Protokoll der Sitzung vom 03.03.2006

Im Punkt 3 fordert der Antragsteller, dass der Verteilungsschlüssel zwischen EFRE und ESF auf Landesebene wie bisher beibehalten wird, also zwei Drittel zu einem Drittel. Grundsätzlich, denke ich, war dieser Verteilungsschlüssel in den zurückliegenden Jahren so in Ordnung. Ohne jedoch zu wissen, welche EU-Mittel in der kommenden Förderperiode zur Verfügung stehen, halte ich es aber für nicht sinnvoll, dass man jetzt dazu schon eine Festlegung trifft.

Mit den Festlegungen in Punkt 4 soll der Kofinanzierung der europäischen Förderprojekte Priorität

eingeräumt werden. Nach Aussage der Linkspartei.PDS sei in der Förderperiode 2000 bis 2006 die Kofinanzierung durch den Freistaat Thüringen nicht immer gegeben gewesen. Hinzuweisen ist an dieser Stelle jedoch auf die Tatsache, dass das Land umfangreiche Mittel der EU vorfinanziert hat, und zudem muss man die Kofinanzierung auch erst am Ende der Förderperiode voll umfänglich nachweisen. Bisher ist meines Erachtens also nicht erkennbar, dass aufgrund mangelnder Kofinanzierung durch das Land in der zu Ende gehenden Förderperiode Fördergelder der EU verschenkt worden sind. Vom Minister haben wir dazu leider nichts gehört, das hätte ich mir gewünscht. Anders ist es bei den GA-Mitteln, wo bewusst den Firmen in Thüringen Mittel in Größenordnungen vorenthalten worden sind.

Was die im Antrag angesprochene Möglichkeit der Mitfinanzierung Dritter bei den mit EU-Mitteln finanzierten Förderprojekten betrifft, so spricht sich die SPD auch dafür aus, diese Möglichkeit in Thüringen umfassend zu nutzen.

Meine Damen und Herren, welche konkreten Schlussfolgerungen aus den vorgenannten Punkten zu ziehen sind, insbesondere auch, was Herr Minister Wucherpfennig hier über die Eckwerte der Bundesregierung gesagt hat, sollten wir im Haushalts- und Finanzausschuss noch mal ausführlich erörtern.

Auch im zweiten vorliegenden Antrag ist es so, dass man den nicht grundsätzlich verwerfen sollte, denn es ist gut, wenn sich das Parlament in die Erarbeitung eines Operationellen Programms einmischt und Festlegungen zur Ausrichtung des Programms diskutiert. Mit diesem Operationellen Programm werden die Weichen für die zukünftige Verwendung umfangreicher finanzieller Mittel gestellt, die dann während der Laufzeit der Förderperiode zur Verfügung stehen. Dies sollte nicht allein der Regierung überlassen werden. Von daher macht der Antrag also durchaus Sinn.

Ich will aber noch mal darauf hinweisen, dass die Höhe dieser Finanzmittel dadurch, dass die Einigung zwischen EU-Kommission und Europäischem Parlament noch nicht zustande kam, nicht feststehen. Für Festlegungen der Prioritäten im Operationellen Programm ist das Wissen der zur Verfügung stehenden Mittel in den einzelnen Fonds und Programmen für mich eine zwingende Voraussetzung. Deshalb sieht die SPD-Fraktion auch, dass dieser Antrag heute nicht abschließend behandelt werden kann. Wir beantragen, beide Anträge an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kretschmer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zu diesem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS hat Herr Minister Reinholz sehr behutsam vorgetragen, wie der Stand der Verhandlung ist, wer die Beteiligten sind, und zu Recht darauf hingewiesen, dass im September letzten Jahres das Verfahren zur Planung auch im Wirtschaftsausschuss vorgestellt worden ist und, ich sage das mal, sehr exakt und auch sehr sorgfältig durch die Mitarbeiterin aus dem Ministerium. Ich glaube, darüber ist Einigkeit auch im Wirtschaftsausschuss gewesen einschließlich der Materialien. Da Herr Kollege Pidde sagt, dass die Anträge ihren Sinn haben, will ich auch pfleglich mit diesem Antrag der Linkspartei.PDS umgehen, weil es schon eine schöne Fleißarbeit ist, Herr Kollege Buse. Sie haben das alles sehr schön aufgeführt, also quer durch alle Förderbereiche, was man sich alles so wünschen kann. Ich will Ihnen sagen, bei vielen Punkten sind unsere Wünsche ähnlich gelagert, bei manchen nicht, das wissen Sie. Mit dem dritten Sektor, den Sie da etablieren wollen, haben wir unsere Schwierigkeiten und bei dem Ausbau der Kindertagesstätten zu Bildungseinrichtungen, das ist ein Punkt, der hier nun wirklich nicht hineinreicht. Sie haben natürlich auch das Problem und deshalb werde ich am Ende meiner Rede hier sagen, dass wir diesen Antrag aus formalen Gründen ablehnen, weil Sie bei der Auflistung dieser vielen Förderschwerpunkte sowieso nie die Vollständigkeit erreichen können und zum Zweiten natürlich immer auch eine differenzierte Sichtweise auf diesen oder jenen Punkt provozieren und zum Dritten das Verfahren dahin gehend natürlich beeinflussen, dass das, was Herr Minister Reinholz vorgetragen hat, was insbesondere durch den Begleitausschuss geleistet wird, präjudizieren. Sie bringen dann Bedingungen, die möglicherweise nicht zu erreichen sind; wir hörten, das Ziel ist jetzt eine Konzentration und die Frage der Nachhaltigkeit bzw. dadurch, dass diese Aufzählung ja auch nicht den Anspruch erhebt, sage ich deutlich, wahrscheinlich auch nicht den Anspruch erhebt, vollständig zu sein, haben Sie möglicherweise auch Felder nicht benannt. Das, meine ich, ist für uns, ich gebe zu, ein eher formaler Grund, zu sagen, wir werden diesen Antrag so nicht mittragen und ihn deshalb ablehnen. Zum Zweiten, finde ich, ist die Darstellung auch der Ergebnisse der Arbeitsweise, Verfahrensweise des Begleitausschusses, in dem ja die sozialen Partner drin sind, für uns auch Beleg dafür, dass die Interessen des Freistaats gut vertreten sind und bei der Neufestlegung des Operationellen Programms für die neue Förderperiode gut berücksich

tigt werden.

Zum Punkt 2, der hier im Antrag steht, will ich auch noch mal deutlich sagen - der Minister hat es auch zugesichert und meine Erfahrung aus dem Wirtschaftsausschuss belegt das auch -, ich denke, dass es dieses Antrags gleich gar nicht bedarf, sondern da ist der Wirtschaftsausschuss das richtige Gremium und ich verlasse mich da auf die Zusage, dass in gewohnter Art und Weise die entsprechenden Dinge vorgetragen werden. Also noch mal: Nicht Ablehnung mit dem Ausdruck von vernichtender Kritik, sondern einfach aus formalen Gründen, wir sind nicht Herr des Verfahrens, sondern - das ist hier deutlich gemacht worden - durch den Begleitausschuss sind dann in den entsprechenden Beratungen die Dinge einzubringen. Wir werden dann im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit weiter dazu beraten.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich der Abgeordnete Gerstenberger zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst noch mal zum Antrag 4/1697, also Zusammensetzung und Verteilung der Gesamtzuweisungen für die neue EU-Förderperiode 2007 bis 2013: Die Probleme, die es offensichtlich gibt, weil die Zahlen nicht vorliegen, die sind von mehreren Seiten geäußert worden, sehe ich etwas anders. Wenn ich noch nicht genau weiß, wie viel ich bekomme, Herr Pidde, bin ich immerhin trotzdem in der Lage zu sagen, wer von dem, was ich bekomme, bestimmte Anteile bekommt. Das heißt, wenn ich einen Schlüssel festlege - diesen Schlüssel kann ich festlegen unabhängig davon, wie hoch der Mittelansatz ist -, wenn ich die Schwerpunkte setzen will in diese und in die andere Richtung, kann ich sagen, der eine Schwerpunkt bekommt zwei Drittel, der andere Schwerpunkt bekommt ein Drittel. Diesen Hintergrund der Diskussion halte ich für sinnvoll, weil es - wir bewegen uns ja nicht ganz im luftleeren Raum - auch in einigen anderen Ländern - Herr Wucherpfennig wird mir zustimmen - eine Diskussion gibt, dieses Verhältnis auf 80 : 20 zu ändern und das bereits auch Beschlusslage ist. Ich möchte und wir möchten als Fraktion - und ich habe entnommen, offensichtlich will es auch die CDU und die SPD - dieses Zweidrittel-Eindrittel-Verhältnis in Thüringen für die nächste Förderperiode erhalten. Ich denke, wir sind in der Lage, diese Beschlusslage herbeizuführen.

Herr Bergemann, Punkt 4 - Finanzknappheit des Landes - wurde in diesem Zusammenhang von Minister Reinholz deutlich erwähnt. Ich will noch an einen zweiten Fakt erinnern: Wir haben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe in den letzten Jahren - das ist im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit herausgekommen - nahezu 270 Mio. € nicht ausreichen können wegen dieser Finanzknappheit, weil Kofinanzierungsmittel fehlten. Vor diesem Hintergrund ist es doch nur legitim, das, was das Land in ESF bereits jahrelang betrieben hat, nämlich die Kofinanzierung durch Dritte zu realisieren, auch für den EFRE zu diskutieren, weil die Gefahr riesengroß ist, dass in der Förderperiode 2007 bis 2013 sich eine solche Entwicklung vollziehen kann, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die Kofinanzierung zu begleichen und deshalb Dritte mit herangezogen werden. Übrigens ist das auch keine schlechte Idee, deshalb können Sie doch auch zustimmen. Damit will ich ja noch mal begründen, warum es Sinn macht, diesem Teil des Antrags zuzustimmen, denn die Landesregierungsvertreter, einzelne jedenfalls, haben ja genau diesen Denkansatz im Laufe des letzten Jahres auch in der Öffentlichkeit geäußert. Ich teile den Ansatz, aber ich möchte es nicht als Ad-hoc-Entscheidung, sondern ich will dafür einen ordnungsgemäßen Rahmen und den schlägt der Beschlusspunkt 4 vor.

Zum Punkt 1 noch mal: Wir reden - und das hat Herr Wucherpfennig dankenswerterweise sehr deutlich gemacht - über 400 Mio. €, die hinter diesem Beschlusspunkt stecken, nämlich 400 Mio. €, die wir als Freistaat Thüringen mehr bekommen oder weniger bekommen, wenn der Bund bei seiner Entscheidung bleibt. Ich bin der Auffassung wie auch meine Fraktion, dass diese 400 Mio. € vor dem Hintergrund, dass es eine massive Mittelreduzierung geben wird in der nächsten Förderperiode, in Thüringen dringend gebraucht werden, auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus: Uns wurde als neuen Bundesländern mit den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“ Unterstützung mit Bundesmitteln von Bundesseite zugesagt. Jetzt werden diese Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ nach Willen des Bundes und nach Vorstellung des Bundes mit europäischen Fördermitteln bezuschusst wie in der letzten Periode auch. Das heißt, diese Mittel werden den Ländern entzogen, um eine ehemalige Zusage des Bundes zu finanzieren. Ich weiß nicht, ob wir das vor dem Hintergrund der massiv reduzierten Mittelzuweisungen von Seiten der Europäischen Union so weiter aufrechterhalten wollen. Ich glaube, wir vergeben uns hier die Möglichkeit, zusätzlichen Gestaltungsspielraum über zusätzlichen Mitteleinsatz von Seiten der EU zu nutzen und deshalb halte ich es für legitim, dort zu fordern, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ weiter und zu Ende zu führen, aber bitte so, wie es ursprünglich vorgesehen war. Ursprünglich war nämlich vorgesehen, dass diese Mittel zu

sätzlich vom Bund bereitgestellt werden. Wir haben eine neue Situation und wir haben einen neuen Gestaltungsrahmen und nichts anderes wünscht dieser Antrag, dass dieser Gestaltungsrahmen ausgeschöpft wird und dass wir diese Mittel verfügbar machen. Wir sind doch gar nicht so weit auseinander. Die Argumentation, die für den ESF von Herrn Wucherpfennig angeboten wurde, ist auch die Argumentation, die für den EFRE zutreffend ist und deshalb werbe ich noch einmal dafür, dass dieser Antrag so, wie er vorliegt, beschlossen werden kann.

Jetzt zum Antrag „Operationelles Programm Thüringens für die Förderperiode 2007 bis 2013“. Zunächst noch einmal - Herr Bergemann, und das gestehe ich gern zu - herzlichen Dank, Herr Wucherpfennig für die ausführlichen Darstellungen. So ist, glaube ich, ein vernünftiges Zusammenarbeiten möglich. Das Gleiche gilt natürlich auch für Minister Reinholz.

Meine Damen und Herren, zweifelsfrei sind die Fördermittel der Europäischen Union ein wichtiges - das ist auch, glaube ich, aus den bisherigen Diskussionen deutlich geworden -, wenn nicht sogar das wichtigste Mittel und Instrument, um in Thüringen Aufgaben auf den Weg zu bringen und Mitfinanzierungsanteile zu realisieren. Zweifellos gibt es aus den letzten Jahren auch sehr viel Positives, was diese Förderung erreicht hat. Aber die nüchterne Bilanz dieser und der vergangenen Förderperiode verlangt auch, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass trotz eines weiteren Anstiegs der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe die Zahl der Erwerbstätigen am Arbeitsort, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter rückläufig und noch kein nachhaltiger Aufschwung in Thüringen erreicht ist. Ausdruck dessen ist auch, dass Thüringen immer noch Ziel-1-Gebiet ist. Zu fragen ist, ob diese Situation wirklich nur auf das Handeln der Bundesregierung zurückzuführen ist oder ob es dort nicht auch auf Landesebene und insbesondere in der Landesregierung Verantwortung geben muss und ob diese Verantwortung auch dazu benutzt werden muss, um umzusteuern oder in eine andere Richtung zu steuern, um die Effekte zu vergrößern.

Nach 14 Jahren EU-Förderung wird deutlich, dass es unter den älteren Mitgliedstaaten der Union immer noch 32 Regionen gibt, wo das Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukt weniger als 75 Prozent des neuen EUDurchschnitts erzielt. Das heißt, diese 32 Regionen gehören auch in der EU der 25 zu den ärmsten und zu diesen Regionen gehört Thüringen mit einem Anteil von 73,15 Prozent Bruttoinlandprodukt. Deshalb sind wir Ziel-1-Gebiet und das, meine Damen und Herren, obwohl - und daran kann ich mich noch sehr gut erinnern - der Altministerpräsident Vogel Anfang der 90er-Jahre noch erklärte, Thüringen hat von allen

neuen Bundesländern die besten Entwicklungschancen und wird weit vor den anderen die Entwicklung vollziehen und die nächsten Schritte nach vorn tun. Wir haben es nicht erreicht, aus der Maximalförderung herauszukommen, weil das Leistungsniveau in Thüringen nicht auf dem Niveau angekommen ist. Deshalb kommt es darauf an, nicht so allgemein weiterzumachen wie bisher, sondern neu zu überlegen. Es gilt, sich auf eine zweifellos vorhandene Stärke, die es in einzelnen Bereichen gibt, zu konzentrieren und mit diesen zum Abbau der Schwächen beizutragen. Es geht um eine gezielte Förderung und gezielte Ideen und das insbesondere auch im Arbeitsmarktbereich. Das bedeutet nicht, nur so genannte Leuchttürme zu fördern, sondern auch schwache und benachteiligte Regionen, die es in Thüringen zweifelsfrei gibt. Diese müssen mit in den Fokus gestellt werden. Uns ist bewusst, dass unser Antrag sehr ausführlich und detailliert ausgeformt ist, Herr Kretschmer, aber dafür gibt es mehrere Gründe. Die PDS sieht die Funktion der Ausreichung europäischer Strukturfonds als einen ressortübergreifenden Ansatz. Deshalb haben wir strukturelle, finanztechnische, soziale und Bildungsfragen, Fragen der Forschung und Wissenschaft, der Kultur und vieles mehr in den Antrag aufgenommen, weil wir der Auffassung sind, dass alle diese Bereiche mit bedacht werden müssen. Aber nicht wir haben diese Schwerpunkte erfunden, sie sind uns von der EU als Gestaltungsrahmen für die Länder angeboten worden.

Es liegt an uns, besser, meine Damen und Herren, an der Landesregierung, diesen Gestaltungsrahmen in vollem Maße für Thüringen verfügbar zu machen oder das eben genau nicht zu tun. Aber ich gebe zu bedenken, wir reden über einen Förderzeitraum bis 2013 mit Folgewirkungen bis ins Jahr 2015. Der gegenwärtige Erkenntnisstand über Notwendigkeiten und die Entwicklung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben es unseres Erachtens nicht, freiwillig oder nicht notwendig Einengungen der uns angebotenen Spielräume und Aufgaben vorzunehmen. Dazu gehört auch, die Sicherung der Nachhaltigkeit der eingeleiteten Entwicklungen, insbesondere die Probleme des Natur-, Umwelt- und Landschaftsschutzes, mit in diese entsprechenden Betrachtungen einzubeziehen.

Weiterhin geht es uns in erster Linie um die Verbesserung der Rahmenbedingungen dafür, dass Arbeitsplätze nicht nur geschaffen werden, sondern auch erhalten bleiben. Dem muss ein Hauptaugenmerk geschenkt werden. Denn ich sagte es bereits, Thüringen verliert weiter an sv-pflichtig Beschäftigten, es verliert Erwerbstätige und es verliert insbesondere junge Einwohner. Gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der Langzeitarbeitslosen, altert die Thüringer Bevölkerung überdurchschnittlich schnell und nimmt die Zahl der unter der Armutsgrenze Leben

den permanent zu. Hier geht es uns um dringend notwendige neue Lösungsansätze, die über den in Regierungskreisen weit verbreiteten Gedanken der Wachstumsförderung hinausgehen müssen, Herr Kretschmer. Wir brauchen die Eröffnung zusätzlicher Beschäftigungsfelder und dabei ist es mir persönlich völlig egal, ob das öffentlich geförderte Beschäftigung, gemeinwohlorientierte Arbeit oder - das halte ich allerdings zweifelsfrei für diskriminierend - dritter Arbeitsmarkt heißt. Entscheidend ist letztlich, dass in dieser Richtung in Thüringen etwas geschieht bzw. die Gestaltungsspielräume, die sich ja auch aus einem denkbaren Politikwechsel 2009 ergeben könnten, durch heutige Entscheidungen nicht zu verbauen.

Drittens geht es um die Verbesserung der infrastrukturellen Ausstattung der Kommunen und Regionen. Dabei kann es nicht nur um die Ausrichtung auf gegenwärtige Landkreise und Kommunalstrukturen gehen. Dort müssen die zwingend notwendigen Veränderungen in der Antragstellung mitgedacht werden und dort sollten auch Voraussetzungen für die Unterstützung dieser Veränderungen innerhalb der Operationellen Programme geschaffen werden. Denn ich glaube, dieser Umstrukturierungsprozess, der mit Sicherheit auch finanzielle Auswirkungen erfordert, wird das Land allein überfordern. Dort sollte also dieser Gestaltungsspielraum in dieser Richtung eröffnet werden.

Meine Damen und Herren, insbesondere im Bereich des ESF muss im Zusammenhang mit unserem Antrag auf einige Probleme aufmerksam gemacht werden.

Der Fonds ist kein Allheilmittel, aber er sollte auch nicht Alibi für stattfindende landespolitische Arbeit und Begleitung von zwingend notwendigen und in Eigenregie des Landes liegenden Aufgaben sein. Denkansätze etwa, dass in Thüringen ungeliebte, angeblich nicht mehr bezahlbare oder im bisherigen Umfang nicht mehr gewollte finanzielle Aufgabenunterstützungen von Landesseite nun in der neuen Periode durch ESF-Mittel zu ersetzen und zu unterstützen sind, lehnen wir als Fraktion ab. Ich will hier nur, sollte es entfallen sein, beispielhaft an die Berufsschulsozialarbeit erinnern. Ursprünglich mit Landesförderung realisiert, kam es später zu einer Förderung durch Land und EU. Weil die EU-Mittel den größten Anteil ausmachen und seitdem weitestgehend unklar ist, wie es 2007 weitergeht, besteht auch die Unklarheit über den Fortbestand dieses gesamten Aufgabenbereichs der Berufsschulsozialarbeit. So können wir Aufgaben von Landesseite nicht delegieren und das kann nicht das Ziel der Erarbeitung neuer Operationeller Programme sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es darf der ESF nicht genutzt werden, um staatliche Leistungen und Finanzen etwa im Bereich der Berufsschularbeit, der Bildung insgesamt oder auch der Kindertagesstätten durch diese Mittel zu ersetzen. Aber für die Entwicklung neuer Ansätze und Modelle halten wir unterstützende Mittelnutzung auch aus dem ESF durchaus für legitim und notwendig.

Zentraler Punkt beim Einsatz des ESF - Herr Kretschmer und da wird es wohl ewig bei unseren Unterscheidungen bleiben - muss weiterhin die Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors und die Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten sein. Ich will mir das Durchdeklinieren der entsprechenden Einzelpunkte ersparen. Ich will auch für den EFRE nur eine kurze Bemerkung machen. Auch hier muss gesichert werden, dass wir uns den Gestaltungsspielraum für die weitere Unterstützung unserer Kleinst- und Kleinunternehmen in Thüringen, die weit über 90 Prozent unseres Unternehmensbestandes ausmachen, sichern, auch über die Jahre 2013 hinaus. Wir halten es deshalb für unabdingbar, insbesondere Mittel für einen revolvierenden Fonds in wesentlich größerem Rahmen, als bisher Thüringen-Kapital bereitstellt, einzubinden, damit wir eben nach der Zeit 2013 auch die Chance haben, entsprechende Unterstützung unserer Unternehmen zu leisten. Es wird mit dieser Förderperiode letztmalig die Chance sein, dort in Größenordnungen in diese Entwicklungsrichtung zu gehen, die ja auch von Seiten der Enquetekommission bereits im Jahr 2000 vorgeschlagen wurde. Richtigerweise ist bemerkt worden, dass der ELER, der nicht zu den Operationellen Programmen gehört, und trotzdem haben wir auch dazu in dem Antrag, wofür ich nochmals um Zustimmung werbe, auch diesen Teil mit aufzunehmen. Dass im Agrarbereich neue Wege gegangen werden, kommt dem integrierten und ganzheitlichen Entwicklungsansatz schon sehr nahe und es ist durchaus ein sinnvoller Systemwechsel, aus den zwei Fonds des EAGFL jetzt einen zu machen. Ob dieser Systemwechsel dann so weit geht, dass wir auch in den Abrechnungsprozessen noch entsprechende Vereinfachungen erreichen, das bleibt abzuwarten. Aber bewusst haben wir das ELER-Programm mit aufgenommen, denn es zielt ganz direkt auf die Entwicklung des ländlichen Raums. Denn ohne ein explizites Bekenntnis dazu, dass auch in strukturschwächeren Räumen Entwicklungschancen bestehen trotz Abwanderung und demografischem Wandel, werden gerade unsere Dörfer und kleineren Kommunen noch mehr geschwächt. Aus eigener Kraft schaffen sie es heute noch nicht. Dazu bedarf es weiterer Unterstützung neben den bereits genannten strukturpolitischen Veränderungen, die zwingend notwendig sind und die von Landesregierungsseite eingeleitet werden müssen. Das heißt nicht „Gießkanne“, sondern gezielt Wachstumsimpulse erkennen und diese auch nutzen, so dass sie

eine Chance erhalten, auch nach außen auszustrahlen. Das muss im Einzelfall auch heißen, dass Kommunen stärker miteinander kooperieren, um Geld entsprechend zu sparen. Außerdem sieht es in unseren Dörfern nun auch einmal so aus, dass die Wirtschaftskraft als Kern von der Landwirtschaft getragen wird. Dabei haben viele Landwirte erkannt, wenn sie etwas für ihren Betrieb tun, tun sie automatisch auch etwas für die Region. Das heißt, sie produzieren Nahrungsmittel, sie erzeugen Energie, sie werden zum Vermarkter und Landschaftspfleger. Insofern sind die drei Säulen des ELER-Programms richtig akzentuiert, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, Verbesserung der Umwelt und Landschaft sowie die Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft. Herr Minister Reinholz hatte darauf bereits hingewiesen. Diese Säulen werden dann in der Ausführung noch flankiert durch das LEADERProjektförderungsprogramm. Wir sehen in dieser Entwicklung eine wirklich große Chance, dass sich auf dieser Grundlage die ländlichen Gebiete auch weiterentwickeln können. ELER hat dafür bereits einen guten Rahmen gesteckt. Auch den, und das sage ich hier noch einmal ausdrücklich, sollten wir in voller Breite nutzen. Kritisch, Herr Bergemann, sehen wir allerdings, hier wende ich mich noch einmal direkt an die Landesregierung, dass die konkrete Ausgestaltung - da gebe ich Ihnen Recht -, die ja durch die Bundesländer vorgenommen wird, ohne jegliche Mitsprache dieses Parlaments passiert. Natürlich ist es wichtig, einen Begleitausschuss zu Rate zu ziehen und über Details zu reden, aber dass man diejenigen, die eigentlich von Rechts wegen die Gesetzgebungskompetenz zugesprochen bekommen haben, nämlich dieses Parlament, aus dem Entscheidungsprozess draußen lässt, das kann eigentlich nicht sein und das ist auch aus Ihrer Argumentationslinie deutlich geworden. Dagegen werden wir uns wehren, dagegen haben wir uns in der Vergangenheit gewehrt und dazu werden wir auch mit Sicherheit noch mal initiativ werden, um diesen Zustand zu ändern, weil er unseres Erachtens nicht hinnehmbar ist. Aber heute geht es erst mal um die beiden Teile, beide Anträge, wo ich herzlich darum bitte, dass diesen Anträgen zugestimmt wird, einer weitergehenden Ausschussdiskussion würden wir uns allerdings nicht verweigern. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen seitens der Abgeordneten vor. Für die Landesregierung Minister Wucherpfennig bitte.

Vielen Dank, ich will nur ganz kurz noch ein paar Ausführungen machen zu den letzten Bemerkungen. Wir haben in der laufenden Förderperiode mit den europäischen Mitteln sehr viel erreicht und werden das sicherlich auch in der kommenden Förderperiode erreichen. Der Mittelzufluss wird allerdings durch die größer gewordene Europäische Union geringer, das ist klar. Die genauen Zahlen wissen wir noch nicht, aber ich habe jetzt schon ein mögliches Tableau aufgezeigt. Herr Gerstenberger hatte darauf hingewiesen, dass wir ein Bruttoinlandprodukt haben von 73,15, das ist auch richtig. Darüber sind wir allerdings froh, dass es so ist, bei einer anderen Fördergebietseinteilung, bei einer anderen Fördergebietskulisse hätten wir sicherlich auch mit Erfurt, Weimar und Jena eine Facing-out-Region, die wir Gott sei Dank nicht haben. Wir sind in der kommenden Förderperiode landesweit nach wie vor Ziel-1-Gebiet oder demnächst Konvergenzregion.

Ich kann darauf hinweisen, dass wir jetzt demnächst einen neuen Schlüssel haben, von der Europäischen Union vorgegeben. Nach diesem Schlüssel werden künftig mehr die sozioökonomischen Bedingungen berücksichtigt. Das heißt, nach dem alten Verteilungsschlüssel, der mehr einwohnerbezogen war, wird es künftig einen Schlüssel geben mit Indikatoren wie Arbeitslosenquote und regionalem Wohlstand. Danach ist Thüringen die Nummer 1 in den neuen Ländern.

Wenn man die beiden Verteilungsschlüssel vergleicht, hat dadurch Thüringen aufgrund des größten regionalen Wohlstands im Vergleich der neuen Länder die höchsten finanziellen Einbußen, danach gefolgt von Brandenburg, dann Sachsen, Sachsen-Anhalt und zum Schluss Mecklenburg-Vorpommern - nach dem neuen Schlüssel, Vergleich Förderperiode 2000 bis 2006 mit 2007 bis 2013. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es jetzt noch weitere Redewünsche? Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst zur Abstimmung zum Antrag in Drucksache 4/1697. Es ist beantragt worden, an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Die Überweisung des Antrags ist abgelehnt.

Demzufolge stimmen wir direkt über diesen Antrag in der Drucksache 4/1697 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den möchte ich jetzt um das Handzeichen bitten. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/1698. Auch hier ist die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Und Stimmenthaltungen? Gibt es nicht, bei Herrn Mohring weiß ich jetzt nicht, wie er gestimmt hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hat es gereicht? Nein?)

Damit ist die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt.

Jetzt kommen wir direkt zur Abstimmung. Herr Abgeordneter Höhn.

Frau Präsidentin, ich beantrage für den Antrag 4/1698 die Abstimmung getrennt nach den beiden Punkten.

Gut, dann stimmen wir als Erstes über den ersten Punkt mit seinen Unterpunkten ab, und zwar direkt, nicht mehr zur Überweisung an den Ausschuss. Wer diesem ersten Punkt zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dieser erste Punkt ist abgelehnt.

Nun kommen wir zu dem zweiten Punkt. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Auch das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Auch der zweite Punkt ist abgelehnt. Damit ist der gesamte Antrag abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 in seinen Teilen a und b und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Entwurf einer EU-Richtlinie zur Schaffung eines Binnen- markts für Dienstleistungen Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/1699 -

Mir ist nicht angezeigt worden, dass die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung haben möchte, so dass wir gleich die Aussprache eröffnen. Ich rufe als Ersten auf für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Schröter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten und dann käme ein Hammerschlag, wenn es um eine Auktion geht. Aber leider ist es nicht so, dass dieses Thema beendet sein wird. Deshalb, weil es schon so oft behandelt wurde, müssen wir noch einmal zurückschauen auf den Anfang.

Der Ursprung liegt im Jahr 1957. Da hatten sich die sechs Gründerstaaten der EWG verpflichtet, einen großen Binnenmarkt zu schaffen. Eine der in den Römischen Verträgen verankerten Grundfreiheiten, die Dienstleistungsfreiheit, ist jedoch 45 Jahre später noch immer nicht verwirklicht. Das Europäische Parlament hat in seinen Entschließungen von 2001 und 2003 gefordert, dass die Vollendung des Binnenmarkts durch die Schaffung eines Binnenmarkts für Dienstleistungen oberste Priorität haben soll. Unter Romano Prodi wurde ein Richtlinienvorschlag erarbeitet, durch den damaligen Binnenkommissar Bolkenstein vertreten, der das Ziel verfolgt, diese Grundfreiheit umzusetzen. Wir glauben, diese BolkensteinRichtlinie scheint auch heute noch in den Köpfen herumzuspuken, obwohl sie durch die Stellungnahmen der verschiedensten Gremien einige entscheidende Veränderungen erfahren hat. Der damalige Richtlinienentwurf war nie ohne Kritik und auch wir hier in diesem Plenarsaal haben einiges zu dieser Kritik gesagt. Tatsache ist, dass eine Vollendung des Binnenmarkts nicht auf die lange Bank geschoben werden kann und jeder Aufbau von Barrieren und Abschottung von Märkten nur negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaften hat.