Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

(Minister Dr. Voß)

Wir kommen zum zweiten Überweisungsantrag, nämlich den gleichen Gesetzentwurf an den Justizund Verfassungsausschuss zu überweisen. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion. Ich frage nach den Stimmenthaltungen. Es gibt eine. Demzufolge stelle ich fest, dass auch diese Ausschussüberweisung abgelehnt worden ist.

Ich schließe die Tagesordnungspunkte 10 a und b und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Thüringer Gesetz zur Bekämpfung von Korruption (Thürin- ger Antikorruptionsgesetz - ThürAntiKorrG -) Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/6717 ERSTE BERATUNG

Als Erster möchte der Abgeordnete Blechschmidt für die Fraktion das Wort zur Begründung nehmen. Bitte, Herr Blechschmidt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, warum ein Antikorruptionsgesetz in Thüringen? Ist das nicht exotisch? Nein, ist es nicht. Auch in Thüringen gab es schon Lobby- und Finanzaffären, die den Beigeschmack des Korruptionsverdachts an sich hatten. Ich nenne die CD Suhl-Albrechts, kurz PilzAffäre, das Dom-Hotel Erfurt und das CCS in Suhl des Herrn B., hier gab es auch einen Untersuchungsausschuss der letzten Legislaturperiode, genauso wie zum Flughafen Erfurt oder jüngst auch die sogenannte Beschaffungsaffäre um blaue Autos.

Ausgehend von den Vorgängen um die Beschaffungsaffäre gab es aus den Reihen der Linken eine Anfrage zur Arbeit des Antikorruptionsbeauftragten in der Thüringer Verwaltung. Davon abgesehen, dass sie nicht so umfassend beantwortet wurde, wie es sachgerecht notwendig gewesen wäre, gaben die Antworten doch genügend Stoff zur weiteren kritischen Beschäftigung mit diesem Thema. Denn, um nur einige Punkte zu nennen, gibt es bisher nur eine Richtlinie von August 2002, auf deren Grundlage gearbeitet wird. Eine Richtlinie hat aber Schwächen, weil nur verwaltungsinternen Bindungscharakter. Es gibt zum Beispiel nicht flächendeckende Antikorruptionsbeauftragte. Obwohl die Richtlinie für entsprechende Stellen ein Rotationsprinzip festschreibt, gab es zum Zeitpunkt der Beantwortung im März 2013 noch eine Reihe von An

tikorruptionsbeauftragten, die laut Aufstellung seit 2003 bzw. 2004 im Amt sind. Nicht einmal die notwendige Stellenrotation in korruptionsgefährdenden Bereichen wird aus dieser Antwort ersichtlich. Hinzu kommt, dass die Korruptionsbeauftragten laut Antwort der Landesregierung nicht unabhängig und weisungsungebunden arbeiten, sondern vielmehr ihren Auftrag von Behördenleitern bekommen. Artikel 6 der UN-Konvention gegen Korruption verlangt aber ausdrücklich eine unabhängige Stellung dieses Beauftragten.

Meine Damen und Herren, laut Antwort sind in Thüringen im Zeitraum 2009 bis 2012 nur acht Korruptionsverdachtsfälle aufgetreten. Im Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamts sind aber für Thüringen im Jahr 2010 vermerkt 79 Delikte und 18 Ermittlungsverfahren und für das Jahr 2011 sind es 351 Delikte und 27 Verfahren aus dem Bereich Korruption. Hier ist schon, abgesehen von der hohen Dunkelziffer, von der Fachleute ausgehen, eine entsprechende Diskrepanz sichtbar.

Meine Damen und Herren, mit der weiteren Diskussion zum Gesetzentwurf soll daher auch geklärt werden, welche Verbesserungen bei der Stellenausgestaltung, den Handlungsbefugnissen, den Aufgabenstellungen, den Arbeitsprinzipien für die Antikorruptionsbeauftragten und deren Arbeit notwendig sind, damit auch in Thüringen eine starke aktive Antikorruptionsarbeit geleistet werden kann und wie mit Transparenz Korruptionsgefahren bekämpft werden können, Stichwort Zuverlässigkeitsregister und Transparenzregister. Dazu gehört auch, mittels einer verbindlichen gesetzlichen Grundlage, und ich betone gesetzlichen Grundlage, und verbunden mit Überprüfungsmechanismen sicherzustellen, dass sinnvolle Prinzipien wie die Trennung von Bedarfsfeststellung und Mittelbewilligung oder das Mehraugenprinzip verbindlich eingeführt bzw. endlich Verwaltungsalltag werden.

Ein wichtiger Baustein, den der Gesetzentwurf vorsieht, ist eine flächendeckende Korruptionsgefährdungsanalyse in allen öffentlichen Stellen, die auch kontinuierlich fortgeschrieben werden soll. Damit sollen die strukturell korruptionsgefährdenden Bereiche bestimmt werden. Nicht zuletzt sollten auch die Stellen eines Landesantikorruptionsbeauftragten geschaffen werden, der beim Landtag angesiedelt unabhängig und weisungsfrei und in eigenständigen Strukturen arbeitet. Dieser Beauftragte soll auch Anlaufstelle sein für Menschen aus Thüringen, die in einem geschützten Rahmen Hinweise auf Korruptionsfälle geben möchten. Beschäftigte, die sich für Antikorruptionsarbeit engagieren, erhalten nach dem Gesetzentwurf Schutzrechte. Diese Schutzrechte sind notwendig, um die Mauer von Angst und Repressionsfurcht zu durchbrechen.

Nach all den, ich hoffe, deutlich gewordenen Argumenten zur Sicherstellung einer wirksamen Antikor

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

ruptionsarbeit ist das auch für Thüringen ein Thema. Daher sollte der Gesetzentwurf unter Hinzuziehung von Expertenverstand in den Ausschüssen breiter diskutiert werden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Gentzel auf.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, Korruption ist eines der Grundübel in unserer Gesellschaft.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer sich korrumpiert, also im lateinischen Sinne des Wortes bestochen wird, Vorteile annimmt oder gewährt, der missbraucht seine Vertrauensstellung in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik oder eben leider auch in nicht wirtschaftlichen Vereinigungen und Organisationen, um einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlicher Anspruch besteht. Dies gehört bekämpft.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

In diesem Sinne sind wir uns hier im Plenum wohl alle einig. Auf welchem Weg wir die Korruption bekämpfen, darüber lässt sich aber trefflich streiten. Bereits in ihrem Regierungsprogramm 2009 hat die Thüringer SPD klar gefordert, Korruption und Wirtschaftskriminalität wirksam zu bekämpfen. Das war und ist angesichts der vielen Affären geboten gewesen, ich will das nicht noch mal aufzählen, über Pilz und Casino und Flughafen, das hat mein Vorredner getan. Wir Sozialdemokraten haben bereits 2009 gefordert, die Arbeit der Staatsanwaltschaft Mühlhausen durch eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Gera zu ergänzen und ein zentrales Korruptionsregister aufzubauen.

(Beifall SPD)

Unser Ziel: Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Mittel und Aufträge auszuschließen, die Subventionsbetrug begehen, Kartellabsprachen vornehmen oder Schwarzarbeiter beschäftigen.

(Beifall SPD)

Leider wurden diese klaren Forderungen in den Regierungsverhandlungen Ende 2009 abgeschwächt. So gibt es nur noch einen Prüfauftrag, der vereinbart wurde, ob die Einführung eines Korruptionsregisters in Thüringen sinnvoll ist. Die Erfahrungen aus Baden-Württemberg, Berlin und NordrheinWestfalen sollten eingeholt werden, die Wirtschaftsprüfgruppe der Staatsanwaltschaft Mühlhausen

sollte darüber hinaus vorrangig ausgebaut werden. Der Justizminister hat in den letzten Jahren dafür Sorge getragen, dass Letzteres geschehen ist. Die Wirtschaftsprüfgruppe der Staatsanwaltschaft Mühlhausen wurde personell aufgestockt und wird durch zusätzliche Stellen noch weiter ausgebaut. Die notwendigen Schritte wurden durch den Justizminister Poppenhäger eingeleitet. Nach meinem Kenntnisstand hat es auch bereits eine Prüfung zur Einführung eines Korruptionsregisters in den Ministerien für Justiz und Wirtschaft gegeben. Leider scheint es im Kabinett in dieser Frage erheblich zu haken. Vielleicht hilft es ja, dass wir nun den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE auf dem Tisch haben und damit auch in den Ausschüssen, um zu vorzeigbaren Ergebnissen zu gelangen. An dieser Stelle möchte ich offenlassen, ob wir den Weg hin zu einem Korruptionsregister weiter allein, also hier in Thüringen, bestreiten wollen oder besser die Einführung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene oder der europäischen Ebene durch entsprechende Initiativen auf den Weg bringen wollen. Die notwendigen Ausschussberatungen werden uns hier sicherlich helfen, eine sinnlose - Entschuldigung - sinnvolle Lösung zu finden.

(Heiterkeit im Hause)

Ich schaue immer auf den Abgeordneten Mohring und da fällt mir immer sinnlos ein, ich weiß auch nicht.

(Heiterkeit im Hause)

Wie Sie sehen, sind durch die Regierung schon grundlegende Dinge auf den Weg gebracht worden. Ich zähle dazu auch den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD zur Offenlegung von Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften von Abgeordneten des Landtags, der bereits im Justizund Verfassungsausschuss beraten wird.

Letztlich sei noch darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE nicht wirklich um ein Eigenprodukt handelt, sondern das Copyright dafür liegt wohl in Nordrhein-Westfalen. Daneben, das will ich auch sagen, oder dazu hat die Linke viele zusätzliche bürokratische Hürden eingebaut, die bei einer ersten kurzen Bewertung dieses Gesetzes Zweifel lassen, ob dies in der Menge alles so sinnvoll ist. Die SPD-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs zur weiteren Beratung federführend an den Innenausschuss und begleitend an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Danke.

(Beifall SPD)

Ich rufe für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Abgeordneten Adams auf.

(Abg. Blechschmidt)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste aus dem Eichsfeld, das Antikorruptionsgesetz, das die Linke heute hier vorlegt, ist ein ganz wichtiger Debattenbeitrag. Herr Gentzel hat das, glaube ich, eben auch deutlich gemacht. Ich bin froh, dass Sie vor mir gesprochen haben und wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie schon erklärt, dass Sie auch dafür stimmen werden als SPD-Fraktion, dieses Gesetz an den Ausschuss zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: In zwei Ausschüsse sogar.)

Sogar in zwei Ausschüsse, das ist förmlich doppelt plus gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist hervorragend, denn das ist wichtig, dass wir uns dieser Debatte stellen. Nach Linke, SPD kann ich jetzt auch für die Grüne erklären, dass wir mehr gegen Korruption machen müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen das auch, wir wollen das als Grüne vor allen Dingen im Strafgesetzbuch härter bestrafen, härter unter Strafe stellen und das Strafgesetzbuch in den Sachverhalten hier ausweiten, um der Korruption wirklich etwas entgegenzusetzen. Denn bei Korruption geht es um viel Geld, das der Allgemeinheit entzogen wird, viel Geld, das für die Öffentlichkeit und den Staat dann nicht mehr zur Verfügung steht, und es ist kein Kavaliersdelikt. Herr Kollege Gentzel hat eindringlich darauf hingewiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, landesund bundesweit benötigen wir ein Korruptionsregister, ähnlich wie das auch von meinen Vorrednern vorgeschlagen wurde. Ganz persönlich jedoch habe ich einen großen Zweifel darin, ob wir so weit gehen sollten, Lobbyismus und Korruption sofort erst einmal in einem Atemzug zu nennen und auch beides gleichzusetzen.

Meine Damen und Herren, wir werden sehr darüber diskutieren müssen, wie dieses Korruptionsregister aussehen soll. Persönlich stehe ich da durchaus auch mit der Beschlusslage in meiner Partei, eben was den Lobbyismus angeht, sehr auf Kriegsfuß. Denn machen wir es doch einmal praktisch: Ist es denn verwerflich gewesen, dass gestern die freiwilligen Feuerwehren dafür lobbyiert haben, Brandmelder in Thüringen verpflichtend einsetzen zu wollen? Stand uns denn da die Lobbygruppe der Brandmelderindustrie gegenüber? Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht so.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Die Feuerwehr war da.)

Frau Kollegin, die Feuerwehr war da gewesen, aber die Feuerwehr war natürlich da gewesen und hat uns als Politikern eindringlich ins Stammbuch ge

schrieben, dass die neue Bauordnung nicht durchgehen darf, ohne nicht verpflichtend den Einsatz von Brandmeldern hier festzuschreiben

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und keine jahrzehntelangen Übergangsfristen, so wie es diese Landesregierung vorhat, zuzulassen, weil es nämlich um Menschen geht. Das ist ein absolut nicht nur akzeptabler, sondern ein zu befürwortender Lobbyismus, das machen die gut, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder ist es denn verwerflich, dass Frau Kollegin Leukefeld eine ganz klar anerkannte Lobbyistin der Gemeinde Oberhof ist? Das ist doch in Ordnung. Sie setzt sich für diese Gemeinde ein und da gibt es Kollegen fast in jeder Fraktion, die das machen. Sie sind Lobbyisten für ein gutes Ziel. Da kann man nichts dagegen haben und deshalb sollten wir beides nicht in einem Atemzug nennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch nicht ehrenrührig, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ein Unternehmen, das von seinem Produkt, von seinem Verfahren überzeugt ist, dafür im politischen Raum wirbt. Verwerflich wird es allerdings, wenn Parteien viel Geld bekommen - Millionenspenden nennen wir es mal -, um dafür dem Spendengeber Milliardengewinne oder Steuerersparnisse zu ermöglichen, wie dies geschehen ist. Das ist verwerflich, meine sehr verehrten Damen und Herren, und dagegen wollen wir uns deutlich wenden.

(Unruhe CDU)