Ich fand diese Idee damals geradezu diskriminierend, wirklich diskriminierend, am Thema vorbei, an den Menschen vorbei, an der Frage vorbei, was Arbeit und Würde eigentlich für Menschen bedeutet bzw. warum diese Menschen besonders gezielt gefördert werden müssen. Deswegen ganz klar, diese
diskriminierende Idee, die treibt eben diesen Punkt der gesellschaftlichen Spaltung noch voran. Davor möchte ich warnen.
Auch der SPD muss ich sagen, es ist vorhin im Raum gewesen, das Programm TIZIAN, das Landesarbeitsmarktprogramm. Auch das reicht eben nicht, um Langzeitarbeitslose, die multiple Vermittlungshemmnisse haben, gezielt zu fördern. Ich glaube, wovon wir weg müssen, ist, so ein Programmhopping von Legislatur zu Legislatur zu veranstalten; da wird immer mal eine neue Sau durch das Dorf getrieben und das wäre dann der Stein der Weisen, gezielt ist das eben nicht. Vor diesem Hintergrund verstehe ich übrigens auch die Sorge der Langzeitarbeitslosen, neue Legislatur, scheinbar neues Glück, welches Programm wird dann aufgelegt, wie kontinuierlich wird das fortgesetzt und wem hilft das tatsächlich. Ich glaube, dass wir da einen kontinuierlichen Ansatz brauchen, der anders reagiert oder anders eingestellt ist, als von Legislatur zu Legislatur zu denken. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wollen wir Grünen? Wir sagen, dass vor allen Dingen diejenigen eine verlässliche Basis brauchen, die am Arbeitsmarkt wieder unterkommen möchten, denn das wollen sie in der Regel auch. Unser Ansatz ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Ich finde, dass die Betroffenen Anspruch darauf haben, dass sie sich mit ihrer Motivation und ihren Talenten und ihrem Engagement auch beteiligen können, es geht um gesellschaftliche, um soziale Teilhaben. Wenn man jetzt einen Blick in den neuen schwarz-roten Koalitionsvertrag auf Bundesebene wirft - ich habe vorhin gesagt, das eine geht nicht ohne das andere zu diskutieren -, dann ist es so, dass auch die Thüringer Langzeitarbeitslosen aus Berlin von der schwarzroten Großen Koalition nicht viel erwarten können. Die Große Koalition hält in Berlin stärkere Vermittlungsbemühungen und ein Bundesprogramm aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, bei dem besonders arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose berücksichtigt werden sollen, für ausreichend. Für die Umsetzung sollen private Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gewonnen werden. Da scheint es wohl auch so zu sein, dass Beschäftigungsträger außen vor bleiben, das kritisieren wir.
Was zweitens keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, ist das Modell eines umfassenden sozialen Arbeitsmarktes und dafür stehen wir Grüne. Auf der Oppositionsbank haben wir, die Grünen-Faktion, das im Bundestag gefordert. In einem Gesetzentwurf, der die Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes“ hatte, ging es genau darum, das ist der Punkt, den wir in den Mittelpunkt stellen wollen. Umso mehr danke ich jetzt noch mal ausdrücklich der Fraktion DIE LINKE für den vorliegenden Antrag, auch wenn man sich die einzelnen Maßnahmen ansehen und schauen muss, was in den ver
Frau Abgeordnete Siegesmund, es ist der Wunsch auf eine Zwischenfrage aufgekommen. Lassen Sie die zu?
Es geht zum Beispiel um das Stichwort Bürgerarbeit. Das ist ein Programm - da sind wir wieder bei dem typischen Programmhopping, wir testen mal und schauen, wie es läuft -, das aus unserer Sicht gefloppt ist. Das Programm Bürgerarbeit ist gefloppt, weil zur Halbzeit bereits deutlich wurde, dass die Zielsetzung nicht erreicht werden konnte. Wenn es eine Neuauflage dessen geben soll, muss nachjustiert werden. So, wie es gelaufen ist, ist es verbesserungswürdig, das ist diese typische Geschichte lessons learned, eine Fortsetzung dessen darf es so nicht geben.
Punkt 2, auch hier dezidiert zum Antrag, wir setzen uns, wie ich schon erwähnte, für die Einführung eines sozialen Arbeitsmarktes als Ergänzung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im SGB II ein, den entsprechenden Gesetzentwurf, der im Bundestag sicherlich von der Grünen-Bundestagsfraktion auch noch mal eingebracht wird, hatte ich gerade erwähnt. Dieser soziale Arbeitsmarkt, die Idee des sozialen Arbeitsmarktes, ist verlässlich und setzt auf Verlässlichkeit. Es geht eben darum, dass es keinen ständigen Programm- und Finanzierungswechsel gibt, es geht darum, dass wir nicht mehr in Sackgassen hineinfinanzieren, sondern das Geld kontinuierlich und zielgenau in Befähigung für Arbeit statt in die prekäre Fortsetzung von Arbeitslosigkeit investieren. Das ist unser Ziel, das ist unser Angebot, im sozialen Arbeitsmarkt stehen die Arbeitslosen und ihre Wege aus der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt, weil es eben am Ende um eine individuelle Integrationsstrategie und um nachhaltige Hilfe geht, ich sage es noch mal, Projekt- und Programmhopping.
Deswegen wünschen wir uns eine Fortsetzung der Debatte in den entsprechenden Ausschüssen, danken auch noch mal für den Sofortbericht, ich denke, auch den könnte man mit verweisen, weil der so umfangreich war, da lohnt es sich, noch ein zweites Mal draufzuschauen. Und jetzt, Herr Untermann, beantworte ich gern Ihre Frage.
Danke, Frau Präsidentin. Frau Siegesmund, Sie hatten gesagt, dass das skurril ist, wenn man Arbeitslose in diesen Fluthilfeeinsatz schickt. Ich frage Sie, was sagen Sie den vielen freiwilligen Helfern, Feuerwehr und Soldaten, die dort teilweise gern hingegangen sind, um zu helfen? Was sagen Sie diesen Leuten, ist das auch skurril?
Nein, Herr Untermann, Sie haben mich falsch verstanden. Jeder, der sich nach der Juni-Flut eingesetzt hat, der dazu beigetragen hat, ob ehrenamtlich, ob hauptberuflich bei den Feuerwehren, bei Katastrophenhelfern usw., dem gebührt unser großer Dank, in jedem Fall, und es war auch richtig,
dass alle zusammengestanden haben. Das Ereignis hat damals gezeigt, wie solidarisch man miteinander ist.
Aber anzunehmen, dass man denjenigen, die sich seit Jahren außerhalb des regulären Arbeitsmarktes befinden, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben wollen, dass man denen aus der Gesellschaft heraus etwas zurückgibt, indem man ihnen sagt, setzt euch jetzt zwei Wochen für Fluthilfe ein und dann ist alles in Ordnung, das halte ich für zu kurz gedacht, das hat für meine Begriffe mit der Würde des Menschen nichts zu tun. Und deswegen lehnen wir das ab.
(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das hat er nicht gefragt. Sie können weder zuhören noch richtig antworten.)
Vielen Dank, Frau Siegesmund. Eine Frage noch: Wirtschaftsausschuss und einen weiteren? Nur Wirtschaft, okay. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich mich bei Uwe Höhn, dem Wirtschaftsminister, für den Sofortbericht bedanken, der eindrücklich dargestellt hat, was wir auch in den letzten Jahren hier in dieser Großen Koalition getan haben. Ich denke, das ist durchaus positiv.
Frau Siegesmund, ich muss gleich am Anfang auf Sie eingehen: Das alles schlechtzureden, das ist unredlich. Das ist unredlich, das muss ich einfach sagen.
den Sie hier geleistet haben, das als Skandal zu bezeichnen, das zeigt mir, dass Sie einfach keine Ahnung von der Materie haben.
Mehr will ich gar nicht sagen, ich habe mir viel aufgeschrieben dazu, aber ich glaube, das reicht dazu. Das muss ich einfach sagen, weil es kein Skandal ist, sondern es ist eine Erfolgsstory in Thüringen, was hier in den letzten Jahren passiert ist. Und dann schauen Sie sich mal die
Arbeitslosenstatistik an, Sie reden von einem Drittel, das ist richtig, aber von welcher Ausgangsbasis. Lesen Sie doch mal die Zahlen, die hätten Sie dazu vortragen müssen. Das fehlt in Ihrer Betrachtung. Ein Drittel ist nicht ein Drittel. Das ist es nicht.
Wenn ich von 100.000 ein Drittel nehme, ist es was anderes, als wenn ich von 90.000 ein Drittel nehme. Deshalb ist da ein Drittel nicht ein Drittel. Ich glaube, rechnen kann ich noch.
Meine Damen und Herren, seit der Einführung des Arbeitslosengelds II ist die Zahl der registrierten Arbeitslosen in der Bundesrepublik und gerade auch im Freistaat merklich zurückgegangen. Hier in Thüringen haben wir durchaus in den vergangenen Jahren vor allen Dingen eine positive Arbeitsmarktentwicklung. Ich hatte es eingangs schon gesagt,
die gute wirtschaftliche Entwicklung sorgt zum einen für einen Beschäftigungszuwachs und zum anderen für einen Rückgang der Arbeitslosigkeit. Der Freistaat hat mit einer Arbeitslosenquote von jetzt 8,9 Prozent - auch der Minister hat es gesagt die niedrigste Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern. Das ist auch gerade in den letzten Jahren in Bezug auf Langzeitarbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit und auch die Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer ein Verdienst dieser Landesregierung und dieser großen Koalition hier in Thüringen.
Beim Hauptziel der vergangenen Arbeitsmarktreform, und zwar die schnellere Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und Sozialleistungsbeziehern in Arbeit, da gebe ich allen recht, die da sagen, hier haben wir noch Reserven. Das ist so und dazu stehe ich einfach. Wir müssen feststellen, dass es für die Menschen in schwierigen Lebenslagen und mit einer langen Abwesenheit aus dem Arbeitsmarkt noch immer sehr schwer ist, aus dem Teufelskreis der Hilfebedürftigkeit und Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen durch eine reguläre Beschäftigung zu entfliehen. Hinzu kommen erhebliche Kürzungen im Bund in den letzten Jahren bei der Instrumentenreform, die natürlich insbesondere solche Menschen betrifft. Mit unseren Mitteln hier in Thüringen versuchen wir dieser Situation entgegenzuwirken - es wurde auch schon gesagt - mit den Projekten TIZIAN. Genau diese Projekte zielen ja darauf, die fangen ganz unten an, die fangen in den Familien an, in den „Hartz-IV-Familien“, wo beide Eltern im Leistungsbezug sind, dort wieder ein Stückchen Struktur in den Alltag hereinzubekommen und diese sehr intensiv zu unterstützen, im Gegensatz zu den Aussagen meiner Vorrednerin.
Auch mit dem Landesarbeitsmarktprogramm - die Zahlen will ich nicht wiederholen - haben wir durchaus wirksame Impulse für die gesellschaftliche Teilhabe durch Integration Arbeit suchender Frauen und Männer in den allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben. Hinzu kommen die Sozialraumprojekte ThINKA, die auch so gut wie flächendeckend in Thüringen sind. Das trifft auf die anderen auch zu, die nicht als Modellprojekte umgesetzt wurden, sondern die sind alle flächendeckend in ganz Thüringen und werden dort umgesetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen und einer langen Abstinenz vom Arbeitsleben werden wir nicht mehr in Zukunft mit den klassischen Mobilisierungsmaßnahmen und Qualifizierungsund Weiterbildungsangeboten erreichen und in den Arbeitsmarkt dauerhaft integrieren können. Ihnen mangelt es zuallererst an solchen einfachen Dingen wie einen geregelten und strukturierten Tagesablauf, sozialen Schlüsselkompetenzen und dadurch natürlich auch an der einen oder anderen Stelle an der notwendigen Motivation und Bereitschaft, auch
tatsächlich etwas an ihrer Lebenssituation zu verändern. Allerdings muss ich auch sagen, es gibt auch objektive Bedingungen, die nicht unbedingt an den Menschen selbst liegen. Da ist die Frage der Mobilität und da gibt es auch an der einen oder anderen Stelle - und das kommt ja gerade bei den Projekten TIZIAN heraus -, was die Kinderbetreuung betrifft, noch Nachholbedarf.
Wir können es uns aber nicht leisten, diese vorhandenen Potenziale zu verschenken. Immerhin haben aus dem Bereich Hartz IV 80 Prozent der Menschen eine abgeschlossene Berufsausbildung, egal, ob die jetzt noch verwertbar oder nicht verwertbar ist, aber sie haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Wir reden alle vom Fachkräftemangel und hier müssen wir einfach etwas tun und wir tun es ja schon, um diese Potenziale auch besser auszuschöpfen. Die Integration schwer vermittelbarer Langzeitleistungsbezieher ist eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft. Dies ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und natürlich auch für uns als SPD ein besonderes Anliegen. Wir wollen unsere Gesellschaft dadurch natürlich auch wieder ein Stück beweglicher machen. Wir wollen Beschäftigungsmöglichkeiten für diese Menschen schaffen, die trotz der guten Beschäftigungssituation keine Arbeit finden, um sie natürlich vor einer dauerhaften sozialen Ausgrenzung, mit allen negativen Folgen, die es da gibt, zu bewahren.
Noch ein paar Worte zur Bürgerarbeit: Mit dem Auslaufen der Beschäftigungsphase „Bürgerarbeit“ im Jahr 2014, im Übrigen haben alle Träger, die Bürgerarbeit machen, gewusst, dass das ausläuft, müssen wir hier natürlich nach Alternativen suchen, aber die Alternativen können einfach nicht allein in Ersatzmaßnahmen vom Land bestehen. Das geht nicht und ich glaube, auch der Minister hat das eindeutig hier belegt, warum das nicht geht.
Die öffentlich geförderte Beschäftigung kann nach unserer Ansicht auch hier einen wichtigen Beitrag leisten, aber immer in gemeinschaftlicher Finanzierung auch mit dem Bund. Hier kann das Land nur flankierend mitfinanzieren und ich glaube, auch das ist bisher deutlich geworden, dass wir gewillt sind, dies auch zu tun, und diese öffentlich geförderte Beschäftigung ist eben auch nicht nur eine Geschichte von Land und Bund, sondern sie muss in enger Kooperation mit den kommunalen Trägern, mit den regionalen Jobcentern und den gesellschaftlichen und politischen Akteuren entwickelt und umgesetzt werden. Wir wollen natürlich auch damit weg von der Praxis passiver Transferleistungen nur an schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Einher gehe ich mit der Aussage, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das ist immer besser und es ist auch für diese Menschen besser. Passive Transferleistungen in aktive und individuell angepasste Förderinstrumente umzuwandeln, das ist ein Ziel. Dieses Ziel haben wir uns auch in Berlin
gesteckt, muss ich sagen; auch da gibt es Gedanken, wie so etwas passieren kann. Wir brauchen diesen sozialen Arbeitsmarkt und die öffentlich geförderte Beschäftigung weiter, um diese Menschen auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.