Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

(Beifall bei der CDU)

Das kann man doch nicht negieren. Die Antwort, warum er nicht vorgelegt worden ist, die sind Sie uns hier schuldig geblieben, wo Sie doch eigentlich nahe an der Quelle sitzen. Deshalb sage ich, Sie führen hier ein Theater vor, was gar nicht echt ist, und Sie führen Gründe an, die nicht stimmig sind.

Als Drittes, Herr Schemmel, Sie hätten sich in Ihrer Zeit als Staatssekretär mehr der Verwaltung widmen sollen, dann hätten Sie gewusst, was eigentlich machbar ist oder nicht. Das haben Sie leider nicht und nun haben wir den Salat.

(Beifall bei der CDU)

Weiterer Redebedarf? Herr Abgeordneter Fiedler.

Auch wenn wir viele Punkte heute auf der Tagesordnung haben, ich finde es langsam unerträglich, bei Herrn Dittes angefangen, wie er sich hinstellt und uns unterstellt, wir hätten uns erstens mit dem Gesetzentwurf nicht ausgiebig beschäftigt. Es gibt neben den Beratungen, die in den Ausschüssen stattfinden und hier im Plenum, wahrscheinlich bei Ihnen in der Fraktion auch Arbeitskreise, wo man sich mit den Dingen intensiv beschäftigt. Noch einmal an die Adresse der SPD: Wir haben uns natürlich auch intensiv mit den anderen Gesetzen beschäftigt. Der Innen

minister hat es richtig dargestellt, man muss auch einmal hinschauen, was denn als Rechtsmöglichkeit in Thüringen schon vorhanden ist. Dort haben wir schon sehr, sehr weit gehende moderne Möglichkeiten, dass der Bürger sich informieren kann. Stellen Sie das doch nicht immer so in den Raum, als ob das jetzt alles von vorn neu erfunden werden müsste. Ich könnte ja beinahe sagen:

(Beifall bei der CDU)

Warum haben Sie denn das Ganze in der großen Koalition nicht durchgesetzt? Da war der Innenminister von Ihrer Couleur. Hätten Sie doch das Ganze eingebracht. Es ist doch scheinheilig, was Sie hier vorführen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal, das habe ich vorhin eigentlich bewusst weggelassen, auch auf die Missbrauchsmöglichkeiten hinweisen. Da greife ich noch einmal auf das Papier des Landkreistags zurück und das zitiere ich auch noch einmal, damit es die Öffentlichkeit und andere auch einmal hören, dass solche Dinge auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen können. Besonders deutlich wird diese Problematik eines solchen Gesetzentwurfs an einem Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, das uns der nordrhein-westfälische Landkreistag zur Verfügung gestellt hat. Da hat die Scientology-Kirche e.V. bei zahlreichen nordrhein-westfälischen Kreisen und kreisfreien Städten sowie kreisangehörigen Städten und Gemeinden und auch Landesbehörden Informationszugangsansprüche geltend gemacht. Mit jeweils gleich lautendem Schreiben sind über den Leiter des so genannten Deutschen Büros für Menschenrechte ohne nähere Präzisierung Anträge auf Einsicht in die vorliegenden Informationen zu den Themen "Scientology" sowie "Sektenund Psychogruppen" gestellt worden. Bei den nordrheinwestfälischen Kreisen ist nun eine erhebliche rechtliche Unsicherheit über die korrekte Behandlung dieser Informationsbegehren aufgetreten. Um der Situation zu begegnen, mussten die dortigen kommunalen Spitzenverbände zusammen mit dem Innenministerium einen Musterantwortbrief erarbeiten, wie mit dieser Thematik rechtlich umzugehen ist. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, welche Missbrauchsmöglichkeiten ein Informationsfreiheitsgesetz bietet und in welcher Form dadurch Personal gebunden werden kann, das an anderer Stelle fehlt. Man muss auch diese Dinge einmal mit benennen, dass damit auch Missbrauch betrieben werden kann. Wir haben uns sehr wohl ausgiebig mit dem Gesetz beschäftigt und wir lehnen es aus prinzipiellen Gründen ab.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Vorhin haben Sie vom Grundsatz noch zugestimmt und jetzt lehnen Sie es prinzipiell ab.)

Ich glaube, jetzt sind alle Argumente ausgetauscht. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir können damit die Aussprache schließen und zur Abstimmung kommen, und zwar unmittelbar über den Gesetzentwurf der SPD in Drucksache 3/1902 in zweiter Beratung, da die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in Drucksache 3/2475 die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfiehlt. Wer dem Gesetzentwurf der SPD seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Thüringer Gesetz zur Deregulierung und Beschleunigung disziplinarrechtlicher Verfahren bei Beamten Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/1943 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 3/2477 dazu: Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2517 ZWEITE BERATUNG

Die Berichterstattung aus dem Innenausschuss erfolgt durch den Abgeordneten Böck. Bitte, Herr Böck, Sie haben das Wort.

Danke. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag beschloss in seiner Beratung am 9. November 2001 den Gesetzentwurf in der Drucksache 3/1943 an den Innenausschuss zu überweisen. Dort wurde dieser Gesetzentwurf der Landesregierung sehr intensiv beraten, und zwar in seiner 37. Sitzung am 6. Dezember 2001 und in seiner 45. Sitzung am 30. Mai 2002. In der 39. Sitzung am 31. Januar 2002 wurde eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durchgeführt.

Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses lautet: Annahme des Gesetzentwurfs, Zustimmung zum Gesetzentwurf mit Änderungen, die sich durch die intensive Beratung und auch durch die Anhörung ergeben haben, und zwar beziehen sich die Änderungen auf den 5. Teil - auf die gerichtlichen Disziplinarverfahren - und insbesondere auf die §§ 45 und 49. Da geht es einmal um die Zuständigkeit und einmal um den Senat für Disziplinarverfahren. Der zweite Teil der Änderung bezieht sich auf den 7. Teil. Das sind die besonderen Bestimmungen für einzelne Beamtengruppen und hier insbesondere zu § 80 in Bezug auf die Beamten der kommunalen Gebietskörperschaften und der Verwaltungsgemeinschaften, im Allgemeinen als Kommunalbeamte bezeichnet.

Die Beschlussempfehlung lautet: Zustimmung zu dem Gesetzentwurf mit den soeben dargestellten Änderungen durch den Innenausschuss empfohlen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Damit kommen wir zur Aussprache. Als Erste hat Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, PDS-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der Rede zur ersten Lesung des Thüringer Gesetzes zur Deregulierung und Beschleunigung disziplinarrechtlicher Verfahren bei Beamten benannte mein Kollege Dittes noch einmal konträre Auffassungen der PDS zum Beamtenstatus. Darüber hinaus ging er sowohl auf positive Seiten wie der Rechtsvereinheitlichung und gewisse Beschleunigungseffekte bei disziplinarrechtlichen Verfahren als auch auf einige Schwachpunkte ein. Das muss ich hier nicht wiederholen.

Ich halte die Materie des Disziplinarrechts auch nicht für geeignet, um heute hier eine politische Auseinandersetzung zu führen. Aber betroffen macht mich schon, und hier widerspreche ich Ihnen, Herr Kollege Böck, dass die Regierungsmehrheit im Gesetzgebungsprozess keinen der zahlreichen Vorschläge aufgegriffen hat,

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Wollen Sie uns einen Vorwurf machen?)

den in der öffentlichen Anhörung gehörte Praktiker aufgrund ihrer im Umgang mit der Materie gesammelten Erfahrungen im Innenausschuss vortrugen. Die Änderungen, die wir im Gesetz vorgenommen haben, also bezogen auf den Änderungsantrag der CDU, berichtigen lediglich ein Versehen im Gesetzentwurf. Das hat mit den Erfahrungen der Anhörung nichts zu tun. Aber ich sage, obwohl ich diese Praxis mehrfach erlebte, hoffe ich von Gesetz zu Gesetz auf einen anderen Umgang mit diesen durchdachten, aus der Praxis heraus entwickelten Erfahrungen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Frau Dr. Wildauer, manchmal sind...)

Wir legen heute erneut die im Innenausschuss vorgelegten Änderungsvorschläge vor. Unser Änderungsantrag in Drucksache 3/2517 enthält insgesamt vier Änderungsvorschläge, die aus unserer Sicht von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung sind. Zu einigen dieser Änderungen möchte ich mich äußern.

Die erste Änderung betrifft die Regelung des Doppelahndungsverbots in § 13 des unveränderten Gesetzentwurfs. Anders als das Bundesdisziplinargesetz behält der Ge

setzentwurf unverändert die bisherige Regelung des Doppelahndungsverbots nach § 14 Bundesdisziplinarordnung bei. Diese Bestimmung wurde jedoch von der Praxis als äußerst unbefriedigend angesehen, was dann zu dem neuen § 14 im Bundesdisziplinargesetz geführt hat. Es wurde generell für notwendig erachtet, dass aus Gründen der Gleichbehandlung das in § 14 Bundesdisziplinarordnung vorgesehene Maßnahmeverbot, das eine Bestrafung oder Ordnungsmaßnahme voraussetzt, auch den Beamten zugute kommen sollte, der zur Abwendung einer Strafe eine ihm aufgegebene Auflage oder Weisung erfüllt. Das Doppelahndungsverbot soll also auch dann gelten, jetzt zitiere ich einiges aus unserer Begründung im Antrag, "wenn auf der Grundlage des § 153 a der Strafprozessordnung eine Geldzahlung oder sonstige Leistung vom Beamten erbracht wurde. Für eine Erstreckung des Doppelahndungsverbots, auch auf diese Fälle besteht ein Bedürfnis, weil der Betroffene regelmäßig diese Leistungen als ein der Geldstrafe vergleichbares Übel empfindet und außerdem nicht verständlich ist, wenn zwar bei vorausgegangener Bestrafung der Ausspruch eines Verweises unzulässig ist, dies dann aber nicht gelten soll, wenn das Strafverfahren bei geringerer Schuld eingestellt wird. Bei vergleichsweise leichten Dienstvergehen wird der Zweck der disziplinaren Reaktion regelmäßig bereits durch die strafrechtliche oder behördliche Ahndung erreicht. Aus diesem Grund sollte das Doppelahndungsverbot nicht nur für den Verweis, sondern auch für die Disziplinarmaßnahmen der Geldbuße und bei Ruhestandsbeamten der Kürzung des Ruhegehalts gelten." Ich kann mir keine Fälle vorstellen, dass bei Ruhestandsbeamten neben der Verhängung einer Straf- oder Ordnungsmaßnahme noch eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts als Disziplinarmaßnahme erforderlich sein sollte, um diese zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten oder um das Ansehen des Beamten zu wahren. Es sei denn, der bundesrechtlichen Regelung werde nur deshalb nicht gefolgt, weil man sich alle disziplinarrechtlichen Möglichkeiten offen halten will, um gegebenenfalls unbotmäßig obrigkeitskritische Ruhestandsbeamte von der Entlassung bis zur Bahre davon abschrecken zu können, dass sie von ihren Bürgerrechten in einer der jeweiligen Herrschaftsinteressen zuwider laufenden Weise Gebrauch machen.

Die dritte Änderung in unserem Antrag betrifft § 22 Abs. 2. Danach ist für die Fälle, dass von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abgesehen wird, lediglich geregelt, dass die Gründe aktenkundig zu machen sind. Nicht geregelt ist die Pflicht, in diesen Fällen den Beamten vor der Entscheidung, von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abzusehen, anzuhören, obwohl in den Fällen eines Maßnahmeverbots oder eines Absehens von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens, weil eine Disziplinarmaßnahme nicht erforderlich ist, dem Beamten immerhin ein Dienstvergehen unterstellt wird. Der Beamte hat hier ein Interesse, sich gegen die Unterstellung eines Dienstvergehens zur Wehr zu setzen. Wir schlagen in unserem Änderungsantrag daher vor zu regeln, dass dem Beamten die Gelegenheit zu geben ist, vor einer Entscheidung, von der Ein

leitung eines Verfahrens abzusehen, sich zu äußern und dass die mit Gründen versehene Entscheidung dem Beamten bekannt zu geben ist.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Damit wäre aus unserer Sicht klargestellt, dass die Entscheidung, von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens abzusehen, ein rechtsbehelffähiger Akt ist und der Beamte nicht gezwungen ist, ein zeitaufwändiges Selbstreinigungsverfahren nach § 23 einzuleiten.

Die vierte Änderung betrifft § 30 Abs. 1. Die Bestimmung ist so formuliert, als ließe sie zu, dass bei der Beweiserhebung die Zeugenvernehmung uneingeschränkt durch die Einholung schriftlicher dienstlicher Auskünfte durch schriftliche Äußerungen des Zeugen ersetzt werden könnte. Für die Feststellung der Wahrheit sind allerdings schriftliche Darstellungen von Zeugen erfahrungsgemäß doch von weit geringerem Wert als deren mündliche Aussage. Wir sind daher der Auffassung, dass wie im Strafprozessrecht geregelt werden sollte, dass vom Grundsatz

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist ein Strafrecht.)

der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Sie müs- sen nur sagen, wie fleißig Sie waren.)

Anderenfalls sehen wir die Gefahr, dass einseitig aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung auf Kosten einer gründlichen Sachverhaltsaufklärung die Beweisaufnahme überwiegend auf schriftliche Darstellungen von Zeugen gestützt wird.

Obwohl der Gesetzentwurf noch eine Reihe weiterer Mängel aufweist, könnten wir dem Gesetzentwurf, wenn unsere Änderungsanträge angenommen würden, natürlich zustimmen.

Meine Damen und Herren, noch eine Anmerkung zu der von Seiten der Verbände geforderten Regelung der Unabhängigkeit des Ermittlungsführers, der mit dem neuen Gesetz wegfallen soll. Mein Kollege Dittes hatte hierzu einige Bedenken dargelegt. Auch meines Erachtens wird mit der Schaffung eines unabhängigen Ermittlungsführers besser sichergestellt, dass unparteiisch ermittelt wird und belastende sowie entlastende Umstände gleichermaßen berücksichtigt werden. Bei der jetzigen Ausgestaltung des Verfahrens steht der nunmehr beschuldigte Beamte seinem unmittelbar übergeordneten Dienstherrn, der gegen ihn ermittelt, praktisch wehrlos gegenüber. All das bitte ich zu bedenken und ich bitte um Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schemmel, SPDFraktion. Ich wollte sagen, für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Fiedler gemeldet; wenn der Abgeordnete Böck noch Bedarf hat, kann man das gern auch auf die Liste nehmen.

(Zuruf Abg. Böck, CDU: Ich hätte Bedarf, aber ich möchte die Zeit nicht stehlen.)

Für die Zeitplanung wollte ich noch sagen, in Vollzug einer Ältestenratsvereinbarung werde ich, da wir TOP 2 und 3 bis 11.00 Uhr nicht schaffen würden, nach TOP 2 TOP 7 aufrufen. Damit sich die justizpolitischen Sprecher orientieren können.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Wildauer, ich hatte vorhin dem Antrag der PDS zugestimmt, dass wir alles bis morgen Abend verhandeln wollen. Aber ich muss sagen, meine Zustimmung galt nur für morgen nicht auch noch für übermorgen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das habe ich nicht verstanden.)

Ich erkläre es Ihnen dann.

Komplizieren Sie es nicht noch.

Ein solches Gesetz, wie es heute zur zweiten Lesung vorliegt, ist in Thüringen notwendig. Seitens unserer Fraktion bestehen auch keine prinzipiellen Einwände. Es ist keine politische Sphäre, in der wir hier diskutieren, sondern es geht um deutsches Beamtenrecht. Das kann auch politisch sein, aber nicht in diesem Fall. Dies sollte uns aber nicht hindern, aus durchgeführten öffentlichen umfangreichen Anhörungen einige wichtige Punkte aufzunehmen. Bemerkenswert ist, dass zu dieser Materie wirklich eine schöne große, öffentliche Anhörung, im Gegensatz zum vorhin geschilderten Informationsfreiheitsgesetz, stattgefunden hat.

Ich will zwei unserer Änderungsanträge kurz vorstellen. Ich habe ganz einfache Beispiele für Sie ausgesucht, um darzustellen, wie oberflächlich es eigentlich war, unsere Anträge im Innenausschuss abzulehnen.