Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat die Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Argumente für diesen Antrag sind hinlänglich bekannt. Wir haben das im Dezember ausgetauscht und im Plenum besprochen; allein an der Sache hat sich wenig geändert und deswegen ist es gut und richtig, dass wir heute darüber auch noch mal diskutieren. Ich kann gleich voranstellen, meine Fraktion wird sich ganz klar für diesen Antrag aussprechen, weil das Anliegen des Antrags längst nicht umgesetzt ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn die Mehrheit des Haushalts- und Finanzausschusses aus taktischen Gründen empfohlen hat, den Antrag der LINKEN abzulehnen, so denke ich dennoch, dass es einen Konsens im Thüringer Landtag wie übrigens auch im Bundesrat gibt, denn eine dritte Verringerung der Bundesbeteiligung bei den Wohnkosten ist mit uns allen hier nicht zu machen. Es ist, um genau zu sein, unlautere Politik, wenn infolge der geplanten Senkung des Bundesanteils die im Krisenjahr 2010 ansteigenden Unterkunftskosten für ALG-II-Beziehende allein von den Kommunen getragen werden sollen.

Während der Bund seine Ausgaben auf diesem Wege um 3,4 Mrd. € verringert, steigt allein im Jahr 2010 der kommunale Anteil von 10 Mrd. € auf 11 Mrd. €. Für Thüringen bedeutet das eine Mehrbelastung von über 10 Mio. €. Dass dies nicht tragbar ist, das wird deutlich.

Jetzt stimmt mich Folgendes sehr froh, nämlich dass das Land Thüringen eine Stellungnahme des Bundesrats mitgetragen hat, in der steht - Folgendes möchten wir ändern: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im vorliegenden Gesetzentwurf eine Änderung der Anpassungsformel für die Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung vorzunehmen, indem die Bundesbeteiligung entsprechend der Entwicklung der Ausgaben für Unterkunft und Heizung und nicht entsprechend der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften berechnet wird. Dies ist Konsens, was mich sehr freut. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass die

Thüringer Landesregierung der Stellungnahme zugestimmt hat. Jetzt ist der nächste Schritt angesagt, nämlich dass im Vermittlungsausschuss auch entsprechend agiert wird. Deswegen wundert es mich umso mehr, dass sich hier aus politischen Gründen so gegen diesen Antrag gestellt wird.

Ich will aber gern die Gelegenheit nutzen, um zwei Punkte, die wir GRÜNEN gern der Landesregierung an der Stelle mitgeben wollen für den Vermittlungsausschuss, noch mal zu unterstreichen:

Punkt 1: Die seit dem Jahr 2007 geltenden Sonderquoten für die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind aufzuheben. In Zukunft soll der Bundesanteil auf alle Bundesländer gleich verteilt werden. Es gibt in meinen Augen - und es ist im Übrigen auch Konsens auf Bundesseite bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - keinen sachlich überzeugenden Grund für diese Sonderquoten.

Punkt 2: Die Forderung nach einer angemessenen Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung kann genau beziffert werden. Der Bundeshaushalt ist an diesem Punkt um 1,7 Mrd. € zu erhöhen. Diese Zahl geht im Übrigen auf Berechnungen des deutschen Landkreistags zurück und auf diese Berechnung hat sich der Bundesrat in seiner Anrufung des Vermittlungsausschusses gestützt. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung betrüge eine angemessene Bundesbeteiligung 35,9 Prozent. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Konsens und so gesehen eine Mehrheitsmeinung; jetzt geht es nur darum, dies auch umzusetzen.

Jetzt gab es Mitte März einen entsprechenden Änderungsantrag zur Erhöhung dieses Postens im Bundeshaushalt von unserer Fraktion im Bundestag. Er wurde - das wird Sie jetzt nicht überraschen, wenn wir Schwarz-Gelb in Berlin anschauen - natürlich abgelehnt. Somit sind der Bundesrat und damit die Ministerpräsidentin und Christoph Matschie als ihr Stellvertreter und Mitglieder im Vermittlungsausschuss in der Pflicht, die Pläne in ihrer jetzigen Form zu verhindern.

Es ist richtig, den Antrag zu unterstützen. Ich wundere mich, dass die SPD, die im Übrigen in Berlin dazu eine dezidiert andere Position einnimmt,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

hier nicht Position bezieht. Vielleicht tun Sie das nachher noch und würden mich an der Stelle sehr überraschen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich da wenigstens an Berlin orientieren und nicht hier an Ihrem Koalitionspartner. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat der Abgeordnete Pidde von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auf Kosten anderer lässt es sich gut leben. Die Bundesregierung bestellt, will aber dann beim Zahlen mogeln. Das wird nicht widerspruchslos hingenommen - vonseiten der SPD in Berlin nicht anders als in Erfurt.

Mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs II will die Bundesregierung die durchschnittliche Beteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Hartz-IV-Empfänger von 26 auf 23,6 Prozent absenken. Diese gesetzlichen Regelungen, Frau Siegesmund hat es gesagt, entlasten den Bund. Die Zahlen sind hier genannt worden. Sie belasten aber die Länder und Kommunen finanziell. Damit ist auch dieses Gesetz ein Baustein der begonnenen unseriösen Politik der Bundesregierung, den Bürgern Steuerentlastungen zu versprechen, die Zeche aber von anderen - hier in dem Fall von den Ländern und Kommunen - bezahlen zu lassen. Nicht anders ist es mit dem Gesetz, das vermeintlich Wachstum beschleunigen soll: Was wächst, sind die Konten der Reichen, aber in die öffentlichen Haushalte werden Löcher geschlagen.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Der Spruch hat so einen Bart.)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Steuermindereinnahmen, die uns alle bei der Haushaltsaufstellung vor riesige Probleme stellen, kommen dann noch die Kürzungen des Bundes dazu - Kürzungen bei den Arbeitsmarktprogrammen, Streckung bei den Verkehrsprojekten, Abschaffung des Goldenen Plans Ost für den Sportstättenbau, um nur ein paar Beispiele zu nennen. So sieht die Politik von Schwarz-Gelb in Berlin aus.

Jetzt kommen wir zu dem vorliegenden Gesetz und dem Sachstand. Es ist im Bundestag am 4. Dezember 2009 verabschiedet worden und unsere Landesregierung hat die Initiative im Bundesrat forciert und mitgetragen. Dafür möchte ich der Landesregierung auch ganz herzlichen Dank aussprechen. Am 18. Dezember 2009, kurz vor Weihnachten, wurde im Bundesrat beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes. Um die Kommunen ausrei

chend zu entlasten, soll zukünftig sichergestellt werden, dass sich die Höhe der Bundesbeteiligung an der tatsächlichen Entwicklung der Kosten für Unterkunft und Heizung orientiert. Das ist allgemeiner Konsens - das habe ich eben auch gehört - und die Beratungen im Vermittlungsausschuss dauern derzeit noch an. Es geht auch um eine grundlegende Überarbeitung, es geht nicht darum, irgendwo eine Zahl oder einen Paragrafen zu ändern. Was den Antrag der Linkspartei angeht, so steht dort fast wörtlich, die Landesregierung möge handeln. Das ist genau der Punkt, worüber wir diskutieren und auch im Haushalts- und Finanzausschuss diskutiert haben. Wenn Frau Sedlacik hier sagt, die Landesregierung möchte endlich tätig werden, dann sage ich, das ist längst geschehen.

(Beifall CDU)

Das, was Sie gefordert haben, ist längst geschehen. Die Landesregierung ist nicht auf einen Zaun geklettert mit einem Fähnchen oder protestiert mit einem Transparent, sondern sie ist den einzig richtigen Weg gegangen, sie ist im Bundesrat aktiv geworden und hat den Vermittlungsausschuss angerufen mit den anderen Ländern gemeinsam. Das ist der einzige Weg, der Erfolg versprechen kann und den ist die Landesregierung gegangen. So hat das auch die Mehrheit des Haushaltsausschusses gesehen. Da geht es überhaupt nicht um taktische Überlegungen.

(Beifall CDU, SPD)

Eine Geschichte aus dem Haushaltsausschuss möchte ich gern noch vortragen, weil sie mich wirklich in ungläubiges Staunen versetzt hat. Wenn die Fraktion DIE LINKE dort fragt, welche Auswirkungen das denn auf den Kommunalen Finanzausgleich haben wird, und dort allen Ernstes den Eindruck erweckt hat, der Freistaat könnte kompensieren, was der Bund den Kommunen wegkürzt, das ist wohl ein Witz.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Es ist ein ernsthaftes Problem, das gebe ich vollkommen zu. Die Landesregierung hat gehandelt, dafür danke ich ihr. Jetzt hoffe ich, dass wir im Vermittlungsausschuss auch das Richtige durchsetzen können. Der Antrag aber hat sich erledigt. Ich würde ihn anstelle der Fraktion DIE LINKE zurückziehen.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat Abgeordneter Koppe von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Pidde, noch einmal muss ich es Ihnen sagen, ich habe das schon vor ein paar Wochen gemacht, es war die alte schwarzrote Bundesregierung, die genau diesen Beschluss am Ende ihrer letzten Legislaturperiode gefällt hat - nur noch mal zur Klarstellung.

(Beifall FDP)

Dies ist gegen den expliziten Willen der FDP geschehen, auch das mache ich noch einmal deutlich. Auch das muss heute noch einmal gesagt werden, weil, wenn wir darüber diskutieren, sollten wir zuallererst einmal bei der Wahrheit bleiben, Herr Pidde.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Wo er recht hat, hat er recht.)

Von Anfang an sollten mit der Entscheidung von CDU und SPD - so die gemachten Zusagen gegenüber den Kommunen - die Kommunen entlastet werden. Man redete damals von 2,5 Mrd. €. Das glatte Gegenteil ist bisher eingetreten. Daran können Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine gute Absicht noch lange nicht zu einem richtigen politischen Handeln führen muss. Mehr noch, Sie können daran erkennen, dass das bloße zentralistische Planen über die Köpfe von Betroffenen hinweg das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was ursprünglich beabsichtigt war.

(Beifall FDP)

Aber auch das will ich nicht verhehlen, das sollten sich auch die Kollegen der LINKEN zu eigen machen, die normalerweise für alles eine zentralistische Lösung parat haben und jetzt die entstandenen zusätzlichen Kosten einzelner Kommunen - das gebe ich zu - berechtigt kritisieren. Die FDP hat bereits in den vergangenen Jahren mehrfach auf den Konstruktionsfehler hingewiesen, den Bundeszuschuss ausschließlich nach der Zahl der Bedarfsgemeinschaften zu bemessen.

(Beifall FDP)

Wir haben zwar das Ziel unterstützt, im Interesse der Kommunen eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen, doch die Ausrichtung an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften hielten wir für falsch. Es zeigt sich jetzt, dass wir recht behalten haben. Nach wie vor sind die Bedarfsgemeinschaften als Bezugsgröße ungeeignet, die tatsächlichen Verhältnisse abzubilden. Ein Singlehaushalt verursacht nun einmal stets geringere Miet- und Heizkosten als eine Großfamilie. Arbeitet man hier mit einem Mittelwert über alle Grö

ßen, dann sind automatisch diejenigen Kommunen benachteiligt, in denen strukturell mehr kinderreiche Familien leben. Die Ballungsräume mit einer Vielzahl von Singlehaushalten, die eine höhere Anzahl an Personen in Bedarfsgemeinschaften aufweisen, werden da massiv begünstigt. Dies kann nicht im Sinne einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Kommunen sein. Die Auswirkungen dieser verfehlten Praxis werden deutlich, wenn man sich mal die Mühe macht und sich die tatsächlichen Kostenstrukturen ländlicher Kommunen etwas genauer ansieht. Für meine ländlich geprägte Heimatregion, den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, bedeutet die Absenkung des Bundesanteils an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft von bisher 26 auf dann gültige 23,6 Prozent Mindereinnahmen in Millionenhöhe. Was für Berliner Finanzpolitiker kaum erwähnenswert ist, wird vor Ort sofort spürbar, wenn Kita-Gebühren erhöht, Schwimmbäder geschlossen werden müssen oder das Geld für die Sanierung des Spielplatzes nicht mehr zur Verfügung steht.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Alles dank der FDP.)

Soll ich es noch einmal wiederholen, Frau Doht?

(Beifall FDP)

Ich glaube, das haben Sie sich gemerkt vom Anfang.

(Zwischenruf Abg. Metz, SPD: Das, was Frau Doht gesagt hat?)

Allein für den Freistaat Thüringen summieren sich die Einnahmeverluste auf voraussichtlich mehr als 10 Mio. €. Dazu hat im Übrigen auch die alte CDUgeführte Landesregierung ihr Scherflein damals beigetragen, als sie im Jahr 2008 im Bundesrat der Streichung trotz der Warnung durch den Thüringischen Landkreistag zugestimmt hat. Zukünftig muss sichergestellt werden, dass die Unterkunftskostenbeteiligung des Bundes mit steigenden Unterkunftskosten größer wird und nicht wie derzeit durch die Kopplung an die Bedarfsgemeinschaften weiter abnimmt. Die den Kommunen zugesagte dauerhafte Entlastung hat sich bisher in ihr klares Gegenteil verkehrt. Die FDP hat immer deutlich gemacht und macht es weiterhin, dass hier nur ein Lösungsansatz der richtige sein kann. Es müssen endlich die tatsächlich entstandenen Kosten als Maßgröße für die Bundesbeteiligung gelten und nicht wie bisher als Bezugsgröße die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften.

(Beifall FDP)

Anders werden wir diese Angelegenheit nicht lösen können. Und auch das sage ich im Hinblick auf Berlin: Der Bund hat den Kommunen die Aufgaben übertragen, also muss er auch für die Kosten geradestehen und kann die Kommunen in der Situation nicht allein lassen. Abschließend wäre es schön, wenn sich die Bundesländer nach dem Anruf des Vermittlungsausschusses endlich einig werden könnten. Denn dann trifft die Gesetzeslage die Intentionen gerechter, liberaler Finanzpolitik im Sinne eines wirkungsvollen Konnexitätsprinzips. Vielen Dank.

(Beifall FDP)