beispiele aus dem großen Maßnahmenpaket, welches nun vor uns liegt. Die Umsetzung ist abhängig von weiteren politischen Zielstellungen und Beurteilungen hinsichtlich ihrer Kosten und ihrer CO2-Reduzierungspotenziale. Der Maßnahmenkatalog stellt einen guten Instrumentenmix dar; denn es gilt, nicht nur die Maßnahmen umzusetzen, sondern das Ziel zu erreichen.

Klimapolitik muss nicht nur das CO2-Senkungsziel erreichen; sie muss auch Wirtschaftspolitik sein, die Innovationen und Standortsicherung im Blick hat. Klimapolitik muss auch Sozialpolitik sein, da der Umbau der Wirtschaft den vom Strukturwandel betroffenen Regionen eine wichtige Aufgabe

abverlangt. Der Ausbau einer klimaneutralen Wirtschaft ist Chance und Risiko zugleich, Chance, sich weltweit einen Technologievorteil zu erarbeiten, Risiko, dabei zu spät zu kommen und Zukunftstechnologien anderen Ländern zu überlassen.

Die Frage der sozialen Ausgewogenheit klimapolitischer Maßnahmen ist eine besondere Herausforderung. Dies gilt insbesondere angesichts der auf der Bundesebene vorgeschlagenen CO2-Bepreisung. Ein nationaler CO2-Preis kann die Energiewende sozial gerecht machen. Die Bepreisung muss für alle Verbraucherinnen ohne Ausnahme gelten und viele bestehende Steuern und Umlagen müssen durch das Aufkommen ersetzt werden.

Verschiedene Berechnungsmodelle und andere Länder in der EU machen es uns vor: Es geht, wenn man es will. Die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung müssen sozial ausgewogen vollständig zurückverteilt werden. Herr Schumann ist in seiner Rede sehr intensiv auf die beiden verschiedenen Modelle, über die diskutiert wird, eingegangen. Aber die Schlussfolgerung, dass ein Emissionshandel der richtigere Weg ist, ist wieder das, was ich am Anfang gesagt habe: das Schwarzer-Peter-Spiel nach dem Motto: Lass erst die anderen handeln.

Meine Fraktion und ich begrüßen deshalb ausdrücklich die Einigung der Koalitionsfraktionen auf der Bundesebene zum Wochenende, dass das Kabinett das Klimaschutzgesetz noch im September dieses Jahres verabschieden möchte. Darin werden konkrete Klimaschutzziele und Jahresemissionsmengen für die einzelnen Sektoren festgelegt. Diese Konkretheit hätte ich mir für das Klimaschutz- und Energiekonzept in SachsenAnhalt auch gewünscht.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ich auch!)

Nun bleibt uns hier im Landtag, die Umsetzung durch die Landesregierung in den nächsten Jahren positiv zu begleiten.

Abschließend möchte ich für die Koalitionsfraktionen beantragen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt und Energie und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nisterin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Danke. Ich sehe keine Fragen zu diesem Diskussionsbeitrag. - Das gibt mir erstens die Gelegenheit, Damen und Herren aus den Altkrei

sen Köthen und Bitterfeld ganz herzlich zu unserer Landtagssitzung zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Zweitens kündige ich den abschließenden Beitrag zu der Debatte an. Frau Lüddemann, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unsere Ministerin für Umwelt und Energie hat das Wesentliche zum Klima- und Energiekonzept der Landesregierung gesagt. Entscheidend ist: Wir haben die Erkenntnisse, wir haben die Technologien und wir haben die konkreten Maßnahmen beschrieben. Ich will sagen: Es ist alles da; es fehlt nur noch der politische Wille. Diesen müssen wir jetzt beweisen.

Die Europawahl hat gezeigt: Klima ist nicht nur en vogue, sondern von existenziellem Interesse. Bei allen Umfragen dazu, warum die Menschen wählen gegangen sind und warum sie abgestimmt haben, wie sie abgestimmt haben, waren Klimaschutz und Artenschutz immer ganz oben. Der Wille in der Gesellschaft für mehr Tempo beim Klimaschutz ist also gegeben. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir dem entsprechen können.

Es ist an der Zeit, den Klimaschutz endlich umzusetzen. Im Klima- und Energiekonzept der Landesregierung finden sich die konkreten Maßnahmen, 72 an der Zahl. Einige sind bereits von den Vorrednerinnen und Vorrednern, die deutlich mehr Redezeit hatten als ich, beschrieben worden. Ich empfehle die Lektüre; das ist wirklich spannend.

Ich kann an dieser Stelle nur allen danken, die sich sowohl aus den Ministerien als auch von Verbänden und Vereinen in die Erarbeitung umfangreich eingebracht haben. Das ist wirklich nicht nur eine spannende Lektüre, sondern untersetzt auch sehr deutlich, was wir meinen, wenn wir im Koalitionsvertrag schreiben, dass wir eine Einsparung von 31,3 Millionen t CO2 für Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 vorsehen. Es ist möglich. Es ist machbar. Wir können es schaffen.

Aber wir dürfen nicht alles bei dem federführenden Ministerium abladen; das will ich ganz deutlich sagen. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie hat vorgelegt. Klar, in der Landwirtschaft sind große Bretter zu bohren, in diesem Bereich kann man auch viel erreichen für unser hoffentlich gemeinsames Ziel.

Aber ich möchte einen Bereich herausgreifen: Insbesondere das Verkehrsministerium muss noch sehr viel deutlicher seinen Beitrag leisten. Es sind Beispiele genannt worden: der Radverkehr - morgen werden wir uns der Lastenradförderung widmen -, der Modal Split, der deutlich hin

zum ÖPNV verändert werden muss, sodass wir weniger motorisierten Individualverkehr haben - das ist ein wichtiges Beispiel -, aber auch die Steigerung der Gebäudeeffizienz; denn die Gebäude sind ein wesentlicher Treiber für CO2.

Wichtig ist, dass jeder auch tatsächlich seine Verantwortung anerkennt und dass klar ist, dass es ein Konzept der gesamten Landesregierung ist. Jedes Haus muss seinen Beitrag leisten, egal ob es das Ministerium der Finanzen, das Ministerium für Verkehr oder das Ministerium für Landwirtschaft ist.

Klar ist aber auch, dass wir bei aller Anstrengung, die wir unternehmen, nicht so viel werden erreichen können, wenn sich die Politik im Bund nicht endlich grundsätzlich ändert. Das, was ich von der Bundesregierung wahrnehme, ist sehr zaghaft, sehr unkonkret und sehr zögerlich. Diese Bundesregierung gibt sich mit der Vorstellung zufrieden, dass sie das eigene, von ihr selbst unterschriebene Ziel, die Ziele von Paris, das 1,5Grad-Ziel, nicht wird erreichen können. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollegin Schindler hat angekündigt, dass es nun endlich doch ein Klimaschutzgesetz auf der Bundesebene geben soll. Ich bin sehr gespannt, ob das tatsächlich die hohen Erwartungen, die naturgemäß im Land geweckt wurden, wird erfüllen können.

In Sachsen-Anhalt sollten wir uns, wenn schon nicht aufgrund klimapolitischer Erwägungen, so doch aus ökonomischen Gründen auf den Klimaschutz besinnen und alles unternehmen, damit wir hierbei vorankommen. Die Industrie ist hierbei weiter als wir und stellt schon längst auf umweltfreundliche Technologien um, weil sie weiß, dass es in wenigen Jahren keine Alternative mehr dazu gibt, umweltfreundlich zu produzieren, weil sonst keine Absatzmärkte mehr vorhanden sind.

Auf der Bundesebene wird das wenig unterstützt. Es gibt wenig Konkretes. Für die Industrie habe ich in der letzten Zeit keinen entsprechenden Vorschlag wahrgenommen. Das, was ich wahrgenommen habe, ist, dass man zum Beispiel vielleicht einmal über die Steuerbefreiung von Kerosin reden könnte. Dazu sage ich: Auch hierzu ist alles schon durchgerechnet, auch hierbei ist alles klar. Man muss nicht darüber reden, sondern man muss es endlich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Die Abschaffung der Steuerbefreiung für Kerosin ist längst überfällig. Ich erwähne dieses eine konkrete Beispiel, weil wir auch den Antrag der LINKEN zu verhandeln haben. Ich finde, darin stehen

tatsächlich sehr viele gute Ansätze, vor allem die Streichung klimaschädlicher Subventionen. Ein Beispiel habe ich jetzt genannt, auch wenn es die Bundesebene betrifft. Das ist überfällig. Da muss man sehr konkret werden. Es gibt auch bei der CO2-Bepreisung Modelle, das sozialverträglich zu gestalten. All das wurde hier bereits ausgeführt.

Ich komme zum Ende. Ich kann nur sagen, wir werden darüber ernsthaft beraten. In der Beschlussempfehlung, die wir dann fassen - ich bin dankbar dafür, dass Frau Ministerin Dalbert vorwegnehmend schon einen fachlichen Diskussionsbeitrag für diese Debatte gebracht hat -, werden wir sehr konkret auch auf das KEK eingehen müssen, wir werden sehr konkret auf das Ziel der Koalition - -

Jetzt müssen Sie zum Ende kommen.

Ich bin bei dem letzten Satz, Herr Präsident.

Das kann ich nicht ahnen.

Wir werden sehr konkret auf das 31,3-t-Ziel eingehen.

(Zuruf von der LINKEN: Millionen!)

Das sind wir den jungen Menschen, die jeden Freitag in Sachsen-Anhalt und in der Welt auf die Straße gehen, schuldig. - Vielen Dank.