Protokoll der Sitzung vom 29.09.2006

Zweitens: Meine Erfahrung, die ja durch Ihre Nachfragen auch gedeckt wird, die brauchen uns eigentlich gar nicht, denn das beste Ergebnis, was ich aus den vier Wochen erlebt habe, es ist die Welt nicht untergegangen. Überlegen Sie einmal, was Sie uns dargestellt haben, was alles Schlimmes passieren kann; die Welt ist nicht untergegangen, die Leute gehen wie üblich einkaufen, die Beschäftigten gehen wie üblich an die Arbeit. Das ist für mich der entscheidende Punkt, dass ich sage, hier ist endlich einmal ein Feld, wo etwas passiert, ohne dass Politik durch Regeln eingreifen muss.

(Beifall bei der CDU)

Das ist so und nun verstehe ich Sie weiß Gott nicht, warum Sie an dieser Stelle sich klammern und hängen, mit Argumenten kommen, die jenseits von Gut und Böse sind, und sagen, wir wollen das alte Ladenschlussgesetz weiter und schieben dann sozusagen die Beschäftigteninteressen vor oder machen uns weis, dass wir annehmen, dass durch die Aufgabe dieser Regelung Kaufkraftzuwachs kommt; machen uns weis, die Händler müssten jetzt 24 Stunden ihr Geschäft aufmachen; machen uns weis, die Leute müssten nun 24 Stunden im Geschäft sein, um einkaufen zu können. Das ist alles Nebensache. Ich bin überzeugt und durch die Erfahrung dieser vier Wochen auch bestärkt, an dieser Stelle besteht kein Regelungsbedarf für die Politik, also werktags - Montag früh 0.00 Uhr bis Samstag 24.00 Uhr - sollen die Händler im Gleichgewicht mit ihrer Kundschaft feststellen, wann sie Geschäfte machen können; die Kundschaft soll feststellen, wann sie gut einkaufen kann. Das wird sicher am Anfang eine kleine Koordinierungsschwierigkeit geben, das haben wir bei der Veränderung immer erlebt, dass sich erst einstellen muss, dass die Leute wissen, wann tatsächlich geöffnet ist. Aber es braucht da kein Politiker mit dabei zu sein.

Herr Gerstenberger, in dem Zusammenhang, weil Sie auf die Veranstaltung am Mittwoch zum Thema Mindestlohn hingewiesen haben: Wissen Sie, bei Mindestlohn, da sind Sie dann groß dabei, schaut einmal nach England, schaut einmal nach Frankreich, schaut einmal nach sonst wo. Wo bleiben Sie jetzt hier beim Ladenschlussgesetz: Schaut einmal nach Frankreich, schaut einmal nach Spanien, schaut einmal nach Italien - also wenn schon, denn schon,

(Beifall bei der CDU)

dann müssen wir auch die Geschichte gemeinsam betrachten und nicht immer nur da, wo es passt. Also noch einmal, ich habe aus den Erfahrungen

(Unruhe bei der SPD)

dieser vier Wochen nicht erwartet, dass Umsatzsprünge entstehen, dass da besonders tolle Effekte entstehen, die wir mit wirtschaftlichen Erfolgen bezeichnen, ganz im Gegenteil, das ist nicht passiert in einigen Fällen. Aber ich habe, wie gesagt, für meine Fraktion und für mich insbesondere die Erfahrung gemacht, die Welt ist nicht untergegangen. Hier ist ein Themenfeld, wo wir als Politik nicht mehr regeln müssen, und wir könnten endlich einmal aus dem Feld herausgehen. Ich gebe Ihnen Recht, das wird Bestandteil auch der neuen Gesetzgebung sein müssen, weil, wenn das alte Ladenschlussgesetz außer Kraft gesetzt wird, insbesondere die Frage der Arbeitszeitregelung an Sonn- und Feiertagen offen ist, so dass man an dieser Stelle auch deutlich sagt, dass in dem neuen Gesetz die Frage des Schutzes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Rolle spielen wird, deutlich spielen wird.

Ich bin Ihnen, Herr Kollege Dr. Zeh, wirklich sehr dankbar, dass Sie in Ausführung zu unserem Prüfauftrag, also die Möglichkeiten des Hereinnehmens von Messen, von Märkten und Videotheken in das Feiertagsgesetz als Ausnahmetatbestand, damit die öffnen können, hier ihr Ergebnis vorgetragen haben. Es bestätigt eine alte Position von mir ganz persönlich, man kann das machen. Ich akzeptiere die verfassungsrechtlichen Bedenken und möchte noch einen Hinweis geben sozusagen in eigener Sache. Sie bringen den Sonntag natürlich zu Recht als Tag der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe. Aber es ist, glaube ich, ganz wichtig, auch bei dem Ladenschlussgesetz eine Komponente. Der Sonntag wird zunehmend der Tag der Familie. Durch die Flexibilisierung in der Arbeitswelt - und die Leute sind in der Weltgeschichte und die Kinder beim Studium und was weiß ich nicht wo - ist der Sonntag wahrscheinlich noch der eheste Tag, wo sich Familie trifft und zusammenkommt. Daher vollkommen zu Recht, nicht so sehr auf die religiöse Ebene abzuheben, sondern auch deutlich zu sagen, der Sonntag ist Tag der Familie, und wer für Familie etwas tun will, muss den Sonntag auch freihalten von anderen Einflüssen, dass Familie auch stattfinden kann. Das spricht aber nicht so unmittelbar gegen das Öffnen einer Videothek. Stellen Sie sich einmal vor, die Familie sitzt zu Hause und es ist schlechtes Wetter, was sollen sie jetzt machen. Da schicken sie noch einmal schnell einen los und holen ein Video und können sich zusammen ein Video anschauen,

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: Was haben Sie denn für ein Familienbild.)

Also, Herr Hauboldt, wenn ich Ihnen das verrate. Ich habe zwei erwachsene Söhne, die sind schon jen

seits von Gut und Böse, was die Größe zu mir angeht. Wir haben ein wunderschönes Video, das heißt „Der Prinz von Zamunda“ mit Eddie Murphy. Was denken Sie, wenn wir viere da sitzen und uns das zum wiederholten Male anschauen, wie schön das ist. Ich gebe nur zu, mit dem Blick auf Herrn Kranz, ich habe das Video gekauft, ich habe es mir nicht ausgeliehen. Das ist eine Komponente, die man bei den Videothekenbesitzern wahrscheinlich auch ins Feld führen muss. Dadurch, dass ich natürlich vom Internet her ein erhebliches Angebot an Filmen habe, im Grunde genommen durch die Massenproduktion, ja die Videos im Grunde genommen oder die DVDs, wo es ja heute neu drauf ist, ist das auch eine preiswerte Situation, dass ich eine ganz andere Sorge habe, dass die Videothekenbetreiber zunehmend erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten bekommen, weil bald keiner mehr hingeht, um sich was auszuleihen. Aber das ist, wie gesagt, eine Beobachtung, die ich Ihnen mitteilen will.

Ich denke, für meine Fraktion darf ich das wohl so sagen, damit ist der Punkt 2 - der Prüfauftrag - durch die Mitteilung des Herrn Ministers erledigt. Ich stelle fest, dass wir den von uns gewünschten Bericht erhalten haben und ich auch frohen Mutes bin, nachdem ich durch die SPD-Fraktion, durch Herrn Dr. Schubert, ermuntert wurde, dass wir eine entsprechende Ladenöffnungsregelung bekommen werden, wo die Politik sich an dem Feld, wo sie nicht notwendig ist, zu Recht rauszieht. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann gehe ich davon aus, dass das Berichtsersuchen zu beiden Punkten des Antrags erfüllt ist. Es erhebt sich kein Widerspruch, damit ist das Berichtsersuchen erfüllt und ich schließe den Tagesordnungspunkt 14.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Stärkung des Sports in Thü- ringer Kindergärten und Schulen Antrag der Fraktionen der SPD und CDU - Drucksache 4/2222 -

Wünscht jemand das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Als Erste hat das Wort Abgeordnete Skibbe, Die Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zu Beginn möchte ich gleich sagen, die Fraktion der Linkspartei.PDS unterstützt das Ziel dieses Antrags.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Bewegungsmangel ist ein Problem unserer Zeit. Es hat einen aktuellen Stellenwert und weitreichende Folgen. Die Entwicklung diesbezüglich, besonders bei Kindern und Jugendlichen, ist äußerst besorgniserregend. In der Begründung wurden die jetzt bereits festgestellten gesundheitlichen Folgeprobleme benannt: Haltungsschwächen, die sportliche Leistungsfähigkeit lässt nach, Altersdiabetes schon bei Kindern usw. Das lässt mich allerdings fragen: Wäre es da nicht angebracht, ein umfassendes Gesamtkonzept zur Gesundheitserziehung an Kindertagesstätten und Schulen zu fordern?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die alleinige Konzentration des Antrags auf Sport greift aber nach unserer Ansicht entschieden zu kurz. Der Antrag operiert mit Allgemeinaussagen, ist unverbindlich und wenig konkret. Ich möchte das auch belegen. So finden wir im Punkt 2 a): „Der Thüringer Landtag fordert die Landesregierung auf, gegenüber den Kindergärten und Schulen auf Qualität und Breite bei der Umsetzung aktueller schulsportlicher Konzepte hinzuwirken.“ Wie das die Landesregierung machen soll, steht in diesem Konzept nicht. Ich frage mich dabei, ob die auf Landesebene geführten Gespräche zwischen Kultusminister und dem Präsidenten des Landessportbundes oder der Erfahrungsaustausch zwischen den Schulsportkoordinatoren und den Vereinsberatern der Kreis- bzw. Stadtsportbünde ausreichen und welche Aktivitäten daraus entstehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Potenziale von Sport und Bewegung kennt wohl jeder. Wie ist darauf hinzuwirken, dass die Potenziale von Schulsport und Bewegung im Schulalltag konsequent genutzt werden? Schulsport ist uns natürlich auch eine wichtige Komponente, aber er muss auch sinnvoll in den Tagesablauf von Schulen eingebunden werden. Kann der Schulsport, so frage ich, nicht auch die Lernqualität verschlechtern, nämlich genau dann, wenn Kinder nach dem Sportunterricht noch zum Mathematik- oder Englischunterricht schwitzend in ihren Bänken sitzen? Die Möglichkeit der Kooperationsvereinbarungen, die in Punkt 3 c benannt werden zwischen Kindertagesstätten, Schulen und Sportvereinen, die ist derzeit gegeben und in vielen Orten bereits Realität.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wie sie weiter zu fördern und auszuweiten sind, das bleibt das Geheimnis des Antrags. Wettbewerbsorientierte Angebote sind sicher sehr sinnvoll. Wie sollen diese aber weiterentwickelt werden, wenn vielerorts die Kassen leer sind und eher weniger denn mehr organisiert wird?

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Diese Ideen haben Sie doch dann!)

Sogenannte Bummisportfeste, die durch die Kindergärten bzw. Kreissportverbände organisiert werden, kommen heutzutage oft nicht ohne Eigenbeitrag durch die Eltern aus und Sponsoren werden natürlich dort auch gesucht. Ist das künftig eine neue Art der Sportförderung? Wie soll der Sport seiner Rolle für Integration gerecht werden, wenn es zunehmend Anzeichen dafür gibt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien zwar in Kindertagesstätten und Schulen Sport treiben können, aber bereits der Monatsbeitrag für Vereine nicht aufgebracht werden kann?

Im Thüringer Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahren wird übrigens darauf hingewiesen, dass die gesundheitliche Situation von Kindern, insbesondere mit Blick auf ihre Bewegungsmöglichkeiten und ihre Ernährung, maßgeblich von der sozialen Lage ihrer Herkunftsfamilie abhängt. Auch deshalb benötigen wir ein Gesamtkonzept zur Gesundheitserziehung an Kindertagesstätten und Schulen. Das schließt ein, den Kindern ausreichend Raum zur Bewegung zu geben, ihnen die Freude an der Bewegung zu vermitteln. Die Turnhallen müssen in diesem Zusammenhang nicht nur Schulen, sondern auch Kindergärten offenstehen, und zwar kostenfrei - nicht nur kommunalen, sondern auch den freien Trägern.

Ein Gesamtgesundheitskonzept schließt mit ein, Vorstellungen von einer gesundheitsfördernden Umwelt zu entwickeln. Gesunde Ernährung, Sauberkeit, ein freundlich gedeckter Tisch gehören in jeder Kindertagesstätte zu den Erziehungszielen und werden genau dort vorgelebt. Ich frage mich aber: Wie sollen Grundsätze für eine gesunde Ernährung vermittelt werden und im Elternhaus Fortsetzung finden, wenn ein Mittagessen in Kindertageseinrichtungen im Durchschnitt 1,50 € kostet, Vollverpflegung etwa 2,50 €, aber für Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern gerade mal täglich 3,50 € für Verpflegung zur Verfügung stehen? Mit der Streichung des Landesanteils für ein warmes Mittagessen an Schulen setzt die Landesregierung bekanntermaßen ein falsches Zeichen.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Linkspartei.PDS unterstützt den vorliegenden Antrag. Der

Antrag müsste jedoch weiter gefasst werden und auf ein umfassendes Gesundheitskonzept hinwirken. Wir brauchen konkrete, umsetzbare und vor allem kontrollierbare Forderungen mit verbindlichem Charakter. Ein Grundsatz muss sein, Freude an Bewegung und Sport von Anfang an zu fördern und Zwang zu vermeiden. Ein Ziel könnte sein, dass sich Kinder und Jugendliche täglich eine Stunde bewegen. Sport bzw. Bewegung und Lernen müssen sinnvoll miteinander verbunden werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Man könnte neben dem Sportabzeichen auch einen Bewegungs- oder Sportpass adäquat zu einem Kulturpass einführen. Überlegungen sollten angestellt werden bezüglich der Gleichbehandlung von schulischer und außerschulischer sportlicher Betätigung. Muss ein dreimal pro Woche trainierender Schüler auch an allen Sportstunden teilnehmen? Sind Sportnoten noch zeitgemäß?

Die gesundheitlichen Probleme, die durch falsche Ernährung und Bewegungsarmut entstanden sind, werden von heute auf morgen nicht lösbar sein. Der Antrag ist ein erster, ein wichtiger Schritt auf diesem Weg, der aber weiter untersetzt und konkretisiert werden muss. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Döring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Wissenschaftler und Mediziner schlagen Alarm. Der Gesundheitszustand der Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten verschlechtert sich dramatisch. Zahlreiche aktuelle Studien belegen vor allem den schlechten Gesundheitszustand und die mangelnde physische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. Jedes zehnte Kind hat keine Schulreife, die meisten von diesen Kindern haben Schwierigkeiten mit der Motorik und Koordination - so die Ergebnisse von Einschulungsuntersuchungen in Nordthüringen. Aus einer breiten Palette von erdrückenden Daten nur folgende, die die gesundheitliche Entwicklung von deutschen Kindern und Jugendlichen thematisiert: 50 bis 65 Prozent der 8- bis 18Jährigen zeigen eine Haltungsschwäche. 20 bis 25 Prozent der 8- bis 18-Jährigen haben einen schwachen Kreislauf. Diabetes und Bluthochdruck treten zunehmend bei Kindern auf. 10 bis 18 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig. Waren in den 80er-Jahren nur 4 Prozent der Grundschüler

übergewichtig, so wird für das Jahr 2040 eine Steigerung dieser Risikogruppe auf bis zu 50 Prozent prognostiziert. Bei rund der Hälfte der übergewichtigen Kinder ist eine Folgekrankheit zu verzeichnen.

Erzieher, Sportlehrer, Übungsleiter in Sportvereinen beklagen einen erkennbaren Rückgang motorischsportlicher Leistungen bei Kindern - ein Trend, der sich dann im Jugendalter noch verstärkt. Folgende alarmierende Befunde gibt es dabei: Kinder haben große Schwierigkeiten bei Gleichgewichts- und weiteren koordinativen Fähigkeiten; sie können kaum noch rückwärts laufen, ohne zu stürzen. Die Ergebnisse im Ausdauerlauf und anderen sportlichen Disziplinen sind in den letzten 15 Jahren um ca. 10 bis 15 Prozent zurückgegangen.

Worauf ist diese bedenkliche Entwicklung zurückzuführen? Wissenschaftler verweisen vor allem auf den sich verstärkenden Bewegungsmangel im Alltagsleben der Kinder und Jugendlichen, auf ungesunde Ernährung und auf das Fehlen zielgerichteter Sport- und Bewegungsangebote.

Meine Damen und Herren, neben den genannten gesundheitlichen und sportlichen Negativnachrichten hören wir aus unseren Schulen immer öfter, dass sich Lehrer und Erzieher mit Konzentrationsstörungen, fehlender Lernmotivation, zurückgehenden kognitiven Leistungen und verstärkt mit aggressivem Verhalten bereits von Grundschülern auf den Pausenhöfen und im Unterricht auseinanderzusetzen haben.

Was hat dies alles mit unserem Antrag zu tun? Aus der neurowissenschaftlichen Forschung ist bekannt, das Sport und Bewegung wichtig sind für die Gehirnentwicklung. Durch Bewegung werden Nervenzellen vernetzt und Synopsen gebildet. Beides ist wichtig für die Entwicklung und Förderung von Intelligenz. Sport führt zu einer Ausschüttung von Neurotransmittern im Gehirn. Dieser Prozess führt zur Verbesserung des Wohlbefindens, trägt zur Steigerung körperlicher Motivation, zur Erhöhung des Selbstvertrauens bei und reduziert auch Angstzustände.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch führt er zu vermehrter Sauerstoffversorgung des Gehirns und damit zur Verbesserung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens. Bewegung - das wäre richtig, wir sollten ab und zu mal eine Bewegungspause machen, denn Bewegung hat nicht nur körperliche Wirkungen, sondern erhebliche Transferwirkungen auf emotionale, kognitive und psychosoziale Bereiche.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, aus Erfahrungen und Beobachtungen von bewegungsorientierten Projekten und aus Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen ist bekannt, dass in Schulen, die das fächerübergreifende Prinzip der Bewegungserziehung anwenden, die zusätzliche und regelmäßig stattfindende Sport- und Bewegungsmöglichkeiten gezielt anbieten, das Selbstkonzept und die soziale Kompetenz bei Schülern stärker ausgeprägt sind, soziale Randstellungen weniger auftreten und die Kontaktbereitschaft sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl deutlich zunehmen. Auch treten aggressive Verhaltensweisen seltener auf. Das Lösen von sozialen Konflikten zwischen Schülern bzw. zwischen Schülern und Lehrern gelingt besser. Inaktive Kinder sind dagegen im Vergleich zu sportlich aktiven weniger stressresistent. Sie neigen eher zu Depressivität und häufiger auch unter psychosomatischen Beschwerden. An bewegungsfreundlichen Schulen wird zudem eine gestiegene Zufriedenheit und Identifikation der Schüler mit ihrer Schule festgestellt. Dies wirkt sich nach Aussagen der Schüler und Eltern auch auf die Leistungsbereitschaft und die Lernfreude aus. Und nicht zuletzt verbessert sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis im Verlauf bewegungsorientierter Projekte und wird entspannter. Die meisten Lehrer sprechen von gestiegener Arbeitsfreude und neuer Motivation.

Meine Damen und Herren, der Schulsport kann also einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, zu verbesserten Lernerfolgen sowie zu einem positiven Schulklima und damit zur ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung an unseren Schulen leisten. Wir müssen daher dafür sorgen, dass in der Aus- und Fortbildung von Erziehern, Lehrern und Schulleitern und weiteren pädagogischen Führungskräften solche neuen Erkenntnisse thematisiert werden und Anleitungen für die Schulpraxis gegeben werden. Im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Schulen ist der Sportbereich stärker als bisher im Sinne von Beratung und Evaluation in den Blick zu nehmen. Dies gilt vor allem auf der Ebene der Qualitätsagenturen in den Schulämtern und in den Schulen selbst.

Zu fragen ist dabei: Wie werden die Lehrpläne umgesetzt? Wie werden die vielfältigen Lehr- und Lernmaterialien für den Sportunterricht genutzt? Berücksichtigen die Schulkonzepte die möglichen Wirkungen von Sport und Bewegung? Entspricht die Arbeitsweise der Fachkonferenz in Sport diesen Erwartungen? Die Unterrichtsqualität im Fach Sport ist stärker als bisher an einer konkreten Lehrplanumsetzung, an den erzielten Ergebnissen und Wirkungen zu messen. Wir können nur empfehlen, die Thüringer Materialien zur Qualitätsentwicklung vom Schulsport als Instrumentarium bei der Realisierung der eigenverantwortlichen Schule einzusetzen.

Wir müssen uns verstärkt der Frage stellen: Wie gehen wir mit den übergewichtigen, den konditionsschwächeren, den ängstlichen Schülern um? Wie gehen wir mit den Schülern um, die besonders gute körperliche motorische Voraussetzungen nachweisen? Was tun wir, um den Prozentsatz von 30 Prozent Nichtschwimmern unter den Schulabgängern zu reduzieren? Und um noch einige wichtige Fragen aufzuwerfen: Wird den Kindern im frühkindlichen Bereich täglich ausreichend Bewegung angeboten? Wird in jüngeren Jahren die sensomotorische Entwicklung gezielt begleitet? Entspricht der Bildungsplan bis 10 diesen Anforderungen? Werden die Schüler ganzheitlich auf das Berufsleben vorbereitet? Werden die Thüringer Lehrpläne für das Fach Sport in allen berufsbildenden Schulen mit ihrer direkten Ausrichtung auf die konkreten künftigen beruflichen Belastungen konsequent umgesetzt?