Protokoll der Sitzung vom 20.10.2006

Beim Landgericht in Mühlhausen hat es Ihnen ja auch nichts genutzt. Da haben Sie es auch gemacht und haben versucht, auf Zeit zu spielen und die Anträge in den Ausschüssen zu versenken. Genützt hat es Ihnen nichts, die Bevölkerung hat sich dagegen verwahrt und gewehrt und die Mühlhäuser und die umliegenden Orte haben Sie zum Umdenken bringen können. Ich nehme an, dass die Kraft in Nordhausen auch ausreicht, um die Ausschussüberweisungen zu überleben. Ich finde nur das ein bisschen lächerlich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Blechschmidt, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen, ich stehe hier als Abgeordneter, der ein entsprechendes Büro im Landkreis Gotha hat. Ich glaube schon, es ist es wert, zumal schon die Kollegin Leukefeld deutlich gemacht hat, dass es die Thüringen Philharmonie sein wird, die mit - ich sage es mal eingeschränkt - 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit die Kultureinrichtung in Thüringen sein wird, die unter diesen Beschlüssen des Kulturministers existenziell leiden wird. Deshalb stehe ich hier und möchte weniger allgemein über die Kulturpolitik und die damit verbundene Bedeutung für das Land Thüringen philosophieren, sondern ich will - und das hat, glaube ich, die Thüringen Philharmonie verdient - hier einige Zahlen bringen, die deutlich machen sollen, was gegebenenfalls in der Kulturlandschaft Thüringens gestrichen wird.

Da ist vorweg, wenn man heute die Internetseite aufmacht der Thüringen Philharmonie, der Blick auf den Slogan „Junges Orchester mit 350-jähriger Tra

dition“. Jung deshalb, weil 1998 - wir haben es gehört - der Zusammenschluss zwischen Suhl und Gotha erfolgte, und Tradition, weil 2001 350 Jahre mit Rückblick auf die Gothaer Hofkapelle August des Frommen zu feiern gewesen ist. Wie gesagt, über die große Bedeutung will ich hier nicht reden, sondern eher darüber, dass natürlich auch diese kulturelle Einrichtung ein entsprechender „Leuchtturm“ ist, der in die Region hinaus, in die Stadt, aber auch den Landkreis, in die Stadt Suhl und in die entsprechenden Territorien hineinragt.

Jetzt zu den entsprechenden Leistungen - ich will sie stichwortartig aufführen -, es geht um das Jahr 2005:

50 Schulkonzerte in Gotha und Suhl wurden dank der Thüringen Philharmonie mitorganisiert;

41 Familien- und Jugendkonzerte;

13 Gemeinschaftskonzerte mit den Musikschulen;

15 Konzerte mit Chören - Gothaer Konzertchor, Suhler Kantorei, Suhler Knabenchor, Bachchor Gotha, Gothaer Kinderchor, Hildburghäuser Kantorei, Schmalkalden, Bachchor Würzburg, Oppenheimer Kantorei usw. usf.

30 Events - wie man das so heute nennt -, Open Air- und Benefizkonzerte wurden dank der Zusammenarbeit mit der Thüringen Philharmonie organisiert: Rock-, Eckhof-Festival, Pfingstfestival, Barockfest, Gothardosfest, Dankeschönkonzert für Wahlhelfer - das hätten wir eigentlich vielleicht organisieren müssen -, Benefizkonzert im Hopfgarten, Suhler Open Air, Kulturnacht in Gotha, Weihnachtsmarkt, Weihnachts- und Neujahrskonzerte in Bad Langensalza - zusammen, wie gesagt, 30 Veranstaltungen.

Aus kommunalen Anlässen ist immer wieder auch die Thüringen Philharmonie gefragt. Hier will ich nur nennen beispielhaft die 14. Ostdeutschen Kulturtage des BDV, 200-jähriges Bestehen der Gothaer Fachschule oder das Kreissparkassenjubiläum, was wir im vergangenen Jahr gefeiert haben, nicht zu sprechen von solchen Sachen wie Firmenveranstaltungen oder von politsch-gesellschaftlichen Organisationen.

All das spielt eine entscheidende Rolle in der Kulturlandschaft der Stadt und des Landkreises und es geht auch darüber hinaus. Die Philharmonie war im Jahr 2000 in Thailand, im Jahr 2001 und 2002 in Spanien und es ist geplant, 2008 nach Holland und 2009 nach Griechenland zu fahren. Also, auch hier: Thüringer Kultur als Botschafter in die Welt. Aber es soll nicht mehr sein.

Und ganz zum Schluss, ganz wichtig, glaube ich, auch zu nennen, ist die Frage, dass verschiedene, nennen wir es Patenschaften mit Laienensembles, immer wieder auch zu den Aufgaben der Thüringen Philharmonie gehören: Blaskapellen, Posaunenchöre, Hausmusikensemble, Uniorchester Ilmenau oder - ich hatte es schon mal genannt - die Amateurkammermusik und die Unterstützung des Gothaer Kinderchors. Die Frage ist natürlich berechtigt vor Ort von den Bürgerinnen und Bürgern - und, Herr Kultusminister, Sie haben es ja live erlebt in der Podiumsdiskussion in Gotha -, warum wird dies alles gestrichen, warum darf dies nicht mehr sein? Bürgerinnen und Bürger sind in doppelter Weise erstaunt und verwundert. Sie sind verwundert, dass es eine kulturpolitische Dimension hat und andererseits sind sie verwundert und finden es relativ sehr verwerflich, warum die Politik auf diese Proteste nicht reagiert. Hier kann ich eigentlich nur mit den Worten des Chefdirigenten der Philharmonie sprechen, Alun Francis, der gesagt hat, mit Erfahrungen aus seinem eigenen Land heraus, auch dort gibt es Probleme mit der Kulturlandschaft, auch dort muss gespart werden. Aber er hat einen Minister kennengelernt in seinem Land, der kämpft um seine Kultur.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das stellen Bürgerinnen und Bürger gegenwärtig nicht fest. Es sei mir an dieser Stelle gestattet als Stadtrat von Erfurt nur einen Gedanken hier noch zu benennen. Ich kann es nicht nachvollziehen - und das erleben wir ja jetzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt -, wie man diese beiden Einrichtungen aufeinandergehetzt hat und dann nicht mal über die Gespräche hinaus in irgendeiner Form gestalterisch darauf einwirkt, sondern von den Intendanten erwartet - das ist ja gar nicht deren Aufgabe - politisch oder strukturell hier Entscheidungen zu treffen. Ich kann Sie nur auffordern, trennen Sie diese beiden Einrichtungen wieder voneinander!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Minister, Sie haben - ich habe es auch schon mal gesagt - fast bis zur Unerträglichkeit hin in den letzten Wochen und Monaten in öffentlichen Diskussionen - das finde ich aber gut so - die Forderungen von Bürgerinnen und Bürgern landauf und landab ertragen müssen. Das ist natürlich Ihre Aufgabe. Aber, ich sage deutlich, nehmen Sie endlich Ihre Aufgabe wahr und gestalten Sie oder nehmen Sie den berühmt berüchtigten Hut.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie haben vorhin, Herr Minister - und da habe ich mich extra noch hingesetzt - Ihre Rede zu den Horten mit einem arabischen Sprichwort: „den Schlüssel des

Glücks, die Geduld“ beendet. Ich habe ein anderes arabisches Sprichwort gefunden. Vielleicht ist das an dieser Stelle angebracht: „Geduld und Fleiß sind Quellen einer Oase. Geduld und Faulheit sind Sandkörner einer Wüste.“

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Wolf, Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich gebe zu, dass mich die Worte von Herrn Krause und Herrn Schwäblein doch noch hier vor getrieben haben.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Dr. Krause!)

Dr. Krause, Entschuldigung. Für mich ist Kultur ein Bedürfnis. Ich glaube, da sind wir uns alle hier in diesem Saal einig, und es ist ein Menschenrecht, Kultur erleben zu dürfen.

Herr Dr. Krause machte sehr deutlich, dass er Kultur nur dann als wichtig und als elementar begreift, wenn es sich um Hochkultur, mit der wir uns hier in Thüringen nicht messen können, handelt und hat die regionale Kultur sozusagen dementsprechend in ihrer Bedeutung herabgewürdigt.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Das ha- ben Sie gründlich missverstanden.)

Natürlich können wir uns nicht mit Mailand und der Wiener Staatsoper messen. Das wollen wir auch gar nicht in Eisenach. Trotz allem ist es natürlich anmaßend, nur Erfurt oder nur Weimar eine überregionale Bedeutung zuzumessen. Ich will daran erinnern, wer auf der Wartburg schon mal den Tannhäuser gesehen und mitbekommen hat, wie das deutschlandweit eine Auswirkung oder eine Ausstrahlung hat und sogar europaweit, der kann, glaube ich, an dieser Stelle nicht von regionaler Bedeutung reden. Ich halte diese Sichtweise für einen ausgesprochen elitären Blick.

Meine Damen und Herren, was ist es uns wert, dass Kindergärten die Möglichkeit haben, aufgrund dessen, dass ein Theater relativ nah erreichbar ist, ins Theater gehen zu können. Alle, die es in Eisenach gesehen haben - und das waren aus der Bevölkerung wahnsinnig viele und eben nicht nur die Schichten, die man so landläufig und per Vorurteil im Theater findet - „der Möhrenhäuser“ als Kindertheaterstück im Jahr des Sängerkrieges in Eisenach war immer supervoll und es war einfach phantas

tisch. „Peter und der Wolf“ in Erfurt als Aufführung war seit Wochen und Monaten ausverkauft. Es ist für Kinder eine ganz, ganz großartige Geschichte gewesen, wie Musik entsteht, wie Theater entsteht, und es ist einfach insoweit für eine kulturelle Bildung ganz elementar, dass die Bedeutung an dieser Stelle gar nicht hoch genug gemessen werden kann. Da brauchen wir nicht den Vergleich mit der Scala oder mit der Wiener Staatsoper, weil das an dieser Stelle völlig albern ist. Ich würde mit meinen Kindern nicht nach Mailand ins Theater fliegen.

Eisenach ist die Stadt von Bach, Telemann hat lange in Eisenach gelebt und das Theater wurde schon lange und in den letzten Jahren recht heftig gebeutelt. Aus der Bevölkerung schlägt einem immer wieder die Meinung entgegen, dass es unglaublich ist, dass wir in einer so reichen Zeit, in der wir ohne Zweifel leben, uns ein Theater nicht mehr leisten könnten, was ausgesprochen schwierige Zeiten überstanden hat. Ich gebe zu, an dieser Stelle gehen auch mir die Argumente aus. Ich persönlich sehe es auch so.

Ich möchte Ihnen, um die Diskussion noch einmal ein Stückchen auch in eine andere Richtung zu lenken, einfach Zahlen präsentieren, die Herrn Schwäblein zu verdanken sind und einer Kleinen Anfrage. Nach dieser Kleinen Anfrage gehen in Erfurt 10 Prozent aller Kinder in die Musikschule, in Gera sind es 7, damit ungefähr der Landesdurchschnitt, in Eisenach sind es 18,2 Prozent. Ich finde, das ist eine Zahl, auf die Eisenach wahnsinnig stolz sein kann, weil das heißt, dass jedes fünfte Kind aktiv - derzeitig sozusagen und nicht irgendwann mal - derzeitig in der Musikschule angemeldet ist. Das ist auch dem Theater in Eisenach zu verdanken, weil man die Synergien natürlich nicht unterschätzen darf. Von daher ist es für mich einfach ganz klar, dass mit dem Theatersterben, und da meine ich nicht nur Eisenach, aber im Besonderen natürlich, es nicht nur ein paar Arbeitslose mehr in der Stadt gibt, sondern ein ganz großes Stück Seele einer Stadt stirbt. Das dürfen wir meiner Meinung nach nicht zulassen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pidde, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, von den besagten 10 Mio. € ist die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl mit 2,1 Mio. € betroffen. Sie soll nämlich überhaupt nicht mehr gefördert werden. Dabei spielt es gar keine Rolle, was für eine Tradition dieses Orchester hat; es ist vorhin schon darauf hin

gewiesen worden, vor über 350 Jahren von Herzog Ernst dem Frommen wurde die Gothaer Hofkapelle gegründet. Dabei spielt es gar keine Rolle, dass die Thüringen Philharmonie mehrfach ausgezeichnet wurde; durch Qualität bei vielfältigen Verpflichtungen durch Rundfunk- und Fernsehstationen sowie zahlreichen CD-Produktionen auch im Ausland ein Werbeträger für Thüringen ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Thüringen Philharmonie, wie wir vorhin schon gehört haben, in der Region stark verankert ist. Immerhin ist die vielfältige Kulturlandschaft die wesentliche Quelle für den Tourismus und damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Schaden für die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen in Suhl und Gotha und deren Umgebung ist überhaupt noch nicht abzusehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, hinweisen möchte ich auch darauf, dass dieses Orchester in der Vergangenheit zahlreiche Einsparungen vollzogen hat. Durch die Fusionierung der damaligen Thüringen Philharmonie Suhl mit dem Landessinfonieorchester Thüringen wurde ein entscheidender Einsparbetrag geleistet. Die Zahl der Musiker wurde drastisch reduziert, Haustarifverträge mit Stundenreduzierungen und Gehaltsverzicht wurden vereinbart. Dafür wurde den verbleibenden Musikern eine langfristige Sicherung ihres Orchesters suggeriert. Deshalb bitte ich den Kultusminister und die Mitglieder der CDU-Fraktion, ihre Position noch einmal zu überdenken. Immerhin hat auch die Stadt Gotha signalisiert, unter gewissen Bedingungen ihren nicht geringen Eigenanteil zu erhöhen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Sätze als Haushaltspolitiker. Ich weiß, dass die Finanzlage des Freistaats äußerst kritisch ist, dass das Land dringend Ausgabenkürzungen vornehmen muss. Wir reden dabei über hohe dreistellige Millionenbeträge. Aber, auch wenn das hier so nicht gesagt wird, jeder in dem Hohen Hause weiß, dass in den jetzigen Gebiets- und Verwaltungsstrukturen diese Einsparungen nicht realisiert werden können. Mit einer Streichung von 12 Mio. € da und 8 Mio. € da oder 10 Mio. € bei der Kultur können Sie den Haushalt nicht sanieren. Da müssen Sie schon anders herangehen. Finanzpolitisch und auch kulturpolitisch ist es nicht zu begründen, wegen eines vergleichsweise geringen Einsparbetrags einen solchen Einschnitt im Kulturbereich vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Der finanzielle Nutzen ist gering, aber der Schaden im Freistaat hoch. Aber auch taktisch ist Ihr Handeln nicht nachzuvollziehen. Wie kann man nur wegen 10 Mio. € Kürzung eine solche Widerstandsbewe

gung im Land zusammenführen und organisieren? Dieses lautstarke Protestpotenzial werden Sie noch lange hören und es wird Langzeitwirkung haben und bis 2009 hinein in Ihren Ohren schallen. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Kummer, Die Linkspartei.PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in Hildburghausen kann ich zurzeit nicht ins Theater gehen. Das liegt nicht daran, dass wir keines hätten, wir haben sogar das älteste durchgehend bespielte Theater Deutschlands mit 251 Jahren Tradition, aber es ist zurzeit in der Sanierung. Wir haben vor, es für rund 10 Mio. € wieder in einen vernünftigen Zustand zu versetzen. Dazu gab es vor wenigen Tagen den Spatenstich zum zweiten Bauabschnitt und da schrieb die Presse in Hildburghausen, dass sich die Stadt im Moment wie das kleine gallische Dorf präsentiert, das großen Übermächten sich kraftvoll entgegenstellt, um seine eigenen Interessen zu vertreten. Damit war gemeint, dass Hildburghausen eben in der Zeit der Kürzung im Kulturbereich hier einen anderen Weg geht, und das ganz bewusst, weil die Tradition, die wir hier haben, nicht nur 251 Jahre Theater, sondern auch die erste deutsche Schauspielschule, die Gründung der Philharmonie, was Frau Leukefeld ja vorhin schon gesagt hat, oder auch dass Leute wie Carl Maria von Weber bei uns gelernt haben, entsprechend Musik zu machen, uns ganz wichtig ist. Uns ist aber auch wichtig, ein Angebot für die Bevölkerung zu schaffen und auch ein Angebot für Touristen zu schaffen. Das sind die Gründe, warum man sich wie die Gallier in diesem kleinen gallischen Dorf aufrafft und hier Gelder für Kultur ausgibt, unter anderem auch aus der Stadtkasse, die nicht allzu voll ist.

Meine Damen und Herren, mit dem gallischen Dorf war es auch so: Wenn sie gehört haben, dass in anderen Regionen Menschen bedroht waren in ihrer Existenz, dann sind die auch ausgerückt mit ihrem Zaubertrank und haben dort geholfen. Ich denke, genauso muss man auch in Thüringen zusammenstehen zur Rettung der Kulturlandschaft,

(Beifall bei der SPD)

zusammenstehen, um hier zu zeigen, wir wollen diesen Kulturabbau in Thüringen nicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)