Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

(Rüdiger Erben, SPD: Aber Sie verwenden ihn!)

Ich verwende ihn, wie ihn übrigens auch die Jusos, ihre Jugendorganisation, ihr Jugendverband, verwenden.

(Ministerin Anne-Marie Keding: Das macht es nicht besser!)

Ich gebe zu, es ist eine zugespitzte Formulierung. Eine Verrohung der Sprache kann ich darin nicht erkennen. Was ich erkennen kann, ist eine Verrohung der Gesellschaft durch dieses Gesetz. Das ist mein Problem.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zweitens. Sie sagen, wenn hier irgendetwas zustimmungspflichtig ist, dann macht das schon der Bundespräsident und regelt, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Das ist eine interessante Auffassung.

Ich glaube schon, dass Politikerinnen und Politiker in diesem Land, in diesem Landtag irgendwie eine Position dazu haben sollten, auch zu der Frage, ob etwas zustimmungspflichtig ist oder nicht.

Was bei einer Koalitionsbesprechung herauskommt - wir wissen ja nun alle, was bei Koalitionsbesprechungen in Sachsen-Anhalt heraus

kommt -, steht auf einem anderen Blatt. Hier geht es um die Frage: Muss das Gesetz in den Bundesrat oder nicht und was sagt Ihre Fraktion dazu? Sie haben dazu nichts gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Interessant ist auch - es ist nicht nur meine Auffassung, dass dieses Gesetz zustimmungspflichtig ist und der Vermittlungsausschuss angerufen werden muss -, dass es dazu eine Initiative von drei Justizministern gibt, genau das zu tun, nämlich den Vermittlungsausschuss anzurufen. Insofern kann ich Ihre Argumentation nicht nachvollziehen.

Interessant ist ferner, dass wir, wenn wir an die gestrige Fragestunde denken, sehen, dass die Landesregierung völlig widersprüchlich handelt. Ich nenne das Mikrozensusgesetz, ein vergleichbares Gesetz: Der Bund gibt den Ländern etwas auf, das zu tun ist, und die Länder müssen das umsetzen und ihnen entstehen Kosten. Selbstverständlich war Sachsen-Anhalt dabei, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damals war nicht die Rede davon, dass der Bundespräsident das schon machen wird, wenn irgendetwas ist. Bei dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz - wenn Ihnen dieser Begriff lieber ist - sehen Sie es anders. Das ist inkonsistent.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen haben wir gestern bei der Beantwortung der Frage gesehen, dass der Finanzminister - der es heute nicht mehr ist - nicht einmal in der Lage war zu sagen, welche Kosten auf dieses Land zukommen. Ich halte das nicht für eine verantwortungsvolle Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch einmal ganz grundsätzlich: Dieses Gesetz sendet in meinen Augen verheerende Signale. Es entrechtet und es ist integrationsfeindlich. Dass der Bundesinnenminister der Auffassung ist, man müsse Gesetz möglichst kompliziert machen, damit nicht klar wird, was sie bedeuten, ist bezeichnend für sein Demokratieverständnis. Dass das derselbe Innenminister ist, der die deutschen

Sozialsysteme bis zur letzten Patrone gegen Einwanderung verteidigen will und damit die Parole der NPD in das Innenministerium getragen hat, ist die eine Sache. Ja, dieses Gesetz atmet diesen Geist. Auch wenn das in keiner Weise überraschend ist, so ist es doch nicht weniger skandalös.

Dass es aber trotz massiver Kritik der Parteibasis und von Menschenrechtsorganisationen und Expertinnen und trotz seiner offenkundigen Verfassungswidrigkeit sage und schreibe acht Sozialdemokratinnen im Deutschen Bundestag gab, die sich dieser politisch motivierten Attacke auf den Rechtsstaat verweigerten, ist noch einmal eine andere Sache. Das ist eine politische Bankrotterklärung.

(Beifall bei der LINKEN)

Kollege Erben hat sich noch einmal gemeldet. Er hat jetzt die Chance, noch eine Frage zu stellen.

Ich möchte keine Frage stellen, sondern auf den Redebeitrag der Kollegin Quade kurz eingehen.

Dann bitte.

Erstens. Sie kritisieren es - berechtigt -, wenn Dinge verzerrt dargestellt werden, um damit Politik zu machen. Das machen Sie auch sehr häufig und kritisieren das. Ich will an dieser Stelle richtigstellen, dass ich vorhin nicht gesagt habe, dass das der Bundespräsident dann schon klären werde,

(Zuruf von der LINKEN)

sondern ich habe gesagt, dass ich die Auffassung vertrete, dass das Gesetz erstens nicht zustimmungspflichtig ist und dass zweitens, sollte es dennoch zustimmungspflichtig sein - ich bin ja nicht der liebe Gott, der das allein festlegt -, der Bundespräsident die Gelegenheit hat, das Gesetz zu stoppen. Diese Konstruktion habe ich aufgemacht.

Zweitens. Sie haben vorhin die Anrufung des Vermittlungsausschusses angesprochen. Mein

Kenntnisstand ist der, dass der Vermittlungsausschuss nicht deswegen angerufen werden soll, weil man das Gesetz für zustimmungspflichtig hält, sondern deshalb, weil es im Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens geändert werden soll. Sie stellen es jetzt so dar, als wollte man aus dem möglicherweise zustimmungspflichtigen Gesetz

ein Zustimmungsverfahren machen, indem man ein Vermittlungsausschussverfahren einleitet.

Ich empfehle der linken Seite dieses Hauses, sich mit dem Thema Verfahren im Bundesrat einmal genauer zu beschäftigen, dann kommen wir vielleicht dazu, dass wir, wenn wir darüber diskutieren, nicht aneinander vorbeireden.

Wenn Sie wollen, können Sie darauf reagieren, Frau Quade.

Ja, sehr gern. - Herr Erben, zwei Dinge: Erstens. Herzlichen Dank für die Klarstellung. Es ist aus Ihrem Redebeitrag eben nicht klar geworden, wie Ihre Position zur Frage der Zustimmungspflichtigkeit ist. Daher ergab sich auch die Nachfrage meines Kollegen Herrn Gebhardt.

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

Es ist schlichtweg nicht klar geworden, was die Position der SPD-Fraktion in diesem Hause ist. Insofern danke für die Klarstellung.

Zweitens. In der Tat gibt es sehr viele gute Gründe dafür, den Vermittlungsausschuss des Bundesrates anzurufen. Die Kostenfrage ist einer. Aus meiner Sicht ist ein weiterer die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu stoppen. Das wäre natürlich meine politische Hoffnung, mit der ich eine Bundesratsinitiative befürworten würde. Aber

selbstverständlich wäre das ein Verfahren, das im Bundesrat zu führen ist.

Es ist die Frage der Verfassungswidrigkeit, dass den Ländern abverlangt wird - das ist die Initiative der Justizminister -, eine offensichtlich EU-rechtswidrige Aufhebung der Trennung von Straf- und Abschiebehaft vorzunehmen. Es gibt einfach mehrere Gründe, die dafür sprechen.

Dabei ist nicht die Frage, wie das Verfahren zu wählen ist, sondern es ist die grundsätzliche politische Frage: Will dieser Landtag und will diese Landesregierung es der Bundesregierung durchgehen lassen, ein so umfassendes Gesetzespaket mit so umfassenden Folgen für die Länder durch den Bundestag zu peitschen, ohne den Bundesrat dazu anzuhören? Dazu sagen wir ganz klar: Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch kurz zu der Frage der Überweisung.

Dann sagen Sie das noch. Danach hätten Sie ohnehin noch einmal die Chance, Frau Quade.

Weil diese Frage vorhin angesprochen worden ist. - Wenn Sie diesen Antrag überweisen wollen, dann können wir das tun. Konsequent und richtig und das einzig Sinnvolle wäre es, den Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Finanzen zu überweisen, um feststellen zu lassen, ob Kosten für das Land entstehen und, wenn ja, wie hoch sie sind und wie sich das Land positionieren sollte.

Gut, ich nehme das einmal als Antrag. - Für die CDU-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende Herr Borgwardt. Bitte.

Danke, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil wir in diesem Landtag eine Diskussion hatten -damit will ich maßgeblich den Beitrag des Kollegen Erben unterstützen -, die sich mit der Wortwahl beschäftigt hat. Ich sage es ganz klar: Wer durch Parolen wie „Haut ab!“ und ähnliche Dinge aufgefallen ist, war bisher der rechtsextreme Block - das will ich ganz deutlich sagen -, und zwar mit Blick auf Ausländer. Es gibt Parolen - -

(Zuruf von der AfD)

- Das müssen Sie sich ja nicht annehmen. Sie sind doch nicht rechtsextrem, wie Sie immer sagen.

(Tobias Rausch, AfD: Wir sagen so etwas auch nicht! - Zuruf von Thomas Höse, AfD)

- Das habe ich doch - - Ja, dann müssen Sie aber auch mal - -

(Zurufe von der AfD)

- Wenn Sie sagen, dass Sie nicht rechtsradikal sind - - Das sage ich ja gar nicht. Ich sage nur, dass Rechtsextreme diesen Terminus verwenden, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der AfD)

Deswegen ist man klug beraten, wenn man das unter einem anderen Koordinatensystem nicht einfach so verwendet. - Das ist mein erster Punkt. Ich halte das nicht für klug.