Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen, ja, spannende Debatte. Im Prinzip sind wir uns ja alle einig, Antibiotika muss reduziert werden, aber die Wege dahin sind unterschiedlich zu diskutieren.
Lassen Sie mich doch auf Ihr letztes Statement gleich mal eingehen, Herr Augsten. Die Partei, die hier den Bürgerwillen vor sich herträgt wie ein Mantra, die Freiwilligkeit, den Bürger als selbstständiges Wesen sieht, diese Partei fordert jetzt von uns, dass wir eine Vorschrift erlassen, macht einen vegetarischen Tag.
Diese Partei, Sie fordern von uns, dass wir die Kantine anweisen, einen vegetarischen Tag in der Kantine zu machen. Das finde ich unfair, das ist mit zwei Zungen gesprochen.
Ich würde Ihnen vorschlagen, Herr Augsten, machen wir eine Selbstverpflichtung daraus, Sie haben mich mit dabei. Ich denke, der Ausschuss ist überwiegend dabei, ich bin auch dabei, einen vegetarischen Tag als Vorbild. Lassen Sie uns einen Blog schreiben, lassen Sie uns aktiv werden und die Bürger mit Beispielen davon überzeugen, mit uns mitzumachen, statt es vorzuschreiben.
Wir können das ja unter uns machen. Das ist auf jeden Fall ein angenehmerer Weg, als eine Verpflichtung hier zu erlassen und Sie zu verpflichten, Herr Barth, auf Ihr Fleisch zu verzichten. Dafür haben Sie Ihren freien Willen.
Jetzt aber lassen Sie mich noch ein paar Dinge sagen. Die Presse hat es sehr deutlich heute auch aufgenommen, ich habe mir das „Freie Wort“ hier auch genommen, weil mich das Bild auch begeistert hat: „Weniger Antibiotika in Ställen“. Die TA berichtet heute über Tierhaltung in der Aufzucht. Da wird der Kollege interviewt, der dort die Tiere aufzieht, er berichtet, dass die Schweine so intelligent sind wie ein vierjähriges Kind und hochsensibel sind. Ich denke, das sollten wir nicht unberücksichtigt lassen in der Debatte und das ist auch das, glaube ich, Frau Scheringer-Wright, was Sie uns eigentlich sagen wollten, dass wir auch eine moralische Verantwortung haben, wie wir mit den Lebewesen umgehen, und hier nicht aufhören in der Debatte. Deswegen verstehe ich Ihren Ansatz und halte den auch für richtig, nur nicht in Bezug auf das Antibiotika. Aber ich denke, wir werden einen Weg finden, um über die Nutztierverordnung zu sprechen.
Lassen Sie mich ein paar Punkte sagen, warum es so wichtig ist. Die Ergebnisse im Resistenz-Monitoring von 2010 haben nämlich bestätigt, dass häufig antibiotikaresistente Bakterien entlang der Lebensmittelkette vorgekommen sind. Lassen Sie mich hier mal ein paar Zahlen einfügen, um Ihnen das Bewusstsein nahezubringen. Insbesondere Proben von Puten und Putenfleisch waren mit multiresistenten Keimen belastet. Lassen Sie mich mal ein paar Anmerkungen machen, wo diese multiresis
tenten Erreger auftreten. 40 Prozent aller Haltungsbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland haben diesen multiresistenten Erreger schon in ihrem Stall. In Rohfleischproben konnten multiresistente Keime bei folgenden Proben nachgewiesen werden: bei Schweinen ca. 16 Prozent der Proben, beim Kalbfleisch waren es 13 Prozent, beim Hähnchen 22 Prozent. Die Zahlen stammen aus dem Jahre 2009 und das Bundesministerium für Risikobewertung weist darauf hin, dass die Zahlen nach oben steigen. Multiresistente Erreger werden vorwiegend übrigens bei Personen aufgefunden, die beruflich mit Nutztieren befasst sind, und deren Familienangehörigen. Aus diesem Grunde ist es wichtig und richtig, das zu diskutieren. Ich sage Ihnen das jetzt mal so deutlich: Jemand, der mit einem multiresistenten Keim infiziert ist, in ein Krankenhaus muss, hat ein Risiko, dass dort das handelsübliche Antibiotikum nicht mehr auf ihn reagiert. Deswegen müssen wir diese Debatte in die Mitte der Gesellschaft tragen. Ich darf Ihnen das mal so deutlich sagen. Aber in die Mitte der Gesellschaft tragen, die Fragen formulieren, die zu Antworten führen - da sind wir ja gar nicht so weit auseinander, denn wir haben die Antworten nicht. Nicht die Masse in Ställen, sondern die Art, wie man Tiere hält, fordert einen Antibiotikaeinsatz.
Wir sind uns auch einig, dass wir das Antibiotikum einem kranken Tier gar nicht verweigern dürfen. Das gehört dazu, dass ein krankes Tier - Herr Augsten hat darauf hingewiesen - sogar im Ökobetrieb selbstredend mit Antibiotika behandelt wird. Aber und da haben Sie nicht ganz recht, Herr Augsten Sie haben kritisiert, wir brauchen die Bauern nicht über den Antibiotikaeinsatz zu belehren. Wir müssen doch den Finger auf die Wunde legen, die Restantibiotika, die in den Betrieben verbleiben, darauf müssen wir noch mal hinweisen, dass die nicht zu leicht, zu fahrlässig, zu schnell eingesetzt werden. Auch dort, denke ich, haben wir Beratungsbedarf. Aus diesem Grund ist unser Antrag richtig und wichtig und nicht so pauschal immer auf der einen Seite, auf der anderen Seite zu sehen.
Lassen Sie mich bitte noch ein paar Anmerkungen zu Ihrem Antrag sagen, Herr Augsten, warum wir den nicht so mittragen konnten. Die unter Ihren Punkten 1 bis 5 erbetenen Maßnahmen und Konsequenzen im Zusammenhang mit den Antibiotika in der Nutztierhaltung erfordern zusätzliche Studien. Das ist auf der Ebene des Freistaats Thüringen nicht leistbar. Ich hatte Ihnen mehrfach im Ausschuss gesagt und ich begrüße das hier auch ganz deutlich, Frau Ilse Aigner, unsere Landwirtschaftsministerin, hat sich diesbezüglich mit einer Kommission zusammengesetzt und entwickelt eine Langzeitstudie, weil bei der Komplexität der Fragestellungen keine einfachen Antworten da sind. Ich fasse Ihnen mal die Fragestellungen zusammen, die in diesem Kontext stehen. Die Fragestellungen hei
ßen: Wie wollen wir dauerhaft Tiere hier halten? Welche Masse ist verträglich? Welche Nutzungsart ist verträglich? Wie ist eine Verbraucheraufklärung zu machen? Wie ist dauerhaft ein Ernährungsverhalten bei einer veränderten Gesellschaft auch unter dem Faktor des demographischen Wandels zukunftsfähig zu gestalten? Und dritter und nicht letzter Punkt: Wie kann eine Landwirtschaft leistungsfähig, lohngerecht, nachhaltig, ressourcenschonend aufgestellt werden? Dieser Kontext gehört mit in die Debatte.
Jetzt lassen Sie mich bitte noch zwei Dinge sagen. Grundsätzlich habe ich Ihnen gesagt zur Nutztierordnung, das ist ein eigenes Thema und mit einer eigenen Priorität hier auch für den Freistaat Thüringen zu betrachten. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie einen Selbstbefassungsantrag im Ausschuss machen, damit wir überhaupt mal mit den Betrieben in die Debatte gehen und auch mal mit denen sprechen: Wo ist denn eigentlich euer Problem, wo wollen wir denn eigentlich hin?
Es ist schon erwähnt worden, zwei Anmerkungen noch zu den Punkten 2 und 3: Punkt 2 ist aus meiner Sicht schon in den aktuellen arzneimittelrechtlichen Bestimmungen enthalten und deswegen obsolet. Und Punkt 3, das Thema Breitbandantibiotika wurde vom Kollegen Primas ebenfalls angesprochen, auch vom Kollegen Augsten; das ist da, glaube ich, irrelevant. Also es wird nie ein Antibiotikum für ein Tier geben. Ob es überhaupt nötig ist, kann ich nicht beurteilen, ich bin kein Chemiker, ob das Sinn macht in der Behandlung. Ich denke, wir sollten es nicht in den Punkt ziehen und auch noch Homöopathie für Schweine fordern. Also da denke ich, wir sollten mal die Sache dort lassen, wo sie auch sinnhaft und richtig ist.
Abschließend darf ich hier noch mal eines zur Kenntnis geben und darf zitieren, Herr Präsident. Fachforum Nutztiere, da habe ich mich sehr gefreut, die Debatte ist in der Gesellschaft angekommen, ich zitiere hier: „Man muss die hiesige Nutztierhaltung radikal umkrempeln, damit sie die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen. Die in der Deutschen Agrarforschungsallianz zusammengeschlossenen 55 deutschen Forschungseinrichtungen meinen Ja.“ In einem Strategiepapier, das die Organisation kürzlich abgesegnet hat, plädieren die Forscher für die Entwicklung ganz neuer Produktionssysteme in der Nutztierhaltung. Die Debatte ist da, wir müssen die Debatte unterstützen und ich denke, wir sollten sie begleiten in einem Sinn weg von der Masse, hin zur Qualität in allen Bereichen unter der Bedeutung der Nachhaltigkeit und auch der Bedeutung für unsere Zukunft.
Schließlich und endlich möchte ich noch enden mit einem letzten Zitat aus dem Bundesforschungsinstitut für Risikobewertung und möchte Ihnen das einfach mitgeben: „Der derzeitige Stand der Wissen
schaft gebietet es, den Antibiotikaeinsatz bei Tieren zu minimieren. Hierauf basieren auch die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation sowie der EFSA. Ziel soll es sein, das Risiko der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen und so den Gesundheitsschutz von Mensch und Tier sowie die Verfügbarkeit von wirksamen Arzneimitteln jetzt und auch in der Zukunft zu sichern.“ Das sollte unsere Aufgabe sein. Diesbezüglich bedanke ich mich auch noch einmal beim Ministerium für die sehr kooperative Zusammenarbeit. Ich möchte mich auch bei der Landtagsverwaltung für die exzellente Auswertung der Anhörung bedanken. Ich bitte um eine breite Zustimmung zu unserem Antrag, weil es ein Signal ist. Wir machen hier eine sehr moderne, nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik. Ich möchte mich auch bei den Kollegen der CDU hier bedanken, die den Begriff nicht erst neu für sich entdeckt haben, sondern ihn auch mit Leben erfüllen, und wünsche uns eine Zustimmung zu dem Antrag.
Danke, Frau Abgeordnete. Ich eröffne die zweite Runde der Debatte. Zunächst hat das Wort Frau Abgeordnete Scheringer-Wright.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich einmal ganz ehrlich bin, Herr Augsten, kommt es mir so vor, als wären Sie jetzt beleidigt, dass Sie nicht der Schönste, der Beste und der Experte hier sind, weil - und jetzt muss ich noch einmal darauf hinweisen
wer hat denn in seinem Antrag geschrieben unter II. Punkt 4, die Besatzdichte, wer hat denn das geschrieben? Da bringen Sie die Ökoverordnung. Die Ökoverordnung gilt aber nur für ökologisch wirtschaftende Betriebe und für niemanden sonst. Deswegen dann mir zu erklären, das hat doch mit der Besatzdichte nichts zu tun, dass Tiere krank werden und deswegen mit Antibiotika behandelt werden müssen, das widerspricht Ihren eigenen Ausführungen. Entweder hat das dann jemand anderes geschrieben oder Sie wollen halt grundsätzlich nur mal widersprechen und machen dann irgendeine wilde Argumentationsschiene auf. Aus dem Grund ist die Ablehnung unseres Entschließungsantrags von Ihnen überhaupt nicht schlüssig. Eigentlich müssten Sie sagen, ja, genau, wir wollen es nur weiter, aber genau in der Tierschutz-Nutztierverordnung muss das geändert werden.
Nun zu Frau Mühlbauer und auch noch einmal zurück zu Herrn Augsten: Unser dritter Punkt, mit den Arzneimitteln, das ist ein grundsätzliches Problem in unserem System. Das betrifft die Gesundheitsminister noch am meisten, weil es wirklich so ist, wenn mit Medikamenten kein großer Profit gemacht wird, dann sind die Konzerne nicht bereit, diese zu erforschen und diese zuzulassen. Da haben wir ein Riesenproblem mit der FDP, weil die jetzt schon seit Langem den Gesundheitsminister stellen - und ich meine nicht nur Rösler -, weil natürlich die FDP alles nur im Sinne der Konzerne macht und nicht im Sinne der Patienten, der Kranken, der Leute, die es brauchen. Wir wollen keine Homöopathie für Nutztiere, sondern wir wollen, dass Konzerne verpflichtet werden, Medikamente herzustellen, die gebraucht werden von Menschen und von Tieren. Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, ich habe nur zwei, drei kleine Bemerkungen. Herr Dr. Augsten, Sie haben natürlich recht mit der Leistung Milch. Wir müssen darüber diskutieren, ob diese Hochleistung so ist, oder ob wir reduzieren und dafür die Haltungsbedingungen ändern, völlig richtig. Da sind wir d’accord. Aber solange die Leute draußen im Laden nicht bereit sind, ein paar Cent für die Milch mehr zu bezahlen, wird es so bleiben.
Das wird so bleiben, weil wir es einfach nicht hinkriegen. Jetzt versuchen Sie doch mal ernsthaft, Ihre Kampagne über die Ernährung in die Öffentlichkeit zu kriegen. Versuchen Sie es doch! Wir wollen das gern unterstützen. Es ist doch nicht das erste Mal, dass seitens des Bundes oder auch des Landes für gesunde Ernährung geworben wird. Wir reden ständig über Schulobst, über Schulmilch. Das wird doch getan. Versuchen Sie es doch mal herüberzubringen. Finden Sie doch mal jemanden, der das in die Öffentlichkeit bringt, der das so publiziert, dass es für jeden nachvollziehbar ist. Ich wäre froh, wenn wir das hätten. Das ist doch überhaupt keine Frage. Da sind wir doch dabei. Da muss man doch nicht immer sagen, wir wollen das und ihr seid immer dagegen. Wir sind überhaupt nicht dagegen. Ich sehe es nur realistisch, wie es machbar ist. Ich kann es nicht einseitig sehen. Deshalb sage ich auch, es ist nicht okay, dass Sie sich hierher stellen und sagen Öko, Öko, Öko, Öko. Obwohl wir im
Ausschuss darüber diskutiert haben, dass nicht die Anzahl der Tiere im Stall maßgeblich dazu führt, dass sie krank sind oder nicht. Wir haben die Beispiele angeführt und auch erzählt. Sie haben Namen genannt, das will ich hier nicht wiederholen, wo es einfach funktioniert und es in kleinen Betrieben nicht funktioniert. Ich habe versucht, das auch darzustellen. So geht es nicht. Öko gegen konventionelle Landwirtschaft auszuspielen, das kann ich so nicht durchgehen lassen. Das ist nicht okay, das geht also nicht, da sind wir uns völlig einig. Frau Dr. Scheringer-Wright, Sie müssen tatsächlich ein Stückchen auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen. Das kann ich nicht ausblenden.
Käfighaltung bei den Hühnern, die haben wir vorbildlich ohne Frage durchgezogen, dass das weg ist. Vorbildlich haben wir uns dem nicht widersetzt, als das die Frau
Ja, machen Sie es doch nicht immer lächerlich. Das ist doch okay. Ich bin das erste Mal auf der Grünen Woche gewesen als Frau Künast Ministerin war. Das Erste, was Sie eingeführt hat, sind Plastehühner hingestellt und keine echten mehr. Das war die Errungenschaft. Anschließend haben wir auch noch Plasteeier dazugelegt. Aber davon kann kein Mensch leben. Ich will das nur sagen: Sie hat das eingeführt, wir sind dabei, was hat es uns denn aber genützt? Die Nachbarstaaten haben es nicht getan. Die haben heute noch die Käfighaltung. Darum schert sich niemand. Und wo ist der Wettbewerb für unsere? Wenn ich heute hingehe zu unserem Messner, zu dem Hühnerhalter, der sagt, gut, dass wir es gemacht haben. Die sind heute einverstanden damit und sagen, gut, dass wir es gemacht haben, es ist viel besser.
Aber was das für Probleme insgesamt bringt und die Wirtschaftlichkeit, ich sage es noch mal, die können wir wirklich nicht außer Acht lassen. Das ist wichtig, dass wir es auch durchziehen. Frau Dr. Scheringer-Wright, nun habe ich immer das Gefühl bei Ihnen, das ist jetzt nicht so ernst gemeint, aber wenn man Sie lässt, verbieten Sie auch die Bienenhaltung, die Honigerzielung, weil es Massentierhaltung ist. Danke schön.
Danke, Herr Abgeordneter. Ich traue es mir fast nicht zu sagen, aus der Mitte des Hauses liegt mir vorläufig keine Redemeldung vor. Für die Landesregierung hat Frau Ministerin um das Wort gebeten. Frau Taubert, bitte.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, gestatten Sie mir ein paar einleitende Bemerkungen zu dieser Thematik. Veranlasst durch Studien zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und die zunehmende Resistenzproblematik soll der Antibiotikaeinsatz der landwirtschaftlichen Tierhaltung kurzfristig deutlich reduziert werden. Wir begrüßen das ausdrücklich. Nach Auffassung der Thüringer Landesregierung handelt es sich jedoch keineswegs um ein isoliertes Arzneimittelproblem, sondern, neben dem, was Herr Augsten angesprochen hat, auch Frau Scheringer-Wright, natürlich um ein humanes, also um menschliche Fragen, wie der Antibiotikaresistenz, die zunehmen wird, auch grundsätzlich Umfragen zur Tiergesundheit in unseren Ställen, die den Antibiotikaeinsatz erforderlich machen. Nur auf dem Weg der ganzheitlichen Betrachtungsweise wird eine vollständige Problemerfassung und dann gegebenenfalls -lösung möglich sein. Darüber hinaus gilt es, Vergleichsmaßstäbe zu entwickeln, die es ermöglichen, die Situation in einer Tierhaltung fachlich fundiert einzuschätzen. Daher ist es zwingend notwendig, den im Beschluss der AMK vom 27. April 2012 geforderten ganzheitlichen Ansatz zu berücksichtigen. Im Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD steht diese Forderung an erster Stelle. Dabei sollen auch die Befunde der Schlachttierund Fleischuntersuchungen in die Bewertung mit einbezogen werden. Wenn wir also die aktuelle Debatte sinnvoll nutzen und als Chance begreifen wollen, dann müssen wir tatsächlich mit allen Beteiligten über Tiergesundheit, Hygiene, Impfprogramme, Haltungsbedingungen und vieles mehr diskutieren, um die Ursachen des Problems abstellen zu können, anstatt den Arzneimitteleinsatz per se anzuprangern. Durch den hierzu von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines 16. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes wird dieses Ziel unseres Erachtens kurzfristig nicht möglich sein. Unter anderem wird die Art des Wirkstoffes und somit die Wirkdauer nicht berücksichtigt und somit wird nicht erfasst, wie viele Tage während eines definierten Zeitraums das jeweilige Tier unter Antibiotikawirkung steht. Durch das Ausweichen auf einen Wirkstoff mit nur einem Behandlungstag, aber mehreren Tagen Wirkdauer anstelle von einem Wirkstoff mit mehrmaliger Anwendung, möglicherweise aber insgesamt kürzerer Wirkdauer kann somit die scheinbare Therapiehäufigkeit gesenkt werden. Wir
haben hierzu und zu weiteren bisher ungelösten Problemen entsprechende Änderungsanträge eingebracht.
Die Erfassung und Bewertung der großen Datenmenge zum Einsatz von Antibiotika - da sind wir uns ja offensichtlich alle einig - kann nur über eine zentrale Datenbank effektiv bewältigt werden. Bis zur Schaffung dieser umfassenden Datenbank ist zu prüfen, inwieweit das bereits vorhandene Antibiotika-Monitoringsystem der QS Qualität und Sicherheit GmbH genutzt werden kann. Auch da, das sage ich ganz offen, ist es natürlich eine finanzielle Frage. Was machen wir auf Bundesebene und was können wir dann uns auch am Ende ersparen? Wir wollen weder eine Doppelfinanzierung noch eine Doppelarbeit auch für alle, die davon betroffen werden, einführen.
Da auch das Landwirtschaftsressort die Auffassung teilt, dass man über Tiergesundheit insgesamt debattieren muss, wurde bereits im vergangenen Dezember zwischen dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und dem Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz vereinbart, dass man ein ganzes Maßnahmebündel rund um das Thema Antibiotikaeinsatz entwickeln müsse. Inzwischen hat es dazu weitere Beratungen gegeben, die erneut verdeutlicht haben, dass man beispielsweise ein System entwickeln soll, um Tierhaltungen systematisch identifizieren zu können, die mit einem hohen Risiko behaftet sind, häufig Antibiotika einsetzen zu müssen. Solche Betriebe sollen dann gezielt im Hinblick auf Hygienemaßnahmen, Impfprogramme, Veränderungen der Haltungsbedingungen und andere präventive Maßnahmen beraten werden. Wir denken, dass all dies Bestandteil eines Antibiotikaminimierungskonzepts ist.
Hierzu kann ich darauf verweisen, dass es gerade Thüringer Initiativen im Bundesrat waren, die uns ab diesem Jahr wenigstens einen teilweisen Einblick in die wahren Ströme bei Tierarzneimitteln für Überwachungszwecke ermöglicht. Wie Sie sehen, halten wir Transparenz für ein erstrebenswertes Ziel und setzen uns dafür ein. Wir wissen, dass wir damit Risiken identifizieren und ggf. gezielt überwachen und am Ende auch abstellen können.
Außerdem sei auf die Beschlüsse der ACK vom Januar 2012 verwiesen, bei der u.a. ebenfalls Transparenz und entsprechende Datenbanksysteme die Verbindlichkeit der Antibiotikaleitlinien und ebenso eine Sonderstellung für Reserveantibiotika und ein Antibiotikaminimierungskonzept als notwendig erachtet wurden.