Protokoll der Sitzung vom 22.11.2019

Diese Übereinstimmung in vielen Grundsatzfragen tut unserem Land gut und lässt zugleich allen Raum für Meinungsfreiheit, für Meinungsvielfalt und auch für Meinungsstreit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin aber auch stolz darauf, dass Meinungsfreiheit Grenzen hat. Am deutlichsten hat unser Staat diese Grenze mit dem Verbot gezogen, den Holocaust zu leugnen. Dieses Verbot ist nötig, um das Ansehen der ermordeten Jüdinnen und Juden sowie die Würde der Überlebenden und ihrer Nachkommen zu schützen.

Das Verbot markiert aber zugleich eine letzte Grenze, auch für die Meinungsfreiheit. Es ist die in das Strafgesetzbuch gegossene Erkenntnis: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Hövelmann. Es gibt eine Wortmeldung. - Herr Abg. Kirchner.

Vielen Dank erst einmal für die doch sehr sachlich gehaltene Rede. Das muss man ja auch einmal anerkennen.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

- Trotzdem. Das ist bei Ihnen immer ganz anders, Herr Striegel. Aber das ist eine andere Sache.

Meine Frage ist, wie Sie es denn als Mitglied einer sozialdemokratischen Partei, als Demokrat also - das ist dasselbe, was ich Herrn Robra auch gefragt habe -, fänden, wenn aufgrund eines Fotos mit einem Bundessprecher einer demokratisch gewählten Partei ein Mensch als Geschäftsführer einer hessischen Filmförderungsgesellschaft entlassen wird, weil sich mehrere erfolglose oder erfolgreiche Schauspieler zusammenschließen und das fordern? Hat das noch etwas mit Demokratie zu tun und sollte man so etwas durchgehen lassen?

Herr Hövelmann, bitte.

Zunächst: Ich hoffe, dass ich mir immer Mühe gebe, sachlich zu argumentieren und nicht polemisch zu werden.

(Zustimmung bei der CDU - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Aber das kann ja jeder halten, wie er will. Das kann auch jeder anders bewerten. Ich bin da auch nicht kleinlich. Sie können auch eine andere Auffassung haben.

Zu dem konkreten Sachverhalt: Ich kann Ihnen leider nur ähnlich wie Herr Minister Robra antworten. Ich habe diesen Sachverhalt, wie Sie wahrscheinlich auch, den Medien entnommen, auch in der verkürzten Darstellung. Ich weiß nicht, ob das so zutrifft. Wenn das so zutrifft, dann ist das sicherlich auch Gegenstand von Diskussionen, auch von öffentlicher Meinung und Meinungsstreit. Ich weiß nicht, ob es der richtige Weg ist, ob ein offenkundiges Verhalten, das anderen nicht gefallen hat oder das andere politisch anders bewerten, ausreicht, um eine solche Entscheidung zu treffen. Aber das haben dann die Menschen zu verantworten, die diese Entscheidung so getroffen haben.

Es ist immer noch ein Unterschied - deshalb habe ich auch versucht, das in meiner Rede deutlich zu machen -, ob eine staatliche Institution willkürlich

jemanden entlässt, weil er eine unliebsame Position vertritt, oder ob in einem wie auch immer organisierten Unternehmenskonstrukt entscheidungsbefugte Personen zu solchen Entscheidungen kommen. Das kann man kritisieren. Aber es ist nicht dem Staat vorzuwerfen, dass so etwas passiert,

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

es sei denn, er macht es selber. Dann ist es ihm vorzuwerfen.

Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Die nächste Debattenrednerin ist für die Fraktion DIE LINKE Frau von Angern. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Beim Lesen des Antrags zur vorliegenden Aktuellen Debatte fiel mir zunächst das Berliner Urteil im Falle der Politikerin Renate Künast ein. Ich möchte ausdrücklich nicht wiederholen, welche Äußerungen aus der Sicht des Gerichtes unter die Meinungsfreiheit fallen. Nur so viel: Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen war auch ich über dieses Urteil erschüttert.

Was mir jedoch Mut macht, sind der breite öffentliche Widerspruch und die vielfache Distanzierung von der Einschätzung des Gerichts. Das ist gut und wichtig; denn das zeugt von einer bestehenden Sensibilität in unserer Gesellschaft, die diese Einschätzung des Gerichts ausdrücklich nicht teilt.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Aber es ist ebenfalls absurd zu meinen, dass jede Meinungsäußerung der Meinungsfreiheit unterliegt. Nein, das tut sie nicht, und das ist auch gut so.

Meinungsfreiheit hat deutliche Grenzen, so bei der Verletzung der Würde, bei Volksverhetzung oder Verfassungswidrigkeit. Der Staatsminister erläuterte es.

Es ist gut und es ist richtig, dass in unserem Land niemand straffrei behaupten kann, dass der Holocaust nicht stattgefunden hat.

Meinungsfreiheit heißt allerdings auch nicht, dass ein Widerspruch zum Gesagten nicht zulässig ist.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Man darf also Meinungsfreiheit nicht mit der Vorstellung verwechseln, dass man manche Aus

sagen eben nicht widerspruchslos tätigen kann. Ja, das Grundgesetz schützt die Meinungsfreiheit gegenüber dem Staat, aber es schützt eben nicht vor Widerspruch.

Gehen Sie davon aus, dass es immer Widerspruch aus den Reihen der Demokratinnen und Demokraten geben wird, wenn Sie, die Kollegen von der AfD, Ihre menschenfeindlichen, frauenfeindlichen und homophoben Äußerungen hier oder anderswo tätigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in unserem Land kein Problem mit einer gefährdeten Meinungsfreiheit. Das Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes ist vor allem ein Schutzrecht gegen den Staat. Aber darum geht es in dieser Diskussion meines Erachtens vorwiegend nicht.

Ich sage auch ausdrücklich: Meine Fraktion teilt die These nicht, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland gefährdet sei. Wir haben ein ganz anderes Problem in unserem Land, das zugleich eine erhebliche Gefahr für unsere Demokratie darstellt.

Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass Politikerinnen, Journalistinnen oder auch Frauenrechtlerinnen beleidigt oder bedroht werden dürfen. Morddrohungen gegenüber und und Morde an engagierten Menschen sind meines Erachtens der Sargnagel unserer Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Sie verbreiten Angst und Schrecken und genau das soll so ganz bewusst geschehen. Menschen sollen mundtot gemacht werden.

Doch an die AfD-Fraktion gerichtet sage ich deutlich: Wir werden uns nicht mundtot machen lassen. Wir werden nicht weichen, wenn Sie Menschenrechte mit Füßen treten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden hier und anderenorts selbstverständlich auch weiterhin widersprechen.

Ihr vermeintliches Eintreten für die Meinungsfreiheit ist in Wirklichkeit nichts anderes als der Versuch, letztlich die Meinungshoheit zu erlangen.

Besonders absurd ist die von Ihnen eingebrachte Aktuelle Debatte vor dem Hintergrund, dass Sie selbst massiv versuchen, Meinungsfreiheit in Deutschland einzuschränken, indem Sie Fragen von Journalistinnen und Journalisten abbügeln, abqualifizieren und nicht beantworten.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Se- bastian Striegel, GRÜNE)

Sie von der AfD haben somit eine äußerst selektive Haltung zur Meinungsfreiheit.

In der Begründung zu der Aktuellen Debatte steht der aus Ihrem Mund zu hörende entlarvende Satz - ich zitiere -:

„Der Raum des Sagbaren darf von linksliberalen Tugendwächtern nicht weiter eingeschränkt, er muss ganz im Gegenteil endlich wieder erweitert werden.“

(Zuruf von der AfD: Jawohl!)

Fakt ist sehr wohl, dass von der AfD selbst der Raum des Fragbaren eingeschränkt wird. Und den muss man tatsächlich wieder erweitern.

Fakt ist, dass unlängst auch der Abbruch eines ZDF-Interviews durch Herrn Höcke zeigte, wie man es bei der AfD mit Meinungsfreiheit hält. Und das ist nur die Führungsebene.

(Jan Wenzel Schmidt, AfD: Das hat Bodo Ramelow auch gemacht!)

Wenn es um die Verteidigung von Grund- und Menschenrechten geht, bin ich übrigens sehr gern eine linksliberale Tugendwächterin und ich weiß viele meiner Kolleginnen und Kollegen hier im Haus an meiner Seite.

Als Fraktion DIE LINKE unterstützen wir daher auch ausdrücklich den Aufruf von vielen Journalistinnen und Journalisten sowie Medienschaffenden aus Deutschland, auch aus Sachsen-Anhalt - und das ist gut so -, der unter dem Titel „Schützt die Pressefreiheit!“ zu Protesten gegen den nunmehr verbotenen und hoffentlich verboten bleibenden Naziaufmarsch am morgigen Tag in Hannover und zugleich zu Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit auffordert.