Protokoll der Sitzung vom 28.09.2006

Zu Frage 4: Es ist nicht Aufgabe des staatlichen Sportwettenanbieters ODDSET, vereinzelte Sportvereine finanziell oder materiell zu unterstützen, die aufgrund der illegalen Betätigung eines Sponsoring-Partners dessen Zuwendungen nicht nutzen dürfen. Dies würde eine bevorzugte Behandlung gegenüber den Vereinen darstellen, die mit Sorgfalt legale Unterstützungen suchen. Im Übrigen bieten die privaten Anbieter ohne Veranstaltungserlaubnis durch ihr Sponsoring keine nachhaltige Förderung des Breitensports. ODDSET hingegen führt 6 Prozent der Einsätze an den Landessportbund und 3,35 Prozent der Einsätze an die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ab. Darüber hinaus werden alle Erträge aus dem gesamten staatlichen Glücksspielangebot an den

Landeshaushalt abgeführt und für kulturelle, soziale, denkmalschützerische und sportliche Zwecke verwendet.

Es gibt Nachfragen. Herr Abgeordneter Höhn, bitte.

Vielen Dank. Frau Ministerin, zu Ihrer Beantwortung der Frage 3 bzw. nach meinem Empfinden NichtBeantwortung: Ich frage noch einmal konkret nach: Das Tragen von Trikots von Sportmannschaften im Freistaat, die mit der Werbeaufschrift privater Sportwettenanbieter ausgestattet sind, stellt das nach Auffassung der Landesregierung eine Straftat in dem Sinne, wie Sie es geschildert haben, dar?

Zweitens möchte ich gern von Ihnen wissen, ob es aus Ihrem Hause - also aus dem Finanzministerium - eine Verordnung oder Richtlinie oder eine Anweisung über den Umgang mit diesen Sachverhalten gibt?

Zum ersten Teil, ich verweise noch einmal darauf, dass wir keinen Einfluss auf die Strafverfolgungsbehörden nehmen.

Zum zweiten Teil, wir haben nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Wettmonopol den Landessportbund umfangreich informiert. Der Landessportbund hat seinerseits die Vereine darüber informiert. Wir haben das in Vorbereitung Ihrer Anfrage nachgefragt und wir haben gleichzeitig für die GmbH unseres Glücksspiels hier in Suhl Anweisungen gegeben, was in den Lottoannahmestellen zur Bekämpfung von Wettsucht und auch zum Schutz der Jugend gemacht wird. Das ist in Abstimmung auch mit den anderen Ländern geschehen. Es gibt einen umfangreichen Maßnahmekatalog.

Es gibt eine weitere Nachfrage. Herr Abgeordneter Huster, bitte.

Frau Ministerin, in diesem Zusammenhang habe ich eine Frage: Wie würden Sie denn den derzeitigen rechtlichen Status solcher privater Anbieter wie Sportwetten Gera bewerten?

Sportwetten Gera bietet Sportwetten auf der Grundlage der DDR-Gewerbeerlaubnis aus dem Jahr 1990

an. Aufgrund eines Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005 darf deshalb die Geschäftstätigkeit nicht vollständig untersagt werden. Der Umfang der laut dieser Genehmigung erlaubten Tätigkeit wird zurzeit geprüft. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu erst im Juni festgestellt, dass diese Erlaubnis nicht zum Anbieten von Sportwetten in den alten Bundesländern berechtigt.

Eine letzte Nachfrage. Herr Abgeordneter Blechschmidt, bitte.

Danke. Frau Ministerin, eine Bemerkung. Die Nachfrage von Kollegen Höhn bedeutete: Gibt es rechtliche Bedenken gegen die Frage, ob beim Tragen von Werbung irgendwie Einfluss darauf genommen wird? Dies ist für mich nicht beantwortet. Ich würde aber im Interesse der Vereine im Nachgang eine Beantwortung für günstig halten.

Jetzt meine Frage: Sie sprachen innerhalb Ihrer Beantwortung an, dass die Sportwetten in Thüringen enorme Maßnahmen treffen, um entsprechend der Suchtgefahr, dieser Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, entgegenzuwirken. Können Sie diese Maßnahmen in irgendeiner Form verifizieren?

Ja, es gibt einen ganzen Katalog, der auch abgestimmt ist mit anderen Ländern, den Finanzministerien der anderen Länder. Die Halbzeitwetten werden nicht mehr angeboten, die Live-Wetten wird es bei ODDSET nicht mehr geben. Wetten über SMS sind nicht mehr möglich, keine Wettmöglichkeiten in Fußballstadien mehr. Also, es gibt einen ganz umfangreichen Katalog, wenn Sie den zugeleitet haben wollen, bin ich gern bereit.

Ja, danke schön. Damit kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage, eine des Herrn Abgeordneten Blechschmidt, Linkspartei.PDS-Fraktion, in Drucksache 4/2192.

Hartz IV - Klageflut an Sozialgerichten

In einer dpa-Agenturmeldung vom 23. August 2006 wird darüber informiert, dass sich im 1. Halbjahr 2006 die Anzahl der Klagen zu Hartz IV an den Thüringer

Sozialgerichten fast verdoppelt hat. Damit sind etwa ein Drittel aller an den Thüringer Sozialgerichten anhängigen Klagen aus dem Bereich des SGB II. Ebenso ist in der Meldung zu lesen, dass das Ministerium von einer um 13 Prozent erhöhten Anzahl der Erledigungen dieser Verfahren ausgeht. Der Fraktion ist allerdings aus Informationen und Anfragen der Betroffenen bekannt geworden, dass die Gerichte verstärkt - auch schon in einem sehr frühen Verfahrensstadium - versuchen würden, auf das Verhalten der Kläger dahin gehend Einfluss zu nehmen, Verfahren im Bereich des SGB II zu einer schnellen Beendigung zu bringen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Klagen zum SGB II wurden mit einem (teilweisen) Klageerfolg im 1. Halbjahr 2006 abgeschlossen?

2. Wie hoch war im 1. Halbjahr 2006 die Anzahl der Verfahren zum SGB II, die durch Klagerücknahme oder Erledigungserklärungen der Kläger beendet wurden?

3. Inwieweit ist der Landesregierung bekannt, dass die Gerichte verstärkt versuchen, die Kläger zu einer Klagerücknahme wegen angeblicher Aussichtslosigkeit zu bewegen?

4. Wie bewertet die Landesregierung diese Praxis der Erteilung sogenannter richterlicher Hinweise mündlicher oder schriftlicher Art?

Es antwortet Minister Schliemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Situation der Sozialgerichte in Thüringen ist in diesem Hohen Haus bereits mehrfach erörtert worden, zuletzt in der 40. Plenarsitzung am 8. Juni 2006 hatte ich Stellung genommen, aber der Wissensdurst ist anscheinend noch nicht gestillt.

Zu Frage 1: Im 1. Halbjahr 2006 wurden von den Thüringer Sozialgerichten 779 Klagen in Angelegenheiten nach dem SGB II erledigt. Von den erledigten Klagen, an denen Versicherte und Leistungsberechtigte beteiligt waren, endeten für diese 186 mit vollem, 124 mit teilweisem Erfolg. Beim Thüringer Landessozialgericht wurden im 1. Halbjahr 2006 fünf Berufungen in solchen Angelegenheiten nach SGB II erledigt. Von den erledigten Berufungen mit gleichen Beteiligten endeten zwei für diese Verfahren mit teilweisem Erfolg.

Zu Frage 2: Im 1. Halbjahr 2006 wurde bei den Thüringer Sozialgerichten in Angelegenheiten nach SGB II 59 Klagen durch übereinstimmende Erledigungserklärungen und 427 Klagen durch Rücknahme erledigt, beim Thüringer Landesgericht im selben Zeitraum für dieselben Angelegenheiten eine Berufung durch übereinstimmende Erledigungserklärung, drei Berufungsverfahren durch Rücknahme.

Zu Frage 3 und zu Frage 4: Die beiden Fragen möchte ich gemeinsam beantworten. Gemäß § 62 Sozialgerichtsgesetz, Artikel 103 Abs. 1 GG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Daraus folgt keine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts etwa über die Erfolgsaussichten der Klage, aber jedem Richter, jedem Gericht steht es frei, im Rahmen des rechtlichen Gehörs entsprechende Hinweise zu geben. Soweit Klagen eingereicht werden, die ohne Aussicht auf Erfolg sind, ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass entsprechende richterliche Hinweise gegeben werden. Es ist mir nicht bekannt, ob sich die Handhabung der Thüringer Sozialgerichte seit der Zuständigkeit für Angelegenheiten nach SGB II verändert hat. Dazu werden auch gar keine statistischen Angaben erhoben. Die Entscheidung eines Hinweises liegt allein beim zuständigen Gericht und unterfällt dem Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit, Artikel 86 Abs. 2 unserer Verfassung, Artikel 97 Abs. 1 GG. Dementsprechend verbietet sich im Hinblick auf diese richterliche Unabhängigkeit auch eine Bewertung dieser Richterpraxis durch die Landesregierung.

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die nächste Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kubitzki, Linkspartei.PDS, in Drucksache 4/2193 auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ebenfalls Hartz IV - Klageflut - Wie finden Kritik und Vorschläge aus der Praxis Gehör?

Ca. 30 Prozent der an den Thüringer Sozialgerichten geführten Klagen betreffen das SGB II und damit auch Leistungen des ALG II. Schon vor mehr als zwei Jahren, also noch vor Einführung des SGB II, hatten Thüringer Sozialverbände und der Verband der Thüringer Sozialrichter vor einer solchen Entwicklung gewarnt und lange Wartezeiten vorausgesagt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Kritik und Änderungsvorschläge von Sozialverbänden und Berufsverbänden oder in der Praxis tätigen Personen zur aktuellen Entwicklung an

den Thüringer Sozialgerichten, insbesondere im Hinblick auf Hartz IV, sind der Landesregierung bekannt geworden?

2. Wie bewertet die Landesregierung diese Kritik und Änderungsvorschläge und wie wird sie gegebenenfalls damit umgehen?

3. In welcher Form steht die Landesregierung hinsichtlich der Situation an den Sozialgerichten in Informations- und Meinungsaustausch mit Vertretern der Praxis?

4. Inwiefern sieht die Landesregierung angesichts der aktuellen Entwicklung beim Klageaufkommen zu Hartz IV die Notwendigkeit, sich zumindest für die Rücknahme der aktuellen Verschärfungen des SGB II im Bundesrat einzusetzen?

Es antwortet Minister Schliemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kubitzki beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Hinsichtlich der aktuellen Entwicklung bei den Thüringer Sozialgerichten sind der Landesregierung keine Kritik- oder Änderungsvorschläge von Sozial- oder Berufsverbänden oder Vertretern der Praxis bekannt. Unter dem 04.09.2006 erschien eine Pressemeldung. Danach hat der Vorsitzende des Thüringer Sozialrichterverbandes in einem dpa-Gespräch sich dafür bedankt, dass die Landesregierung aufgrund der voraussehbaren Prozessfälle rechtzeitig Richter aus anderen Bereichen gebeten hat, bei den Sozialgerichten auszuhelfen. Nach seiner Ansicht ist dadurch ein Chaos vermieden worden.

Zu Frage 2 möchte ich auf meine Antwort zu Frage 1 verweisen.

Zu Frage 3: Das Thüringer Justizministerium wird über die aktuelle Entwicklung an den Thüringer Sozialgerichten monatlich informiert aufgrund ganz allgemeiner Statistiken. Die Zahlen aus den Geschäftsstellen, die automatisch erhoben werden für den Geschäftsanfall, werden für jeden Standort, für jeden Kalendermonat aufbereitet und dann auch ausgewertet. Aktuelle Entwicklungen werden dadurch zeitnah erkannt. Das Justizministerium steht in einem ständigen Austausch mit der gerichtlichen Praxis. Gespräche mit Vertretern der Sozialgerichtsbarkeit - allen voran natürlich deren Präsident, den Direktoren, gelegentlich auch einzelnen Richtern - finden im Rahmen der Personalorganisation regelmäßig statt.

Auch Verbandsäußerungen, Anregungen von Richtern, einzelner Richter, Staatsanwälte, Beamte, die für einen begrenzten Zeitraum freiwillig dort aushelfen und tätig sind, finden Gehör. So fand beispielsweise Ende letzten Jahres ein entsprechendes Treffen statt. Für dieses Jahr ist Vergleichbares vorgesehen. Der Kontakt wird weiter gepflegt.

Zu Frage 4: Eine Veränderung oder eine Beibehaltung der materiell-rechtlichen Regelungen des SGB II ist unabhängig von der aktuellen Entwicklung des Klageaufkommens bei den Sozialgerichten zu treffen. Der Gesetzgeber muss die Regelungen des Zweiten Sozialgesetzbuches, deren Wirksamkeit er ständig beobachtet, im Bedarfsfall auch anpassen. Im Ergebnis müssen die Regelungen des SGB II sicherstellen, dass eine effiziente, bedarfsabhängige staatliche Fürsorgeleistung möglich ist. Eine Erhöhung des Klageaufkommens nach dem SGB II ist für sich allein nicht geeignet, sich für oder gegen eine Gesetzesänderung im materiellen Recht zu verwenden.

Danke sehr.

Danke. Es gibt Nachfragen. Abgeordneter Kubitzki, bitte.

Herr Minister, Sie zitierten den Richter Herrn Fuchs, als er gesagt hat: „Das Chaos ist vermieden worden.“, aber in seiner Erklärung war da noch zu lesen: „Das angekündigte Fortentwicklungsgesetz zu Hartz IV lässt eher das Gegenteil befürchten, vorher geht es um das Abebnen der Welle.“ Es heißt, er hat damals schon darauf hingewiesen, dass das Chaos zwar vermieden wurde, aber dass die Flut nicht aufhört. Ich erinnere mich noch im Monat Mai an den parlamentarischen Abend des Sozialverbandes VDK Thüringen hier im Haus, wo der Landesvorsitzende des VDK Hessen-Thüringen Folgendes sagte, als es um...

Entschuldigung, Herr Abgeordneter, würden Sie bitte die Frage formulieren?

Er hat dort den Hinweis gegeben, dass die Abordnungen schnellstmöglich in feste Zuordnungen an die Sozialgerichte umgewandelt werden sollten. Ist Ihnen dieser Hinweis bekannt und ist das realisierbar?

Die Rede ist mir bekannt, ich habe das nicht unter „Hinweise und Kritiken“ gebucht, denn normalerweise werden diese direkt ins Haus getragen, aber auch solches ist natürlich aufgenommen. Ich habe es nur nicht unter „Kritik und Anregung“ gebucht, denn das haben wir schon längst vorbereitet gehabt. Inzwischen ist es auch durchgeführt. Drei Richter konnten wir ernennen, die zum dauernden Wechsel bereit waren.