Protokoll der Sitzung vom 23.11.2012

(Beifall FDP)

sie gestalten den Kontakt zum Wirtschafts- und Berufsleben und all das finde ich ganz, ganz wichtig. Ich selbst bin nur ein kleines Beispiel, weil ich im Kreistag bin, aber für mich ist diese Tätigkeit ganz wichtig, weil ich dann sehe, wie sich die Gesetze und Beschlüsse des Landtags auf kommunaler Ebene auswirken und wir dann schauen müssen, wie wir dort damit fertig werden. Dieser Abwägungsprozess ist ganz wichtig und deshalb stehe ich auch zu dieser Tätigkeit. Aber man muss Abhängigkeiten feststellen können und dazu brauchen wir Transparenz und in letzter Konsequenz braucht man auch Sanktionen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zurückkommen zur 4. Legislaturperiode, zu dem Gesetzentwurf meiner Fraktion. Ich möchte aus der Schlussdebatte des Plenums vom 8. Oktober 2008 hier vom damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer Uwe Höhn zwei Passagen zitieren: „Will man Transparenz, dann kann es nur die Offenlegung aller Einkünfte nach dem Bruttoprinzip sein.“ Und das Zweite: „Wir würden es gern sehen, wenn die Verhaltensregeln für die Abgeordneten des Thüringer Landtags zu einer Gesetzesvorschrift erhoben werden würden.“ So weit also ein winziger Auszug aus der Plenardebatte damals. Es ist ein wichtiger Denkanstoß, es zeigt aber auch, dass die SPD ihrer Linie treu geblieben ist.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, es ist bereits am Anfang angesprochen worden, die Transparenz der politisch Handelnden ist uns nicht nur in Thüringen wichtig, sondern es ist eine SPD-Linie. 2005 haben SPD und GRÜNE im Bundestag eine Verschärfung der Transparenzregeln durchgesetzt. In der damaligen Debatte zeigten sich CDU/CSU und FDP stur wie ein Bock und noch 2010 haben sich die drei Parteien dem SPD-Vorstoß widersetzt, die über 7.000 € hinausgehenden Nebeneinkünfte der Bundesabgeordneten genauer erkennbar zu machen. Es würde sich manche Diskussion heute erspart haben, wenn sie damals anders gehandelt hätten. Zu den aktuellen Vorschlägen der SPD auf Bundesebene gehört die betragsgenaue Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten genauso wie die Verschärfung der Regelung zur Abgeordnetenbestechung. Die Überschrift des Antrags im Bundestag war „Auf Euro und Cent - mehr Transparenz im Deutschen Bundestag“. Diese Initiative der SPDBundestagsfraktion zur Neuregelung der Nebeneinkünfte im Bundestag begrüße ich ausdrücklich. Auch hier haben CDU/CSU und FDP gemauert.

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt die Position meiner Fraktion dargelegt. Der Gesetzentwurf der LINKEN geht in diese Richtung, aber beim Lesen ergaben sich bei mir eine ganze Reihe von Fragen. Die Details sollten wir im Justizsausschuss ausführlich diskutieren. Es geht nicht um einen populistischen Schnellschuss, sondern ausführlich und grundlegend diskutieren sollten wir die ganzen Regelungen zu den Anzeigepflichten, die Spezialfälle, wie wird mit Rechtsanwälten umgegangen, wie ist der Mandantenschutz gewährleistet, wie soll man mit Selbstständigen umgehen, die können ja nicht ihre Bilanzen auf dem Markt spazierentragen. Wie geht man mit der ganzen Geschichte der Annahme von Spenden um? Wie geht man mit der Anzeige von Interessenkollisionen um und welche Verfahren sollen gewählt werden, um die genannten Bestimmungen dann auch durchzusetzen? Also eine ganze Reihe von Fragen.

Auf einen Punkt will ich gleich reagieren, auch die Kollegin Rothe-Beinlich hat das ja getan - die fünfjährige Karenzzeit für Minister. Ich glaube einerseits nicht einmal, dass das sinnvoll ist, aber ich sehe auch andererseits nicht, dass das verfassungsrechtlich gedeckt ist, schon was den Grundsatz angeht, aber auch was die Dauer angeht. Also dazu will ich schon gleich meine Meinung sagen.

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir eine gemeinsame interfraktionelle Lösung für dieses Problem und dazu gehört natürlich ein offener und ehrlicher Diskussionsprozess. Ich will daran mitwirken, dass das Eis bricht. Ziel soll es sein, eine gemeinsam von allen Fraktionen getragene rechtlich verbindliche Lösung zu schaffen. Das mag ange

sichts der laufenden öffentlichen Debatte heute schwer vorstellbar klingen, ich bin aber zuversichtlich, dass es uns gelingen kann, wenn jeder hier im Haus über seinen Schatten springt und auch wirkliches Interesse an der Lösung des Problems zeigt. Um es mit den Worten des amerikanischen Staatsmanns Thomas Jefferson zu sagen: „Nichts ist mühsam, was man willig tut.“ Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Jetzt gibt es noch die Nachfrage vom Abgeordneten Recknagel.

Ja, herzlichen Dank. Hier noch eine Nachfrage. Herr Dr. Pidde, ich bin nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe oder ob Sie sich möglicherweise versprochen haben. Sie erwähnten eben die Offenlegung der Vertragspartner der Auftraggeber, die Sie für richtig halten würden. Das würde ja dann nur beispielsweise die Ratingagentur betreffen und eben nicht die Bank oder die Stadtwerke. Ich vermute, Interessenbeziehungen würden doch eher klar, wenn man auch den Letztauftraggeber nennen würde. Was wäre jetzt tatsächlich Ihre Position oder war das tatsächlich so gemeint?

Dazu will ich nicht meine persönliche Meinung sagen, sondern einfach anmerken, das müssen wir, wir in der Fraktion, in der Koalition, aber auch im Justizausschuss miteinander beraten, so dass wirklich eine vernünftige Lösung dabei herauskommt, dass einerseits größtmögliche Transparenz vorhanden ist, dass aber andererseits entsprechende Dinge wie Datenschutz oder Ähnliches auch gewahrt bleiben. Aber das ist ein Diskussionsprozess und der ist bei uns in der Fraktion durchaus nicht abgeschlossen.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Als Nächster hat Abgeordneter Bergner von der FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es heute mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zu tun, der den Umgang mit Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften regeln soll. Dass die Fraktion die Chance nutzt, aufgrund der aktuellen Mediendebatte nun alten Wein in neue Schläuche zu gießen, war vorhersehbar. Das alles

(Abg. Dr. Pidde)

schmälert aber nicht die Wichtigkeit der Diskussion darüber. Die Bürger interessiert das Thema und deswegen sollten wir uns auch in Thüringen dieser Problematik stellen. Vielleicht schaffen wir es auch endlich einmal, mit dem einen oder anderen Vorurteil aufzuräumen, obwohl das gerade nicht die Intention des Gesetzentwurfs ist, vielmehr versucht er meiner Auffassung nach, Vorurteile weiter zu schüren. Ich will Ihnen auch erklären, warum ich dieser Auffassung bin. Dazu muss man sich die Frage stellen, was will die Fraktion DIE LINKE mit dem Gesetzentwurf erreichen? In der Begründung spricht sie von Transparenz, damit sich Bürger ein umfassendes Bild darüber machen können, durch welche Interessen oder welche finanziellen Abhängigkeiten die politischen Entscheidungen von Abgeordneten beeinflusst werden. Sie beruft sich in der Begründung vermehrt auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2007 und auf Rechte der Bürger. Kollege Scherer hat da schon einiges zitiert. Dabei lässt DIE LINKE zum einen die Rechte der Abgeordneten auf ein freies Mandat völlig außer Acht, denn auch Abgeordnete sind Träger von Grundrechten. Zum anderen ist die Urteilsbegründung von 2007 eben nicht so eindeutig, wie sie hier dargestellt wird. Ein Teil der Richter hätte mit einer Regelung, wie Sie sie uns vorgelegt haben, deutliche Probleme. In dem Urteil von 2007 haben mehrere Richter ausdrücklich davor gewarnt, dass durch die Offenlegung gerade auch von ungewichteten Tatsachen wie Bruttoeinkünften, die nicht im Kontext darstellbar sind, eine publizistische Prangerwirkung entstehen kann. Das hat Kollege Scherer bereits zitiert. Ohne nähere Erklärungen und Gewichtungen können die bloßen Informationen, meine Damen und Herren, über Mittelzuflüsse in mehrfacher Hinsicht zu Fehlschlüssen verleiten. Aber genau das sieht Ihr Gesetz vor, eine absolute Offenlegung jeglicher Nebeneinkünfte. Das hat nichts mit Transparenz zu tun, meine Damen und Herren, das sind genau das Anprangern und das Schüren einer Neiddebatte, wie es die Richter beschrieben haben.

(Beifall FDP)

Den Anschein zu erwecken, dass jede Nebentätigkeit einen Abgeordneten zwielichtig erscheinen lässt, geht einfach zu weit.

(Beifall FDP)

Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob wir das für den Thüringer Landtag wollen können. Wenn wir weiterhin - und das hat auch Kollege Pidde mit anklingen lassen - einen gesellschaftlichen Mix von Abgeordneten hier in unserem Landtag haben wollen, dann, glaube ich, ist das der falsche Weg. Wir haben im Landtag Freiberufler, Lehrer, Juristen usw. und diese Menschen erhalten auch Einkünfte aus ihren vorherigen beruflichen Tätigkeiten. Ich sage, nichts spricht dagegen.

(Beifall FDP)

Aber durch diese überzogenen Offenlegungspflichten werden sich viele überlegen, ob sie sich dem wirklich aussetzen wollen oder vielleicht sogar dafür Betriebsgeheimnisse offenbaren müssen. Aus welchen Gründen, meine Damen und Herren, mit welchem Recht soll ein Handwerksmeister, ein Freiberufler Informationen preisgeben, die sein Wettbewerber nicht preisgeben muss?

(Beifall FDP)

Wenn wir Informationen etwa über die Mandanten eines Rechtsanwalts dann in diesen Darstellungen lesen müssen, dann hat das mit Datenschutz und den berechtigten Interessen von Mandanten überhaupt nichts mehr zu tun.

(Beifall FDP)

Der Mix in unserem Landtag, der die Gesellschaft widerspiegeln soll, würde nicht mehr existieren, es würden Kompetenzen verloren gehen, wie es Kollege Pidde auch gerade gesagt hat. Das kann nicht gut sein, da das gerade auch die Stärke unseres Landtags, unseres Parlaments ist, meine Damen und Herren. Wir brauchen Menschen, die Ahnung vom wirklichen Leben haben. Gerade das ist möglich, wenn Abgeordnete ein zweites berufliches Standbein aufrechterhalten. Auf diesen Begriff lege ich gerade die Betonung.

(Beifall FDP)

Natürlich darf diese Tätigkeit nicht so weit gehen, dass die Ausübung des Mandats in unzumutbarer Weise behindert wird - auch das ist selbstverständlich. Da stimme ich mit Ihnen natürlich überein. Aber der vorliegende Gesetzentwurf hat nichts damit zu tun, solche Missstände aufzudecken, was eigentlich das Anliegen sein müsste. Als Teilhaber eines familiengeführten Ingenieurbüros will ich Ihnen aber noch eins mit auf den Weg geben: Seit ich Abgeordneter bin, schultert meine Frau die Hauptlast in unserem Büro. An dieser Stelle möchte ich dafür auch meinen Dank aussprechen.

(Beifall SPD, FDP)

Diese Entscheidung, die Verantwortung so stark meiner Frau zu übertragen, haben wir uns nicht leicht gemacht. Mir kann nämlich niemand garantieren, dass nach der Zeit als Abgeordneter unser Ingenieurbüro noch existiert oder ob ich so in meinem Beruf einfach wieder einsteigen kann. Aber ich habe diesen Schritt trotzdem gemacht, da ich selbst etwas bewegen will. Genau solche Entscheidungen wird es nicht mehr geben, wenn Sie mit diesem Gesetzentwurf zum Beispiel Freiberufler zur Offenlegung sämtlicher Daten zwingen wollen.

(Beifall FDP)

Das, meine Damen und Herren, ist genau der Unterschied in der Debatte zu Herrn Steinbrück. Es

geht bei dem Freiberufler, es geht bei dem Gewerbetreibenden darum, eine Firma, ein Büro am Leben zu erhalten, die bereits vor dem Mandat bestanden haben und damit auch Arbeitsplätze zu erhalten.

(Beifall FDP)

Man kann eine Firma, die man viele Jahre erfolgreich geführt hat, nicht einfach mal für die Dauer eines Mandats zumachen und seinen Mitarbeitern sagen, Pech gehabt, jetzt geht mal nach Hause, sondern man muss diese Firma natürlich auch weiterbetreiben können. Bei Herrn Steinbrück war es eine Vortragstätigkeit, die sich aus der Funktion als Minister und aus dem Mandat heraus entwickelt hat und sicher eine große Fehlbalance gezeigt hat im Vergleich zur Abgeordnetentätigkeit - und das ist der Unterschied, den ich meine -, im Vergleich der Tätigkeit eines Gewerbetreibenden oder eines Freiberuflers.

(Beifall FDP)

Deswegen, meine Damen und Herren, ist eine Offenlegung, die ehrbare Gewerbetreibende und Freiberufler an den Pranger stellt, nicht tragbar. Ich bin mir nicht sicher, ob man diesen Gesetzentwurf, so wie er vorliegt, vernünftig gestalten kann durch Änderungen, aber wir werden uns einer Ausschussüberweisung an den Justizausschuss selbstverständlich nicht verweigern. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. Ich habe jetzt eine Redemeldung von Herrn Abgeordneten Blechschmidt. Bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vorab vielen Dank für die grundsätzlich sachliche Debatte, natürlich auch für die Kritik an diesem Entwurf. Ich gehe davon aus, wir sind uns darin einig, es geht hier darum, dass wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land unsere Arbeit und die damit verbundene und auch durchaus gewollte Nebentätigkeit offen darlegen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es. Da tut es mir dann leid, Kollege Bergner. Natürlich, ich möchte ausdrücklich auch Menschen hier im Thüringer Landtag haben, eine Vielfalt von Berufen, von Leistungen, die gegebenenfalls auch danach noch im Berufsleben zustande kommen, das möchte ich gern haben. Aber das Gesetz verbietet das nicht. Das soll es auch noch gar nicht. Nein.

(Beifall DIE LINKE)

Dann können wir gern im Ausschuss noch diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das macht es unmöglich.)

Nein, das macht es auch nicht unmöglich. Das Einzige, was wir wollen, ist, dass derjenige, der eine Nebentätigkeit tut, sie offenlegt und sagt, das tue ich. Ich bin Rechtsanwalt, ich tue das. Ich habe dort im Aufsichtsrat diese Funktion, das tue ich. Ich habe ein Ingenieurbüro, wo ich stündlich oder gegebenenfalls, was auch immer, dort arbeite, das tue ich. Damit mache ich sichtbar, dass ich neben meinem - und das ist die entscheidende juristische Frage an der Stelle - Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit noch etwas anderes tue.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn wir uns jetzt womöglich hinstellen und den Bürgerinnen und Bürgern absprechen, dass sie nicht einschätzen können aus dieser Information, die sie über dieses Transparenzgesetz bekommen, zu entscheiden, zu sagen, Moment mal - und jetzt benutze ich wirklich das aktuelle Beispiel aus dem Bundestag, man möge es mir vielleicht hier in der Mitte verzeihen -, aber ist denn das noch im Grunde genommen zeitlich zu vereinbaren, dass ich für 600.000 € nebenbei tätig bin und dann, wenn man das vergleicht, gerade mal eine Handvoll, zumindest habe ich das so gelesen, eine einstellige Anzahl von Redebeiträgen während der Legislaturperiode im Bundestag ableiste. Da muss der Bürger, muss die Bürgerin entscheiden, muss sagen, Moment mal, hier stimmt irgendetwas nicht. Aber dieses Bewusstsein gestehe ich den Bürgerinnen und Bürgern schon zu, dass sie aus dieser Information heraus für sich die entsprechenden...

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider beendet.

Ich gehe trotzdem davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger eine entsprechende Information daraus ziehen können. Danke, Frau Präsidentin.

(Beifall DIE LINKE)