Protokoll der Sitzung vom 02.03.2006

gereichten pädagogischen Konzepte zur Schuljugendarbeit oftmals überfordert. Gleichzeitig beklagen die Schulen den schlagartigen Wegfall des gewohnten Antragsprocederes und mangelnde Informationen über den konkreten Ablauf des neuen Antragsverfahrens sowie die nun dafür zuständigen kommunalen Stellen. Das Ganze, meine Damen und Herren, hat zu einem beträchtlichen organisatorischen Durcheinander vor Ort und zu erheblichen Unsicherheiten bei den betroffenen Schulen geführt.

(Beifall bei der SPD)

Um die Dimensionen dieser Unsicherheiten deutlich werden zu lassen, genügt ein Blick in die lokale Presse der vergangenen Wochen. So wird von der Regelschule Güntersleben-Wechmar berichtet: „Sorge hat die Schule derzeit wegen der ungeklärten Finanzierung der Schuljugendarbeit. Das Geld soll jetzt nicht vom Land, sondern über die Jugendämter kommen, aber keiner weiß, wie es funktionieren kann. Und weil derzeit alles unklar ist, sind die Angebote im Januar erst einmal ausgesetzt.“ Vom Leiter des Greußener Gymnasiums findet sich folgende Aussage: „Weitere Kürzungen gehen an die Substanz. Für das laufende Schulhalbjahr sind uns noch keine Zahlen bekannt. Leistungen werden zurzeit auf der Grundlage von Spekulationen und Hoffnung erbracht.“ Vom Schulamt Eisenach hat Gerd Lorenz es auf den Punkt gebracht: „Wie soll ab Januar Schuljugendarbeit geleistet werden, wenn so viele Unbekannte im Spiel sind?“

Meine Damen und Herren, verschärft wird die Situation noch dadurch, dass die kommunalen Jugendhilfeausschüsse erst in diesen Monaten über die konkrete Verwendung der Jugendpauschale für 2006 entscheiden. Obwohl die Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ durchaus einen vorzeitigen Maßnahmebeginn ermöglicht, haben viele Schulen sicherheitshalber ihre Projekte der Schuljugendarbeit bis zur Entscheidung des zuständigen Schuljugendhilfeausschusses abgebrochen. Mit dieser völlig ungenügenden Vorgabe des Landes ist der weiteren Entwicklung der Thüringer Schulen ein Bärendienst erwiesen und der strategisch wichtigsten Aufgabe der nächsten Zeit, nämlich der strukturellen Verknüpfung von Jugendhilfe und Schule, kommen wir damit keinen Schritt näher.

(Beifall bei der SPD)

Die Kollegin Ehrlich-Strathausen wird sich in ihrem Redebeitrag damit noch intensiver auseinander setzen. Ich warne davor, dass die schulbezogene Jugendarbeit das gleiche Schicksal erfährt wie das Modellprojekt „Jugendsozialarbeit an Thüringer Schulen“. Das wurde mit großem Getöse etabliert, wissenschaftlich begleitet, positiv evaluiert und dann in

die Jugendpauschale integriert. Danach wurden viele Maßnahmen nicht fortgesetzt und von einem bedarfsgerechten Ausbau haben wir uns längst verabschiedet.

Meine Damen und Herren, von Heinrich Heine stammt folgender Satz: „Es gibt nur eine einzige Klugheit und diese hat ihre bestimmten Grenzen, aber es gibt tausend unermessliche Dummheiten.“ Die Landesregierung hat mit ihrem Handeln eine neue hinzugefügt. Ich kann nur hoffen, dass die jetzt Verantwortlichen, wie im Landkreis Altenburg geschehen, das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen und die schulbezogene Jugendarbeit, auch in Bezug auf die Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten, stärken. Unserer Unterstützung können Sie dabei auch weiter wirklich gewiss sein. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner folgt Abgeordneter Bärwolff, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nachdem die Landesregierung weit länger als ein Jahr gebraucht hat, um aus drei verschiedenen Entwürfen dann endlich eine Richtlinie zu stricken, liegt diese nicht nur im Lande vor, nein, sie stiftet überall auch noch Verwirrung. Wo müssen wir die Projekte beantragen? Wer ist wofür zuständig? Was wird wie gefördert? Verunsicherung und Chaos machten sich breit, zumal die Träger der Schuljugendarbeit Angst um den Fortbestand ihrer Projekte hatten, und das zu Recht. Wenn nun die Schuljugendarbeit in den Verantwortungsbereich des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wechselt, dann löst das berechtigte Bedenken bei den Betroffenen aus, denn nun ist der Anteil der Eigenfinanzierung ungleich höher, von ehemals 20:80- wird nun auf eine 60:40Förderung umgestellt. Gerade für Schulfördervereine, die ja in den allermeisten Fällen nicht einmal anerkannte Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind, besteht die Gefahr, dass Projekte in beträchtlicher Größenordnung wegbrechen. Das Anliegen der Landesregierung, die beiden parallel bestehenden Systeme von Jugendhilfe und Schule zusammenzuführen und so eine bessere Vernetzung hinzubekommen, kann ich persönlich nachvollziehen. Und ja, es ist ein Ansatz, den auch wir als PDS mitgehen würden, denn oftmals gehen auf dem Weg von der Schule in ein Jugendhaus mehr als die Hälfte der Schüler verloren. Hier muss man ansetzen und eine Kooperation zustande bringen. In Suhl beispielsweise ist der Jugendarbeiter auch Teil der Schulsozialarbeit und kann also mit seinen Mitteln und

seinen Fähigkeiten ebenfalls auf die Jugendlichen einwirken und so eine echte Kooperation initiieren. Auch in der Verwaltung in Suhl sind Jugendhilfe und Schule enger zusammengerückt. So ist der Jugendamtsleiter auch Herr über die Schulen. Der Ansatz der Landesregierung dagegen, zu sagen, wir schmeißen alle Posten in einen Haushaltstitel, streichen die Landesförderung, geben dann allem noch einen neuen Namen und lassen die schwierigen Entscheidungen, also die über die Kürzungen, in den Kommunen, das klappt nicht, denn Sie zwingen alle Beteiligten zur Zusammenarbeit, anstatt eine Kooperation zu fördern. Was dabei herauskommt, ist ein Hauen und Stechen um die Fördertöpfe. Die Jugendhilfe sagt, uns sind die offene Jugendarbeit und die Jugendverbandsarbeit wichtig. Die Schulleute sagen, vergesst doch bitte die Schulsozialarbeit und das IZBB nicht. Und wenn es ganz eng wird, kommen dann auch noch die Berufsschulen dazu und melden ihrerseits Bedarfe an. Dazu allerdings wird Frau Reimann noch etwas genauere Aussagen machen; ich würde mich hier beschränken.

Ein Beweis für diese Tatsache ist, dass die Landesregierung, um ein Überleben der schulbezogenen Jugendsozialarbeit zu sichern, sogar eine Quote mit Übergangsbestimmungen einführen musste, besteht doch die erhebliche Gefahr des Wegbrechens. Hier zeigt sich, dass erstens die Gelder im Haushalt für die neue Richtlinie viel zu knapp bemessen sind,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

und zweitens zeigt sich, dass auf dieser Grundlage wohl kaum ein friedliches Miteinander zu erwarten ist. Nein, die Landesregierung sollte, statt mit Mittelkürzung eine Kooperation zu erzwingen, versuchen, sinnvoll und auf freiwilliger Basis eine Zusammenarbeit zu erreichen und den Beteiligten dabei unterstützend unter die Arme zu greifen. Was aber passiert denn im Lande? Erst jetzt werden die Bescheide an die Kommunen verschickt. In Altenburg beispielsweise ist bis heute noch kein Brief aus dem Landesjugendamt angekommen. Völlig unklar ist z.B. immer noch, was mit Schulfördervereinen passiert, die zwar bislang Schulsozialarbeit geleistet haben, aber keine anerkannten Träger der Jugendhilfe sind. Werden diese jetzt im Schnellverfahren zu anerkannten Trägern? Was ist mit dem Fachkräftegebot der Jugendhilfe? Wo sollen diese kleinen Vereine mit einem Mal das Geld für Fachkräfte hernehmen? Am Ende lässt sich nur eins feststellen: Der Topf wird kleiner, die Mäuler werden mehr und derjenige, der gekürzt hat, gibt die Verantwortung an die Kommunen ab und zieht sich so geschickt aus der Affäre. So kann eine Kooperation wohl kaum gemeint sein. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Worm, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entscheidung der Landesregierung, die Förderbereiche der ehemaligen Jugendpauschale und der Schuljugendarbeit zusammenzuführen, war und ist aus Sicht der CDU-Fraktion eine fachpolitisch richtige Entscheidung. Unterschiedliche Studien und Berichte, ob nun international angelegt wie die PISA-Studie oder national angelegt wie der 12. Kinder- und Jugendbericht, stellen eines ganz klar: Die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen kann nur ganzheitlich gelingen, insbesondere wenn Schule und Jugendhilfe zusammen, also miteinander agieren. Dabei geht es nicht darum, dass die Schule ihren Bildungsauftrag vernachlässigt oder aber die Jugendhilfe zum verlängerten Arm der schulischen Bildung wird, nein, jede Profession hat ihren Platz und ihren eigenen Auftrag zu erfüllen. Beide Institutionen arbeiten jedoch mit ein und demselben Kind und Jugendlichen. Folgerichtig lautet eine Empfehlung der Sachverständigenkommission des 12. Kinder- und Jugendberichts, dass ganztägige Angebote für Kinder und Jugendliche im Schulalter schnellstmöglich und bestmöglich auf- und auszubauen sind. Die Angebote der Jugendhilfe, im Besonderen der schulbezogenen Jugendarbeit, welche außerhalb des Unterrichts projektbezogene Bildungs- und Freizeitangebote bereithalten, sind eine der adäquaten Möglichkeiten, diesen Auftrag umzusetzen. Die in der Förderrichtlinie örtliche Jugendförderung mit einer Übergangsfrist festgeschriebene verbindliche Aufnahme der Projekte der schulbezogenen Jugendarbeit ab 2008 in die kommunale Jugendförderplanung wird eine sehr spannende Diskussion bezüglich des Umfangs und der Verortung von Angeboten der Betreuung von Kindern und Jugendlichen auf der örtlichen Ebene initiieren. Die CDU-Fraktion wünscht sich dabei einen fachlich fundierten Dialog der Vertreter der Jugendhilfe mit den Vertretern der Schule. Beide Seiten sollten hier auf gleicher Augenhöhe ihre Vorstellungen austauschen und ihre Entscheidungen zur zukünftigen Förderung von Projekten aus rein qualitativen Beweggründen treffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDUFraktion steht zur Jugendpolitik der Thüringer Landesregierung. Auch in finanziell schwierigen Zeiten ist es möglich, neue fachpolitische Akzente zu setzen und die Strukturen der Jugendhilfe weiterzuentwickeln. Herr Minister Dr. Zeh wird es sicherlich in seinem Redebeitrag auch noch einmal bestätigen, die Landesmittel für den Ansatz „örtliche Jugendförderung“ wurden - wie durch den Thüringer Landtag

beschlossen - trotz bestehender Bewirtschaftungsreserve ungekürzt an die Landkreise und kreisfreien Städte weitergereicht. Damit sind für die kommunale Ebene alle Voraussetzungen geschaffen, die neue Richtlinie zeitnah umzusetzen und allen Trägern, auch denen der schulbezogenen Jugendarbeit, einen guten Start in das Jahr 2006 zu ermöglichen.

Zum Schluss möchte ich deutlich sagen, dass ich von der vereinzelt erkennbaren Stimmungsmache bezüglich der Zusammenführung der Jugendpauschale und der Schuljugendarbeit - wie man sie teilweise in den Zeitungen verfolgen kann - nichts halte. Der angebliche Streit um das Geld der Jugendförderung kann in diesem Jahr aufgrund der Übergangsregelungen gar nicht eintreten und ist bereits durch die Entscheidungen der örtlichen Jugendhilfeausschüsse widerlegt. Aussagen wie „die Jugendämter könnten pädagogische Ansätze kaum beurteilen“ sind fachlich falsch und sollten daher von verantwortungsvollen Politikern unterlassen werden. Es ist unser aller Auftrag, dass sich Jugendhilfe und Schule als Partner unserer Kinder und Jugendlichen verstehen und profilieren.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin folgt Abgeordnete EhrlichStrathausen, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor einem Jahr, im Januar 2005, wurde vom Kultusministerium das Konzept „Bildung und Betreuung von 2 bis 16“ vorgelegt. Stolz wurde darauf verwiesen, dass die ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote verstärkt und seit dem Jahr 2003 mit dem Landesprogramm "Schuljugendarbeit" realisiert werden. Bereits damals wurde angekündigt, dass die Richtlinien "Schuljugendarbeit" und „Jugendpauschale“ auf der Basis der Richtlinie „Jugendpauschale“ zusammengeführt werden sollen. Nicht angekündigt wurde allerdings, dass damit eine erhebliche Mittelkürzung verbunden sein wird, und nicht angekündigt wurde auch, dass durch die gekürzte Landesförderung die eben noch verstärkte Schuljugendarbeit geschwächt werden soll, zumindest was die Verantwortung des Landes angeht. Im gleichen Konzept wurde eine Kooperationsvereinbarung zur verbindlichen Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften angekündigt. Es handelt sich um eine wiederholte Ankündigung, denn bereits in der Plenarsitzung dieses Landtags im September 2002 erklärte der damalige Kultusminister Herr Krapp, ich erlaube mir zu zitieren: „An einer Kooperations

vereinbarung ‚Schule - Jugendhilfe’ wird gemeinsam mit dem Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und den kommunalen Spitzenverbänden gearbeitet.“ Der Kollege Krapp weist in seiner damaligen Rede sehr zu Recht darauf hin, dass ausreichende Angebote für Schuljugendarbeit nur unter Einbeziehung der Träger der Jugendhilfe zuverlässig zu realisieren sind. Aber das war damals noch nicht alles. Der damalige Kultusminister versprach ebenfalls, dass die Schule nicht aus ihrer Pflicht entlassen wird, selbst außerunterrichtliche Angebote vorzuhalten. Zudem gelte es sogar, im Schulgesetz symmetrisch - so beschrieb er es damals - zum Kinder- und Jugendhilfegesetz die verbindliche Zusammenarbeit der Schule u.a. mit den Trägern der Jugendhilfe neu in das Schulgesetz aufzunehmen. Ich könnte noch weitere Beschlüsse von Kultusminister- und Jugendkonferenzen aufzählen, die alle die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule oder von Schule und Jugendhilfe zum Ziel haben, ganz egal wie und wo man die persönlichen Schwerpunkte setzt, die alle zum Ziel haben, diese Zusammenarbeit zu verbessern.

Sehr geehrter Kollege Krapp, wenn man sich das Protokoll der damaligen Plenarsitzung vor Augen führt, dann kann ich nur sagen, Ihre im Hinblick auf Schule und Jugendhilfe geäußerten Absichten waren gut und richtig. Man muss diese positiven Absichten mit den unter Zustimmung des Freistaats Thüringen gefassten Beschlüssen in den Jugend- und Kultusministerkonferenzen in Verbindung bringen, ebenso mit den Absichtserklärungen im eingangs genannten Konzept zur Bildung und Betreuung von 2 bis 16. Wenn man all dies tut, dann sollte doch eigentlich etwas bewegt worden sein. Eigentlich - aber wie sieht die Realität aus? Die Landesregierung hat sich wortreich bemüht - wer Arbeitszeugnisse kennt, der weiß, was die Übersetzung im Klartext heißt -, außer Spesen nichts gewesen und Finger weg von dem, der solch ein Zeugnis vorlegt.

(Beifall bei der SPD)

Wo bleibt denn Ihre seit 2002 angekündigte Kooperationsvereinbarung? Wo ist denn Ihre schulgesetzlich geregelte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe? Wie wollen Sie denn mit den kommunalen Spitzenverbänden kooperieren, wenn Sie seit Jahren die Jugendpauschale immer wieder kürzen und nun allein in der zusammengelegten Richtlinie 1,5 Mio. € einsparen? Wo ist denn Ihre verlässliche Landesfinanzierung für außerunterrichtliche Angebote - verlässliche? Dieser Umgang mit Versprechungen, dieser Umgang von oben herab mit den Jugendämtern und Jugendhilfeausschüssen, das, meine Damen und Herren von der Landesregierung, ist das tatsächliche Problem.

(Beifall bei der SPD)

Will man ernsthaft kooperieren, muss der Partner auch ernsthaft und gleichberechtigt behandelt werden - Herr Bärwolff sprach das vorhin schon an. Genau das macht die Landesregierung seit Jahren nicht, sie spart zulasten der Kommunen, zulasten der Jugendlichen, ob nun Schüler oder nicht, sie spart zulasten derer Landesmittel in Millionenhöhe ein, deshalb kommt es zu Problemen bei der Aufrechterhaltung der Schuljugendarbeit, ebenso bei der Jugendarbeit. Deshalb kommt es auch seit Jahren nicht zu der immer wieder angekündigten Kooperation. Die örtlichen öffentlichen Träger und freien Träger haben kein Vertrauen mehr.

Ich möchte Sie auffordern, tun Sie doch das, was Kollege Krapp 2002 schon angekündigt hat. Vier Jahre Zeit waren eine lange Zeit zum Handeln. Das kann aber nur gelingen, wenn die Landesregierung ihre Partner gleichberechtigt behandelt. Ich bin sicher, da hat die Landesregierung noch einiges zu lernen und nachzuholen. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordnete Reimann, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kultusminister, schön, dass Sie beim letzten Redebeitrag auch hereingekommen sind. Wir haben hier sehr viel über Schule und Schuljugendarbeit gesprochen. Ihr Kollege Worm, der Abgeordnete, sprach - ich zitiere - „von beiden Seiten“ und „in Augenhöhe“, ich habe es bei der Debatte hier nicht festgestellt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber das ist auch nichts Neues. Als wir in Altenburg 150.000 € für Schuljugendarbeit im Kreishaushalt eingestellt haben, war auch kein Vertreter vom Schulamt dort, der sich dafür eventuell bedankt und für die Schulen sozusagen das zur Kenntnis genommen hätten, das konnte man ja nicht verlangen.

Das Thema der Aktuellen Stunde heißt: Erfahrungen im Umgang mit der Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“. Erfahrungen - ich weiß nicht, was Sie für Erfahrungen haben, meine Damen und Herren von der CDU; von uns sind 23 von 28 Abgeordneten kommunal verankert und örtlich tätig, die haben auch Erfahrungen. Die haben Erfahrungen damit seit mehreren Jahren, dass Jugendeinrichtungen geschlos

sen werden. Die haben Erfahrungen damit, dass am Nachmittag an der Schule eben nicht mehr das passieren kann, was zu Zeiten der Schuljugendarbeit 2004 passieren konnte, und sie haben Erfahrungen damit, dass in den Berufsschulen nicht nur der Unterricht ausfällt, weil die Lehrer fehlen, sondern jetzt auch noch Fehlanzeige bei Berufsschulsozialarbeit ist. Die Ursache aus unserer Sicht ist nicht die gemeinsame Richtlinie, denn Sie wollten eine stärkere kommunale Verantwortung erreichen. Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden, wenn man die handwerklichen Fehler des Zustandekommens dieser Richtlinie betrachtet und wann die dann endlich veröffentlicht wurde und wann sich danach gerichtet worden ist. Dieses Ziel, die stärkere kommunale Verantwortung zu erreichen, das konterkarieren Sie damit, dass Sie die Mittel jährlich kürzen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Jugendamtsleiter, die schon seit Sommer angeblich Bescheid wissen, verstecken sich hinter der fehlenden Richtlinie, die viel zu spät erst vorliegt, und damit kann man ja sozusagen seine Untätigkeit letzten Endes begründen. Und bei den Jugendhilfeausschussmitgliedern gibt es zweierlei Typen: Die einen sind die, die seit Jahren geübt sind in jährlicher Evaluierung und im Sommer in mehreren Sitzungen zusammensitzen und überlegen, ob und was sie noch streichen und kürzen können bzw. im Endeffekt schließen müssen, und die anderen, die im Unklaren gelassen werden. Dazu kommt nun noch ab diesem Jahr dazu, dass nicht nur die Jugendprojekte der Jugendpauschale finanziell ausgestattet werden müssen, sondern als zusätzliche Aufgabe Schuljugendarbeit und die Berufsschulsozialarbeit, und das vor dem Hintergrund - mein Kollege Döring hat es gesagt - der zurückgehenden Mittel um 1,5 Mio. €. Da kann ich Ihnen nur sagen, das kann so nicht sein, zumindest aus Sicht der Linkspartei.PDS-Fraktion,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn das bedeutet, dass man nur noch wartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Ein Kind, was schon in den Brunnen gefallen ist, das ist die Berufsschulsozialarbeit. Spätestens am Jahresende ist es ertrunken, wenn wir nicht aufpassen. Das Projekt ist vor fast genau zehn Jahren gestartet worden. Es bestünde eigentlich ein Grund zum Feiern, aber nein, von den 50 Sozialpädagogen, die im Land diese Arbeit geleistet haben, sind nach Aussage einer Frau Lorenz vom Thüringer Ministerium im Januar dann nur noch in sieben Landkreisen insgesamt 14 Schulsozialarbeiter beschäftigt. Das heißt Beerdigung allererster Klasse.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Diese Arbeitsverhältnisse waren gekennzeichnet durch Befristungen jeweils bis zum Jahresende, durch Verlängerungen, Lohnabstufungen, Übernahmeabsichtserklärungen und zum Schluss dann eben doch sozusagen die Kündigungen, bis Ende 2005 durch Landesmittel und ESF gesichert, ab nächstem Jahr, wie gesagt, total offen.

Ich fordere Sie auf, darüber noch mal nachzudenken, und vor allen Dingen an Sie, Frau Diezel, appelliere ich: Nehmen Sie die Kürzungen im Kinder- und Jugendbereich zurück und behandeln Sie nicht weiter die Berufsschulen als Stiefkind des Thüringer Schulsystems. Sollten sich viele von Ihnen demnächst erfolgreich am 7. Mai für die Verwaltungsspitzen empfohlen haben und von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden sein, egal jetzt von welcher Fraktion, dann fordere ich Sie auf, setzen Sie Prioritäten in diesem Bereich. Ich sehe die brennenden Autos in Thüringen nicht, aber die Langeweile und die Enttäuschung vieler Jugendlicher, die sehe ich. Genau das ist eine Gefahr, dass diese Jugendlichen rechten Rattenfängern auf den Leim gehen - die Debatte dazu hatten wir heute früh schon. Diese Gefahr können wir mit unseren eigenen Mitteln abwenden. Von einem guten Start kann hier wohl auf alle Fälle nicht die Rede gewesen sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es war ja aus der Anmeldung und aus dem Text zur Aktuellen Stunde nicht ganz ersichtlich, worauf Sie hinauswollten, aber das, was Sie gerade vorgetragen haben, macht es schon notwendig, dass man ein paar Sätze noch dazu sagt.

Zuallererst allerdings ein paar Sätze dazu, da Sie das offensichtlich, alle Vorredner, in dieser Form so nicht wahrgenommen haben, zum Sinn und Zweck der gemeinsamen Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“. Das ist im ersten Satz beschrieben und da steht ganz eindeutig: „Zweck der Förderung ist die Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Erfüllung ihrer“ - wohlgemerkt „ihrer“ - „nach §§ 79 Abs. 1, 85 Abs. 1 … bestehenden Aufgaben...“ Was tun wir also mit dieser örtlichen Jugendförderung als Land? Wir fördern Aufgaben, die in kommunaler Verantwortung liegen. Wir fördern diese Aufgaben seit vielen Jahren in einem hohen Maß - es ist gesagt worden -, in diesem Jahr mit einer Summe von 9 Mio. €. Wir fördern als Land

freiwillig diese Maßnahmen. Insofern bitte ich Sie schon sehr herzlich, da die Kirche im Dorf zu lassen bei allem, was Sie hier als Sparbemühungen verkaufen. Wir unterstützen die kommunale Seite bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit 9 Mio. €. Herr Döring, ich finde es schon ein bisschen erstaunlich, wenn Sie sich dann hier vorne hinstellen und allen Ernstes behaupten, das einzige Faktum bei dieser Richtlinie wäre Kostenersparnis. Ich glaube, da haben Sie die Diskussion vor ein paar Jahren nicht wahrgenommen oder nicht mitbekommen. Wir haben damals schon diskutiert und haben gesagt, dass natürlich Jugendarbeit und Schuljugendarbeit zusammengehören, dass sie einander bedingen, dass wir uns um die gleichen Jugendlichen letztendlich kümmern in den Nachmittagsstunden, das hat selbst der Kollege Bärwolff an dieser Stelle verstanden, aber augenscheinlich Sie, die die Diskussion damals schon mitbekommen haben, immer noch nicht.

Es ist im Übrigen auch falsch, was Sie sagen, dass im letzten Jahr 10,5 Mio. € in diesem Bereich ausgegeben wurden, schlichtweg falsch. Im letzten Jahr sind 9,6 Mio. € in diesem Bereich ausgegeben worden, weil, wie Sie wissen, es Haushaltssperren und verschiedene Einschränkungen gab, so dass sich diese Kürzung nicht auf 1,5 Mio. € beläuft. Ich sage auch noch etwas ganz deutlich dazu: Diese Kürzung, die besteht, ja. Es gibt eine Kürzung, eine objektive Kürzung. Aber das sind auch Synergieeffekte, die in den letzten paar Jahren in diesem Bereich entstanden sind. Wir müssen konstatieren, wenn man sich anschaut, was ist mit den Mitteln der Schuljugendarbeit in den letzten Jahren geschehen, da ist einiges im investiven Bereich passiert; da gab es Träger, die haben Bewilligungen bekommen von Sportgeräten bis Musikgeräten und sonstigen Sachen, die angeschafft wurden. Aus verständlichen Gründen haben wir in den letzten paar Jahren schon gesagt, das werden die nicht jedes Jahr neu anschaffen, weil sie das natürlich weiter nutzen. Es ist natürlich auch die Frage zu stellen, das finde ich ja völlig richtig, dass in Verantwortung der örtlichen Jugendhilfeausschüsse zukünftig entschieden werden soll, was gefördert wird und wie diese Synergieeffekte hergestellt werden können. Ich war damals schon ein Freund davon, dass diese Richtlinie oder diese Zuständigkeit sich unter einem Dach im Bereich der Jugendhilfe wiederfindet, weil genau das SGB VIII das an dieser Stelle sagt. Das SBG VIII und das Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz in Thüringen sagen relativ klar, wer für Jugendarbeit zuständig ist, wer auch für Schuljugendarbeit, für Schulsozialarbeit und für Jugendsozialarbeit zuständig ist. Das ist alles relativ klar definiert im SGB VIII und Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz. Herr Abgeordneter Kollege Pilger, da können Sie das alles nachlesen und da würden Sie hier nicht eine Scheindiskussion darüber führen, dass zukünftig der Jugendamtsleiter - wie haben Sie das