Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Zuruf Köckert, Innenminister: Herr Ramelow kann sich gern zu Wort melden.)

Wollen Sie sie beantworten, Herr Minister? Gut, Sie müssen ja nicht.

Ich würde gern nachfragen, Herr Minister Köckert, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie als zuständiger Minister, nachdem Sie über die Erkenntnisse verfügt haben, die Präsidentin des Thüringer Landtags über die Erkenntnisse informiert haben, die Ihnen vorlagen, so wie Sie es eben ausgeführt haben, und war das vor der Wahl zur G 10?

Ich habe, nachdem den zuständigen Parlamentariern und damit auch den zuständigen Vertretern der Exekutive diese Informationen bekannt geworden sind, einen sehr allgemein gehaltenen Brief an die Präsidentin des Thüringer Landtags mit dem Inhalt gesandt, dass die Arbeit des Abgeordneten Dittes in der G-10-Kommission geeignet erscheint, die Arbeit dieser Kommission zu behindern, dieses in einem relativ kurzen zeitlichen Abstand, sprich also, Mitte Februar wurden die Abgeordneten unterrichtet, im März ist dieses erfolgt.

Es gibt zuständige Abgeordnete, die von dem Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz und auch von dem zuständigen Minister über bestimmte Sachverhalte informiert werden. Dafür hat der Landtag eine Kommission eingerichtet, die über die Arbeit des Verfassungsschutzes wacht und der regelmäßig berichtet wird. Wenn die PDS-Fraktion aus eigenem Antrieb und aus eigenem Verschulden dieser Kommission nicht angehört, dann haben wir das anfänglich bedauert, können es aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr ändern.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich frage hier in die Runde: Wird Aussprache zum Sofortbericht gewünscht? Es wurde Aussprache zum Sofortbericht von der CDU-Fraktion gewünscht und ich bitte als ersten Abgeordneten Herrn Kölbel an das Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bin als Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission dieses hohen Hauses von den Mitgliedern der Kommission beauftragt worden, folgende Erklärung abzugeben:

Die Parlamentarische Kontrollkommission hat sich in ihrer letzten Sitzung ausführlich mit dem in den Medien aufgeführten Fall der angeblichen Überwachung eines Abgeordneten durch den Thüringer Verfassungsschutz befasst. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist aufgrund der Berichterstattung der Landesregierung einhellig zu der Überzeugung gelangt, dass kein Abgeordneter des Thüringer Landtags zielgerichtet im Hinblick auf seine Abgeordnetentätigkeit überwacht wurde. Dies gilt auch für die vorhergehenden Legislaturperioden. Wenn allerdings verfassungsfeindliche Bestrebungen in Thüringen beobachtet werden, können bei dieser Beobachtung auch Abgeordnete betroffen sein, zum Beispiel im Zuge einer Gesamtmaßnahme. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Was läuft denn hier für ein Spiel ab?)

Es läuft kein Spiel ab, Herr Buse. Es gab eine Wortmeldung und die habe ich zunächst erst einmal aufgerufen. Wenn Herr Abgeordneter Kölbel nicht bereit ist, Fragen zu beantworten, dann ist das seine Entscheidung. Als Nächsten bitte ich Herrn Abgeordneten Pohl an das Rednerpult.

(Unruhe bei der PDS)

Bitte, Herr Abgeordneter Pohl, Sie können ruhig beginnen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, grundsätzlich ist eine Beobachtung von Abgeordneten aufgrund ihres Statusrechts nicht ausgeschlossen. So endet faktisch das Gutachten der Landtagsverwaltung zur Beobachtung von Abgeordneten durch den Thüringer Verfassungsschutz. Meine Damen und Herren, ich möchte eingangs zu diesem Thema noch mal klarstellen, dass wir, die SPD-Fraktion, die Existenz des Landesamts für Verfassungsschutz nicht in Abrede stellen und auch in Zukunft dieses Amt seinen Platz haben wird, wenn ich auch hier klar feststellen muss, dass wir darauf dringen, dass die Parlamentarische Kontrollkommission des Thüringer Landtags mit erweiterten Kontrollmöglichkeiten ausgestattet werden soll, denn unser Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes befindet sich ja schon seit Sommer des vergangenen Jahres im parlamentarischen Gang. Es hat auch den Anschein, die CDU-Landesregierung will diesen auf Halde liegen lassen.

Meine Damen und Herren, bezogen auf meinen Eingangssatz, grundsätzlich ist eine Beobachtung von Abgeordneten aufgrund des Statusrechts nicht von vornherein ausgeschlossen, heißt das im Klartext, ein Abgeordneter steht

nicht außerhalb der Verfassung, so auch in dem vom Wissenschaftlichen Dienst gestellten Gutachten. Es muss geklärt werden, ob dem Verfassungsschutz Befugnisse gegenüber Abgeordneten zustehen und welchen Voraussetzungen sie unterliegen. Das vom Wissenschaftlichen Dienst erstellte Gutachten bestätigt, dass grundsätzlich Beobachtung von Abgeordneten engen - und ich betone "engen" - Grenzen unterliegt. Der Status von Abgeordneten, die freie Ausübung des Mandats auch im vorpolitischen Raum, ist nach Artikel 53 Abs. 1 unserer Landesverfassung gegen jede Beeinflussung, insbesondere durch andere Staatsgewalten, zu schützen. Aus diesen Gründen tangieren diesbezügliche Aktivitäten des Verfassungsschutzes das Statusrecht der Abgeordneten. Deswegen können diese Eingriffe nur dann möglich sein, wenn überragende Rechtsgüter das damit tangieren und der Eingriff, durch Gesetz angeordnet, dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt und auch der Vollzug verhältnismäßig erscheint. Dieser Argumentation der Landtagsverwaltung können wir uns voll anschließen. Darüber hinaus müssen wir die Frage klären, wie es zu einer Beobachtung von Abgeordneten kommen kann und wie eine solche Beobachtung kontrolliert werden muss. Für meine Fraktion möchte ich deshalb folgenden Vorschlag machen: Eine Beobachtung von Abgeordneten soll nur dann möglich sein, wenn die PKK - Parlamentarische Kontrollkommission - hinsichtlich der Beobachtung und der Einhaltung der oben genannten Voraussetzungen in Kenntnis gesetzt wird. Nach Abschluss der Maßnahmen soll die Parlamentarische Kontrollkommission über den Vollzug der Maßnahmen informiert werden. Ich sehe die Parlamentarische Kontrollkommission hier als Scharnier zwischen Landesregierung und Parlament.

Meine Damen und Herren, das als Fazit: Studieren wir das Gutachten der Landtagsverwaltung gründlich und ausreichend und lassen Sie uns danach die notwendigen und rechtsstaatlich zulässigen Änderungen in Gesetzen vornehmen, damit das Statusrecht der Abgeordneten und der Schutz der Thüringer Verfassung nebeneinander bestehen und gleich stark, aber zugleich stärker als bisher geschützt werden. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Frau Abgeordnete Kaschuba, Sie haben das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wir befassen uns heute im Konkreten mit dem Antrag, der heißt "Übermittlung personenbezogener Daten Thüringer Landtagsabgeordneter durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz an die Landesregierung". Dafür gab es einen konkreten Anlass und der fand im Februar dieses Jahres statt, als wir informiert wurden, dass es im Auftrag des Thüringer Innenministers Köckert ein

erstelltes Dossier "Steffen Dittes" aus dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gibt. Die Empörung in unserer Fraktion war entsprechend, gewundert haben wir uns nicht.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Na, bitte sehr!)

Weshalb wir uns nicht gewundert haben, glaube ich, hat mein Kollege Koch bereits an der Chronologie der bisherigen Aktivitäten des Landesamts für Verfassungsschutz und des Verhaltens verschiedener Minister in diesem Kontext deutlich gemacht. Ich möchte deshalb die verschiedenen Ereignisse auch nicht noch einmal wiederholen, verweise aber darauf, dass spätestens am 18.02, als der ehemalige Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Herr Roewer, erklärt hat, dass er einen Auftrag des damaligen Innenministers Franz Schuster erhalten hätte, den Landtagsabgeordneten Klaus Höpcke auszuspionieren, die PDS aktiv geworden ist, Herr Seela. Wir haben uns mit einem kollektiven Auskunftsersuchen aller Abgeordneten nach § 11 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes an das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gewandt, um Vermutungen, dass eventuell auch andere Abgeordnete solchen Beobachtungen unterlegen sind, auszuräumen. Mittlerweile liegt uns das Antwortschreiben von Herrn Sippel vor. Ich möchte einen Satz zitieren. Ich habe diesen Brief an den Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz unterschrieben, alle anderen Abgeordnten der Fraktion müssen noch einmal einen Einzelantrag stellen. In Bezug auf meine Person führt er aus: "Hinsichtlich etwaiger zu Ihrer Person gespeicherten Daten werde ich in Kürze auf Ihren Antrag zurückkommen." Das schließt also von vornherein nicht aus, dass Daten gespeichert sein könnten. Das ist auch eine Aussage. Und wenn es denn so sein sollte - ich betone, wenn es denn so sein sollte -, dass Daten über meine Person gespeichert sein sollten, dann müsste ich mich noch einmal hier in diesem Haus zu Wort melden und mich bedanken für eine lückenlose Beobachtung in den letzten 16 Jahren, was sicher hier nicht jeder über sich behaupten kann. Der "Spiegel" veröffentlichte am 25. Februar 2002,

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ich bin länger beobachtet worden!)

dass Herr Köckert beim damaligen Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz Dr. Roewer Informationen über Steffen Dittes angefordert habe. Wie hier bereits erwähnt, steht in dem Schreiben: "Wie am Rande der PKK-Sitzung vom 16. Februar von Ihnen erbeten, übersende ich den beigefügten Vermerk." Der beigefügte Vermerk ist ein Kurzdossier mit einer Sammlung personenbezogener Daten über die öffentlichen politischen Aktivitäten des Abgeordeten Dittes sowie eine Information über erfolgte Verurteilungen.

Frau Abgeordnete,

Ja, bitte?

lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. Der Thüringer Innenminister erklärt, er habe die Informationen nach einem Bericht Roewers in der PKK erbeten, in dem auch der Abgeordnete Dittes eine Rolle spielte. Er habe die Informationen für notwendig erachtet, weil die PDS den Abgeordneten Dittes als Mitglied der G-10Kommission vorgeschlagen hatte. Der Vorschlag der PDSFraktion wurde im November 1999 in den Landtag eingebracht. Daraufhin änderte die CDU-Fraktion kraft ihrer Mehrheit das Thüringer Ausführungsgesetz zum Grundgesetz Artikel 10. Am 28. Januar 2000 wurde die erste Wahl im Thüringer Landtag durchgeführt, bei der der von der PDS vorgeschlagene Abgeordnete nicht gewählt wurde. So viel dazu.

Ich muss Ihnen sagen, wir sind in großer Sorge. Wir müssen uns natürlich fragen, wie, wenn schon mit Abgeordneten verfahren wird, wie sonst nur der Koch mit der Kartoffel verfährt, wohl der Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ist in Bezug auf ihre Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Das hätten sie mal vor 30 Jahren fragen sollen!)

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion verwahrt sich gegen die Eingriffe in ihre Rechte, gegen die Ausspitzelung ihrer Abgeordneten und die öffentlichen Verrufserklärungen, die aus diesen Ausspitzelungen entstanden sind.

(Zwischenruf Abg. Braasch, CDU: Früher hatten wir keine Gelegenheit, uns dagegen zu verwahren!)

(Beifall bei der PDS)

Die PDS sieht die Datenerhebung und die Weitergabe von Abgeordnetendaten an das Innenministerium als Skandal an.

(Beifall bei der PDS)

Die Krönung dieses Skandals allerdings ist die Aufforderung der beiden Innenminister, diese Daten gegebenenfalls zu erheben und an sie weiterzugeben. Fraglich ist folglich zunächst, ob die beiden Innenminister - Schuster und Köckert - die Informationen erstens anfordern durften, ob das Landesamt diese weitergeben durfte

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Ob sie sie überhaupt angefordert haben.)

- gut, ob sie sie angefordert haben - und nicht zuletzt, ob die Informationen überhaupt erhoben und personenbezogen gespeichert werden durften. Unklar ist bis heute, welchen Grund der Innenminister für sein Auskunftsersuchen angab und ob dieses für das Landesamt eine erforderliche Rechtsgrundlage darstellte.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU)

Meinen Sie? Im vorliegenden Fall wurden die dem Innenminister zur Verfügung gestellten Daten offenkundig nicht übermittelt, weil das Landesamt dazu nach § 2 des Verfassungsschutzgesetzes Anlass und Erfordernis sah, sondern auf ein Informationsersuchen des Ministers hin. Inwieweit das Dossier lediglich die in der PKK-Sitzung gegebenen Informationen aufführt, geht aus dem Dossier und den bisherigen Äußerungen auch am heutigen Tage nicht hervor. Bliebe also die Frage: Was ermächtigt den Innenminister, diese Informationen zu erbitten und zu erhalten? Ein Innenminister ist als oberster Dienstherr zwar zuständig für die Dienst- und Fachaufsicht im Thüringer Innenministerium, wir bestreiten jedoch, dass das Anfertigen von Dossiers über Abgeordnete in diesen Bereich fällt. Laut Aussagen des Innenministers sollte das Auskunftsersuchen der Prüfung der Geeignetheit des Abgeordneten für die G-10-Kommission dienen. Die G-10-Kommission jedoch ist ein parlamentarisches Gremium, innerhalb dessen Wahlprocedere der Innenminister keine dienstrechtlichen oder fachlichen Kompetenzen besitzt.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion bezweifelt zudem, dass hier - ganz gleich, was einem Abgeordneten ihrer Fraktion hier unterstellt wird - bezüglich der Wahlen zur G-10-Kommission von einer Gefahr für die Sicherheit des Bundes und des Landes auszugehen war. Nicht nur, dass wir die Existenz einer Grundlage der Anforderung bezweifeln, wir bezweifeln auch die Gefährlichkeit unserer Abgeordneten in diesem Sinne. Wir bezweifeln deshalb auch, dass es ein Schutzbedürfnis und -interesse gegeben haben könnte. Wir bezweifeln dies vor allem, weil die CDU kraft ihrer Mehrheit die Besetzung durch Dittes ohnehin ausschließen konnte und dieses bereits einmal getan hatte. Wir bestreiten auch, Herr Seela, die Erforderlichkeit einer Vorabprüfung, weil alle durch den Landtag gewählten Mitglieder nach ihrer Wahl und mit ihrem Einverständnis einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Keiner Sicherheitsüberprüfung, was erzählen Sie denn für einen Blödsinn.)

Das können Sie ja dann korrigieren, Herr Minister.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Man muss dahinter stehen, was man aufgeschrieben hat.)

Was ich mir aufschreiben lasse und hier erzähle, ist meine Sache; Sie können dann das erzählen, was Ihre Sache ist.

(Beifall bei der PDS)

Wir bestreiten auch die Erforderlichkeit der Vorabprüfung,