Protokoll der Sitzung vom 31.01.2020

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Nein, ich sage es Ihnen ganz deutlich. Der WDR hat nicht von „Naziomas“ gesprochen. Es war aber ein Redakteur des WDR, auch wenn es ein freier Redakteur war. Der hat es noch einmal genutzt, um daraus „Nazisau“ zu machen. Deswegen ist das, was Herr Lehmann gesagt, genau richtig,

(Beifall bei der AfD)

weil der Redakteur nämlich zum WDR gehört. Und davon hat sich der WDR selten distanziert. - Das ist das Erste.

Zweitens. Zu den Straßenausbaubeiträgen, geschätzter Herr Kollege, muss ich Ihnen sagen: Da müssen Sie eben vom Umsetzungsamateur zum

Macherprofi werden und es einfach machen und nicht immer nur davon reden. Das wäre mal eine sehr angenehme Sache, Herr Steppuhn. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Andreas Steppuhn, SPD)

Frau Fraktionsvorsitzende Dr. Pähle, bitte.

(Daniel Roi, AfD: Im Februar 2018 hat kei- ner von euch gesprochen! - Oliver Kirchner, AfD: Richtig!)

Sie haben jetzt das Wort und alle anderen sollten jetzt einen Moment lang durchschnaufen und zuhören. - Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einfach nur, weil es Irritationen gab, noch einmal darauf hinweisen: Ich habe nicht das Präsidium zum Handeln aufgefordert. Aber das, Herr Lehmann, was Sie hier vorn geleistet haben gegenüber einem Kollegen im Parlament, ist eine Beleidigung, eine persönliche Beleidigung,

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

die ich auf das Schärfste zurückweise. Wenn wir in dieser Art und Weise miteinander umgehen, dass wir in einem Fall, in dem einem die Argumente fehlen, dass man tatsächlich etwas hinzugedichtet hat zu einem Liedtext,

(Robert Farle, AfD: Das stimmt nicht!)

in die persönliche Auseinandersetzung gehen hinsichtlich körperlicher Verfasstheit etc. pp., dann ist das das Ende des demokratischen Parlamentarismus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Ich kann Ihnen nur zustimmen, aber ich war gerade dabei, den Ordnungsruf auszusprechen. Deswegen kann ich an dieser Stelle nur noch einmal sagen: Lassen Sie uns hier vorn die Sitzungsleitung machen. Ich hatte Ihren Zuruf in dem Moment als Aufforderung verstanden. Deshalb können wir hier vorn nicht mehr agieren, weil wir dann als beliebig gelten.

Trotzdem kann ich an dieser Stelle sagen: Ja, Herr Abg. Lehmann, das ist eine Debatte, die wir hier nicht führen sollten. Gerade persönliche Beleidigungen haben hier nichts zu suchen. Sie ha

ben dies gerade auch für sich in Anspruch genommen und haben dann in nächster Sekunde genau dasselbe gemacht. Das verabscheue ich auf das Schärfste.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Das sollten wir uns auch zukünftig nicht mehr antun. Ich denke, es wäre das Mindeste, wenn diesbezüglich von beiden Seiten eine Entschuldigung ausgesprochen wird. Aber Sie müssen für sich persönlich entscheiden, ob Sie in unserem Plenarsaal Demokratie tatsächlich akzeptieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zwar jetzt etwas schwierig, aber wir schreiten jetzt in der Debatte fort. Als nächste Debattenrednerin wird die Abg. Frau Lüddemann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Beitrag leisten. - Sie haben jetzt das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich mit meinem fachlichen Beitrag beginne, gestatten Sie mir noch einen Satz zu meinem Vorredner. Es hat sich mal wieder gezeigt, dass sich die AfD treu bleibt, für sich Dinge in Anspruch nehmen, die anderen nicht zugestanden werden. Das hat sich heute mal wieder gezeigt. Wer freie Presse fordert, bekommt freie Berichterstattung und keine Hofberichterstattung. - Das ist Meinungsfreiheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Oliver Kirchner, AfD: „Nazisau“ ist keine Meinungsfreiheit!)

In einer sich wandelnden Welt müssen sich auch die Medien wandeln. Die Veränderungen finden im Großen - siehe Facebook, Streaming, Zeitungssterben, Medienkonzentration - und im Kleinen im Konkreten vor Ort statt - siehe konzentrierte Eigentümerschaft der „MZ“ und der „Volksstimme“.

Für uns als Politik ist wichtig: Der Zugang zu medien- und faktenbasierter Information für alle ist ein Grundrecht, dessen Gewährleistung immer schwieriger wird angesichts von Zusammenlegungen von Zeitungen, von Stellenstreichungen und nicht zuletzt wegen der antidemokratischen Stimmungsmache gegen Medien und Journalisten und Journalistinnen.

Wir GRÜNE sehen die zunehmende Kommerzialisierung und Konzentration im Journalismus kritisch. Klar ist aber, dass die Politik diesen Wandel der Medien nur schwerlich aufhalten kann. Die Aufgabe besteht vielmehr in der Gestaltung des Wandels.

Deswegen finde ich es richtig, Kollege Gebhardt, an dieser Stelle keinen Antrag vorzulegen, son

dern eine offene Debatte hierüber zu führen. Denn unsere politische Aufgabe ist es, Vielfalt und Unabhängigkeit in unserer Medienlandschaft zu erhalten.

Diverse redaktionell eigenständige Medien von Zeitung-, Fernseh-, Radio- und Internetangeboten mit dem Fokus auf das Land und seine Regionen sind wichtiger denn je und Grundvoraussetzung für eine lebendige Demokratie hier in SachsenAnhalt. Gerade in Zeiten von Verunsicherung und Fake News brauchen wir verlässliche Informationen und Medien mit journalistischen Qualitätsansprüchen.

Deswegen besorgt es mich, dass „Volksstimme“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ bald als Einheit gesehen werden. Ich hoffe darauf, dass im laufenden Kartellverfahren festgesetzt wird, dass die redaktionelle Eigenständigkeit beider Zeitungen gewahrt werden muss, nicht zuletzt, da bisher beide Zeitungen einen großen Teil ihres publizistischen Wettbewerbs in der Politikberichterstattung ausgefochten haben. Ich sehe es durchaus so, dass wir immer wieder unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und unterschiedliche Kommentare zur Kenntnis nehmen können.

Es bleibt jedoch die Befürchtung bestehen, dass solche Kartellauflagen über längere Zeit ausgehöhlt werden und die Ersparnisse aus Verlagszusammenarbeit, Druck usw. nicht an die Leserinnen und Leser weitergegeben werden oder in eine weitere Verbesserung der redaktionellen Arbeit investiert werden.

Ein gemeinsamer Mantelteil oder ein gleicher Inhalt, unterschiedlich arrangiert, werden den Leserinnen- und Leserschwund nicht stoppen, im Gegenteil. Eher, so denke ich, kann die Frage nach dem Wert, wie ihn „MZ+“ neuerdings stellt, helfen. Denn Journalismus ist wertvoll und nicht für umsonst zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass es guten Journalismus nicht für umsonst gibt, gilt genauso für den öffentlich-rechtlichen Player im Land. Der MDR bietet ein vielfältiges Angebot, das unterschiedliche Interessen berücksichtigt. Er wird seinem medialen Versorgungsauftrag aber auch durch das Anstoßen gesamtgesellschaftlicher Debatten gerecht. Diese Öffentlichkeit für alle wird beitragsfinanziert, um ihre Unabhängigkeit und Vielfältigkeit zu sichern. Der Zugang zu Informationen darf nicht vom Geldbeutel abhängen; denn Journalismus ist wertvoll und nicht umsonst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass wir ihn zur Vielfalt brauchen, zeigt die aktuelle Medienkonzentration der beiden Landeszeitungen; ich erwähnte es bereits. Der aktuelle Um

bruch bei den Medien im Land ist jedoch nur ein aktuell offensichtlicher Treiber der Veränderung. Die onlinegestützte Digitalisierung ist der viel stärkere. An dieser Stelle ergeben sich aus meiner Sicht immense Chancen, die wir hier in SachsenAnhalt bei Weitem noch nicht ausgeschöpft haben. Digitalisierung ermöglicht das Verbreiten und Rezipieren von Informationen für jeden in nicht gekanntem Umfang. Das müssen wir nutzen.

Medienpolitik muss im Zeitalter der Digitalisierung neue Wege wagen. Vor allem junge Menschen nutzen viel häufiger Angebote im Internet als in gedruckter Form oder am Fernseher. Auch ermöglicht es Regionalsparten und Nischenberichterstattung. Die „Städtische Zeitung Halle“, örtliche Onlineportale und Facebook-Seiten für Stadtteile und einzelne Orte sind neue Player, die ohne die neuen digitalen Möglichkeiten nicht denkbar wären. Ohne Druckkosten, ohne das Ringen um Frequenzen sind sie Teil des neuen Medienangebots.

Digitalisierung muss uns Kraft geben, auch etablierte Medien zu hinterfragen und zu verändern. Ein überregionales Beispiel: Die „taz“ stellt sich nach einigen Angaben darauf ein, ab 2022 nicht mehr täglich gedruckt zu erscheinen und die gedruckte Ausgabe an Wochenendtagen einzustellen.

In vereinzelten Regionen ist die Zustelllogistik eines Zeitungs-Abos teurer als das Abo selbst. Werbegelder wandern ab. Infolge der Abwanderung von Publikum und Werbekunden müssen sich die Anbieter neu erfinden, fusionieren oder sogar eingestellt werden, weil Anzeigeneinnahmen wegbrechen und Verkaufszahlen sinken.

Neue wie alte Medienschaffende müssen tragfähige Geschäftsmodelle im Internet entwickeln. Erlösmodelle bei Streaming-Plattformen - Influencer, Youtuber, Medienkollektive - zeigen, dass es neue Erlösmöglichkeiten gibt, werfen aber - das ist der Punkt, an dem Politik doch handeln kann - für uns zugleich neue wichtige Fragen auf.

Dieser Entwicklung müssen sich alle Beteiligten stellen. Das Mediengesetz des Landes wie auch die Rundfunk- und Medienstaatsverträge müssen hierauf neue Antworten geben.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Wir müssen die Stoppzeichen für den öffentlichrechtlichen Rundfunk im Online-Bereich aufheben, um hier weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Vorhaltezeiten, Textlängen - hierüber haben wir auch in diesem Hohen Hause schon mehrfach debattiert - erschweren die schrankenlose Verbreitung von gut recherchierten, öffentlich finanzierten Nachrichten.

Wir müssen die journalistische Arbeit an den Stellen erleichtern, an denen ihre Kraft überproportional gebunden wird. Es geht viel Arbeitskraft für das Moderieren von Foren und Kommentaren drauf, für das Aufdecken von Hate Speech und strafrechtsrelevanten Äußerungen. Hier könnte die von uns GRÜNEN seit Langem geforderte Einsetzung der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hasskriminalität helfen. In anderen Bundesländern funktioniert das gut. Dort werden solche Posts zur weiteren Bearbeitung quasi rübergeschoben; das würde auch hier helfen.

Um es nicht allein bei der aktuellen Debatte heute zu belassen, auch ein Vorschlag für die Zukunft: Die Landesregierung soll einen Bericht zur Situation der Medienlandschaft in Sachsen-Anhalt erstellen. Die Frage nach der Ausgestaltung von Medienpolitik im Zeitalter der Digitalisierung, aber auch die Suche nach einer Strategie, um die Medienvielfalt in Sachsen-Anhalt zu erhalten, können damit konkret angegangen werden. Ein solcher Bericht muss dazu die öffentlich-rechtlichen Angebote, private, privat-lokale, landesweite Medienanbieter und Verlage, Bürgermedien und die neuen onlinegestützten Medienangebote im Land umfassen.

Im Koalitionsvertrag haben wir einen strukturierten Dialog zur Zukunft des Medienstandortes Sachsen-Anhalt vereinbart. Ich erwarte, dass die Staatskanzlei endlich genau damit anfängt. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Hierzu sehe ich keine Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten und letzten Debattenredner. Der Abg. Herr Kurze spricht für die CDU-Fraktion. Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, das ist ein spannendes Thema.