Protokoll der Sitzung vom 08.11.2001

Verfassung geregelt ist, kann durchaus so verstanden werden, als setze es nicht nur Informationsansprüche über zur eigenen Person gespeicherte Daten voraus, sondern insgesamt einen umfassend informierten Bürger. Ein allgemeiner Anspruch auf Informationen gegenüber dem Staat ergibt sich aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes allerdings nicht. Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes begründet zunächst nur einen subjektiv-rechtlichen Informationsanspruch, wenn der Zugang zu einer Quelle schon eröffnet ist. Dennoch darf, so meinen wir, objektiv-rechtlich die enge Wechselwirkung zwischen Informationsfreiheit und Demokratieprinzip nicht außer Acht gelassen werden. Artikel 9 der Thüringer Verfassung sieht das Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens im Freistaat vor und hierfür sind unseres Erachtens Informationszugangsrechte unbedingt erforderlich. Wir gehen davon aus, dass nur diejenigen Bürgerinnen und Bürger weit reichend von ihren Rechten Gebrauch machen können, die hinreichend informiert sind. Eines ist ihnen mit unserer Unterstützung des Volksbegehrens ja bekannt geworden, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger müssen viel weiter gehen. Sie sollten nicht nur mittels eines Zugangsrechts zu Informationen in die Lage versetzt werden, in Parteien mitzuwirken, Bürgerinitiativen zu gründen und an Wahlen teilzunehmen, sondern sie müssen größere Möglichkeiten erhalten, politische Entscheidungen direkt mitzubestimmen und aber auch ihre Inanspruchnahme im Fall von Eingriffen in ihre Grundrechte zu verweigern. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Volkszählungsurteil von 1983 festgestellt, dass informationelle Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Dem Datenschutz wurde eine Grundlage im Grundgesetz zugemessen, die in den Staatszielbestimmungen und anderen Grundrechten eingelassen ist. Informationsrecht hat, wie wir meinen, in der Informationsgesellschaft allerhöchste Grundrechtsrelevanz. Die Grundrechte, nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Informationsfreiheit, sondern praktisch sämtliche sonstigen Grundrechte auch, können nicht mehr allein aus sich heraus wirken, sondern bedürfen der gesetzlichen Fassung, um sie für den Bürger handhabbar zu machen. Erst die Inanspruchnahme dieser Rechte bringt die zugrunde liegenden Grundrechte zur Wirksamkeit. Die bisherigen Informationsfreiheitsgesetze knüpfen an diese Grundsätze an und formulieren Bestimmungen, wie sie z.B. in den nordischen Staaten, in den USA, in Kanada, in Australien, in Schweizer Kantonen und Ungarn bereits existieren. Sie kehren das Verhältnis gläserner Bürger, abgeschotteter Staat um. Sie lösen sich so von den Traditionen des Obrigkeitsstaates, der sich in Deutschland mit Vorliebe auf das gute alte preußische Amtsgeheimnis beruft. Hier sind alle Informationen der Behörde geheim, es sei denn, sie müssen offen gelegt werden. Informationsfreiheit kehrt die Blickrichtung um, die Geheimhaltung amtlicher Akten und Datensammlungen wird von der Regel zur begründungsbedürftigen Ausnahme. Informationsfreiheit verän

dert die Informationsbalance zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgern zu Gunsten der Bürger. Hierzu gehört auch die Kontrolle des Verwaltungshandelns. Allzu oft stehen die Menschen auch in Thüringen einer Verwaltung gegenüber, die sich eben keine Informationen abtrotzen lässt. Mit Hilfe des allgemeinen Akten- und Amtsgeheimnisses, bei Bedarf und in zunehmendem Maße unterstützt durch das Datenschutzrecht, wird auf eine gegenüber dem Bürger überlegene Informationslage intransparenter Politik zurückgegriffen. Insofern ist Informationsfreiheit auch eine Vorbedingung eines demokratischen Willensbildungsprozesses, der der Verwaltung ein Stück Teilhabe abringt. Schon 1975 urteilte das Bundesverfassungsgericht: "Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes. Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich." Das Bundesverfassungsgericht geht damit davon aus, dass das Informationsrecht der Bürgerinnen und Bürger eines der wichtigsten Instrumente für demokratische Kontrolle ist,

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

dem nicht durch die fortwährenden Bezüge auf Amtsgeheimnisse ein Riegel vorgeschoben werden kann. Die Bürgerinnen und Bürger treten damit als um das Wohl der Allgemeinheit besorgte Kontrolleure der Verwaltung auf. In diesem Sinne hat auch ein russischer Spezialist im Informationsrecht formuliert - Zitat: "Der Sonnenschein der informierten Gesellschaft kann sowohl den Rost der Korruption als auch den Schimmel der Inkompetenz in der Tätigkeit der Staatsmacht wirkungsvoll bekämpfen." Aber es ist auch zu sagen, dem Kontrollgedanken liegt ein Bild der staatlichen Verwaltung zugrunde, das auch in Thüringen im Wandel ist. Nicht überall begegnet den Bürgerinnen und Bürgern eine traditionelle hoheitliche Verwaltung im Stil einer preußischen Obrigkeitsverwaltung, die, mit Herrschaftswissen ausgestattet, den Bürger als Untertan wahrnimmt. Es gibt auch in Thüringen moderne Verwaltungsstrukuren, die dem Bürger als Servicestrukturen gegenüberstehen oder Experimente mit E-Goverment und das begrüßen wir. Die Modernisierung von Verwaltungsstrukturen muss aber nicht nur formal Servicegesichtspunkte berücksichtigen, sie muss auch mit einer realen Demokratisierung einhergehen, die die hoheitlichen Befugnisse der Verwaltung nicht lediglich nur verschleiert. Eine demokratisierte und transparente Verwaltung ist ein Service für den Bürger. Die Regierung hat bei der Gewährleistung der informationellen Selbstbestimmung der Bürger ebenso wie bei der Sicherstellung des Akten- und Informationszugangs genau diese Servicefunktion. Herrin der Daten sind dann nicht mehr die Regierung oder eine Behörde, sondern es sind die Bürgerinnen und Bürger. Der Servicecharakter der Verwaltung kann ja auch ein Vorteil sein gegenüber privaten Auftragnehmern als Konkurrenten. Auf den Servicecharakter wird im vorliegenden Gesetzentwurf in § 4 Abs. 6 auch vorsichtig verwiesen. Wir meinen, das kann durchaus deutlicher als Hinweis an die Behörden gestaltet werden, entspechend

dem Stand der technischen Möglichkeiten Informationen über das Internet zugänglich zu machen. Dies muss auch mit der grundsätzlichen Aufforderung zur Veröffentlichung von Aktenverzeichnissen, Gegenständen und Strukturen oder anderem verbunden sein. Damit trägt die Verwaltung von sich aus zu mehr Transparenz bei. Nach § 17 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes z.B. sind bestimmte Informationen von der Verwaltung allgemein zugänglich zu machen. Informationen werden auch ohne Antrag publiziert und nicht nur von Fall zu Fall. Damit dieser Service durch die Bevölkerung angenommen werden kann, muss sich das Informationsrecht an den Grundbedürfnissen der Menschen orientieren und nicht an den Wünschen einzelner Wirtschaftsgruppen oder der Verwaltung selbst. Hier sehen wir aber im Gegenzug bei der Balancierung mit dem Datenschutz im vorliegenden Gesetzentwurf einen wesentlich stärkeren Schutz des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses als vereinfachte Ablehnungsgründe eines Zugangs, z.B. gegenüber den Ablehnungsgründen aufgrund der Betroffenheit von Bürgerinnen und Bürgern, die durch den Informationszugang als Grundrechtsträgerinnen und -träger ihrer persönlichen Daten betroffen sind. Hier werden wir Veränderungen vorschlagen.

Mit dem Informationsfreiheitsrecht muss es ja zu einer neuen Verzahnung zwischen Informationszugangsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt natürlich auch dem Datenschutz, kommen. Informationsansprüche, die unter Umständen auch personenbezogene Daten Dritter einschließen können und deren Spezifikum gerade ihre voraussetzungslose Inanspruchnahme ist, müssen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang gebracht werden. Hier wird immer wieder auch einzelfallbezogen zu erklären sein, wie die Zweckbindungs- und Übermittlungsbestimmungen der Datenschutzgesetze mit dem Informationsfreiheitsgesetz zusammenpassen. Die Übermittlung personenbezogener Daten bedarf regelmäßig einer Rechtsgrundlage, die zumindest die Erforderlichkeit für die Aufgabenerfüllung zur Voraussetzung machen muss. Informationsansprüche müssen aber bekanntlich nicht begründet werden, so dass ein Maßstab für Erforderlichkeitsüberlegungen völlig fehlt. So muss nach unserer Auffassung die Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden. Ein solches Gesetz muss dafür Sorge tragen, dass mit der Regelung des Informationszugangs nicht die datenschutzrechtlichen Standards abgesenkt werden. Insofern halten wir die Regelungen bezüglich der Rechte der von der Übermittlung personenbezogener Daten Betroffenen für konkretisierbar. Es muss aber genauso auch vermieden werden, dass der Datenschutz als Abwehrinstrument gegen Informationswünsche in Anschlag gebracht werden kann. Das sind zu vermittelnde Widersprüche. Insofern ist die im Gesetzentwurf vorgesehene konsensorientierte Umsetzung des Informationsfreiheitsrechts, die im Schlichtungsprinzip ebenso ihren Ausdruck findet wie in der Aufgabenübertragung auf die Datenschutzbeauftragte, richtig. Das Schlichtungsprinzip trägt dabei dem Wandel des Verwaltungsverständnisses gleichermaßen Rechnung wie dem

Ausgleich der Interessen zwischen Antragsteller und anderen Schutzgütern. Wir erachten hier auch aufgrund der unterschiedlichen Situationen von Antragsteller und Behörde bzw. Unternehmen das förmliche Verfahren inklusive der Akteneinsicht und der möglichen Rechtsmittel für die übergeordnete Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs, was im Gesetz nach unserer Auffassung deutlicher zu nennen ist.

Die Ausschlussgründe in der Gesetzesvorlage sind uns bedenklich weit gehend. Öffentliche Anstalten und Körperschaften öffentlichen Rechts sind vom Informationsanspruch ausgenommen. Hier schlägt z.B. das Berliner Informationsfreiheitsgesetz bereits für den Gesetzeszweck eine weit reichendere Formulierung vor, die das Informationszugangsrecht nicht nur auf Behörden, sondern auch auf "das in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten" bezieht. Ebenso wird beispielsweise in der Gesetzesvorlage der Landtag, dessen Schutz vor Beeinträchtigung der ungehinderten Meinungsbildung und Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren zweifelsohne sein muss, sehr umfassend vor dem Informationsanspruch geschützt. Und es wird in der Vorlage nicht nur der nicht ausforschbare Initiativ-, Beratungsund Handlungsbereich der Regierung und des Kabinetts geschützt, sondern auch ein bedenklich weit reichender Schutz des Entscheidungsbildungsprozesses in Behörden verankert. Hier sollte eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung zwischen kollidierenden Interessen an Stelle der strikten Ablehnung vorgesehen werden.

Meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass erst durch die Inanspruchnahme eines gesetzlich gefassten Rechts auf Informationszugang die zugrunde liegenden Grundrechte richtig zur Wirkung kommen. Aus diesem Grunde bestehen wir auch auf der Bürgerfreundlichkeit von Gesetzen im Sinne von Verständlichkeit und Praktikabilität für die Bürgerinnen und Bürger. Insofern muss tatsächlich ein Informationsfreiheitsgesetz, wie es die SPD-Fraktion hier vorschlägt, aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz herausgenommen und umfassend und durchsichtig geregelt werden, damit es handhabbar ist.

Nicht nachvollziehbar erscheint uns, wieso nicht neben einer konkreten Darstellung des Rechtswegs - und hier meinen wir auch die Nennung des durch das Gesetz ausgeschlossenen Vorverfahrens - auch eine Frist von beispielsweise vier Wochen für die Informationserteilung im Gesetz geregelt wird. Ebenso erachten wir eine zweiwöchige Frist für Stellungnahmen des Antragstellers nach einer angekündigten Ablehnung für zu kurz. Der Ausschluss des Rechtsbehelfs wiederum hängt nicht nur die Hürden für die Inanspruchnahme rechtlicher Geltendmachung von Ansprüchen bürgerunfreundlich hoch, er belastet in der Folge auch die Verwaltungsgerichte. Das spricht für die Festlegung der Informationsfreiheitsbeauftragten als Schlichtungsinstanz vor einem Widerspruchsverfahren, damit Ansprüche nicht zunächst auf

dem langwierigen und kostenträchtigen Weg der Gerichte durchgesetzt werden müssen, der darüber hinaus die Gerichte selbst belastet.

Meine Damen und Herren, im Sinne der Praktikabilität des Gesetzes sollte das Gesetz neben der Darstellung, welche Behörden, öffentlichen Einrichtungen und Bereiche nicht dem Gesetz unterliegen bzw. welche Ausschlussgründe vorliegen, in § 2 Hinweise auf besonders interessante Bereiche des Zugangs enthalten. Wir halten das für sinnvoll, im Sinne der Praktikabilität des Gesetzes bestimmte Bereiche, zu denen ein Informationszugangsrecht besteht, extra auszuweisen, wie z.B. die Bauplanung oder Projekte im Bereich Naturschutz oder Umwelt. Bei Informationen zur kommunalen Bauplanung ist der Informationsbedarf erfahrungsgemäß besonders hoch, nicht zuletzt wegen der erwiesenermaßen hohen Korruptionsanfälligkeit in diesem Bereich.

Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz geht hier den Weg einer expliziten Nennung von z.B. Bauleitplanung und städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen als Bereiche, wo Akteneinsicht von Beginn an möglich ist. Ausnahmen vom Zugangsrecht müssen darüber hinaus präzise formuliert werden. Hier erscheint uns die Formulierung, dass die "innere Sicherheit" von der Offenlegung nicht beeinträchtigt werden dürfe, als für den Vollzug nicht hinreichend klar und bestimmt, obwohl auch das Verwaltungsverfahrensgesetz genau diese Formulierung enthält.

In der Mehrzahl nutzen die Bürgerinnen und Bürger in den Bundesländern, wo es ein Informationsrecht schon gibt, ihr Recht für subjektive Belange, die früher oder später ohnehin verwaltungsverfahrens- oder prozessrechtliche Informationsansprüche begründet hätten. Das typische Beispiel sind Bürger, die zu einem früheren Zeitpunkt als nach bisherigem Recht über Planungsvorhaben informiert sein wollen, oder Betroffene, die in der Nähe eines Projekts, aber nicht nahe genug wohnen, als dass ihnen eine Klagebefugnis zweifelsfrei zustehen würde. Das Informationsfreiheitsgesetz ist damit eine Chance für die Bürgerinnen und Bürger, eigene Interessen früher und wirkungsvoller als im herkömmlichen Rechtssystem wahrnehmen zu können.

Einige Worte noch zur Kostenregelung. Sie darf nicht abschrecken. Wir halten die im Gesetzentwurf dargestellte Kostenregelung in ihrer möglichen Konsequenz für problematisch. Grundsätzlich muss gefragt werden, ob ein Informationszugangsrecht mit Kosten belegt werden darf, insbesondere dann, wenn Informationen abgefragt werden, die selbst mit öffentlichen Mitteln erstellt oder erhoben wurden. Wir schlagen vor, dass dem Antragsteller die zu erwartenden Kosten bei Antragstellung mitgeteilt werden und dass die Gebührenordnung nur sehr niedrige Kosten vorsieht. Kosten dürfen nach den Entscheidungen des EuGH nicht prohibitiv auf die Inanspruchnahme des Informationsrechts wirken und so sieht es auch die Begründung des SPD-Antrags vor. Hier halten wir, wie auch zu

zahlreichen anderen Aspekten des Gesetzentwurfs, die Evaluation der Praxis anderer Länder für sinnvoll. Wir könnten in einer Anhörung die Beauftragten anderer Länder dazu um Auskunft bitten.

Ebenso muss unseres Erachtens geprüft werden, inwieweit im Falle, dass ein Antragsteller nicht ein privates, sondern ein übergeordnetes Interesse im Auge hat, von Kosten abgesehen werden muss und ob dies mit dem Begriff des "öffentlichen Interesses" hinreichend erfasst ist. Wir schlagen außerdem darüber hinaus abschließend vor, die Thüringer Erfahrungen mit dem Informationsfreiheitsgesetz fortlaufend zu evaluieren und dem Landtag jährlich einen Bericht vorzulegen. Ich danke Ihnen.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fiedler, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, uns liegt heute das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz der SPD-Fraktion zur ersten Lesung vor und Kollege Schemmel hat ja schon kurz einleitende Worte dazu gesagt und wird sicher noch einiges ausführen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Aus- führlich!)

Ausführlich, ja das hatte ich auch nicht anders erwartet, jeder will sich ja sein Denkmal setzen, wenn er so etwas auf den Weg bringt. Deswegen denke ich, dass das noch passiert.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Sie haben ja schon eins.)

Meine Damen und Herren, ich denke, das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz, so, wie es uns hier vorgelegt wurde, erfüllt nicht den Zweck, den dieser Name suggeriert. Hier wird ja dargestellt, als ob man mit diesem Gesetzeswerk alles offen legen könnte, damit jeder im Lande, der gerade etwas begehrt, zu einer Behörde geht - ob das in seinem Rathaus ist, ob das eine Behörde ist, ob das ein Ministerium ist - und dann wird er entsprechend über diese Dinge informiert, die er denn gerne wissen möchte. Ich halte das für etwas sehr locker dargestellt. Es ist ja auch in der Begründung oder im Gesetz zu lesen, dass die USA, Schweden, Kanada, Spanien und andere Länder diese Dinge haben. Das mag ja durchaus sein, dass es dort an verschiedenen Punkten wirkt. Es gibt auch schon drei Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die sich mit diesem Gesetz beschäftigt haben. Der Kollege Hahnemann hat schon einiges dargestellt, was weit reichend von dem abweicht, was die SPD-Fraktion hier vorgetragen hat und was sie gerne erreichen möchte. Wenn ich den Herrn Hahnemann verfolge, dann ist alles nur noch offen und es wird alles nur noch öffentlich ausgewertet und alles be

sprochen. Ich glaube, meine Damen und Herren, das Ganze ist doch etwas Missachtung gegenüber den Menschen in den Kommunalverwaltungen, den Bürgermeistern, denjenigen in den Behörden und in den Ministerien. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren, sicher gibt es immer wieder Fehler und auch Möglichkeiten, wo bestimmte Dinge nicht ordentlich und vernünftig dargelegt werden, das ist unbestritten; aber es gibt auch heute schon Möglichkeiten über das Verwaltungsrecht entsprechend Dinge einzuklagen oder sich entsprechende Einsichten dort zu ermöglichen. Man kann es sich nicht so einfach machen, dass man sich jetzt herstellt und suggeriert, wenn man das einführt, wird alles viel besser. Das Ganze geht ja unter dem Kontext mehr Demokratie. Das ist eine wunderbare Geschichte, wir haben über die Dinge gesprochen, über die Unterschriften, die gesammelt wurden, überhaupt, dass wir die Bürgerinnen und Bürger im Lande dazu bringen, dass sie sich mehr mit einbringen, das ist ja eine ganz wichtige Geschichte. Aber hier wird suggeriert, man kann ja noch immer mehr machen, immer mehr einbringen und immer mehr beteiligen. Ich glaube, man sollte dabei einfach nicht vergessen, bei dem Ganzen, dass auch die Verwaltungen - und ich habe bis jetzt jedenfalls noch nicht erlebt, dass es diese gravierenden Dinge, die da teilweise dargestellt werden, wirklich gibt. Die Kommunen z.B. bemühen sich, dass sie für den Bürger öffentlich erreichbar sind, auch über die neuen Medien erreichbar sind, dass sich immer mehr geöffnet wird. Das Ganze passiert in den Folgebehörden genau so. Wir tun uns alle noch schwer damit, weil es eine konkrete Umstellung ist von dem Althergebrachten, was man alles lesen kann und was man vor sich sieht oder mit den neuen Computerprogrammen und ähnlichem umzugehen. Aber, wir sind auf dem Weg dorthin, dass sich dort viele Dinge öffnen, dass man vieles nachvollziehen kann und viele Dinge auch dort erfährt. Ich glaube aber, dass es nicht notwendig ist und vor allem nicht in der jetzigen Zeit notwendig ist, dieses Informationsfreiheitsgesetz jetzt einzuführen. Ich möchte schon auch noch die Frage an die SPD-Fraktion richten, nachdem ja die SPD fünf Jahre lang den Innenminister im Freistaat Thüringen gestellt hat, wäre es vielleicht in den fünf Jahren einmal an der Zeit gewesen, wenn man der Meinung gewesen ist, dass die Dinge nicht laufen, sowas mal auf den Weg zu bringen. Aber wahrscheinlich musste erst der Minister abtreten, damit man dann entsprechend das noch mal neu beginnt. Ich will es wenigstens mit erwähnen, dass fünf Jahre Gelegenheit war, sich mit den Dingen zu befassen. Aber das ist nicht mein erster Punkt. Mir geht es einfach darum, dass ich der Meinung bin, dass es im Moment der falsche Zeitpunkt ist.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Wann darf es denn sein?)

Ja, das kann ich Ihnen sagen, Dr. Schuchardt, das darf dann sein, ich sage es einmal mit dem Begriff, wenn man "fette" Jahre hat und alles ist im... Ja, da brauchen wir nicht darüber zu lachen, Sie wissen, was an Steuerschätzung uns in Zukunft ereilen wird und Sie wissen, wie die

Kommunen und alle anderen damit zu kämpfen haben. Alle haben sich bemüht, in den letzten Jahren schlanke Verwaltungen zu schaffen, haben sich bemüht abzuspecken, abzubauen und mit diesem Gesetz - ich will das aber nicht nur auf das Geld fokussieren, nicht dass der falsche Eindruck entsteht, aber auch auf das Geld. Denn wenn man das alles, was in dem Gesetz hier alles so mit einfließt, wenn ich z.B. nehme § 4 Abs. 3: "Die Behörde stellt ausreichende zeitliche, sachliche und räumliche Möglichkeiten für den Informationszugang zur Verfügung. Die Anfertigung von Notizen ist gestattet. Kann die Behörde die Anforderung von Satz 1 nicht erfüllen, stellt sie kostenfreie Kopien zur Verfügung" und, und, und oder Absatz 4: "Die Behörde stellt auf Antrag Kopien der Informationsträger, die die begehrte Informationen enthalten, auch durch Versendung, zur Verfügung. Oder Absatz 5: "Soweit Informationsträger nur mit Hilfe von Maschinen lesbar sind, stellt die Behörde auf Verlangen des Antragstellers maschinenlesbare Informationsträger einschließlich der erforderlichen Leseanweisungen oder lesbare Ausdrucke zur Verfügung". Ich könnte das fortführen. Das führt dazu, dass man hier in den effizienten und mittlerweile schlanken Verwaltungen entsprechend noch weiter eingreifen will. Ich glaube, das ist der falsche Zeitpunkt und ich sage bewusst, das ist der falsche Zeitpunkt. Herr Dr. Schuchardt, Sie wollen mich sicher fragen...

Herr Abgeordneter?

Er will mich sicher fragen, wann der richtige Zeitpunkt ist. Bitte, Dr. Schuchardt.

Herr Abgeordneter Fiedler, Sie haben nicht Recht, ich möchte etwas anderes fragen. Ich möchte Ihre letzte Argumentationslinie entkräften. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass über Gebührenerhebung der ganze Aufwand kostenneutral gestaltet werden soll und wenn ja, nehmen Sie dann Ihre letzte Argumentationslinie zurück?

Nein, die nehme ich nicht zurück, weil nämlich in Ihrem Punkt d, finanzielle Mehraufwendungen, steht: "Durch die Einführung eines allgemeinen Informationszugangsrechts entsteht ein erhöhter Arbeitsaufwand bei den zuständigen Stellen." Erst einmal Punkt. So, weiter gehts: "Dessen Umfang lässt sich nach den zur Verfügung stehenden Angaben nicht exakt abschätzen." Zweitens: "Ein Teil der zu erwartenden Mehraufwendungen wird zudem durch die vorgesehenen Gebührenerhebung kompensiert..." Ein Teil, Dr. Schuchardt, und dann sind Sie so geschickt und schreiben natürlich hinein: Die Gebührenordnung möge dann die Landesregierung festlegen, damit man dann das

Gesetz, wenn es dann durchkäme, gemacht hat und die Landesregierung legt die Gebührenordnung fest und nimmt dann vom Bürger das entsprechende Geld, damit das alles bezahlbar erscheint. Wunderbar gemacht. Ich nehme das also nicht zurück, weil es eben nicht dadurch kompensiert ist, wie Sie das hier versuchen darzustellen.

Meine Damen und Herren, dieses Informationsfreiheitsgesetz hat sicher gute Ansätze, ich will das gar nicht in Abrede stellen, über die es sich lohnt zu reden, über die es sich lohnt zu diskutieren und wo man die entsprechenden Möglichkeiten mit einbauen kann. Aber ich sage es noch einmal, es ist nicht nur, dass es um die Kosten geht, ich habe das jetzt versucht, darzustellen, es geht doch einfach darum, dort sind auch Dinge drin, z.B. gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. Wenn es darum geht, dass man hier in die finanziellen Dinge eingreift, dass man entsprechend, weil ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Finanzamt gegebenenfalls hier zugelassen wird. Ich glaube, das ist erstens nicht unsere Gesetzgebungskompetenz und zweitens denke ich, ist das auch verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Oder wenn es darum geht, weitere Unterrichtungen, es ist schon dargestellt worden, Datenschutz - wenn Rechte Dritter betroffen sind, wie werden die geschützt, wie geht das Ganze. Wenn es darum geht, dass z.B. Firmen beteiligt sind, dass Daten von Firmen hier irgendwo in Frage stehen, wer kommt denn für den Schaden auf, wenn der Mitarbeiter, der das dann gegebenenfalls entscheiden soll, dass dann bestimmte Dinge schief gehen und dann kommt es zu großen Schadensfällen. Wer kommt denn dann für diesen Schaden auf? Es sind also viele Dinge bis zu den Daten Dritter, was nicht ordentlich geregelt ist. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die hier gegebenenfalls nicht gewahrt werden usw. und so fort. Ich denke, hier sind einige Dinge, die bei weitem noch nicht ausgegoren sind und über die es noch zu reden gilt. Ich will nicht von vornherein sagen: In den Papierkorb und weg mit dem Ganzen, sondern ich bin der Meinung, man sollte in dem entsprechenden Ausschuss sich weiter darüber verständigen. Aber ich sage auch noch mal ausdrücklich, in der gegenwärtigen Situation, wo wir auch auf Bundesebene, angefangen von Minister Schily über die Innenministerkonferenz über alle Verantwortlichen, die uns gerade jetzt bemühen über Rasterfahndung, über bessere Zusammenarbeit, über alle - Herr Schemmel, Sie können doch nachher dazu reden - über diese ganzen Dinge, wo wir uns gerade bemühen, dass wir hier viele Dinge, ich sage mal, miteinander vernetzen und wir sollten eins nicht erwarten, dass gegebenenfalls auch Gegner, die diese Dinge dann mit nutzen, wenn dieses Gesetz da ist, um vielleicht Ausforschungen zu betreiben, damit sie überhaupt wissen, was dort los ist. Auch das sollten wir nicht so einfach mit einem Federstrich wegwischen, sondern auch das haben wir gesehen, dass viele Dinge, die wir uns bis jetzt nicht vorstellen konnten, das so etwas gegebenenfalls auch genutzt wird.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten den Gesetzentwurf an den Innenausschuss federführend überweisen und an den Justizausschuss begleitend, um dort an der Materie noch weiterzuarbeiten. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schemmel, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde mich bemühen, unter anderem auch Herrn Fiedler von seinen beklemmenden Ängsten zu befreien. Es wäre vielleicht günstig gewesen, das Gesetz in Gänze, die Begründung, mal durchzulesen, dann hätten Sie gemerkt, dass ein Riesenteil Ihrer Bedenken völlig unbegründet ist.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na, na, Kollege Schemmel, unterstellen Sie doch nicht immer die eigene Faulheit.)

Erstens wollte ich etwas zur Geschäftsordnung sagen, weil ich mich ärgere, wenn eine Fraktion ein Gesetz einbringt, dass schon in der ersten Lesung, bevor der Einbringer überhaupt die Möglichkeit hatte zu sagen, was er mit dem Gesetz will, Herr Hahnemann im Stil einer Innenausschussberatung, ich sage mal, diskutiert über etwas, was eigentlich noch gar nicht eingebracht ist. Das unterscheidet natürlich das Einbringen durch eine Fraktion wesentlich von einem Gesetzentwurf von der Regierung, dort wird das ordnungsgemäß vorgetragen von dem zuständigen Fachminister und dann beginnt die Diskussion. Aber wir sollten das als Anregung für die Geschäftsordnung, Herr Stauch, mal aufnehmen, das ist nicht gut so. Aber in diesem Fall war es vielleicht trotzdem wirklich mal gut, denn die Tatsache, dass von der PDS diese Sache als überhaupt nicht weit gehend bezeichnet worden ist und die Tatsache, dass von der CDU, es als viel zu weit gehend bezeichnet worden ist, sagt mir doch, dass wir eigentlich mit viel Fingerspitzengefühl hier eine vernünftige Lösung gefunden haben.

(Beifall bei der SPD)

Letztlich kann es eigentlich nur eine vernünftige Lösung sein, wenn wir uns zu diesem Gesetz verständigen wollen. Da weiß ich doch ganz genau, zu welchen Punkten wir eine Einigungsmöglichkeit haben und habe von vornherein die ganze Sache nicht überfrachten wollen. Unser Ziel ist nicht, beispielgebend ein Gesetz vorzustellen und dann verschwinden zu lassen, sondern unser Ziel ist es, in Thüringen ein Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen, Informationsfreiheitsanspruch für den Bürger zu gewähren.

Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, sind nämlich eine Programmpartei. Dies ist manchmal recht schwierig,

(Unruhe bei der CDU)

aber letztlich doch relativ nützlich. Und, meine Damen und Herren, wir haben Grundwerte, die unser Programm bestimmen und nach denen wir uns ausrichten. Diese Grundwerte heißen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

(Beifall bei der SPD)

Dieses gilt für gute Zeiten, Herr Fiedler, aber es muss auch in schlechten Zeiten gelten dürfen. Und wenn Sie sagen, es ist halt nicht der Zeitpunkt, weil gerade dieses und jenes ist, da kann ich Ihnen überhaupt nicht zustimmen. Entweder man will den Bürger informieren, oder man will ihn nicht informieren. In diesem Rahmen der Programme und dieser Grundwerte ist natürlich auch eine sozialdemokratische Fraktion gezwungen oder verpflichtet, sich ein eigenes Profil zu geben. Ich werde Ihnen jetzt mal aus dem Jahr 2001, also aus diesem Jahr, was noch gar nicht vergangen ist, fünf unserer Gesetzesvorhaben vorlesen, da werden Sie sicherlich merken bei gefälliger Betrachtung, was das Profil unserer Fraktion ausmacht. Jetzt beginne ich mit dem Thüringer Richtergesetz, Beteiligung für den Richter an ihrer Selbstverwaltung. Ich führe fort mit der Thüringer Kommunalordnung, die wir vorgelegt haben, Teilhabe der Bürger im Verwaltungshandeln der Kommunen und Transparenz der Verwaltung. Ich führe fort mit dem Verfassungsschutzgesetz, mehr Transparenz in diesem sehr empfindsamen Bereich, ich führe fort mit dem Gesetz zur Entwicklung direkter Demokratie, was gemeinsam mit der PDS aufgestellt wurde im Sinne der Initiative, was wahrscheinlich erst morgen in die Debatte kommt und ich setze fort mit dem Informationsfreiheitsgesetz, auf das ich mich jetzt beziehe. Sie sehen also, in dieser Zeit von ein paar Monaten hat unsere Fraktion fünf Gesetze vorgelegt, Gesetzentwürfe, die sich eindeutig verpflichtet fühlen, mehr Transparenz im staatlichen Handeln, mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am staatlichen Handeln. Das ist unser Profil und da lassen wir uns solche verwaschene Darstellung hier,

(Beifall bei der SPD)

da haben wir noch ein bisschen Zeit usw., einfach nicht gefallen. Und dann kommt das Nächste aus dem Innenministerium - da muss es einen Sprecher geben, ich weiß jetzt nicht wie er heißt, der hat irgendwie in einer Pressemitteilung verlautbaren lassen, das Informationsfreiheitsgesetz wäre abgeschrieben. Na selbstverständlich, meine Damen und Herren, haben wir uns an Vorbildern informiert, aber gerade diese Vorbilder belegen natürlich zugleich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es begann ja alles mit dem freedom of information act in den USA und es wurde schon gesagt, Schweden, Frankreich, Niederlande, Österreich, Italien, Portugal haben solche Gesetze, für mich erstaunlicherweise und erfreulicherweise

auch Ungarn und die Tschechische Republik. Es gibt Entwürfe in Großbritannien und in Japan, es gibt Landesgesetze in Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein. Und in der Europäischen Union schreibt der Artikel 255 EG-Vertrag ein allgemeines Zugangsrecht zu den Akten der Kommission fest. Wenn das unsere Vorbilder gewesen sind

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU. Australien! Aber jetzt nicht hundertmal soundsoviel Län- der nennen.)

- Australien, auch noch - dann bekenne ich mich gerne zu diesen demokratischen Staaten und Institutionen,