Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Erst am 1. Mai 2012 wurde der Betrieb der Bohrschlammdeponie nämlich auf Anordnung des Landesamtes für Geologie und Bergbau eingestellt, da der Weiterbetrieb der Deponie nun nicht mehr den neuen Anforderungen des Bergrechtes entsprach. Konkret konnte der Betreiber unter anderem nicht das Sickerwasserpotenzial der eingelagerten Abfälle und dessen Schadstoffgehalt ermitteln und das Sickerwasser aus der Abfallentsorgungseinrichtung vorschriftsmäßig behandeln. Siehe hierzu die Antwort der Landesregierung in der Drs. 7/1647 auf eine Kleine Anfrage.

Am 6. April 2016 stellte das MDR-Magazin „Exakt“ bei eigenen Recherchen und begleitenden Laboruntersuchungen an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur fest, dass die Bohrschlammdeponie Brüchau undicht ist. Die Bergbaubehörde bestätigte gegenüber „Exakt“, dass Schadstoffe in das Grundwasser eintreten. Kurt Schnieber, Präsident des Landesamtes für Geologie und Bergwesen in Halle, hält die Mengen aber für unbedenklich, weil in der Nähe der Grube kein Trinkwasser gewonnen werde. Er vergisst

dabei wahrscheinlich, dass das Wasser aber auch als Brauchwasser und zur Bewässerung von Gärten benutzt wird.

Am 2. Juni 2017 stellte die AfD Anzeige gegen die zwei agierenden Minister Prof. Willingmann und Frau Prof. Dalbert sowie gegen den Betreiber Engie. Natürlich wurde sie nicht weiter verfolgt.

Vor einem Jahr im Mai debattierten wir im Landtag über den dritten Antrag der AfD auf vollständige Sanierung und Stilllegung der Deponie Brüchau. Die Bürgerinitiative „Saubere Umwelt und Energie Altmark“ demonstrierte außerdem vor dem Landtag. Was war das Ergebnis? - Nach kurzer Debatte wurde das Thema in den Wirtschaftsausschuss des Landtages überwiesen. Und heute sind wir keinen Meter weiter, meine Damen und Herren.

Um die Angelegenheiten auch hinsichtlich der mit Barium, Strontium und Lithium kontaminierten Brüchauer Hausbrunnens voranzutreiben, beauftragte die AfD-Fraktion auf eigene Kosten ein akkreditiertes Prüflabor, um 13 Hausbrunnen zu beproben. Die Prüfberichte ergaben zum Teil deutliche Grenzwerte bei Kupfer, Arsen, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, AOX, Chloriden und Metazachlorsäuren, die ausschließlich aus Brüchau stammen. Die eingeplanten Mittel für die Immissionspumpversuche können somit besser für die Sanierung eingesetzt werden, zumal Zweifel bestehen, ob das Prüfbrunnennetz tatsächlich den Abstrom der Schlammgrube erfasst.

Die wahren Ursachen des Auf-die-Bank-Schiebens werden allerdings woanders gefunden. Jede vollständige Sanierung einer Deponie - davon haben wir mehrere - reduziert nämlich den Altlastenfonds nachhaltig und stellt somit das Sanierungskonzept für alle bisher bekannten Altlastenstandorte des Landes infrage. Dazu sagte Martin Furter, ein Sanierungsexperte aus der Schweiz, dass es in dieser Beziehung eines Paradigmenwechsels bedarf. Denn die Kontrolle solcher Deponien über das Grundwasser kostet langfristig viel Geld und funktioniert nicht, da dieser Ansatz eben nicht mehr dem Stand der Technik entspricht.

Das lange Hinauszögern des Tätigwerdens - die Taten hinken übrigens seit der Vorstellung des ersten Sonderbetriebsplans der Grube um mindestens ein Jahr hinterher - und die offensichtliche Angst davor, der Altlastenfonds könnte schmelzen wie ein Eiswürfel in der sommerlichen Mittagssonne, widersprechen dem eigentlichen auch hier in diesem Parlament getroffenen Konsens, dass Geld eben keine Rolle spielt, wenn es um die Gesundheit unserer Bürger geht.

Lassen Sie uns handeln, meine Damen und Herren. Die Deponie muss komplett weg. Die Fraktion

DIE LINKE hat mit ihrem Alternativantrag bereits Zustimmung zu unserem Antrag signalisiert. - Sie staunen jetzt. Oder Sie haben Ihren Antrag nicht richtig gelesen. Denn letzten Endes kommt erst der Beschluss, wie wir damit verfahren, und dann alles Weitere.

Sie möchten einen Sanierungszeitplan, ein Entsorgungskonzept und Rekultivierungsmaßnah

men. Wer erfüllt denn Ihre Forderungen und ist dafür verantwortlich? - Richtig, das ist der Betreiber im Sonderbetriebsplan. Und wann kann der Betreiber das entscheiden? - Wenn Sie unserem Antrag zur vollständigen Auskofferung der ÜberTage-Deponie zustimmen. Das ist die Basis dafür, dass der Betreiber aktiv werden kann und die Wünsche der LINKEN umsetzt. Und wer führt es dann am Ende aus? - Das ist am Ende eine Sanierungsfirma, die den Zuschlag für die Sanierung bekommt. Dann werden die Rekultivierungsmaßnahmen und Sanierungsarbeiten nach guter fachlicher Praxis durchgeführt, die dem Stand der Technik entspricht. Wir benötigen somit Ihren Alternativantrag nicht mehr, werte LINKE, da Sie unserem Antrag eigentlich von vornherein zustimmen.

Sehen Sie hin, liebe Regierungskoalition, folgen Sie dem Beispiel der LINKEN und stimmen auch Sie unserem Antrag zu. Es tut nicht weh und vor allem für die CDU wäre es doch ein Trostpflaster, wenn sie in diesem Plenum wenigstens diesen Erfolg für unser Land vorweisen kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Funke für die Einbringung des Antrages. - In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Prof. Dr. Willingmann. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Brüchau beschäftigt uns in dieser Legislaturperiode zum wiederholten Male. Frau Funke, Sie haben es angesprochen. Allerdings bin ich im Gegensatz zu Ihnen der Ansicht, dass wir schon ein ganzes Stück weitergekommen sind. Schauen wir es uns doch einmal an.

Der Landtag hat mit seinen Beschlüssen vom 4. Mai 2017 und vom 27. Oktober 2017 der Landesregierung aufgegeben, zunächst das vom Betreiber vorgesehene und mit allen Beteiligten abgestimmte Untersuchungsprogramm für die Abfallentsorgungsanlage und das nähere Umfeld

durchführen zu lassen und auf der Grundlage der Ergebnisse unter Ausklammerung der Kostenfrage - ich betone es noch einmal - eine für die dauerhafte Sicherung sachgerechte Lösung aufzuzeigen. Außerdem wurden ein transparentes Verwaltungsverfahren sowie eine Einbindung und regelmäßige Information der Abgeordneten und der Öffentlichkeit gefordert.

Dieser Vorgehensweise ist die Landesregierung bislang strikt gefolgt. Konkret bedeutet das, dass das verantwortliche Bergbauunternehmen die Erkundungsarbeiten aufgenommen hat und planmäßig - ich betone: planmäßig - Anfang kommenden Jahres abschließen wird. Es wird uns im Januar 2020 ein entsprechender Bericht vorliegen. Das wurde noch einmal durch die Geschäftsleitung bestätigt. Das ist von heute aus gesehen ein gutes halbes Jahr. Wir sind ein ganzes Stück weiter.

Seit Beginn des Projektes zur Stilllegung dieser bergbaulichen Anlage habe ich Ihnen bislang in insgesamt sechs Landtagssitzungen Rede und Antwort gestanden und wir haben uns mit diesem Thema in ebenso vielen Sitzungen des Wirtschaftsausschusses - teils unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und von Sachverständigen - befasst. Die Öffentlichkeit wurde, ausgehend von der ersten Infoveranstaltung meines Hauses im September 2016 in Kakerbeck, im Rahmen der sogenannten Kalbe-Runden bereits viermal, zuletzt am 29. April dieses Jahres, über das Vorhaben und über die gewonnenen Erkenntnisse unterrichtet. Der neue Geschäftsführer Herr Dr. Scheck steht hierbei für große Transparenz.

Die Untersuchungen liegen im Plan. Nach alledem ist festzustellen, dass es nach wie vor keine Notwendigkeit für eine Abweichung von den bislang geltenden Beschlüssen gibt. Zum einen kommt der Bergbauunternehmer seiner Pflicht zur Aufstellung eines Abschlussbetriebsplanes für die endgültige Stilllegung zielgerichtet nach. Zum anderen besteht nach unserer bisherigen Erkenntnis keine akute Gefahrenlage, die ein Eingreifen der Landesregierung oder des Hohen Hauses jetzt, kurzfristig, notwendig macht.

Noch einmal zur Kostenfrage. Wie ich eingangs bereits erwähnte, ist gemäß geltendem Landtagsbeschluss die Kostenfrage bei der Festlegung der Vorzugsvariante auszuklammern. Auch daran fühlen wir uns gebunden und werden das bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen. Eine fundierte Kostenermittlung kann und wird für die vorgesehene Stilllegungsvariante jedoch erst auf der Grundlage der dann vorliegenden Gesamtbetrachtung erfolgen.

Ich kann Ihnen anbieten, liebe Frau Funke, dass die von Ihnen ermittelten Ergebnisse im Landesamt für Geologie und Bergbau gegengecheckt

werden. Insoweit kann man das Ganze zusammenbringen. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden wir uns im Plan. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Ihnen, Herrn Minister, für diesen Redebeitrag. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Harms. Herr Harms, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schwer beeindruckt von der Ruhe und Aufmerksamkeit des gesamten Hauses bei diesem Tagesordnungspunkt.

(Lydia Funke, AfD: Wir auch!)

Ich möchte Sie ausdrücklich alle würdigen. Ich weiß, wie hitzig die letzten zwei Tage abgelaufen sind, und möchte mich für die Aufmerksamkeit in der Sache bedanken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Man merkt, dass uns dieses Thema in der Vergangenheit gemeinsam sehr bewegt hat und uns an vielen Stellen zusammengeführt hat. Nun frage ich mich, wenn ich den Antrag lese: Wer steht im Weg? Wer stoppt die Räumung, die in meiner Wahrnehmung und auch in der der vorangegangenen Redebeiträge aller Fraktionen die sinnvollste Option ist? - Der Minister sagt, er ist im Zeitplan.

Nun frage ich mich: Wofür reichen die Informationen, die uns vorliegen, insbesondere die aktuellen Informationen, die jetzt dazugekommen sind und in Kakerbeck vorgestellt wurden? - Dazu sage ich: Diese Informationen reichen dafür aus, dass jeder Mann und jede Frau, der oder die diese Informationen aufmerksam liest, in kurzer Zeit zu der Einschätzung kommen kann, dass die vorhandenen und uns bekannten Stoffe - die unbekannten gar nicht mitgezählt - dort nicht auf Dauer verbleiben können.

(Zustimmung von Frank Bommersbach, CDU)

Diese wichtige Erkenntnis teilen wir. Das sorgt auch für die Ruhe und Andacht bei diesem Thema. Wozu fehlen uns Informationen? - Zu der Sorgfalt bei der Umsetzung einer möglichen Beräumung. Nun hat der Minister darauf hingewiesen, dass Erkundungsarbeiten laufen, die in einem halben Jahr zu einer Entscheidungsgrundlage führen werden. Und natürlich weise ich darauf hin, auch wenn es einen Landtagbeschluss dazu

gibt, dass das Geld hierbei nicht der ausschlaggebende Punkt ist.

Ja, man braucht eine verlässliche Bewertung als Grundlage für eine Entscheidung über die Beräumung. Deshalb fordere ich den Minister ausdrücklich auf, vorsorglich mit der Planung für eine Beräumung zu beginnen. Es ist an der Zeit dafür, die Mengen genauer zu beschreiben, die zu erwartenden Deponieklassen mit den entsprechenden Mengen genauer zu beschreiben und den Aufwand technologischer Art für die Einrichtung einer Baustelle zu beschreiben.

Es gibt in dem entsprechenden Gutachten, das schon einige Jahre alt ist, einige Hinweise dazu und auch eine Kostenschätzung. Aber wenn es so weiter geht, dass sich die Kostenschätzung innerhalb weniger Jahre vervierfacht, dann haben wir ein zusätzliches Problem mit der Zeit, die weiterläuft.

(Lydia Funke, AfD: Richtig!)

Das sollten wir dabei beachten, aus Verantwortung für dieses Land, für die Bürger vor Ort

Herr Harms, kommen Sie zum Schluss.

und für die Steuerzahler. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Harms für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Höppner. Herr Höppner, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Im Jahr 2020 soll es also laut dem Sonderbetriebsplan zur Bohrschlammgrube Brüchau, die in der Altmarkt richtigerweise als Giftmüllgrube bezeichnet wird, eine abschließende Auswertung und einen Abschlussbericht geben. Dann soll festgelegt werden, ob das Ding entsorgt oder nur abgedeckt wird.

Wir halten das alles für zu spät. Das haben wir schon des Öfteren erwähnt. Wir bleiben auch bei der Ansicht, dass von der Grube Gefahren ausgehen und dass diese Grube komplett entsorgt werden muss. Das ist nichts Neues. Das wissen Sie. Das kennen Sie. Diese Meinung haben wir überall vertreten.

Das Problem ist - das haben wir schon einmal beantragt -: Auch wenn im nächsten Jahr entschieden wird, dass das Ding wegkommt - das wäre

schon einmal gut -, kommt der nächste Zeitfaktor ins Spiel. Herr Harms hat es schon erwähnt. Es wird die Suche nach Entsorgungsmöglichkeiten losgehen. Es müssen noch einmal Gefahren betrachtet werden, die bei der Entsorgung entstehen können. Denn die Entsorgung ist bei solchen Gruben gefährlich. Das ist nicht ganz so einfach.

Wir haben auch gehört: Die Kosten steigen zurzeit exponentiell. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage war etwas von 80 bis 100 Millionen € zu lesen. Das wird kritisch werden. Damit wird mittlerweile die Gesamthöhe des Altlastenfonds erreicht. Es gibt noch andere Gruben. Ich erinnere an die Zustände in Bitterfeld usw., die kostenmäßig auch eine Rolle spielen.

Das Hauptthema ist aber - das beantragen wir -, dass man bereits jetzt anfängt, ein Handlungskonzept, ein Entsorgungskonzept zu erstellen, in das folgende Punkte aufgenommen werden: Wie soll das passieren? Wo gibt es Entsorgungsfirmen? Wohin soll überhaupt entsorgt werden? Wo können die Bestandteile getrennt werden? Natürlich geht es auch um Mengen und Ähnliches, und wir haben auch gehört, es geht um hoch radioaktive Stoffe usw. usf. Das ist das, was wir in unserem Alternativantrag verlangen.

Des Weiteren geht es nach dem Abschluss solcher Maßnahmen darum, wie die Fläche renaturiert bzw. rekultiviert wird; abhängig davon, was man später mit der Fläche machen will. Auch das kann man jetzt schon klären. Denn ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger in Brüchau werden es nicht verstehen, wenn man ihnen nächstes Jahr sagt: Ja, wir haben zwar die Entscheidung gefällt, dass das Ding wegkommt, aber das Ganze dauert jetzt noch einmal zehn bis 15 Jahre, bis das wirklich irgendwann abschlossen ist. Das verstehen dort in Brüchau keine Bürgerin und kein Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)