Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Zu Punkt 1: Um die Position der Pflegebranche zu stärken, haben wir den Pflegepakt ins Leben gerufen. Wir haben zusammen mit allen Beteiligten deutlich gemacht, dass dringender Handlungsbedarf besteht und ja, liebe Frau Siegesmund, auch dass die Zeit für politisches Handeln gekommen ist. Wir haben an dieser Stelle noch einmal unseren Einsatz bekräftigt. Die Signale sind gesetzt, nun muss die zeitnahe und bedarfsgerechte Umsetzung der zugrunde liegenden Ziele erfolgen.

2. Zu den Maßnahmen, die in Ihrem Antrag gefordert werden, möchte ich mich im Großen und Ganzen den Ausführungen der Ministerin aus der Aktuellen Stunde des letzten Plenums anschließen. Zu Punkt a: Die Möglichkeit, statistische Erfassungen des Sozialministeriums zu erhalten, ist gegeben und bedarf keines neuen Instruments. Zu Punkt b: Ebenso sollte die Schaffung einer zusätzlichen Institution, die hier als Pflegekammer bezeichnet wird, nicht Gegenstand der Diskussion sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Stärkung der Interessen der Beschäftigten steht im Vordergrund und damit die möglichst schnelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch konkrete Maßnahmen. Aus diesem Grund sind diese der wichtigste Bestandteil des Thüringer Pflegepakts und stehen im Zentrum unserer Anstrengungen.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, eins ganz deutlich zu machen: Die Verbesserung der aktuellen Lage in der Pflegebranche ist nötig, aber

keine zusätzliche finanzielle Belastung durch mehr Bürokratie. Der im vorliegenden Antrag geforderte Diskussionsprozess mit den relevanten Akteuren ist mit der Schaffung des Pflegepakts bereits umgesetzt.

Liebe Frau Siegesmund, Sie haben in der Aktuellen Stunde zum Pflegepakt deutlich gemacht, dass die Entlohnung nicht die einzige Konsequenz des Pflegepakts sein kann. Auch von einer ganzheitlichen Betrachtung der Pflege haben Sie gesprochen. Diesen Fokus vermisse ich aber in Ihrem Antrag. Im Pflegepakt ist das ein zentraler Bestandteil, da erscheint mir Ihre Kritik an dieser Stelle etwas haltlos. Ich möchte hier noch einmal ein demonstratives Bekenntnis für die angestrebten tariflichen Arbeitsverhältnisse geben. Die in Ihrem Antrag unter Punkt 6 geforderte höhere Vergütung allein reicht noch nicht aus. Eine nachhaltige Verbesserung erreichen wir nur durch tariflich geregelte Arbeitsverhältnisse. Die Beschäftigten sehen sich im Pflegebereich neben der bereits mehrfach erörterten Finanzlage mit einer enormen Belastung durch Personalmangel, überwiegender Teilzeitbeschäftigung, Schichtdiensten, geteilten Schichtdiensten konfrontiert. Dies hat bereits die Ministerin in ihrer Rede im letzten Plenum deutlich gemacht. Und auch ich möchte das heute noch einmal betonen. Die von uns geforderten Tarifsteigerungen wurden bereits von den Kostenträgern im Pflegepakt anerkannt und es wurde zugesichert, diese auch in Verhandlungen zu akzeptieren. Nur so kann man garantieren, dass die Erhöhung der Pflegesätze auch wirklich dem Beschäftigten zugute kommt und klare Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. An dieser Stelle ist noch einmal der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. gefragt, den Pflegepakt mitzutragen und ihm beizutreten.

Meine Damen und Herren, was den Punkt 2 c anbetrifft, hier gebe ich zu, ich bin, war und werde ein Freund einer umlagefinanzierten Ausbildung bleiben. Ich war damals wenig begeistert, als einige Verbände gegen die in Thüringen bestehende Regelung der Ausbildungsvergütung geklagt haben und die Umlagefinanzierung vom Gericht gekippt wurde. Aber was sagt die aktuelle Situation: In Thüringen wird gut in der Altenpflege ausgebildet und derzeit besteht kein rechtlicher Spielraum, eine erneute Verordnung für die Umlagefinanzierung einzuführen. Hierzu muss man einfach sagen, wer damals klagte, darf heute nicht jammern.

(Beifall SPD)

Zum Punkt 3: Die Wiederaufnahme der Finanzierung des dritten Umschulungsjahres war ein wiederholtes Anliegen unsererseits. Bisher blieb es bei der Forderung durch die Landesregierung an den Bund und ich begrüße die Ergebnisse des bundesweiten Ausbildungspakts im Bereich der Altenpflege vom 22. November. Nicht zuletzt aufgrund unse

(Abg. Kubitzki)

res Einsatzes wurden hier Zielvereinbarungen entwickelt, durch welche die Attraktivität des Berufsund Beschäftigungsfeldes im Pflegebereich erhöht werden kann. Wir haben in Thüringen nicht zuletzt mit dem Pflegepakt auf den Fehlbedarf an Fachkräften reagiert. Nun ist dies auch auf Bundesebene geschehen. Mit diesem bundesweiten Ausbildungspakt wurde jetzt die Finanzierung des dritten Umschulungsjahres durch den Bund garantiert. Somit können jetzt die dem Thüringer Pflegepakt zugrunde liegenden Forderungen zur Verbesserung der Personal- und Nachwuchsgewinnung und Qualifizierung umgesetzt werden. Hier wurden schon erste Schritte zugunsten einer bedarfsgerechten Bereitstellung von Ausbildungsplätzen unternommen. Jetzt heißt es handeln. Konkrete Maßnahmen können jetzt ergriffen werden. Dabei wende ich mich noch einmal an den bpa, seine Haltung vom Pflegepakt vor diesem Hintergrund zu überdenken. Wir haben bewiesen, dass der Pflegepakt mehr ist als eine Absichtserklärung. Dies geht auch an Sie, liebe Frau Siegesmund; eine solche Behauptung ist schlichtweg haltlos.

Zu Ihrem 4. Punkt möchte ich neben dem Thüringer Pflegepakt, in dem eine Kampagne bereits ausreichend berücksichtigt ist, noch einmal auf den bundesweiten Ausbildungspakt für den Bereich Pflege verweisen. Auch hier wurden die Weichen gestellt für eine gemeinsame Kampagne zur Information und verstärkten Wertschätzung dieses Berufsfeldes in der Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal betonen, dass eine Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes nur über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehen kann. Erst durch den pflegepaktgesetzten Rahmen um Beschäftigungsbedingungen in der Pflege kann zum einen den Abwanderungsprozessen Einhalt geboten werden, zum anderen Personal und Nachwuchs für den Bereich gewonnen werden. Diese Rahmenbedingungen haben wir geschaffen. Darauf können wir auch mit einer Image-Kampagne aufbauen. Die Punkte 5 und 6 Ihres Antrags sind durch den Pflegepakt abgedeckt und vollzogen. Zudem habe ich darauf teilweise in meinen vorangegangenen Punkten Stellung genommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pflegebranche ist eine Zukunftsbranche und wir haben mit dem Pflegepakt ein Signal gesetzt, welches die Stellung der Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hoher Wertschätzung kräftigt. Thüringen darf nicht länger Schlusslicht und Thüringen wird nicht länger Schlusslicht bei der Vergütung in der Pflege bleiben. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich, wie schon gesagt, erübrigt. Wir werden auch einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Koppe zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, der - das will ich zugestehen - Gutes will, aber keineswegs schafft. Der Antrag der GRÜNEN ist aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, wie in der Überschrift verlautbart, die Pflegebranche zu stärken und dem Pflegemangel zu begegnen. Ich will Ihnen das auch gern begründen.

Beginnen will ich mit dem Punkt 2 Ihres Antrags. Sie fordern hier, ein Pflegemonitoring einzuführen. Ich frage mich, Frau Siegesmund, wozu Sie dieses brauchen, außer dass Sie Ihrem alten Irrweg anhängen, dass der Staat der bessere Planer sei als die vielen Unternehmen und potenziellen Mitarbeiter.

(Beifall FDP)

Wenn es Ihnen auf die Übersicht der Entwicklung des Fachkräftebedarfs ankommen würde, dann kann ich Sie beruhigen. Diese Daten liegen nämlich allesamt bereits vor. Das Thüringer Landesamt für Statistik gibt auf seiner Internetpräsenz detaillierte Informationen darüber, wie viele Pflegebedürftige und Pflegeeinrichtungen es in den einzelnen Landkreisen gibt. Damit lässt sich problemlos ein Index, wie viele Pflegebedürftige auf wie viele Pflegeeinrichtungen für alle Thüringer Regionen benötigt werden, errechnen. Weiterhin werden diese Informationen in einer gesonderten Tabelle im ZweiJahres-Abstand vom TLS bereitgestellt, so dass sich auch hier sowohl ein zeitlicher Trend der Pflegebedürftigen als auch der Pflegeeinrichtungen in Thüringen nachvollziehen und für die Zukunft erahnen lässt. Auch die Bundesagentur für Arbeit kann Ihnen auf Nachfrage, Frau Siegesmund, problemlos Auskünfte über die von einem Pflegemonitoring erfassten Probleme preisgeben. Sehen Sie sich einfach hier die Jobbörsen und Übersichten über die Einzelberufe an, da haben Sie alles, was Sie brauchen. Warum jedoch, womöglich auch noch vom Sozialministerium, hier ein jährlicher Bericht den regionalen Bedarf noch einmal extra erfassen soll, erschließt sich mir nicht.

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Forderung nach einer Pflegekammer sehe ich sehr skeptisch. Dazu will ich Ihnen mal ein paar Punkte aufzeigen, die das verdeutlichen sollen.

1. Zwar haben die Berufsverbände im Jahr 2009 die Schaffung von Pflegekammern als Körperschaf

(Abg. Eckardt)

ten des öffentlichen Rechts im Sinne der Selbstverwaltung gefordert, jedoch ist zu beachten, dass die Berufsverbände in Deutschland weniger als 1 Prozent der Pflegekräfte vertreten. Das heißt, über 99 Prozent der Pflegekräfte wurden also gar nicht in die Diskussion einbezogen.

2. Obwohl die niedrige Entlohnung in der Pflegebranche einer der Hauptgründe für die Unattraktivität des Pflegeberufs ist, hätten auch da die Pflegekammern keinen Einfluss auf dieses Problem, da Tarifverhandlungen ausschließlich den Tarifpartnern obliegen.

(Beifall FDP)

3. Da der Großteil der Pflegenden im Angestelltenverhältnis beschäftigt ist, ist die Einführung von Punkteregelungen analog der Ärztekammer ebenfalls nicht notwendig.

4. Zur Erreichung der Qualitätsverbesserung bestehen bereits seit 2008 Expertenstandards vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege.

5. Die korrekte Berufsausübung bedarf der gesellschaftlichen Kontrolle und unabhängiger Gerichte, die die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften zu überwachen haben. Das Disziplinarrecht dem Berufsstand zu überlassen, würde sich in der Qualitätssicherung bestenfalls wenig bemerkbar machen.

6. Natürlich ist es ein Ziel von elementarer Bedeutung, eine sachgerechte, professionelle Pflege sicherzustellen, jedoch könnten das die Pflegekammern auch nicht besser regeln als die staatlichen Stellen, die derzeit dafür eingesetzt sind, da es ja nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Pflegewirtschaft mangelt, sondern an der Möglichkeit, diese aufgrund von Rahmenbedingungen in der Praxis umzusetzen.

Also, wir sehen, so einfach ist das Leben nicht, wie es die GRÜNEN uns gern hier wieder weiszumachen versuchen.

(Beifall FDP)

Aus unserer Sicht ist und bleibt dies die Entscheidung der handelnden Akteure. Zu einem Punkt, und zwar Punkt 4 des Antrags, möchte ich allerdings doch noch kommen. Ich weiß ja nicht, welche Substanz Ihnen hilft bei Antragserstellung. Dass es in der Pflege oft von der Tatsache her, dass mehr Frauen als Männer in der Pflege tätig sind, eine Geschlechterungerechtigkeit gibt, das ist aus meiner Sicht schon sehr weit hergeholt.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es sind doch lauter Frau- en, die in der Pflege arbeiten.)

Ganz ruhig bleiben, Frau Rothe-Beinlich.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bin ganz ruhig.)

Ja, das sieht man auch. Damit ist also Ihrer Ansicht nach in jedem Beruf, in dem auch nur ein Mann oder eine Frau mehr oder weniger arbeitet, geschlechterdiskriminierend?

(Beifall FDP)

Wollen Sie tatsächlich für alles und jedes eine 50-Prozent-Quote einführen? Das ist doch absurd, Frau Siegesmund. Wollen Sie wirklich die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger auf freie Berufswahl einschränken, scheinbar - und das ist die logische Folge, Frau Siegesmund - kennen Sie auch die Konzepte der Diversität gerade in der Geschlechterforschung und -förderung nicht.

(Beifall FDP)

Man kann zwar gern eine Imagekampagne für die Pflegeberufe starten, das ist auch wichtig und das Ministerium macht es auch bereits, aber wenn, dann mit einem realistischen Ziel, junge Menschen, und zwar egal welchen Geschlechts, vom Berufsbild der Pflege zu begeistern und nicht um Ihren ideologischen Wertvorstellungen zu entsprechen.

(Beifall FDP)

Der entscheidende Punkt kann jedoch durch keinen Antrag - und ich betone -, durch keinen Antrag eines Landtags und schon gar nicht mit dem hier vorliegenden gelöst werden, und zwar ist das die Vergütungsfrage. Diese ist - und das soll nach unserer Ansicht auch bleiben - durch die Akteure, die Krankenkassen und die Arbeitgeber zu verhandeln. Ich bin mir sehr sicher, dass gerade die Krankenkassen die Problematik und die Dramatik der Situation erfasst haben. An dieser Stelle bin ich, sind wir ganz optimistisch. Sie sehen, aus den genannten Gründen haben wir keine Veranlassung und werden das auch nicht tun, Ihrem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Siegesmund das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür, dass ja zu unserem Antrag offenbar im letzten Plenum schon alles gesagt wurde, haben Sie ja alle recht lange und ausführlich geredet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Koppe)

Es scheint also der Fall zu sein, dass doch noch nicht alles geklärt ist. Herr Eckardt, ich will sie gern mal mit Ihren Worten aus der Aktuellen Stunde zum Pflegepakt zitieren. Da sagten Sie, Zitat: „Nun geht es darum, den Pflegepakt umzusetzen, damit er nicht nur eine Willensbekundung bleibt.“ Was, wenn nicht eine Steilvorlage für uns, ist es, hier parlamentarisch darüber zu reden, wie wir im Pflegebereich in Thüringen ein My mehr machen können. Und der Pflegepakt wurde nicht parlamentarisch diskutiert. Wir haben hier 5 Minuten in Aktuellen Stunden jeweils mit Wortbeiträgen unsere Position klargemacht. Es hat niemals eine Beratung im Ausschuss gegeben, es hat hier keine vernünftige Auseinandersetzung damit gegeben, und Sie stellen sich hierhin und behaupten, alles wäre gesagt. Ich zitiere Sie noch mal: „Nun geht es darum, den Pflegepakt umzusetzen, damit er nicht nur eine Willensbekundung bleibt.“ - bitter.