und kann demzufolge die Aussprache schließen. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt worden. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit seine Zustimmung
gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion und der FDPFraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen gibt es nicht. Eine Mehrheit hat die Ausschussüberweisung abgelehnt.
Wir stimmen nun direkt über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/5085 ab. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen der SPD, der CDU und der FDP. Das ist eine Mehrheit, die den Antrag ablehnt. Demzufolge kann ich jetzt den Tagesordnungspunkt 20 schließen.
Es ist mir nicht signalisiert worden, dass das Wort zur Begründung genommen wird, aber die Landesregierung hat
- der Abgeordnete Untermann möchte das Wort zur Begründung nehmen. Danach wird Herr Minister Carius zum Punkt I aus dem Antrag den Sofortbericht geben.
Danke, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, liebe Zuschauer auf der Zuschauertribüne, ich bin deswegen hier vor gekommen, um noch mal zu begründen, warum wir das auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich möchte damit beginnen, wenn ich in Besuchergruppen bin, wenn ich in Diskussionen bin, auch außerhalb des Plenums kommt immer mal die Frage auf: Was sehen sie als Wichtigstes ihrer zukünftigen Arbeit an und was sehen sie als Wichtigstes für den Staat Thüringen in den nächsten 15 Jahren an? Da spielt meiner Meinung nach der demografische Wandel eine große Rolle, um nicht zu sagen, fast die größte Rolle, wenn wir für Thüringen das erreichen möchten, was der Stand in anderen Ländern ist. Wir sind der Meinung, dass das aber auch von der Landesregierung dementsprechend ernst genommen werden muss. Deshalb haben wir das schon im Oktober auf die Tagesordnung gesetzt und ich freue mich auf die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Untermann, bevor ich zum Berichtsersuchen kommen möchte, kann ich natürlich Herrn Untermann sehr recht geben. Selbstverständlich ist der demografische Wandel, dem wir immer wieder ausgesetzt waren, sicher eine der ganz großen Herausforderungen, weil er erstmals …
In jedem Fall ist der demografische Wandel eine große Herausforderung, weil sich ja unsere Bevölkerungsstrukturen nicht nur verändern, weil wir insgesamt weniger werden, sondern weil sich innerhalb der Bevölkerungsstruktur die verschiedenen Altersschichten erheblich verändern werden. Thüringen wird insgesamt nach unserer Demografieprognose im Bericht bis 2030 17 Prozent, voraussichtlich bis 2060 sogar 40 Prozent seiner Bevölkerung verlieren, wenn man die gegenwärtigen Zahlen, die uns zur Verfügung stehen, extrapoliert und dann hochrechnet. Ob es dann so kommt oder nicht kommt, ist noch einmal eine ganz andere Frage, aber es ist jedenfalls aus unserer Sicht schon ernst zu nehmen, dass wir uns der Frage jedenfalls widmen müssen, weil wir offenkundig auf der einen Seite einen stärkeren Schrumpfungsprozess vor uns haben in manchen Regionen, während wir in anderen Regionen eben einen gewissen Wachstumsprozess nach wie vor verzeichnen können, der aber nicht mehr so stark sein wird, wie wir es aus den letzten 150 Jahren Entwicklung in Deutschland kennen. Insofern haben wir uns als Landesregierung bereits 2004 mit der Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ diesem Thema gewidmet. Kernaufgabe dieser Arbeitsgruppe ist die Analyse und Steuerung des demografischen Wandels im Freistaat Thüringen und auch in dieser Legislaturperiode hat die Arbeitsgruppe ihre Arbeit unter Federführung meines Hauses fortgesetzt. Im März vergangenen Jahres haben wir als gemeinsames Projekt meines Hauses und der Stiftung Schloss Ettersburg die Serviceagentur Demografischer Wandel gegründet. Sie ist deutschlandweit einmalig als Verbindungsstelle zwischen der Landesregierung, kommunalen Gebietskörperschaften, Vertretern der Wirtschaft so
wie Vereinen und Verbänden in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Vollzugsebenen konzipiert, weil wir glauben, dass tatsächlich jeder Gesellschaftsbereich vom demografischen Wandel betroffen sein wird und auch im Grunde jedes Politikfeld. Die Serviceagentur versteht sich vor allen Dingen als ein Informations-, Kommunikations- und auch Dienstleistungszentrum. Angesprochen werden insbesondere die im vorliegenden Antrag genannten Akteure und die Entscheidungsträger auf kommunaler bzw. Kreisebene. Ziel ist es, sie im Umgang mit den demografischen Entwicklungen vor Ort zu sensibilisieren und unterstützend zu begleiten. Darüber hinaus ist die Serviceagentur für die Durchführung der demografischen Themenjahre und die damit verbundenen jährlich stattfindenden Demografiekonferenzen verantwortlich. In diesem Rahmen erfolgte auch die Auslobung und Vergabe des Thüringer Zukunftspreises, dessen Erstauflage in diesem Jahr ich als besonders erfolgreich ansehe.
Die Institutionalisierung des Themas „Demografischer Wandel“ zeigt eindrucksvoll, wie Fragen der demografischen Entwicklung mittlerweile Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse in Wirtschaft, Politik und Verwaltung beeinflussen. Dabei geht es nicht allein um die Schaffung neuer Arbeitsgruppen und Diskussionsforen, viel wichtiger ist es, dass wir aus den dort gewonnenen Erkenntnissen und Anregungen die richtigen Schlüsse für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Entwicklung Thüringens ziehen. Aus diesem Grund ist es selbstverständlich, dass die Landesregierung bei der Erarbeitung von Gesetzen, Richtlinien und Programmen mit gutem Beispiel vorangeht und die Folgen ihrer Entscheidungen und Vorschläge stets auch an demografischen Maßstäben misst. Mit dem von der Landesregierung erarbeiteten Demografiebericht liegt eine speziell auf das Thema „Demografischer Wandel in Thüringen“ ausgerichtete Untersuchung vor. Diesen Bericht haben wir in drei Teile gegliedert. Den 1. Teil, den sogenannten statistischen Teil, haben wir bereits letztes Jahr veröffentlichen können. Am Dienstag haben wir die Teile 2 und 3 im Kabinett beraten und anschließend ebenfalls im Internet veröffentlicht. Den Mitgliedern des Ausschusses für Bau, Landesentwicklung und Verkehr haben wir diesen Bericht noch einmal extra übersandt. Die Teile 2 und 3 geben einen Überblick über die wichtigsten Initiativen, Maßnahmen und Förderprogramme der Landesregierung. Der Bericht untersucht sehr sorgfältig die Konsequenzen, die sich aus den Bevölkerungsprognosen ergeben. Darüber hinaus zeigt er Wege auf, wie man mit den demografischen Prognosen verantwortungsvoll umgeht und wie man den Problemen entschlossen begegnen kann. Nennen möchte ich an dieser Stelle beispielhaft die Aktivitäten im Rahmen der Wachstumsinitiativen sowohl im Kyffhäuserkreis als auch im Al
tenburger Land oder die gezielte Förderung kleiner Kommunen im Rahmen der Förderprogramme zum Stadtumbau und zum Wohnungsbau.
Weitere umfangreiche Initiativen und Projekte sind unter anderem die seit Februar 2011 bestehende Mitteldeutsche Demografie-Initiative, die Projekte „Innovationspartnerschaft: Städtenetzwerk Demografie“ der Mitteldeutschen Demografie-Initiative und „Chancenorientiertes Demografiemanagement“ der Serviceagentur im Städtedreieck Saalfeld-Rudolstadt-Bad Blankenburg, die FörderInitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen 2007 bis 2013, die Gründung der Akademie Ländlicher Raum im letzten Jahr, verschiedenste Maßnahmen gegen den Ärztemangel, insbesondere im ländlichen Raum, der Pflegepakt zwischen Landesregierung und Akteuren der Sozialwirtschaft für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftlich angemessene Pflegeversorgung im Freistaat, die Zukunftsinitiative Exzellentes Thüringen zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation, die Neustrukturierung der staatlichen Schulämter und deren Verringerung auf fünf Standorte, das Thüringer Kulturkonzept als Grundlage für die Aufrechterhaltung einer attraktiven Kulturlandschaft, der Ausbildungspakt zwischen Landesregierung, Kammern und Verbänden, der Wirtschaft sowie der Bundesagentur für Arbeit zur Weitentwicklung des Ausbildungsangebots angesichts momentan drastisch sinkender Bewerberzahlen, der Steuerungskreis Fachkräftesicherung sowie die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung, die Thüringer Allianz für Familie und Beruf zur Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen, die Einführung der Feuerwehrrente sowie die Absenkung des Mindesteintrittsalters in die freiwillige Feuerwehr von 10 auf 6 Jahre, die finanzielle Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse, das Thüringer Zentrum für interkommunale Kooperation, das Personalkonzept der Landesregierung bis 2020, die Einsetzung letztlich auch der Expertenkommission, deren Ergebnis wir ja hoffentlich im nächsten Jahr zur Umsetzung von Funktionalund Gebietsreform bekommen werden.
Anhand dieser keineswegs abschließenden Aufzählung sehen Sie, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung das Thema „Demografischer Wandel“ bereits nahezu in allen Politikfeldern bewegt, und dort, wo es möglich ist, leisten wir konkrete Unterstützung, um den mit dem demografischen Wandel verbundenen Problemen auch aktiv entgegenzutreten.
Auch auf Bundesebene spielt der demografische Wandel eine große Rolle. Im April dieses Jahres hat das Bundeskabinett beschlossen, eine Demografiestrategie des Bundes unter dem Titel „Jedes Alter zählt“ zu erarbeiten. Die Erarbeitung wird von einem aktiven Dialogprozess begleitet. Hierfür wurden anlässlich des ersten Demografiegipfels der Bundesregierung am 4. Oktober dieses Jahres
neun Arbeitsgruppen eingerichtet. Ich selbst habe den Co-Vorsitz in der Arbeitsgruppe „Entwicklung eines nationalen Koordinierungsrahmens zur Sicherung der Daseinsvorsorge und der Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft“ übernommen. Ziel ist es, zu den sechs zentralen Handlungsfeldern der Demografiestrategie des Bundes bis zum zweiten Demografiegipfel im Mai 2013 konkrete Lösungen vorzuschlagen. Mit Blick darauf, dass wir in Thüringen bei der Bewältigung des demografischen Wandels schon einiges auf den Weg gebracht haben, ist es daher nur folgerichtig, dass wir auch für Thüringen eine Demografiestrategie erarbeiten. Die Grundlagen dafür haben wir mit dem Demografiebericht gelegt. Mein Ziel ist es, bis Ende des kommenden Jahres eine Demografiestrategie mit konkreten Leitbildern zur Gestaltung des demografischen Wandels für den Freistaat Thüringen auf den Weg zu bringen und vorzulegen. Mit Blick auf die Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas würde ich gerne die Diskussion im Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr zu diesem Bericht fortsetzen. Vielen Dank.
Wünschen die Fraktionen die Aussprache zu diesem Bericht? Also ich muss jetzt mal feststellen, die Fraktion DIE LINKE, die FDP-Fraktion, die CDUFraktion, SPD. Die GRÜNEN auch?
Machen wir ein bisschen mit hier. Dann werden wir die Aussprache zu diesem Bericht zu Nummer II aus dem Antrag jetzt eröffnen und ich rufe als Erste auf für die Fraktion DIE LINKE Frau Dr. ScheringerWright.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit einer kleinen Parabel beginnen. Oma Trude muss heute zum Arzt in die 20 km entfernte ostdeutsche Kleinstadt X. Doch die letzte Buslinie wurde schon vor Jahren eingestellt, zu unrentabel. Glücklicherweise fährt sie der Enkel hin. Aber wie kommt sie zurück? Die Post in dem Heimatort wird bislang immerhin noch zugestellt. So schloss die Kommune mit dem Paketdienst einen Vertrag. Auf dem Rückweg transportiert darum der Paketbote Oma Trude und fünf Bewohner von der Stadt zurück.
Die demografischen Veränderungen in der Fläche erfordern eben Kreativität. So oder so ähnlich könnte das Szenario in der Zukunft aussehen.
Aber sie muss nicht so aussehen, es liegt an uns. Wenn wir die demografischen Prognosen ernsthaft analysieren, ihre Ursachen herausfiltern und sie nicht immer nur als Bedrohung, sondern gar als Chance sehen, könnten wir sogar gute Weichen für die Zukunft stellen.
Für die Bundesrepublik Deutschland werden im Jahr 2060 bei einer angenommenen Zuwanderung von 100.000 Menschen jährlich nur noch 65 bis 70 Mio. Menschen in Deutschland leben, rund 17 Mio. weniger als noch 2010. Übrigens zeigt sich schon allein aus diesen Prognosen, dass wir das Konzept der Zuwanderung völlig neu diskutieren müssen. Davon bin ich fest überzeugt. Deutschland ist eine Gunstregion in der Welt und muss sich öffnen. Dann müssten wir auch keinen Bevölkerungsrückgang beklagen, zumindest nicht über ganz Deutschland gesehen, denn es kann doch nicht sein, dass heute nur Kapital wandern darf, Menschen aber nicht.
So ist es aber gegenwärtig bei diesen Machtverhältnissen und da wird Demografie zur Schimäre, zum Trugbild und Angstbild. Natürlich bleibt die Unterschiedlichkeit in der Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Regionen, denn Landflucht und Urbanisierung ist ein weltweites Phänomen, eines auch in Europa und in Deutschland. Für Thüringen prognostiziert das Landesamt für Statistik für das Jahr 2020 eine Bevölkerungszahl von noch rund 2.027 Mio. Personen
- danke, gut zugehört - 2,027 Mio. Personen. Danke. Ende 2008 waren es noch 2,267 Mio. Personen. Die Leute werden älter. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter nimmt deutlich ab. Aber das ist auch kein neues Phänomen. Der letzte sich komplett selbst reproduzierende Jahrgang war laut Bundesamt für Statistik im Jahr 1892.
Doch was bedeuten diese Daten für die öffentliche Daseinsvorsorge? Ein Problem wird sein, die Infrastruktur kostendeckend in Schuss und überhaupt bereitzuhalten, also Verkehrsnetze, Wasser-/Abwasserleitungen, Energieversorgung, die der Energiewende entspricht, die richtige Zahl gut ausgestatteter Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und Hochschulen sowie Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser und natürlich die öffentliche Verwaltung. Diese Auflistung macht deutlich, die Daseinsvorsorge für eine sich wandelnde Bevölkerungsstruktur ist Querschnittsaufgabe. Zwar zeigen die diversen Demografieberichte und Konzepte sowohl
der Bundesregierung als auch der Landesregierung, dies sei anerkannt, die Probleme umfassend auf und es gibt auch im Einzelfall sinnvolle Vorschläge, zum Beispiel der Ausbau der Breitbandnetze für flächendeckenden Internetzugang, unterm Strich jedoch setzt man allerdings zu einseitig immer nur auf Ehrenamt und Eigenverantwortung. Wo es das gibt, wunderbar, doch als Konzept kann man nicht auf Individuallösungen setzen, deren Gelingen davon abhängt, dass die Leute auch mitziehen können. Aber bevor man Lösungsvorschläge präsentiert, sollte man nicht nur die Zustände schildern, sondern in erster Linie die Ursachen für die Zustände benennen. Daran hapert es in gewaltigem Maße. Denn ihre Benennung wirft ein bezeichnendes Licht auf eine im Großen und Ganzen verfehlte Politik.