Protokoll der Sitzung vom 29.09.2006

Die Ausleihe von Medien für den Sonntag ist ohne Weiteres auch am vorhergehenden Samstag möglich, wie ja viele Vorbereitungen für Sonn- und Feiertage unter der Woche stattfinden. Video- und Mediatheken unterscheiden sich eindeutig von Theatern, Kinos und Konzertveranstaltungen. Dort treffen Durchführende und Besucher direkt aufeinander. Das gilt erst recht, wenn Familien oder Freunde gemeinsam solche Veranstaltungen besuchen wollen und dabei auf einen möglichst für alle arbeitsfreien Tag angewiesen sind.

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat sich Anfang des Jahres erneut gegen eine Öffnung der Videotheken an Sonn- und Feiertagen ausgesprochen. Ich persönlich - ich sage jetzt meine ganz persönliche Meinung - stehe einer Ausnahmeregelung zur Öffnung für Videotheken an Sonn- und Feiertagen kritisch gegenüber. Der Sonn- und Feiertagsschutz ist ein hohes verfassungsrechtlich gesichertes, aber auch christlich-abendländisch gewachsenes Gut. Dies sollten wir nicht einem schnelllebigen Zeitgeist opfern.

Insgesamt hat sich auch durch die Föderalisierung des Rechts am Grundsatz des besonderen Schutzes der Sonn- und Feiertage, etwa hinsichtlich der Messen, Ausstellungen, Märkte und Volksfeste, aber auch der Videotheken, grundsätzlich nichts geändert. An Sonn- und Feiertagen ist die Schließung der Geschäfte die Regel. Die Öffnung ist die Ausnahme, die eng begrenzt bleiben sollte. An Werktagen allerdings hat der Wegfall der überkommenen Ladenschlussphilosophie eine weitreichende Deregulierung zur Folge. Das wäre praktikabler und bürgerfreundlicher, als die bestehenden Einschränkungen um Ausnahmeregelungen zu erweitern, denn diese Ausnahmen hängen dann wiederum von bestimmten Kriterien ab, die dann wiederum kontrolliert werden müssten. Das wiederum würden die bisherigen Bestimmungen eher komplizierter statt einfacher machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe sowohl den verfassungsrechtlichen Rahmen geschildert als auch die bisherigen Erfahrungen mit verlängerten Öffnungszeiten in Thüringen. Die sich hieraus ergebenden Optionen bedürfen nun einer eingehenden Prüfung. Sie haben es in der Hand, eine Regelung zu schaffen, die den Bedürfnissen der Thüringer gerecht wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Redemeldungen aus allen Fraktionen vor. Demzufolge gehe ich davon aus, dass alle Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht möchten. Damit eröffne ich die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Minister ist darauf eingegangen, die Ladenöffnungszeiten wurden auf Antrag der CDU-Fraktion für die Dauer der Fußballweltmeisterschaft freigegeben und wir sollen uns heute mit den eingetretenen Ergebnissen beschäftigen. Ich will einmal aus meiner Sicht sagen - auch wir haben die Gespräche mit dem Einzelhandelsverband, mit ver.di und mit dem DEHOGA geführt -, was in den Gesprächen sichtbar geworden ist: Es wurde uns gesagt, der Einzelhandel profitierte nur wenig von den verlängerten Öffnungszeiten; Herr Minister, das haben Sie ebenfalls so betont. Nur 10 Prozent der Thüringer Unternehmen verzeichneten höhere Umsätze als im Vorjahr. 70 Prozent - das haben Sie nicht erwähnt - der Innenstadthändler und 85 Prozent der Händler in angrenzenden Stadtteilen hatten geringere Umsätze. Gründe hierfür: das Ausbleiben von Stammkunden, die geringe Kaufkraft und geringe Kundenfrequenzen. Erweiterte Öffnungszeiten wurden bei 56 Prozent der Unternehmen in der Innenstadt und bei 75 Prozent der Unternehmen in den Stadtteilen wieder eingestellt. Nutznießer der verlängerten Öffnungszeiten waren Einkaufszentren, nicht die Einzelhandelsläden. Es handelt sich nicht um saisonale Probleme im Bereich des Einzelhandels, sondern seit sieben Jahren hat der Einzelhandel ein Minus gegenüber dem Vorjahr in seinen Umsatzzahlen zu verzeichnen und im ersten Halbjahr 2006 betrug dieses Minus 0,8 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2005. Der Einzelhandel hat errechnet, dass für 2007 jedem Bürger ca. 300 € weniger an Kaufkraft zur Verfügung stehen als jetzt. Gleichzeitig sagen seine Übersichten und Darstellungen - ich nehme an, die sind Ihnen alle bekannt -, dass Thüringen zu den Gebieten gehört mit der niedrigsten Kaufkraft ins

gesamt, so dass die Situation für den Einzelhandel keine löbliche ist. Auch der Einzelhandelsverband steht auf dem Standpunkt, dass mit der Öffnung der Ladenöffnungszeiten und der Abschaffung der Beschränkungen sich die grundsätzlichen Probleme im Einzelhandel nicht lösen lassen.

Als Zweites: Ver.di verweist darauf, dass insbesondere die Discounter ihren gesamten Personalbedarf durch geringfügig Beschäftigte lösen werden. Wenn Sie sich in den Einkaufszentren und in großen -parks mal umsehen, werden Sie feststellen, dass ein Großteil der dort vorhandenen Geschäfte nur noch mit Teilzeitarbeitskräften seine Tätigkeiten versieht, weil die Läden nicht mehr in der Lage sind, Vollzeitbeschäftigte aufgrund des Preisdrucks, der fehlenden Nachfrage und des geringen Umsatzes zu beschäftigen. Das führt zu Qualitätsverlusten, das führt zu weiterer Einkommensminderung, das führt zur Verschlechterung der Beschäftigungssituation und das ist nachhaltig zu berücksichtigen, dass dort diskutiert werden muss, ob wir das durch weitere Entwicklung wollen.

Wichtig ist auch, dass sich andere Bundesländer an dieser Diskussion beteiligt haben und die anderen Bundesländer festgestellt haben - Baden-Württemberg zum Beispiel -, man möchte gern die Aufhebung der Ladenschlusszeiten, aber der Fachverband Elektro- und Informationstechnik sieht in der geplanten Freigabe der Öffnungszeiten eine Gefahr für kleine Handwerksbetriebe mit angeschlossenen Fachgeschäften und stellt fest, dass das wenig bringt. Das Saarland, da stellt der Landesverband des Einzelhandels und Dienstleistungen fest, dass es überhaupt keine Veranlassung gibt, die Regelungen und den Ladenschluss zu ändern. In Bayern stellt ein Landtagsmitglied, seines Zeichens auch noch Landesinnungsmeister, fest, dass die völlige Aufhebung des Ladenschlusses in Bayern für die Beschäftigten des verkaufenden Handwerks und der im Einzelhandel arbeitenden Menschen verheerende Folgen haben würde. Das ist die Situation, mit der wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt auseinandersetzen. Dazu kommt, dass auf der letzten Landestagung des Einzelhandelsverbands Thüringen auch der Wirtschaftsminister Thüringens deutlich in seiner Rede gesagt hat, dass die Freigabe der Ladenöffnungszeiten die Probleme, die wir im Handelsbereich haben, nicht lösen wird. Dazu kam, dass von Wissenschaftsbereichen, die dort ihre Darstellungen von der Uni Leipzig vortrugen, festgestellt wurde, dass Events, die organisiert werden, Ausnahmeerscheinungen sein müssen, damit ihr Eventcharakter als solcher auch bestehen bleibt und die deshalb völlige Freigabe der Ladenöffnungszeiten keine sinnvolle Lösung dessen ist, was hier notwendig und erforderlich wäre. Es geht, und da möchte ich anknüpfen, um die Verbesserung der Attraktivität der Innenstadt, um eine erlebbare

Innenstadt. Das heißt aber nicht, dass wir sogenannte Events des Großhandels in Einkaufszentren in der Breite brauchen, sondern dass wir ein buntes Treiben auf Straßen und Plätzen brauchen, Handel und Wandel mit den Händlern, das Gespräch, die erlebbare Innenstadt, und dazu bedarf es der Einzelhändler, nicht der Eventveranstaltung in Einkaufszentren allein. Das heißt, wir sind auf den Einzelhandel angewiesen, wir brauchen den Einzelhandel und die Situation, wie beschrieben, dieser Branche ist nicht positiv und die Situation der Beschäftigten in dieser Branche noch viel weniger. Wir wissen, dass in Größenordnungen Arbeitsplätze verloren gegangen sind - Herr Kretschmer, Sie waren dabei, als wir am Mittwochabend bei ver.di die Diskussionsrunde geführt haben -, reichlich 360.000 Arbeitsverhältnisse in Thüringen mit prekären Lohnzahlungen, das heißt im untersten Einkommensbereich. Diese Situation ist auch dadurch entstanden, dass im Einzelhandel in Größenordnungen Vollzeitbeschäftigung abgebaut wurde und auf diese Art und Weise Teilzeit- und Niedrigeinkommen weiter forciert wurden. Dazu kommt, dass die Mehrwertsteuererhöhung des nächsten Jahres die Einkommenssituation im Einzelhandel nicht verbessert. Das heißt, wir haben es mit negativen Arbeitsplatzeffekten zu tun schon in der Vergangenheit, und dies verschärfend, sollte es sich bei der Ladenöffnungszeit darum drehen, dass die Ladenöffnungszeiten weiter ausgedehnt werden. Die Gefahr der Schwarzarbeit - das will ich hier an dieser Stelle deutlich sagen - wächst. Dazu kommt, meine Damen und Herren, dass man sich, wenn man Gedanken hegt zur Freigabe der Ladenöffnungszeiten, durchaus Gedanken machen muss über das Arbeitszeitgesetz. Ich frage mich, ob wir an dieser Stelle bei dem Vorbeigehen gleich das Arbeitszeitgesetz auch mit außer Kraft heben wollen oder ob Sie nicht der Meinung sind, so wie ich und meine Fraktion, dass das Arbeitszeitgesetz nicht aufgeweicht werden darf und der Arbeitnehmerschutz weiter bestehen muss. Wir haben insbesondere, meine Damen und Herren, es im Einzelhandel damit zu tun, dass eine nicht unbedeutende Zahl alleinerziehender Mütter in diesem Bereich tätig ist; deren Lebenssituation, so gehe ich einmal davon aus, dürfte einigen von Ihnen nicht ganz unbekannt sein. Das Problem der Kinderbetreuung in diesem Bereich würde weiter verschärft, würde weiter zu zusätzlichen Kosten führen und allein das halte ich für einen überdenkenswerten und nachdenkenswerten Teil.

Auf zwei Punkte will ich noch eingehen, auf einen, auf den auch der Minister eingegangen ist, den Problemkreis Videotheken und zum anderen die Tourismusproblematik. Bei Videotheken, gerade mit dem Blick auf diese, halten wir die Prüfung der Gegebenheiten und möglichen Schlussfolgerungen in diesem Fall für durchaus angebracht und auch sinnvoll. Unter Kenntnisnahme der jahrelangen Bemühungen

und Initiativen des IVD, Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland, besonders auch der Erfahrungen der anderen Bundesländer wie Hamburg, Bremen, Berlin, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, SchleswigHolstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, sowie auch der Diskussion im vorangegangenen Tagesordnungspunkt über die Wirkungen, Auswirkungen und Notwendigkeiten kultureller Teilhabe wären Überlegungen über die Einordnung von Videotheken, denke ich, durchaus sinnvoll. Ich teile zwar ganz persönlich Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken, Herr Minister Zeh, aber nichtsdestotrotz wäre diese Diskussion und Überprüfung durchaus sinnvoll.

Meine Damen und Herren, wir halten es auch für sinnvoll und erforderlich, dass über Tourismusregionen und den Zugang zu Handelseinrichtungen in diesen Tourismusregionen, was Kurorte, Erholungsorte, Heilbäder betrifft, noch mal nachgedacht werden muss und dort diskutiert werden muss, welche Möglichkeiten und Gestaltungsspielräume es gibt. Aus dem bisher Gesagten und aus dem, was von Seiten der einzelnen Verbände festgestellt wird, bleibt für die PDS die Schlussfolgerung: Eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten ist abzulehnen. Die jetzt schon zulässigen Ladenöffnungszeiten an vier Sonntagen aus besonderem Anlass heraus sind beizubehalten, wobei wir der Auffassung sind, dass das Verfahren zur Genehmigung deutlich vereinfacht werden sollte und bei bestimmten verfahrensregulierenden Maßnahmen eine Anzeigepflicht in diesem Fall durchaus für vertretbar gehalten wird. Wir sind der Auffassung, dass keinerlei Abstriche am Arbeitszeitgesetz zuzulassen sind und die Sicherung der Zahlung von Nacht- und Schichtzuschlägen in jedem Falle und unbedingt zu gewährleisten ist. Wir bleiben dabei, dass die Ladenöffnungszeit mit einer Kernöffnungszeit bis 20.00 Uhr und einer maximalen Öffnungszeit bis 22.00 Uhr nicht geändert werden sollte. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl sich die CDU-Fraktion schon mehrfach öffentlich geäußert hat, dass man eine Regelung schaffen will, dass an den Werktagen die Ladenöffnungszeit nicht mehr begrenzt werden soll, wird heute hier pro forma der Antrag gestellt, die Erfahrungen aus der Zeit der WM mit auszuwerten. Dabei ist doch die Entscheidung bei Ihnen im Prinzip längst

gefallen. Deswegen, denke ich, ist dieser Antrag eigentlich auch Zeitverschwendung und unnütz. Man hätte gleich einen Gesetzentwurf vorlegen können, entweder die Landesregierung, oder, wie wir es jetzt gehört haben, will es ja wohl die CDU-Fraktion einbringen. Da hätte man das alles mit diskutieren können, hätte auch über die Videotheken und Märkte reden können.

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Da brauchen Sie doch gar nicht weiterreden.)

Herr Kretschmer, Sie haben öfter auch schon gesagt, dass endlos viel über das Thema „Ladenschluss“ geredet wird; dann hätten Sie auf den Antrag verzichtet, dann hätten wir einmal weniger darüber geredet. Ich denke, es wäre besser, man würde jetzt mit dem Gesetzentwurf hier vorstellig werden und dann können wir über das Thema auch diskutieren. Da es nun einmal auf der Tagesordnung steht, wollen wir doch noch ein paar Worte dazu sagen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Ist doch nicht nötig.)

Das ist doch nicht nötig. Sie wollen doch auch gern wissen, was wir für eine Position dazu haben, oder?

(Heiterkeit bei der CDU)

Genau, das kommt dann schon noch. Das Thema ist mit der Föderalismusreform in die Kompetenz der Länder übergegangen, und bis die Länder was regeln, gilt hier erst einmal die Bundesregelung weiter fort. Als Testphase, wurde immer mal gesagt, sollte eigentlich die Fußball-WM gelten, als der Ladenschluss auch in Thüringen an den Wochentagen vollkommen außer Kraft war. Nun haben wir von Minister Zeh einiges dazu gehört, und zwar dass das gar nicht als Testphase zu bewerten ist, weil die Zeit viel zu kurz war und weil Fußballweltmeisterschaft war und die Leute ganz andere Dinge gemacht haben, als Einkaufen zu gehen. Die Bezeichnung „Testphase“ hätte man von Anfang an lieber sein lassen sollen.

Was Sie auch nicht gesagt haben, wie viele Läden überhaupt in Thüringen dieses Angebot genutzt haben. Sie haben nur von großen Märkten hier berichtet, wie die Erfahrungen dort gewesen sind, und die Erfahrungen waren durchwachsen. Wie nun wirklich in den einzelnen Städten auch statistisch die Möglichkeiten genutzt worden sind, davon haben Sie eigentlich überhaupt gar kein Wort hier verloren.

Insgesamt, wenn man mit dem Einzelhandel redet, ist es so, das hat Herr Gerstenberger auch schon gesagt, dass es durchaus negative Erfahrungen gibt, dass einige Läden sogar Nettoeinbußen hatten, da

sie das Personal finanzieren mussten und auf der anderen Seite die Erträge bzw. auch die Umsätze, die reingekommen sind, das nicht einmal ausgleichen konnten.

Trotzdem - und jetzt komme ich zu dem, was die SPD-Fraktion zu dem Thema für eine Position hat - müssen wir konstatieren, dass es verändertes Kaufverhalten in der Bevölkerung gibt. Man stelle sich einmal vor, man hätte heute noch die Ladenöffnungszeiten, wie sie früher waren, bis 18.30 Uhr, das ist eigentlich gar nicht mehr denkbar, wenn man sich heute die Lebensgewohnheiten der Leute betrachtet. Andererseits haben wir natürlich eine immense Konkurrenz durch das Internet. Immer mehr Leute kaufen per Internet ein, und wenn man darauf nicht reagiert, dann wird sich das so extrem in diese Richtung verschieben, dass das dann der Hauptgrund sein wird, wenn im Einzelhandel die Umsätze weiter sinken und auch dort Personal abgebaut werden muss. Deshalb kann sich die SPD-Fraktion dem anschließen, was die CDU-Fraktion geäußert hat. Wir sind ebenfalls mehrheitlich dafür, den Ladenschluss an den Werktagen generell abzuschaffen und den Sonntag aber so zu belassen, wie er jetzt ist. Aber man muss dazu sagen, das, was oft propagiert wird, dass der Ladenschluss nun ein Riesenhemmnis wäre für Wirtschaftswachstum, das kann ich nun überhaupt gar nicht erkennen. Dass dadurch gigantisch viele neue Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum entstehen würden, das ist ein Irrglaube, das hat sich jetzt gerade bei der WM gezeigt.

In den einzelnen Bundesländern sieht der Stand, so wie wir das aus einer Zeitschrift entnehmen konnten, so aus, dass Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, wie wir jetzt gehört haben, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern so eine Regelung an den Werktagen treffen wollen. Sonn- und Feiertage sollen, abgesehen von wenigen verkaufsoffenen Tagen, wie bisher tabu bleiben. Als einziges Bundesland will Mecklenburg-Vorpommern auch den Sonntag komplett freigeben. Im Saarland soll nach Angaben des Wirtschaftsministers alles beim Alten bleiben. Bremen, Sachsen und Bayern denken über eine Lockerung der Schlusszeiten nach. Wie weit das dann gehen soll, ist nach Angaben der Wirtschaftsministerien und des Bremer Senats noch nicht klar. In Rheinland-Pfalz gibt es wohl noch keine Festlegungen. Die Tendenz geht also parteiübergreifend hin zu der weitgehenden Liberalisierung des Ladenschlusses.

Trotzdem soll an dieser Stelle noch einmal auf verschiedene Probleme in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Die WM hat es auch deutlich gemacht, dass mit verlängerten Ladenöffnungszeiten

keine zusätzlichen Gewinne generiert werden können. Die Menschen können das Geld nur einmal ausgeben. Und ohne zusätzliche Umsätze wird es auch keine zusätzlichen Arbeitsplätze geben. Ein Hauptproblem wird natürlich sein, dass eine Verlagerung des Einkaufsverhaltens stattfindet in die großen Einkaufscenter zulasten der kleinen Einzelhändler in den kleingliedrigen Strukturen. Das wird mit Sicherheit eine Folge sein, die wir dann haben werden, wenn wir den Ladenschluss jetzt noch weiter liberalisieren.

Aber, wie gesagt, ich habe Ihnen die Gründe genannt, warum auch die SPD-Fraktion mehrheitlich der Meinung ist, man sollte an der Stelle die Regelung für die Werktage wegnehmen und es möglich machen, von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr zu öffnen. Das ist unsere Position. Man sollte vielleicht noch einmal darüber nachdenken, wann der Sonntagsschutz dann beginnt, ob der praktisch dann Sonntag früh 00.00 Uhr beginnt oder ob man das vielleicht schon Sonnabendabend irgendwo gestalten sollte. Das ist noch einmal eine Anregung, die wir dann, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt, diskutieren sollten. Aber ansonsten, denke ich, sollten wir Nägel mit Köpfen machen und die Landesregierung sollte einen Gesetzentwurf vorlegen oder von mir aus die CDUFraktion. Danke.

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Kretschmer, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin nicht enttäuscht, dass wir die Sonderregelung zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft hatten. Ich lasse mir auch meinen Optimismus, den ich im März beim Einbringen unseres Antrags zu dieser Sonderöffnung geäußert habe, nicht kaputtreden. Ich stelle nur fest, die Schlachtordnung hat sich im Grunde genommen nicht geändert. Herr Gerstenberger, Sie haben möglicherweise auch noch mal nachgelesen, was damals Ihr Kollege Kubitzki gesagt hat, was ich gesagt habe. Gerade aus Ihrem Redebeitrag kommt sehr deutlich hervor, es hat sich nichts geändert, die Schlachtordnung ist so wie bisher: Plakat hoch, wir wollen nichts daran ändern.

Ich freue mich, Herr Kollege Dr. Schubert, über die Signale aus Ihrer Fraktion, was die Frage eines eigenständigen Thüringer Ladenöffnungsgesetzes angeht. Das bestärkt in mir die Hoffnung, dass wir im Gehen der ordentlichen Schritte es möglicherweise noch so schaffen, dass wir im November hier ein Gesetz verabschieden können, dass die Händler, die im Übrigen das Weihnachtsgeschäft wollen, es

meinetwegen mit den neuen Bedingungen lösen können.

(Beifall bei der CDU)

Was mich etwas, sagen wir mal, ärgert, dass Sie hier behaupten, wir würden die jetzige Aussprache pro forma durchführen. Nein, nein, das weise ich sehr entschieden für meine Fraktion zurück. Sie müssen sich den Zeitablauf ansehen. Wir hatten den Sommer, da war diese Sonderregelung. Unmittelbar danach - nehmen Sie sich den Antrag zur Hand, 21.07. - haben wir den Antrag eingebracht. Ich bin der Meinung - und ich glaube, meine Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion bekräftigen mich darin -, wegen dieses Antrags hätte ich keine Sondersitzung provozieren wollen im Sommer, sondern wir sind auf den ersten planmäßigen Termin gegangen, der ist jetzt im September. Deshalb sage ich ganz deutlich, wir weisen das zurück, wir hätten das nur pro forma gemacht, sondern es kam uns schon darauf an, so war auch die Absprache mit den Akteuren, zumindest die ich getroffen habe, dass wir in diese Sonderöffnung gehen, dass wir diese Erfahrung auswerten wollen.

Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass natürlich der Anspruch, eine Testphase zu haben in diesen vier Wochen, für mich persönlich auch ein Vehikel war, dass wir überhaupt zu Potte gekommen sind die vier Wochen. Erinnern Sie sich an diese Diskussion, gerade Herr Kollege Kubitzki hat da wunderschöne Beispiele gebracht, dass die ja zum Fußball auch keine Baumaschinen kaufen werden und dieses und jenes. Wissen Sie, so muss man manchmal ein Stückchen auch arbeiten, damit man überhaupt etwas schafft. Wissen Sie, ich bin auch vollkommen unaufgeregt, wenn ich die Befragungen höre, die immer auch nur ein Ausschnitt sind, dass es Verlierer und Gewinner bei dieser Regelung gegeben hat. Das ist das normale Leben, das werden wir im Handelsgeschäft immer erleben, dass durch Entscheidungen, die die Händler selber treffen oder auch die die Geschäfte treffen, dass es Verlierer und Gewinner gab. Erinnern Sie sich mal an die...

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Leukefeld zu?

Ja, ich will nur den Satz zu Ende führen. Erinnern Sie sich mal daran, als die neuen Handelsformen der großen Ketten auf der Wiese kamen, die Factory-Outlet, also die Fabrikverkäufe, da ist eine Bewegung drin, die auf uns Politiker sowieso keine Rücksicht nimmt. Bitte schön, Frau Leukefeld.

Moment, das Wort erteile immer noch ich. Frau Abgeordnete Leukefeld, bitte schön.

Herr Kretschmer, mich würde schon einmal interessieren, woraus Sie aus der Berichterstattung über die Ladenöffnungszeiten zur Fußballweltmeisterschaft schließen, dass es Effekte gibt? Sie räumen hier Gewinner und Verlierer ein. Was sagen Sie denn den Verlierern? Haben Sie sich jemals mit kleinen Einzelhändlern in Innenstädten unterhalten, wenn Sie sagen Ladenöffnungszeiten von 00.00 bis 24.00 Uhr? Es ist ja heute schon bis 22.00 Uhr Öffnung möglich. Schauen Sie sich mal an, wie viele das nutzen und warum sie es nicht nutzen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich weiß jetzt gar nicht, was ich auf die etwas merkwürdige Frage antworten soll. Der Präsident des Thüringer Einzelhandelsverbands, Arnold Senft, ist beispielsweise mein persönlicher Freund, also kann ich Ihnen aus nächster Erinnerung oder Erfahrung sagen, Herr Senft führt ein Modehaus in Leinefelde, also klassischer Einzelhändler, da brauchen wir jetzt nicht auf den Thüringen-Park oder sonst was verweisen. Der Verband selbst hat die Befragung durchgeführt. Herr Kollege Zeh hat so, wie wir auch die Befragung durchgeführt haben als Fraktion, die Erfahrung gemacht, dass es eben bestimmte Geschäfte gab, die durch die Nutzung der verlängerten Öffnungszeiten - wohlgemerkt - Umsätze hatten, mehr Umsätze hatten, insbesondere, ich fand das sehr interessant, sagt der Manager des Thüringen-Parks, wo ja diese zwei verlängerten Einkaufssamstage gemacht wurden, 30 Prozent mehr Umsatz zum Vergleich mit den anderen Tagen.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: In der Summe ist es ein Minus!)

In der Summe kein Minus, das ist doch jetzt Trallala, was Sie erzählen. Das können Sie doch genauso wenig belegen.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: Im Monatsergebnis.)

Herr Gerstenberger, Sie nehmen einfach, weil Sie ja Ihr Schlachtbild haben, aus den Befragungen die Teile heraus, die Sie zur Bestätigung Ihres alten Bilds brauchen. Ende der Durchsage.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Zweitens: Meine Erfahrung, die ja durch Ihre Nachfragen auch gedeckt wird, die brauchen uns eigentlich gar nicht, denn das beste Ergebnis, was ich aus den vier Wochen erlebt habe, es ist die Welt nicht untergegangen. Überlegen Sie einmal, was Sie uns dargestellt haben, was alles Schlimmes passieren kann; die Welt ist nicht untergegangen, die Leute gehen wie üblich einkaufen, die Beschäftigten gehen wie üblich an die Arbeit. Das ist für mich der entscheidende Punkt, dass ich sage, hier ist endlich einmal ein Feld, wo etwas passiert, ohne dass Politik durch Regeln eingreifen muss.