Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kuschel von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Ergänzung dessen, was meine Fraktionskollegin Sabine Berninger hier schon in der Begründung gesagt hat, möchte ich auf einige Aspekte eingehen, die hier in der Diskussion eine Rolle gespielt haben - zunächst, was Herr Kellner angesprochen hat hinsichtlich der Amtsstubensammlung. Ist die Amtsstubensammlung tatsächlich eine Alternative zur freien Sammlung auf der Straße? Formalrechtlich ja, denn sie stehen gleichberechtigt im Gesetz. Aber wer sich mit der Materie, dem Anliegen dieses Instrumentes der direkten Bürgerbeteiligung beschäftigt, wird zu der Einschätzung kommen, dass die Amtsstubensammlung eben nicht geeignet ist, weil der Wert eines Bürgerbegehrens der Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern ist, dass also die Initiatoren bei der Sammlung der Unterschriften mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen. Das ist der Wert, unabhängig davon, ob das Begehren zum Schluss erfolgreich ist. Diese Diskussion brauchen wir. Sie findet aber nicht in Amtsstuben statt, sondern da gehen die Leute nur hin und würden unterschreiben. Jetzt kommen wir dazu: Warum hat der Gesetzgeber es versäumt, die Kostenfrage bei der Amtsstubensammlung und bei der freien Sammlung analog zu regeln? Denn bei der Amtsstubensammlung trägt die Gemeinde alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Unterschriftensammlung entstehen. Bei der freien Sammlung, wenn sie in der Form einer Sondernutzung stattfindet, müssen die Initiatoren diese Kosten tragen. Das halten wir für nicht gerechtfertigt. Das nur in Ergänzung zu den demokratietheoretischen Ansätzen, die hier insbesondere von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch von der FDP angesprochen wurden, dass man gesagt hat, schon aus demokratietheoretischem Ansatz heraus muss das eigentlich alles gebührenfrei sein, weil sehr niederschwellig. Ich bin bei vielen Initiativen dabei und eines steht fest: Keine Initiative für ein Bürgerbegehren kommt heute ohne finanzkräftige Partner im Hintergrund aus.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: So ist es.)

Das sind meist Parteien, Gewerkschaften, Verbände. Das ist so, weil die Kosten schon allein für die Rechtsberatung „weglaufen“, weil wir das Verfahren

(Abg. Bergner)

derart verkompliziert haben, dass im Grunde genommen ohne Rechtsberatung normale Bürgerinnen und Bürger sich überhaupt nicht auf den Weg machen können, ein solches Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen.

Hinsichtlich des Ermessens, da will ich noch mal darauf verweisen, ist es eben fraglich, ob die Gemeinden überhaupt ein Ermessen haben in der jetzigen Situation. Die Rechtsaufsichtsbehörden drängen nämlich darauf, dass die Gemeinden ihre Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen,

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Wer keinen Haushalt hat, kann nicht helfen.)

und haben dieses Feld der Sondernutzung auch erkannt als ein Potenzial, um Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Herr Hey hat sicherlich recht, gegenwärtig sprechen wir noch von Einzelfällen, aber ich befürchte, dass aufgrund dieser Einzelfälle, wo nachgewiesen wird, es geht, die Initiatoren kommen schon irgendwie hin, dass es dann zu einer Flächenanwendung kommt eben aufgrund der Finanzlage. Jetzt wurde gesagt, hat Herr Kellner gesagt, die Gemeinden vor Ort entscheiden, die Gemeinderäte usw. Das können sie eben nicht, denn über die Umsetzung Sondernutzung und die Frage, ob für die Sondernutzung Gebühren anfallen oder nicht, entscheidet ausschließlich die Verwaltung ohne Beteiligung des Gemeinderates. Der Gemeinderat kann in der Satzung definieren, was eine Sondernutzung ist, aber der Vollzug der Satzung, der Vollzug der Sondernutzung obliegt der Verwaltung und insofern machen die das ausschließlich. Die kommunalen Mandatsträger können das vielleicht im Gemeinderat thematisieren, aber sie haben keine direkte Mitwirkungsmöglichkeit.

Meine Damen und Herren, jetzt wurde angesprochen, wir wollen das den Gemeinden überlassen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir für andere Bevölkerungsgruppen und andere Strukturen die Gebührenfreiheit im Gesetz vorgeschrieben haben, auch für die Gemeinden, zum Beispiel für die Religionsgemeinschaften und Kirchen. Die unterliegen einer grundsätzlichen Gebührenfreiheit; egal ob sie eine Baugenehmigung beantragen oder eine Sondernutzung, Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen grundsätzlich keine Gebühren bezahlen. Ich habe bisher von niemandem hier im Haus vernommen, dass das infrage gestellt wird, dass wir dann angeblich zu sehr in die Kompetenz der Gemeinden eingreifen, sondern das müssen eben die Gemeinden ertragen, weil sie auch eine Säule der kommunalen und staatlichen Daseinsvorsorge sind. Offenbar ist es politisch, gesellschaftlich gewollt, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften von Gebühren befreit bleiben. Das teilen wir grundsätzlich, wobei wir manchmal sagen, es gibt inzwischen auch kirchliche Unternehmen, die agieren wie Unternehmen, da kann man über die Gebührenfreiheit

eigentlich diskutieren - das ist aber jetzt nicht Gegenstand. Aber wir sagen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aufmachen, ein Bürgerbegehren zu initiieren, muss alles getan werden, sie zu unterstützen und nicht sie gegebenenfalls zu blockieren.

Ich bin dem Vertreter der FDP dankbar, dass er hier die Ausschussüberweisung schon beantragt hat, das machen wir natürlich als Antragsteller auch, an den Innenausschuss. Für die von Ihnen angesprochenen rechtstechnischen Probleme ist tatsächlich der Ausschuss eher geeignet, diese zu besprechen.

Eine letzte Anmerkung: Dass tatsächlich die Gefahr besteht, dass zunehmend Gemeinden diese freien Sammlungen als Sondernutzung definieren, macht auch die Aussage von Herrn von der Krone deutlich. Der hat gesagt, das machen die Gemeinden richtig, die das machen, weil dadurch auch die Durchführung der Begehren erschwert wird. Da sollten wir eingreifen, und zwar rechtzeitig. Danke.

(Unruhe CDU)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ist das ein Wunsch auf Nachfrage? Herr Abgeordneter Kuschel, es gibt den Wunsch auf eine Nachfrage. Bitte, Herr Kellner.

Herr Kuschel, ich hatte das ja vorhin schon mal angesprochen. Vielleicht können Sie uns erklären, wie viele Initiatoren aufgrund dieser Gebühren ihre Initiative nicht durchgeführt haben, keine Sammlung durchgeführt haben. Wie viele Fälle sind Ihnen da bekannt, die aufgrund dieser Gebühren, die sie ja bezahlen müssen, ihre Sammlung nicht durchgeführt haben?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hunderte, Tausende.)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das fangen wir gar nicht erst an.)

Also ich danke für die Frage. Ich werde es zum Gegenstand einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung machen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber nicht, Herr Rieder, dass Sie sich dann wieder beschweren!

Ich wollte es von Ihnen hören, weil Sie das Problem sehen.

Wir haben diese Übersicht nicht. Das ist auch jetzt gar nicht erforderlich. Ich habe ja gesagt, die jetzigen Erfahrungen sagen, dass sich Initiatoren natürlich Partner suchen, die das finanzieren. Ohne die geht es nicht. Wir erlernen dieses Instrument zum Beispiel auf der Kreisebene auch erst gegenwärtig. Es gibt ja erst wenige Versuche auf Kreisebene, das zu machen. Aber wir halten das für eine unzulässige Hürde im Vergleich zur Amtsstubensammlung und auch im Vergleich zu Religionsgemeinschaften und Kirchen und deswegen schlagen wir das vor. Aber ich habe auch darauf verwiesen, zurzeit sind es Einzelfälle, aber wir befürchten, dass aufgrund der Rechtsaufsichtsbehörden und deren Agieren die Gemeinden künftig gezwungen sind, das flächendeckend zur Anwendung zu bringen.

Ich habe noch eine Nachfrage. Herr Kuschel, würden Sie meine Auffassung teilen, auch nach Ihrer Aussage, dass das nicht das große Problem darstellt, dass wir hier gerade eine Phantomdiskussion geführt haben?

Also ich stimme Ihnen grundsätzlich nicht zu und in der Frage schon gar nicht. Politik zeichnet sich dadurch aus, nicht erst zu handeln, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern frühzeitig Probleme zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. So verstehen wir Politik.

(Beifall DIE LINKE)

Sie machen es in vielen Fällen anders, siehe Finanzausgleich. Erst lassen Sie Gemeinden zwangsvollstrecken und dann wollen Sie auf dem Parteitag eine Regelung finden. Wir gehen einen anderen Weg und das unterscheidet uns eben. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal danke, Herr Abgeordneter. Ich schaue noch einmal in die Runde, ob es weitere Wortmeldungen gibt. Für die Landesregierung der Staatssekretär Herr Rieder, bitte.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Hallo!)

Antrag zur Geschäftsordnung? Bitte.

Danke, Herr Präsident. Trotz Ihrer Ausführungen, jetzt den Staatssekretär reden lassen zu wollen, erbitte ich mit Blick auf die Regierungsbänke die Herbeirufung der Landesregierung, damit sie der Debatte folgen kann.

(Beifall CDU, DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber muss ich abstimmen lassen. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag zustimmt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Da sehe ich die Zustimmung von den Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der Fraktion DIE LINKE. Ich begrüße den Bauminister in unserer Runde für die Landesregierung - ja, und dann fahren wir fort in der Debatte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ein Gesetzentwurf ist nur dann erforderlich, wenn es ein Regelungsbedürfnis gibt. Daran fehlt es hier, denn die Antragsteller entscheiden selbst, wie sie die Unterschriftensammlung für ihr Bürgerbegehren gestalten wollen. Sie erklären zunächst in ihrem schriftlichen Zulassungsantrag an die Verwaltung der Gemeinde oder des Landeskreises, ob die Sammlung der Unterstützungsunterschriften durch eine freie Sammlung nach §§ 17, 96 Thüringer Kommunalordnung oder durch eine Eintragung in amtlich ausgelegte Eintragungslisten im Sinne der §§ 17 b und 96 a Thüringer Kommunalordnung durchgeführt werden soll. Zum einen bieten also die Regelungen der Thüringer Kommunalordnung ein Verfahren zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften an, bei denen den Initiatorinnen und Initiatoren von Bürgerbegehren keine Verwaltungskosten entstehen. Die Initiatoren können sich frei für diese sogenannte Amtsstubensammlung entscheiden, bei der die Auslegung der Eintragungslisten für das Bürgerbegehren von Amts wegen erfolgt. Haben sich die Initiatoren und Initiatorinnen des Bürgerbegehrens in ihrem Antrag aber für eine freie Sammlung erklärt, entscheiden sie selbst über die konkrete Art und Weise der Durchführung der freien Sammlung.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die müssen ja finanziell dafür bestraft werden.)

Die freie Sammlung kann beispielsweise auf öffentlichen Straßen und Plätzen, aber auch in Gaststätten, Arztpraxen, Bahnhöfen und Gewerberäumen oder Privatwohnungen durchgeführt werden. Je

nach den konkreten Umständen des Einzelfalls können für die Nutzung des Sammlungsortes Nutzungsbedingungen zu beachten sein und Kosten entstehen oder auch nicht.

Die Initiatoren der Unterschriftensammlung können daher auch Kostengesichtspunkte berücksichtigen sowie Sammlungsorte und Sammlungsformen wählen, die keine Verwaltungskosten verursachen. Ob eine freie Sammlung im Sinne der §§ 17 a, 96 a Thüringer Kommunalordnung eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellt und damit gebührenpflichtig ist, obliegt der eigenverantwortlichen Entscheidung der Initiatoren der Bürgerbegehren. Verwaltungskosten können, müssen aber bei der freien Sammlung nicht entstehen. Soweit eine Sammlung beispielsweise im öffentlichen Straßenraum erfolgt, kann es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung im Sinne der §§ 18, 19 Thüringer Straßengesetz bzw. § 8 Bundesfernstraßengesetz handeln.

Jede Nutzung der öffentlichen Straße, die über den Gemeingebrauch oder den Anliegergebrauch, das heißt, über die Widmung hinausgeht, ist eine Sondernutzung. So stellt das Aufstellen von Informationsständen auf Straßen oder Marktplätzen eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar, für die gesonderte Nutzungsgebühren erhoben werden können, nicht aber müssen. Dabei können die Gemeinden und Landkreise in ihren einschlägigen Sondernutzungssatzungen auch Befreiungstatbestände regeln. Im Rahmen der Bemessung der Gebührenhöhe sind die demokratischen Grundsätze der Meinungsfreiheit hinreichend zu berücksichtigen. Das bloße Sammeln von Unterschriften auf öffentlichen Straßen ohne einen solchen Stand ist hingegen im Rahmen des Gemeingebrauchs zu betrachten und stellt in der Regel keine Sondernutzung dar. Es liegt also in der Eigenverantwortung der Initiatoren, bei ihrer Organisation ihrer frei gewählten Sammlungsform die örtlichen Kostenregelungen für Sondernutzungen im öffentlichen Straßenraum anzufragen und ebenso zu berücksichtigen, wie etwa Erlaubnisse und Kosten für die Sammlung in Gewerberäumen und ähnlichen Orten.

Es obliegt also der Entscheidung der Initiatoren des Bürgerbegehrens, ob sie die gesetzliche Möglichkeit des amtlich gestalteten, aber kostenfreien Eintragungsverfahrens nach § 17 b Thüringer Kommunalordnung wählen oder eine freie, selbstgestaltete Verfahrensweise nach § 17 a Thüringer Kommunalordnung.

Zur eigenverantwortlich gewählten freien Sammlung gehört dann auch die Kostenverantwortung. Ein zwingender gesetzlicher Regelungsbedarf entsteht daraus nach Auffassung der Landesregierung nicht. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, so dass ich die Aussprache schließen kann.

Es ist die Ausschussüberweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss beantragt. Darüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer die Drucksache 5/ 6856, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das ist die Zustimmung von der Fraktion der FDP, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der Fraktion DIE LINKE. Gegenstimmen? Die Gegenstimmen kommen von der Fraktion der CDU und der SPDFraktion. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Wir gehen jetzt in eine Mittagspause bis 14.00 Uhr. Für die anschließende Regieplanung für die einzelnen Fraktionen: Wir beginnen dann um 14.00 Uhr mit der Fragestunde und um 15.00 Uhr mit dem Komplex der Wahlen.

Wir führen fort und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31

Fragestunde

Wir beginnen mit der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Fiedler von der CDU-Fraktion in der Drucksache 5/6770.