Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

Herr Staatssekretär Illert, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beantworte namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage von Frau Abgeordneten Becker wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2: Unterhaltungs- und Überwachungskosten für die Talsperren bleiben erhalten. Der Überwachungsaufwand für die Rohwasseruntersuchung kann deutlich reduziert werden. Im Übrigen müssen die Talsperren wie bisher die Aufgaben Hochwasserschutz und Niedrigwasserauffüllung erfüllen und können weiterhin für umweltfreundliche Energieerzeugung genutzt werden.

Zu Frage 3: Entsprechende Maßnahmen sind dann zu ergreifen, wenn das fusionierte Unternehmen "Thüringer Fernwasserversorgung" zu einer anderen betriebswirtschaftlichen Entscheidung kommt als von Kienbaum vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass es bei dem Fernwasserpreis von 0,61 " "" 

Zu Frage 4: Im Jahr 2001 wurden aus dem Talsperrensystem Schmalwasser Tambach-Dietharz rund 5 Mio. Kubikmeter Rohwasser bereitgestellt.

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Frau Abgeordnete Becker.

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie erst einmal das Vorgegebene der KienbaumStudie umsetzen wollen? Das unterstellt ja, dass die Talsperren aus der Trinkwasserversorgung genommen werden - also vorläufig.

Nein, nein.

Nein. Gut.

Ich wiederhole noch einmal die Antwort: Entsprechende Maßnahmen sind dann zu ergreifen, wenn das fusionierte Unternehmen "Thüringer Fernwasserversorgung" zu einer anderen betriebswirtschaftlichen Entscheidung kommt als von Kienbaum vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass es bei dem Fernwasserpreis von 0,61 " "" 

Es gibt eine weitere Frage. Herr Abgeordneter Kummer, bitte schön.

Ist geplant, die Trinkwasseraufbereitung Tambach-Dietharz zu schließen oder sind an diesem Standort Investitionen vorgesehen?

Die Frage kann nur abschließend beantwortet werden von demjenigen, der zu der Entscheidung dann kommt. Ich habe gerade vorgetragen, dass die Landesregierung eine entsprechende Entscheidung noch nicht getroffen hat. Wer zu der Entscheidung käme, dass die Rohwassernutzung bei den beiden Talsperren aufgegeben würde, eine derartige Entscheidung ist nicht getroffen worden. Der Vorschlag von Kienbaum ist bekannt. Wenn eine entsprechende Entscheidung getroffen wird, wird sie das neue Unternehmen treffen müssen und eine Folgeentscheidung ist die Trinkwasseraufbereitung.

Ich sehe eine weitere Nachfrage. Bitte, Frau Abgeordnete Wildauer.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass es sehr große Irritationen wegen dieser Problematik genau in TambachDietharz und in den Anliegergemeinden gibt. Was ist seitens der Landesregierung geplant, um diese Aufregungen nach Möglichkeit zu befrieden?

Ich bedaure die Aufregungen außerordentlich, sie sind völlig unnötig und ich weiß auch nicht, wieso sie entstanden sind. Im Ergebnis: Die beiden Unternehmen, zu denen die Mitarbeiter gehören, haben eingehende Gespräche mit den Mitarbeitern geführt.

So, weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Wir schließen den Tagesordnungspunkt 11 Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "’Mehr Demokratie geht nicht’ - Das Verhältnis der Thüringer CDU zur Demokratie" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/2291

Zunächst hat Herr Abgeordneter Hahnemann das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Demokratie als Prinzip kam in der Halbzeitbilanz des Ministerpräsidenten eigentlich etwas zu kurz. Die wenigen Ausführungen gipfelten dann in den sehr erhellenden Sätzen, Zitat: "Mehr Demokratie geht nicht. Wir haben, Gott sei Dank, ein demokratisches Gemeinwesen und entweder ist es demokratisch oder nicht. Demokratie ist nicht steigerbar, meine Damen und Herren." Der Ministerpräsident hat jedenfalls insofern nicht Recht, als er auf ein Ansinnen hunderttausender Bürger nicht so politphilosophisch hintersinnig antworten sollte. Es scheint entgangen zu sein, dass mehr Demokratie nicht qualitativ, sondern eben quantitativ gemeint war. Demokratie ist bekanntlich kein Zustand, Demokratie ist der gesellschaftliche Prozess eigenständiger verantwortlicher Gestaltung von Gesellschaft und Politik durch die Bürgerinnen und Bürger selbst.

(Beifall bei der PDS)

Gestaltung durch Informieren, Diskutieren und Entscheiden nicht nur bei Wahlen, sondern auch in Sachentscheidungen. Ich möchte an dieser Stelle nicht - was weiß ich zum wie vielten Male - im Einzelnen auf Ihren Umgang, meine Damen und Herren, mit der aktiven Beteiligung der Bürger an der Diskussion und Entscheidung von Sachthemen eingehen. Aber an Ihrem Umgang mit direkter Demokratie in Thüringen, an der Geringschätzung der Willensbekundung von mehr als 380.000 Thüringern zeigt sich Ihr Verständnis von Demokratie, verrät sich Ihr Verhältnis zum Wunsch vieler Menschen nach mehr Mitwirkung. Mit Ihren Ausführungen erwecken Sie den Eindruck, als werde Demokratie als Zustand eines Gemeinwesens hergestellt und dann von einem Staat und seinen Einrichtungen gewahrt.

Beim Bürger entsteht so aber der Eindruck, Demokratie würde den Bürgern gewährt. Hinzu kommt, dass das Prinzip der Repräsentation gern verabsolutiert wird, was mit der Zeit dazu geführt hat, dass im Selbstverständnis großer Teile der politischen Klasse die Bürger die Abgeordneten auswählen - hier alle 5, dort alle 4 Jahre - und diese machen dann die Demokratie für die Bürger. Dieses Verständnis zeitigt dann im politischen Denken und Handeln zwangsläufig immer wieder die skurrilsten Ergebnisse. Sie reichen von Verherrlichung der Bedeutung der Exekutive, über die Geringschätzung der Opposition, bis zu den jüngsten Parteiskandalen.

Doch etwas ist noch bedenklicher als das: Ihre Verabsolutierung der repräsentativen Demokratie droht das Verhältnis der Repräsentation am Ende in sein völliges Gegenteil zu verkehren. Am Ende wollen die Repräsentanten ihren Wählern vorschreiben, wann und wie und ob überhaupt diese ihre eigentliche Souveränität auch hinsichtlich einzelner Sachfragen behalten und ausüben oder sich zurückholen dürfen. Demokratie heißt nun einmal "Herrschaft des Volkes", klassisch als Herrschaft für das Volk, mit dem Volk und eben durch das Volk.

Die Bürger sind die Träger der Staatsgewalt, sie sind in einer Demokratie diejenigen, die letztendlich das Entscheidungsrecht darüber haben, wie Gesellschaft und Staat aussehen sollen und das schließt gegebenenfalls die Entscheidung über einzelne Sachfragen ein. Das, meine Damen und Herren, ist der Kern von Demokratie, die Souveränität des Volkes. Deshalb ist nach unserer Auffassung konsequent betrachtet eine Demokratie nur dann vollendete Demokratie, wenn sie ausgeprägte Züge, Möglichkeiten und wirksame direkte Demokratie durch die Bürgerschaft trägt und zulässt.

Unverzichtbare Voraussetzungen für sinnvolle Sachentscheidungen durch die Bürger sind umfassende Informationen und Diskussion der Sachfragen in der Öffentlichkeit, das heißt entsprechende Zulassungs- und Zustandekommensquoren bei Volksbegehren. Für diesen Diskussionsprozess müssen die öffentlichen Straßen, Plätze und Säle die Orte der Diskussion und der Unterstützung sein und nicht die Amtsstuben.

(Beifall bei der PDS)

Volksgesetzgebung ist eine legislative Angelegenheit und keine Sache der exekutiven Verwaltung. Am Ende müssen zur Entscheidung Quoren stehen, die auch wirklich eine Aussicht auf Erfolg solider Anstrengungen derer signalisieren, die sich engagieren. Beteiligungs- und zu hohe Zustimmungsquoren aber unterstützen die Verhinderer demokratischen Engagements, die Passivisten des Gemeinwesens, und das ist nicht eigentlich im demokratischen Sinne. Man kann Volkssouveränität und direkte Demokratie sehr wohl ernst nehmen, ohne die repräsentative Demokratie zu gefährden. Das will hier niemand. Die Vorgänge in Nordrhein-Westfalen beweisen ja, dass die CDU der direkten Demokratie gegenüber unter bestimmten Umständen sehr aufgeschlossen scheint.

(Beifall bei der PDS)

Die bestimmten Umstände allerdings für die plötzliche Liebe zu Plebisziten bei der CDU in NRW ist aber nicht ein Bekenntnis zur Volkssouveränität, sondern der Drang zur Macht, und der ist ohne eine Hinwendung zum Souverän aussichtslos.

Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, Ihre Redezeit geht zu Ende.

Im Verständnis demokratischer Mitwirkung der Bürger unter quantitativem Aspekt wäre mehr Demokratie durch handhabbare, direkte demokratische Mitbestimmung der Bürger möglich. Unter diesem Aspekt steht Ihre Politik für immer weniger Demokratie. Das wird Ihnen auch Kollege Ramelow nachher noch an anderem belegen. Sie,

meine Damen und Herren aber, sollten nicht überlegen, wie Sie den Willen von Hunderttausenden von Bürgern entkräften, sondern verstehen lernen, was diese Bürger meinen, wenn sie fordern: "Mehr Demokratie in Thüringen!" Danke.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt die Landesregierung das Wort, Herr Minister Dr. Birkmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die antragstellende Fraktion muss sich zunächst fragen lassen, was sollte der Anlass für diese Aktuelle Stunde sein. Ich denke, dieser Anlass hat sich nicht so ohne weiteres erschlossen, aber man möchte ganz gern wissen, was denn der Hintergrund für ein Thema ist, denn dann weiß man auch, worüber man sprechen soll.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das war die Halbzeitbilanz, das hat doch Herr Hahne- mann erklärt!)

Bei der Suche nach einem möglichen Hintergrund waren wir dann doch erstaunt, dass offensichtlich - und Herr Hahnemann hat es ja eben noch einmal gesagt - das Zitat des Ministerpräsidenten in der Regierungserklärung vom 15. März 2002 der Ausgangspunkt Ihrer Thematik war.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das ist doch wörtlich zitiert.)

Meine Damen und Herren, ich darf mit Zustimmung der Präsidentin dann auch noch einmal zitieren und würde dieses Zitat dann etwas weiter ausdehnen, Herr Dr. Hahnemann: "Mehr Demokratie geht nicht. Wir haben, Gott sei Dank, ein demokratisches Gemeinwesen und entweder ist es demokratisch oder nicht. Demokratie ist nicht steigerbar, meine Damen und Herren." Und jetzt kommt das, was Sie dann nicht mehr weiterzitiert haben, aber ich würde es gern tun, um auch Ihr Verfassungsverständnis vor diesem Hintergrund hier etwas zu beleuchten: "Darum geht es hier auch gar nicht, sondern es geht um die Formen der Demokratie. Es geht um mehr Engagement, es geht um mehr Partizipation, es geht um mehr Beteiligung, es geht um mehr bürgerschaftliche Mitverantwortung und sie muss im Einklang mit unserem repräsentativen parlamentarischen Regierungssystem stehen, im Einklang mit der Grundordnung unserer Landesverfassung. Darauf hat uns der Verfassungsgerichtshof nahezu einstimmig deutlich mit Recht hingewiesen."

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Eine Gegenstimme!)

Man fragt sich nun: Ist das ein Anlass, die Frage nach dem Demokratieverständnis einer Partei zu stellen, einer Partei, die immerhin bei der letzten Wahl mehr als die Hälfte der Wählerstimmen bekommen hat? Das Zitat des Ministerpräsidenten bedeutet in dem Kontext, in dem es gesagt wurde, doch ganz eindeutig die Selbstverständlichkeit, dass es bei dem Verhältnis von repräsentativdemokratischen und plebiszitär-demokratischen Elementen in einem Staatswesen nicht um ein Mehr oder Weniger an Demokratie geht. Demokratie ist der Oberbegriff, es geht jeweils um das Gewicht unterschiedlicher demokratischer Elemente, das ist die einheitliche Betrachtungsweise in der Staatsrechtslehre. Prof. Isensee, den Sie so sehr schätzen, hat es mit dem Bild der kommunizierenden Röhren beschrieben: Ein Mehr bei einem Element verursacht notwendigerweise ein Weniger bei einem anderen Element. Worum es in der Sache immer geht, das ist um das Austarieren dieser beiden Elemente, dem repräsentativdemokratischen und dem plebiszitär-demokratischen. Das ist genau der Ansatzpunkt, Herr Abgeordneter Hahnemann, und Sie wiederholen das hier immer wieder und auch draußen, indem Sie von einer Gleichstellung dieser Elemente sprechen. Ich weise Sie immer wieder, auch heute hier, darauf hin, Artikel 45 unserer Verfassung sagt etwas anderes. Dort haben wir ausdrücklich normiert, und das ist eben Gegenstand unserer Verfassung, dass das repräsentativ-demokratische Element den Vorrang genießt vor dem plebiszitär-demokratischen. Ich meine aber, wenn Sie hier heute noch einmal eine Abwägung vorgenommen haben, dann hätte ich fast schon eingangs sagen können und sollen: Was soll das - wir sind doch mitten in den parlamentarischen Beratungen? Die verschiedenen Entwürfe liegen vor und lass uns doch herangehen, diese Elemente auszutarieren. Wir haben immer betont, dass wir auf der Basis des Vorrangs der parlamentarischen Demokratie, wie vom Thüringer Verfassungsgerichtshof ja normiert und gesagt und festgestellt worden ist, zur konstruktiven Lösung bereit sind. Aber, meine Damen und Herren, wogegen wir uns energisch verwahren, ist der Versuch der PDS-Fraktion, uns in dieses Spiegelbild zu dieser Aussage des Ministerpräsidenten und dieser These in eine undemokratische Ecke stellen zu wollen. Ich finde, das ist unerhört.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Wer sagt denn das?)

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, von der PDS brauchen wir uns wirklich keine Belehrungen in Sachen Demokratieverständnis geben zu lassen. Ich meine, da haben Sie, meine Damen und Herren von der PDS, erst einmal eine ganze Menge mehr vor Ihrer eigenen Tür zu kehren.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das ist einfach unerhört!)

Ich denke, Sie sollten einmal diese Versuche vor dem Hintergrund der Kommunistischen Plattform, die Sie in Ihrem Programm haben, mit berücksichtigen. Ich finde es schon ungeheuerlich, dass hier das Demokratieverhältnis einer ausgewiesenen demokratischen Partei wie der CDU von einer Partei infrage gestellt wird, die selbst nicht einmal diese Verfassung unseres Landes bei der Verabschiedung akzeptiert hat.

(Beifall bei der CDU)