Protokoll der Sitzung vom 20.09.2013

(Beifall SPD)

Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich somit die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags, gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Wir beginnen mit der Abgeordneten Hitzing von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Herr Professor Merten, herzlichen Dank für den Sofortbericht, der ja sehr umfänglich war, wirklich sehr umfänglich war. Nach diesem Sofortbericht müsste man ja tatsächlich davon ausgehen, dass es dieses Antrags nicht bedurft hätte, weil ja alles wunderbar ist in Thüringen. Das ist zumindest das Ergebnis.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Das ist aber grundsätzliche Regierungsauf- fassung.)

Ja. Also ganz so sehen wir das nicht und deshalb gibt es ja Gott sei Dank die Aussprache.

Meine Damen und Herren, das kam jetzt natürlich schon in dem Sofortbericht zum Ausdruck, da unterstütze ich Sie vollkommen, musikalische Erziehung tut Kindern und Jugendlichen gut.

(Beifall FDP)

Das ist ganz wichtig. Das Fach Kunst ist für die Schüler eine unmittelbare sinnliche Erfahrung, Hand, Auge, Motorik und natürliche Kreativität spielen hier zusammen und müssen aufeinander abgestimmt werden. Musikunterricht verbessert nicht nur das musikalische Verständnis - im besten Falle führt es auch dazu, dass Kinder sich dafür interessieren, ein Musikinstrument zu erlernen -, sondern es stabilisiert auch das Verständnis in anderen Gebieten des Wissens oder der Wissenserlangung. Recht bekannt ist an der Stelle die Erkenntnis, dass die musikalische Ausbildung Kindern auch hilft, zum Beispiel mathematische Zusammenhänge

(Staatssekretär Prof. Dr. Merten)

besser zu verstehen. Das ist ganz einfach, wenn man sich mit Noten beschäftigen muss mit ganzen, halben, Viertel- und Achtelnoten zum Beispiel, da geht es schon los.

Also musikalische Ausbildung, künstlerische Ausbildung ist ausgesprochen wichtig und ist ein wichtiger Teil in der allgemeinen Ausbildung unserer Kinder, bei manchen sogar wichtig für die Zukunftsplanung.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und es geht immer um Taktgefühl.)

Und Takt ist da auch noch ganz viel dabei, da haben Sie recht, Frau Siegesmund.

Ein Musikinstrument zu lernen, erfordert zudem natürlich auch noch große Anstrengung. Gerade wenn man sich überlegt, in welchem Alter Kinder beginnen, ein Musikinstrument zu lernen, dann ist das für diese Jugendlichen und Kinder natürlich eine große Herausforderung, denn man muss sehr viel eigene Disziplin an den Tag legen, man muss üben, man muss dranbleiben, man muss sich auch lange mit dem Thema beschäftigen. Das ist natürlich eine Herausforderung, die den Kindern auch hilft, bestimmte Schwierigkeiten zu meistern und zu erlernen, dass bestimmte Sachen nur mit ganz viel Fleiß und Arbeit zu realisieren sind. Es ist deshalb ganz erfreulich, dass trotz der schwierigen Rahmenbedingungen die Zahlen der Schüler an den kommunalen Musikschulen in den letzten Jahren etwa in gleicher Zahl geblieben sind. Denn die wirtschaftliche Lage - und jetzt kommen wir zum Kern des Antrags - ist tatsächlich problematisch. Das Durchschnittseinkommen der Musikschullehrer, die zu 60 Prozent als freie Mitarbeiter tätig sind, liegt in Deutschland bei 12.400 € und das liegt auch daran, das wurde erwähnt, dass die kommunalen Träger, die hier in der Verantwortung stehen, sich angesichts ihrer Finanzausstattung häufig gezwungen sahen, ihre Förderung für die Musikschulen zurückzufahren. Dann sind wir schon wieder beim Haushaltsthema.

Viele Dinge können die Kommunen ganz einfach nicht mehr stemmen, weil notwendige fiskalische Voraussetzungen nicht mehr so gegeben sind, wie es versprochen wurde und wie man es immer wieder darstellt, aber zum Schluss, wenn es am Ende um die Bezahlerei geht, sind die Kommunen eben allein und können viele Dinge einfach so nicht mehr stemmen.

(Beifall FDP)

Der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde direkt im Anschluss an die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Frau Abgeordneten Dr. Klaubert gestellt mit dem Titel „Situation der Lehrkräfte an Musik- und Jugendkunstschulen in Thüringen“. Die berufliche Situation der

Musikschullehrer, die nun folgerichtig im Antrag beschrieben wird, entspricht tatsächlich dem, was man aus Gesprächen von Betroffenen regelmäßig mitbekommt. Laut Antwort der Landesregierung waren 2012 an den Musikschulen in kommunaler Trägerschaft über 68 Prozent der Lehrkräfte auf Honorarbasis angestellt. Man kann davon ausgehen, dass der Stundensatz für die Bezahlung im Durchschnitt sehr niedrig sein dürfte in Anbetracht der Zahl, die ich vorhin nannte. Der Antrag der Linken bezieht sich aber nicht nur auf die Musik- und Jugendkunstschulen, sondern auch auf die Situation der musischen Fächer in den allgemeinbildenden Schulen. Herr Staatssekretär hat ausgeführt, wie wichtig die musikalische und künstlerische Ausbildung in allgemeinbildenden Schulen ist und auch wie prekär die Situation ist, wenn es um das Fachpersonal, also die ausgebildeten Pädagogen geht.

Dass Musikunterricht in den Schulen in den letzten Jahren zunehmend ausfällt oder vertreten werden muss, wurde zu verschiedenen Gelegenheiten von Eltern und auch hier im Landtag zu Recht beklagt. Die Landesregierung greift mangels anderer Zahlen natürlich auf die Schulstatistik zurück. Bei der Schulstatistik muss ich Ihnen sagen, es ist nicht nur der Lehrerverband, der hier der Auffassung ist, dass das wahre Ausmaß des Unterrichtsausfalls nicht deutlich zum Tragen kommt.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Thüringer Lehrerverband hat ganz andere Zahlen und benutzt auch Worte wie „verschleiert“, weil man sich manche Sachen einfach auch schönrechnen kann.

(Beifall FDP)

Dieser Verdacht ist bis zum heutigen Tage nicht hundertprozentig ausgehebelt oder ausgelöscht worden. Für mich gibt es da auch einige Fragen, wenn es um die Schulstatistik bei Ausfallstunden geht, weil ich schon denke, dass eine Unterrichtsstunde, die ausfällt, weil kein Pädagoge vor Ort ist, auch dann eine ausgefallene Stunde bleibt, wenn zwei Klassen nebeneinander in Räumen sitzen und von einem Pädagogen betreut werden.

(Beifall FDP)

Ich denke auch, Ausfallstunden sind Stunden, die man so zählen muss, wenn Kinder/Jugendliche zu Hause bleiben mit einer Aufgabenstellung und das Ganze zu Hause machen und dann gesagt wird, es ist kein Stundenausfall. Da bin ich ganz anderer Meinung.

(Beifall FDP)

Ich glaube, unsere Kinder haben schon ein Recht, Unterricht in der Schule zu erhalten und das mit einem ausgebildeten Pädagogen. Deshalb sage ich, die Schulstatistik haben Sie herangezogen, aber die ist nur die Spitze des Eisbergs und nicht die

komplette Wahrheit. Aber mithilfe der Schulstatistik ist in der Antwort deutlich geworden, dass im letzten Schuljahr 1.101 Stunden ausgefallen sind gegenüber 646 Stunden in den Jahren 2008/09, also eine Verdoppelung des Stundenausfalls von 2008/09 bis heute. Und das, was wir da an Vertretungen sehen, waren leider nicht immer fachgerechte Vertretungen, im Grunde genommen ein geringer Teil. Vor allem bei längerer Dauer fällt den Schulen eine fachgerechte Vertretung schwer, bei längerer Krankheit oder Ausfall etc. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass es wenig Musiklehrer in Thüringen gibt, das ist auch von Herrn Staatssekretär Prof. Merten ganz deutlich gesagt worden. Über Unterrichtsausfälle im Fach Kunst wird auch geredet, aber weniger, nicht so deutlich. Auch hier zeigt die Antwort der Landesregierung, dass wir in Thüringen ein größeres Problem haben. Zwar sind die Zahlen bei Ausfall und Vertretung etwas zurückgegangen, auch bei den Kunstlehrern. Sie sind aber immer noch um die Hälfte höher als das im Jahr 2008/2009 der Fall war.

Es scheint natürlich nahe liegend, dass Lehrerpersonal aus den Musikschulen und den Jugendkunstschulen an den allgemeinbildenden Schulen mit eingesetzt werden kann. Das soll, das sagt der Antrag, zumindest geprüft werden und ich denke, das ist auch richtig. Sie haben gesagt, Musiker haben auch eine gewisse Art und Weise, mit Menschen umzugehen und werden das sicherlich auch meistern, das Thema „Geld statt Stellen“. Ich bin aber andererseits auch der Meinung, es kann nur eine Krücke sein. Denn wenn wir alles über „Geld statt Stellen“ regeln könnten und alle Ausfallstunden so regeln könnten und mit Quereinsteigern arbeiten können, dann muss sich doch logischerweise irgendwann einmal jemand die Frage stellen: Wozu brauchen wir eigentlich ein Pädagogikstudium, wenn das alle anderen auch können?

(Beifall FDP)

Also, das kann nur eine Krücke sein und das kann nur eine Übergangslösung sein, aber es kann nicht die Lösung für immer sein. Für einen kurzfristigen Einsatz auf alle Fälle, aber, wie gesagt, keine Dauerlösung.

Wenn ich die Antwort der Landesregierung auf die Frage von Frau Dr. Klaubert richtig verstanden habe, ist es im Moment aber auch möglich, dass studierte Musikpädagogen und Künstler als Seiteneinsteiger in den Vorbereitungsdienst gehen können, also ihren Abschluss als erstes Staatsexamen anerkennen lassen, Sie sagten das. Dann muss aber ein zweites Staatsexamen abgelegt werden. Sie müssen sich dann, wenn sie längerfristig in dem Musiklehrerberuf bleiben wollen, entsprechend qualifizieren. Das kann ich nur unterstützen.

Leider wurden im Antrag der Fraktion DIE LINKE die privaten Musikschulen und die freiberuflichen

Musikpädagogen vielleicht vergessen oder übersehen. Wir haben dazu einen Änderungsantrag gestellt und Sie haben den gestern Morgen auf unsere Bitte hin auch zugelassen. Dabei geht es uns darum klar zu machen, dass auch private Musikschulen und Musikpädagogen eine sehr wichtige Arbeit leisten für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen. Im Grunde genommen ist die Leistung identisch und vergleichbar mit den kommunalen oder freien Musikschulen, aber überhaupt nicht Thema gewesen in diesem Antrag. Wir wären hier sehr froh, wenn man die Tätigkeit, sagen wir es ruhig, der freien Träger hier auch würdigen würde und auch hochhält, weil sie eine wichtige Arbeit machen.

(Beifall FDP)

Es gibt verschiedene Projekte. Für uns ist Qualität wichtig, die Qualität der Ausbildung ist wichtig, nicht unbedingt der Träger von vornherein, sondern Qualität. Wir haben das auch schon von verschiedenen Musikschulen gehört, dass sie sich sowohl an ihren eigenen Inhalten und ihren eigenen Prämissen orientieren als auch an den Notwendigkeiten der Unterrichtsinhalte, gerade wenn es um das Erlernen von Instrumenten und auch musiktheoretischen Dingen geht. Deshalb werbe ich für Zustimmung auch zu unserem Änderungsantrag, um auch den Musikschulen in privater oder freier Trägerschaft zu signalisieren, dass diese Arbeit und diese Leistung gesellschaftlich genauso hoch geschätzt werden wie die von kommunalen Musikschulen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letztes Wort, Herr Prof. Merten hat die „JeKi-Schulen“ hier in Thüringen angesprochen - jedem Kind ein Musikinstrument. Diese Projekte gibt es auch in Sachsen und Nordrhein-Westfalen, dort in noch viel größerem Ausmaß, also bundeslandweit. Die sind zum Teil mit Anlaufschwierigkeiten verbunden, aber wenn man sich grundsätzlich ansieht, wie das Ergebnis ist, die Evaluation, dann kann man schon sagen, das ist der richtige Weg. Musikalische Ausbildung, künstlerische Ausbildung fördert die Kreativität unserer Kinder und Jugendlichen und vor allem fördert es natürlich auch die Leichtigkeit beim Denken. Und die ist absolut wichtig, wenn wir uns junge Leute weltoffen erziehen wollen und ihnen helfen wollen, für ihr späteres Leben erfolgreich zu sein. Herzlichen Dank.

Wir werden als Fraktion der FDP diesen Antrag unterstützen und freuen uns, wenn Sie den Änderungsantrag der FDP-Fraktion auch unterstützen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete. Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung.

Danke, Herr Präsident. Mit großem Bedauern stelle ich wieder fest, dass die Landesregierung keinen Anteil an der Debatte hier im Thüringer Landtag hat. Demzufolge möchte ich entsprechend § 34 wieder ein Mitglied, was jetzt gerade reingerannt ist, ein Mitglied der Landesregierung, hier an der Debatte beteiligt wissen. Danke.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie müssen immer rennen.)

Ich glaube, mit dem Hereinkommen der Ministerin hat sich dieser Antrag erledigt. Gut. Dann fahren wir in der Tagesordnung fort. Als Nächster hat das Wort der Angeordnete Döring von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Sofortbericht hat der Staatssekretär an vielfältigen Beispielen deutlich gemacht, wie es in Thüringen gelingt, für Kinder und Jugendliche Teilhabeoptionen an Kunst, Kultur und kultureller Bildung zu eröffnen und zu erschließen. Ich muss das hier nicht alles wiederholen. Hervorheben möchte ich allerdings noch einmal die gute Arbeit der Kulturagenten an den Schulen und das Wirken der Projektmitarbeiter im jugendkulturellen Bereich. Ich habe die Tätigkeit des Lesezeichen e. V. intensiv begleitet. Hier, meine Damen und Herren, wird wirklich eine hervorragende kulturelle Arbeit für Kinder und Jugendliche geleistet.

Meine Damen und Herren, der Staatssekretär hat auch deutlich gemacht, wie er den Stundenausfall in den musischen Fächern minimieren will. Er hat die Probleme, die es dabei zu lösen gilt, benannt und wie sich die Kooperation zwischen allgemeinbildenden Schulen sowie den Kunst- und Musikschulen entwickelt und welche Möglichkeiten sich durch das Modell „Geld statt Stellen“ für die Schulen eröffnen.

Wenn ich vor diesem Hintergrund Ihren Antrag, meine Damen und Herren von den Linken, auf den rationalen Kern reduziere, bleibt eine Grundforderung übrig: Das Land stellt mehr Geld zur Verfügung und dann wird automatisch alles gut.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Käse.)

Meine Damen und Herren, aber so einfach dürfen wir es uns nicht machen und so einfach, liebe Frau

Kollegin Klaubert, funktioniert das auch nicht. Wenn wir die Qualität der kulturellen Bildung weiterentwickeln wollen, müssen wir folgende Fragen beantworten: Wie können wir kulturelle Bildung noch breiter vernetzen und tiefer verankern und noch mehr in die Fläche bringen? Das ist eine entscheidende Frage. Wie können wir die systematische Zusammenarbeit des Landes mit den Gemeinden in der täglichen Praxis verbessern? Wie können wir auf regionaler Ebene erreichen, dass verbindlich eine gemeinsame Planung von Kulturförderung, Schulverwaltung und Jugendhilfe erfolgt? Da sind die Probleme und da müssen wir uns intensiv einbringen. Wir haben mit dem Landeskulturkonzept hier ein wirksames Instrument. Auf der Grundlage dieses Konzeptes können wir einen landesweiten Rahmen entwickeln - und das ist notwendig -, der die Handlungsziele aus den Bereichen Kultur und Bildung noch stärker zusammenführt und auch die Teilhabe in der Fläche stärker in den Fokus nimmt. Ein wichtiger Ansatz dabei sind die überörtlichen Kulturentwicklungspläne. Ziel ist ja hier die Entwicklung von überregionalen Verbünden und kooperativen Partnerschaften, in die sowohl kommunale Einrichtungen als auch freie Träger einbezogen werden. Mit den Modellregionen ist der Weg hier vorgezeichnet. Wir müssen diesen Weg konsequent weitergehen und die kulturelle Bildung dabei intensiv einbeziehen. Auch die Anregung des Kulturkonvents Sachsen-Anhalts, einen Kooperations- und Innovationsfonds zu schaffen und die Bildung von Netzwerken und Kooperationen noch stärker zu fördern, ist für mich überlegenswert und diskussionswürdig.