Protokoll der Sitzung vom 19.12.2013

Auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat erklärt, dass das Gesetz eine entscheidende Starthilfe für Integration sei. Neben Anlaufschwierigkeiten wie dem Fehlen einer einheitlichen Stelle für einige Berufsfelder, kritisierte er aber vor allem, dass das Gesetz nicht für

alle Berufe deutschlandweit gilt. Das liegt daran, auch darauf hat Herr Minister Matschie bereits hingewiesen, dass für eine ganze Reihe von Berufen die Länder zuständig sind, beispielsweise Lehrer, Architekten, Ingenieure, aber auch ein großer Teil der Studienabschlüsse insgesamt.

Deshalb haben die Länder bereits Ende 2010 zugesichert, die Gesetze, die in ihre Zuständigkeit fallen, ebenfalls anzupassen und seit Februar 2012 liegt ein Musteranerkennungsgesetz, eine abgestimmte Musterregelung für die Länder vor, die durch die Kultusministerkonferenz erarbeitet worden ist. Erarbeitet wurde sie auch von der Arbeitsgemeinschaft, die aus Mitgliedern der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, der Integrationsministerkonferenz, der Wirtschaftsministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz besteht und bestand.

Im Oktober 2010 hat die FDP-Fraktion hier im Thüringer Landtag einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Chancen bieten - Potenziale nutzen, Anerkennung der von Migranten im Herkunftsland erworbenen Berufs- und Hochschulabschlüsse erleichtern“. Der Antrag wurde nach der Ausschussberatung in etwas geänderter Form am 25. März 2011 im Landtag beschlossen und unter II heißt es dort: „Die Landesregierung wird aufgefordert, alle Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und Berufsabschlüssen zu unterstützen und zügig in Thüringen umzusetzen.“ So weit der Beschluss vom 25. März 2011. Nun gehört natürlich zur Wahrheit dazu, dass erst einige Fragen geklärt werden mussten, etwa, wer hat welche Kosten zu übernehmen. Die Länder wollten dazu eine einheitliche Regelung festlegen, eine einheitliche Gebührenordnung für dieses Anerkennungsverfahren schaffen. Außerdem wollte man einige Zuständigkeiten länderübergreifend bündeln, nicht zuletzt möchten wir weitgehend verhindern, dass es zu einer Diskriminierung von Bildungsinländern kommt. Auch das ist wichtig.

(Beifall FDP)

Dennoch hat die Mehrheit der Länder zwischenzeitlich ihre Anerkennungsgesetze beschlossen und Thüringen zieht jetzt nach, zwei Jahre nach dem Beschluss des Bundesgesetzes. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen ist ganz sicher nur ein Baustein für Integration. Da sich die Landesregierung aber so viel Zeit gelassen hat, weiß ich nicht, ob man das nur damit begründen kann, dass man bestimmte Fragen noch klären musste - wir reden hier von einem Zeitabschnitt von zwei Jahren. Herr Minister, Sie haben das vorhin ausgeführt, es ist hochwichtig, dass wir diese Berufsabschlüsse anerkennen, um die Willkommenskultur in Thüringen zu unterstreichen, die wir gegenüber Menschen haben, die in Thüringen leben möchten und hier einwandern möchten im besten

Fall. Deshalb glauben wir, es hätte auch schneller gehen können. Was ich aber ausgesprochen gut finde, ist, dass das Gesetz kommt. Da kann man nur sagen, was lange währt, wird endlich gut. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Frau Hitzing. Als Nächster hat jetzt das Wort Abgeordneter Manfred Grob für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat mit ihrem Anerkennungsgesetz, das am 1. April 2012 in Kraft trat, bereits die Grundlage für die Berücksichtigung beruflicher Qualifikation von Migranten gelegt und die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für bundesgesetzlich geregelte Berufe ermöglicht. Nun müssen die Länder nachziehen und eine Grundlage für die in ihrem Bereich geregelten Berufe wie etwa Fachärzte, Pflegeberufe, Apotheker, Architekten, Ingenieure oder Lehrer schaffen. Ungefähr die Hälfte hat seither ein Anerkennungsgesetz verabschiedet. Das sind die Länder Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die CDU-Fraktion erachtet dieses Vorhaben sowohl arbeitsmarktpolitisch als auch integrationspolitisch als äußerst wichtig und begrüßt, dass die Landesregierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringt. Wir haben in den vergangenen Jahren mehrfach darauf gedrängt, zügig die gesetzlichen Grundlagen für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zu schaffen. Angesichts der Bedeutung der Arbeit für eine gelingende Integration und die sich immer klarer abzeichnende Fachkräftelücke ist das ein dringliches Anliegen, denn das Rennen um die Fachkräfte in Deutschland hat längst begonnen. Akademiker, die nicht aus der EU kommen, können bereits seit August 2012 die blaue Karte der EU beantragen, doch für Facharbeiter aus Drittstaaten war es bisher kaum möglich, in Deutschland zu arbeiten.

Gesucht werden aber nicht nur Akademiker, sondern zunehmend auch Fachkräfte mit Berufsausbildung. Das gilt nicht nur für Pflegeberufe, es betrifft zunehmend auch gewerblich-technische Berufe. Offene Stellen können hier zum Teil lange Zeit nicht nachbesetzt werden. Es fehlen zum Beispiel Lokführer, Installateure oder Mitarbeiter in der Ver- und Entsorgung. Über eine Engpassanalyse ermittelt die Bundesagentur für Arbeit regelmäßig die Berufe, in denen Fachkräfte dringend gesucht werden. Zu den wichtigsten wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre gehört daher, für ausreichend Fachkräfte zu sor

gen. Ohne qualifizierte Zuwanderung wird das nicht gelingen.

Aber nicht allein die demografischen Entwicklungen zwingen uns, alle Beschäftigungspotenziale in unserer Gesellschaft besser zu aktivieren. Wer arbeitet, kann sich auch besser in die Gesellschaft integrieren. Die Anerkennung der im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse ist deswegen neben der sprachlichen Bildung eine der wichtigen Grundvoraussetzungen für gelingende Integration. Insofern bietet dieses Thema auch die Chance, vielen Menschen in diesem Land eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Beide Seiten können bei diesem Thema gewinnen, zum einen gewinnen wir als Land Fachkräfte, die wir in dieser Zeit dringend benötigen, zum anderen können Menschen mit Migrationshintergrund, die früher nicht qualifikationsadäquat beschäftigt werden konnten, jetzt einen Beruf ausüben, der ihrer Qualifikation entspricht. Nicht zuletzt ermöglicht eine solche Beschäftigung tendenziell auch ein höheres Einkommen. Das ist auch gut für diese Menschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass sich die Länder in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe auf ein am Bundesgesetz angelehntes Mustergesetz verständigt haben, um so möglichst einheitliche und unbürokratische Anerkennungsverfahren in den Ländern zu etablieren. Schaut man sich die Gesetze der einzelnen Länder an, merkt man, dass dies in weiten Teilen gelungen ist, auch wenn sich die Gesetze in einzelnen Bereichen unterscheiden.

Die Einzelheiten des Thüringer Gesetzentwurfs wollen wir gern ausführlich im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur diskutieren. Insofern beantrage ich hiermit die Überweisung des Gesetzentwurfs. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Grob. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank! Herr Abgeordneter Grob, sehr geehrte Damen und Herren, meine sehr geehrte Präsidentin, ein wichtiges Thema zu später Stunde. Ich bin froh, dass Herr Grob bereits angekündigt hat, den Gesetzentwurf im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur umfänglich diskutieren zu wollen, so dass ich mich, glaube ich, jetzt einigermaßen kurz halten kann.

Vielleicht vorab: Es ist gut so, dass Thüringen als neuntes Bundesland diesen Gesetzentwurf auf den

(Abg. Hitzing)

Weg gebracht hat. Wir haben hier im Landtag bereits mehrfach über diese Problematik diskutiert, unter anderem - meine Kollegin Frau Hitzing hat es erwähnt auf Antrag der FDP-Fraktion Anfang 2011. Schon damals haben wir darauf verwiesen, dass es in Deutschland mehr als 3 Mio. Menschen gibt, die einen ausländischen Abschluss haben, darunter, wie gesagt, etwa 800.000 Akademikerinnen und Akademiker. Die fehlende Anerkennung hat oftmals dazu geführt, dass die Betroffenen nicht in den Berufen tätig sein können, und damit auch die mitgebrachten Bildungsressourcen - wenn Sie mir gestatten, das so zu nennen - für unsere Gesellschaft nicht nutzbar waren. Das Problem lag immer wieder darin, dass die bisherigen Möglichkeiten, die Abschlüsse in Deutschland formal anzuerkennen, unzureichend sind, und wir müssen jetzt sehr genau hinschauen, wie wir das in Thüringen regeln, damit wir möglichst problemlose Anerkennungsvorgänge auf den Weg bringen. Ich möchte erinnern an die Studie Brainbase, die aufgezeigt hat, dass nur etwa 16 Prozent aller Migrantinnen und Migranten mit einem im Ausland erworbenen Abschluss in Deutschland ihren erlernten Beruf wieder aufnehmen, und das bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Ich denke, das zeigt ganz deutlich, warum es ein solches Gesetz braucht. Minister Matschie hat es schon bei seiner Begründung gesagt, wir wollen die Potenziale nutzen, wir wollen um kluge Köpfe werben.

Ich will an der Stelle allerdings auch auf eines verweisen und das war hier heute noch nicht Thema, nämlich dass wir nach wie vor Gesetzlichkeiten in Deutschland haben, die Arbeitsverbote beinhalten, Arbeitsverbote beispielsweise für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, und das wird leider mit diesem Gesetz nicht angegangen. Auch da, meinen wir, gibt es in der Tat noch viel zu tun.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtig ist nun, was in diesem Gesetz konkret geregelt wird. Einiges ist auch schon bekannt geworden, der Minister hat dazu eine Pressekonferenz gegeben. Zum einen soll es darum gehen, einen besseren Berufszugang zu schaffen, gerade all das, was im Landesrecht geregelt werden muss, auch aufzugreifen. Da geht es um Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen, schulische Berufs- und Fortbildungsabschlüsse, um Fachschulabschlüsse, natürlich auch um Problematiken wie die Pflegehelferinnen und weitere Sozialberufe. Außerdem - und das ist aus unserer Sicht sehr wichtig - wird mit dem Gesetz der Anspruch geschaffen, dass innerhalb von drei Monaten über die Gleichwertigkeit von den verantwortlichen Stellen des Landes entschieden werden muss, das heißt, der Zeithorizont ist absehbar.

Gespannt darauf sind wir, wie das sogenannte Welcome Center in Erfurt auf dem Bahnhofsvorplatz,

was wir sicher alle schon mal gesehen haben, wenn wir aus dem Hauptbahnhof herauskommen, als zentrale Anlaufstelle funktioniert. Denn genau dort sollen die Erstberatung und die Lotsenfunktion angesiedelt sein.

Wir freuen uns, dass Thüringen dieses Gesetz zur Anerkennung auf den Weg gebracht hat. Allerdings muss ich an dieser Stelle auch noch mal darauf verweisen, dass wir 20 Monate gebraucht haben, bis die Landesregierung diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Das hätte sicher schneller gehen können, da ist noch kostbare Zeit verloren gegangen. Ich möchte trotzdem darum bitten, dass wir uns die notwendige Sorgfalt und Zeit im Ausschuss nehmen, um selbstverständlich die Anzuhörenden, die wir hier mit einbeziehen sollten, zu Wort kommen zu lassen.

Lassen Sie mich noch etwas zu der sogenannten Lotsenfunktion sagen, denn das war durchaus umstritten, als Sie die Eckpunkte des Gesetzentwurfs vorgestellt haben, Herr Minister Matschie. Wir als Bündnisgrüne glauben, dass eine Lotsenfunktion durchaus positiv gewertet werden kann, wenn es gelingt, das Anerkennungswirrwarr, was wir jetzt vielerorts noch haben, zu überwinden. Allerdings muss dann im Gesetz zentral verankert werden und das haben wir bis jetzt so nicht wahrgenommen -, dass diese zentrale Anlaufstelle auch als fachlich versierte Beratung trägt. Ob und wie das gewährleistet werden kann, können wir im Ausschuss genauer diskutieren. Maßgebliche Ziele des Gesetzes müssen nach unserer Auffassung in jedem Fall auch die Sicherstellung des individuellen Rechtsanspruchs auf ein transparentes und schnelles Verfahren zur Bewertung und Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikation sein und entscheidend ist selbstverständlich auch, dass den Betroffenen formale Gleichbehandlung garantiert wird.

Ein Problem, das wir im Gesetz gesehen haben, ist die vorgesehene Gebührenerhebung für den Verwaltungsaufwand. Das sehen wir überaus kritisch. Angesichts dessen, was wir uns von einer vollständigen Anerkennung erhoffen, nämlich dass wir auch profitieren können, sollte uns dieser Aufwand etwas wert sein. Wir als Bündnisgrüne möchten nicht, dass quasi vom Geldbeutel abhängig ist, ob sich Betroffene die Anerkennung im wahrsten Sinne des Wortes leisten können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere, da lassen Sie mich noch mal auf die Problematik eingehen, die ich schon anfangs anführte, Flüchtlinge und Geduldete, die nach diesem Gesetz auch Anspruch auf eine Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse haben, haben oft keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Wir hoffen, dass sich hier noch Wege finden, diesen einen Zugang zu gewähren, und freuen uns auf die Beratung dazu im Ausschuss. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Berninger für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bilanz des seit April 2012 geltenden Anerkennungsgesetzes des Bundes sieht wohl eher mager aus, meine zumindest ich. Bei 2,9 Millionen Menschen, die einen Berufsabschluss im Ausland erworben haben, wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2012 10.989 Anträge vorwiegend im medizinischen Bereich - allein 5.697 waren Ärztinnen und Ärzte - gestellt. Das Bundesministerium berichtet im April 2013 von etwa 30.000 Anträgen insgesamt, seit das Gesetz gilt. Das ist deshalb mager, meine Damen und Herren, weil nicht verkannt werden darf, dass bereits vorher die Anerkennung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Berufsabschlüsse notwendig gewesen wäre. Mit dem Bundesgesetz kam lediglich der Rechtsanspruch auf die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens hinzu. Die landesrechtliche Untersetzung fehlt bis heute in vielen Bundesländern. Thüringen wäre, wenn ich richtig geschaut habe, mit dem vorliegenden Gesetz erst das neunte Bundesland mit einer eigenständigen Regelung. Warum eigenständige Landesregelungen nötig sind, ist schon mehrfach gesagt worden, da eben das Anerkennungsgesetz des Bundes nur die etwa 600 Berufe im Zuständigkeitsbereich des Bundes betrifft und es aber Berufe gibt, deren Gleichstellung und Anerkennung über Ländergesetze geregelt werden müssen wie etwa Lehrerinnen, Erzieherinnen, Ingenieurinnen, Architektinnen, Sozialpädagoginnen - alles mit großem „I“ - und Abschlüsse von Berufsfachschulen. Und nun legt die Landesregierung einen Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen und zur Umsetzung des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vor, der sich im Kern nicht, und das ist selbst vom Minister schon angesprochen worden, von den Regelungen aus dem Bundesgesetz unterscheidet. Dass die Landesregierung dafür mehr als ein Jahr brauchte, ist das eine. Das andere aber ist, dass Sie damit wesentliche Erfahrungen aus der Wirksamkeit bzw. aus der Unwirksamkeit des Bundesgesetzes einfach negieren, Herr Minister. So schafft man zwar föderale Einigkeit im Zuständigkeitsdschungel; das eigentliche Anliegen, die Anerkennung zu befördern, erreicht man damit aber nicht. Und das wissen die Autorinnen des Gesetzentwurfs auch selbst am besten, wenn sie schreiben, Zitat: „Erste Erfah

rungen aus dem Vollzug des am 1. April 2012 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen zeigen, dass ein leichter Anstieg an Auskunftsersuchen zu verzeichnen ist, die Zahl der gestellten Anträge eher gering ausfällt und mit dem bereits vorhandenen Personal bewältigt werden kann.“ Es wird sich also zumindest im Arbeitsanfall mit dem Gesetz nichts verändern und das ist der erste Offenbarungseid aus dem SPD-geführten zuständigen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Das Anliegen des Gesetzes, formuliert im Einleitungstext sowie in § 1 des Entwurfs, ist ein weiterer Offenbarungseid und enttarnt all diejenigen, die es nicht unterlassen, heute ja auch schon mehrfach, über Willkommenskultur zu reden, in Wirklichkeit aber egoistische Motive verfolgen. So heißt es im Entwurf, Zitat: „Der sich zunehmend abzeichnende demografische Wandel und steigende Bedarf an Fachkräften macht es notwendig, das vorhandene Potenzial an gut ausgebildeten Fachkräften bestmöglich zu nutzen.“ Und in § 1, Zitat: „Dieses Gesetz dient der besseren Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt“.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Was ist denn daran falsch?)

Hier wird deutlich, dass die Autorinnen des Gesetzes nicht die Menschen mit im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und Berufsqualifikationen im Blick hatten, um ihnen die Möglichkeit der Selbstverwirklichung beispielsweise entsprechend ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen zu eröffnen. Es geht ihnen schlicht um - bitte verzeihen Sie mir die zynisch klingende Wortwahl - die Verwertung von im Ausland qualifizierten Humankapitals für die Binnenwirtschaft.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das geht ei- nem auf den Keks, was Sie hier für einen Un- sinn erzählen!)

Die Stichworte sind Standortvorteil, Wirtschaftswachstum, wir sollen profitieren, Fachkräftemangel, demografische Entwicklung. Das ist in der Einbringung, die der Herr Minister vorgenommen hat, noch einmal deutlich geworden, und dass Sie das auch so meinen, wird auch dadurch deutlich, dass Sie unseren Vorwürfen, die von Frau Siegesmund und von mir in der Debatte zum Thüringen-Monitor kamen, nicht einmal widersprochen haben, als wir Ihnen vorwarfen, dass es Ihnen nur um die Nützlichkeit der Menschen für die Thüringer Wirtschaft, für Thüringen, für uns geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen stellt für uns, für die Linke, eine wichtige Grundlage dar, um hier lebenden Menschen die Voraussetzungen für soziale Teilhabe am

(Abg. Rothe-Beinlich)

gesellschaftlichen Leben, für die Sicherung eines existenzsichernden Lebensunterhalts durch Erwerbsarbeit zu schaffen. Und sie ist damit aus unserer Sicht auch Grundlage für eine soziokulturelle Integration, insbesondere von Menschen nichtdeutscher Herkunft. Deshalb kommen wir auch zu anderen Schwerpunkten und anderen notwendigen Regelungsinhalten als Sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf, nämlich

1. die Verankerung eines Rechtsanspruchs auf Anerkennung der Gleichwertigkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen,

2. die Berücksichtigung berufspraktisch erworbener Berufsqualifikationen als Grundlage der Anerkennung der Gleichwertigkeit,

3. wollen wir die Möglichkeit der Nachqualifizierung und Ablegung von Eignungsprüfungen für reglementierte und nichtreglementierte Berufe,

4. fordern wir eine zentrale Stelle zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens mit

5. einer Beratungspflicht und

6. wollen wir nicht, dass Personen aufgrund überhöhter Verwaltungskosten von diesem Verfahren ausgeschlossen werden.

Dies alles haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf unterlassen zu regeln und aus diesem Grund kann meine Fraktion dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen. Wir werden ihn ablehnen, es sei denn, das Parlament wird im Ergebnis einer aus unserer Sicht zwangsläufig durchzuführenden mündlichen Anhörung zu einer deutlichen Korrektur des Gesetzentwurfs kommen. Das setzte allerdings voraus, dass sich zumindest ein Teil der Koalitionsmehrheit emanzipierte, was für mich eine sehr schöne, aber eine Überraschung wäre. Auf einige notwendige Änderungen neben der grundsätzlichen Ausrichtung des Gesetzentwurfs möchte ich an dieser Stelle noch verweisen. Das wären:

1. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen sollte sich ausschließlich auf die tatsächlich vorhandenen Qualifikationen stützen und sollte vollkommen unabhängig davon sein, ob jemand tatsächlich eine der Qualifikation entsprechende Erwerbsarbeit ausüben möchte. Eine Einschränkung des Anwendungsbereiches auf den Personenkreis, der versichert, eine entsprechende Erwerbstätigkeit in Thüringen ausüben zu wollen, ist unseres Erachtens absolut sachfremd und gehört aus diesem Gesetzentwurf gestrichen.