Vielen Dank, Frau Ministerin. Mir liegt eine Rednerliste vor. Ich eröffne hiermit die Aussprache und als Erstes spricht zu uns Herr Abgeordneter Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es geht, wie von Frau Ministerin Taubert eben vorgestellt, um den neuen Entwurf eines Thüringer Gesetzes über den Maßregelvollzug. Am 18. Januar 2012 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, und zwar über den hessischen Maßregelvollzug. Dort hatte ein Betroffener geklagt, dass Handlungen, die gegen ihn durchgeführt wurden, nicht rechtskräftig seien, da der Maßregelvollzug und die Bediensteten eben keine staatlichen Angestellten seien. Da hat das Bundesverfassungsgericht, wie von Frau Ministerin auch ausgeführt, einige Eckpunkte in seinem Urteil formuliert.
Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Artikel 33 des Grundgesetzes, da ganz genau der Absatz 4, und den darf ich, mit Ihrer Erlaubnis, zitieren, Frau Präsidentin. „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“ Darum geht es also, wie kann der Staat organisieren und gewährleisten, dass Grundrechtseingriffe auch in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs staatlich legitimiert sind. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz sagt also erstens, die Grundrechtseingriffe sind durch den Staat vorzunehmen, und es braucht auch eine Legitimation. Hier ist vielleicht noch zu erwähnen, dass im Unterschied zu Thüringen der hessische Maßregelvollzug zwar an den Landeswohlfahrtsverband in Hessen ausgegliedert ist, der wiederum aber zu 100 Prozent in öffentlicher Hand ist. Allein dieses Konstrukt erschien dem Bundesverfassungsgericht schon problematisch. In Thüringen haben wir eine andere Situation. Wir haben keinen Landeswohlfahrtsverband und hier ist der Maßregelvollzug auch nicht öffentlich-rechtlicher Hand, sondern er
ist zu 100 Prozent voll privatisiert. Da gibt es Asklepios, die den Maßregelvollzug in Stadtroda unterhalten, da gibt es das Rhön-Klinikum für den Maßregelvollzug in Hildburghausen und da gibt es auch das Ökumenische Hainich Klinikum, welches den Maßregelvollzug in Mühlhausen betreut.
Wie soll ich das sagen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt am Ende, es kann privatisiert werden, auch die Aufgaben aus Artikel 33 Grundgesetz, aber das nur in Ausnahmen und diese Beleihungsmodelle sind als Ausnahmen nicht hinreichend. Es sagt im Urteil, dass eine Beleihung oder eine Privatisierung des Maßregelvollzugs nur aufgrund einer angenommenen Kostenersparnis kein hinreichender Grund ist. Das sieht die Linke am Ende genauso, denn - das hat sich auch in der Diskussion um den Maßregelvollzug gezeigt und das ist einer der Punkte, weshalb wir heute hier stehen - die Kosten des Maßregelvollzugs sind in den letzten Jahren explodiert. Freilich wurde viel in den Einrichtungen gemacht, da wurde viel investiert, das sehen wir auch ein, aber man muss vielleicht rekapitulieren, 1996 hat der Maßregelvollzug 5,5 Mio. € gekostet, 2002 waren es schon 15 Mio. €, 2006 waren es 19,5 Mio. € pro Jahr und im Jahre 2013 sind wir mittlerweile bei 35 Mio. € angekommen, die der Maßregelvollzug kostet. Wenngleich die Träger investiert haben, neue Einrichtungen errichtet haben, aber nicht einmal die vom Bundesverfassungsgericht als Hilfsargumentation angenommene Kette einer Sparsamkeit durch Privatisierung, selbst die trifft in Thüringen nicht zu.
Also ist die Frage: Wie kann man den Maßregelvollzug neu regeln? Wie kann man dem Richterspruch aus Karlsruhe gerecht werden? Da haben Sie mit Ihrem Thüringer Maßregelvollzugsgesetz einen Vorschlag, ein Verfahren vorgelegt - Sie haben es angesprochen - mit den Interventionsbeauftragten, die als Sachwalter des Staates vor Ort in den Kliniken einbezogen werden sollen. Diese Interventionsbeauftragten sollen die staatliche Legitimationskette durchsetzen und durchziehen. Ob das im konkreten Einzelfall bei all der gesamten Tiefe des das Grundrecht einschränkenden Handelns in dem Maßregelvollzug stattfindet, ob das da überall gewährleistet werden kann, das wird von uns ein wenig bezweifelt, denn Sie versuchen am Ende, Frau Taubert, die Probleme, die die Privatisierung aufgerufen hat, hier zu heilen, ohne dass die eigentlichen Probleme der Privatisierung gelöst werden. Das sehen wir durchaus kritisch, dass man hier versucht, in ein bestehendes Konstrukt etwas einzufügen. Ob am Ende die Kliniken und auch das Personal mit dieser Lösung des Interventionsbeauftragten so gut fahren und so gut leben können, das muss man tatsächlich in der Praxis herausfinden. Ich melde da meine Zweifel an. Aber es ist ein Schritt, den Sie gegangen sind, und ob das einer rechtlichen Überprüfung standhält, das wird man gegebenenfalls sehen.
Wie gesagt, aus unserer Sicht ist es eine Krücke. Sie versuchen, die Probleme der Privatisierung des Maßregelvollzugs hier an dieser Stelle zu lösen. Ob das am Ende so gelingt, das wird sich sicherlich auch bei der Anhörung zeigen. Wir haben vorhin die Anzuhörendenliste im Arbeitskreis Soziales und Gesundheit abgestimmt. Wir haben ja morgen früh eine Sozialausschuss-Sitzung, da werden wir dazu sprechen. Am Ende werden wir in der Anhörung zum Maßregelvollzug auch entsprechende Stellungnahmen von den Anzuhörenden bekommen und die sind meistens mit ein wenig Sachverstand ausgestattet.
Ein weiterer Punkt, den wir noch ansprechen wollen, das ist eine Erfahrung aus dem Sozialausschuss. Wir haben im Sozialausschuss auch immer wieder eine ganze Reihe von Petitionen zum Maßregelvollzug gehabt, beispielsweise in der letzten Zeit die Frage, dass Besucherinnen von Patienten im Maßregelvollzug generell Urin- und Speichelproben zur Untersuchung auf Drogenkonsum abgeben müssen. Dazu steht in dem Gesetz leider nichts drin. Das ist ein wenig ärgerlich, dass wir uns im Sozialausschuss dazu auseinandersetzen. Der Staatssekretär sagt, ja, wir haben das Maßregelvollzugsgesetz im Gang, wir arbeiten gerade daran. Am Ende ist leider doch nichts von dem, was wir im Sozialausschuss diskutiert haben, dort eingeflossen. Wir haben natürlich die Chance, im Rahmen der Anhörung und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diese Mängel zu beheben. Dann wollen wir uns als Linke gerne daran beteiligen, denn ich sage einmal so, ein Generalverdacht gegenüber Besucherinnen im Maßregelvollzug, das kann natürlich auch nicht unsere Haltung sein. Wie gesagt, Sie haben das Gesetz vorgelegt. Es ist ein wenig ärgerlich, dass es jetzt erst im April in den Landtag eingebracht wird. Sie wissen ja alle, dass, ich glaube, am 14. September Landtagswahl ist. Das heißt, wir stehen da unter einem gewissen Druck. Das finde ich sehr ärgerlich. Ich hätte mir für dieses Gesetz gerne als Ausschuss die entsprechende Zeit auch genommen, dass wir die Fragen ausführlich diskutieren können. Ich weiß nicht so richtig, woran es gescheitert ist, vielleicht am Koalitionspartner oder an den intensiven Diskussionen. Jetzt ist es einmal auf der Welt, jetzt werden wir darüber diskutieren und schauen, dass wir da die bestmögliche Regelung hinbekommen. Wir sind gespannt und interessiert und haben trotzdem zur Privatisierung des Maßregelvollzugs immer noch eine kritische Haltung. Die werden wir auch beibehalten, aber vielleicht können wir die eine oder andere Lösung noch im Rahmen der Gesetzesdiskussion hier einbringen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bärwolff. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Abgeordnete Meißner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, die nicht auf der Besuchertribüne sind, aber vielleicht vor dem Computer sitzen! Ziel des von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs zum Maßregelvollzug ist und es wurde schon mehrfach gesagt -, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2012 umzusetzen. Dieses hatte 2012 die Regelungen in Hessen untersucht und mehr Transparenz sowie Präzisierungen bezüglich schwerwiegender Grundrechtseingriffe gefordert. Unter anderem wurde bestimmt, dass über einen sogenannten Einschluss von gewalttätigen oder randalierenden Patienten im Maßregelvollzug nur Beamte entscheiden dürfen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Thüringer Sozialministeriums kam dann zu dem Schluss, dass die Forderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils auch für Thüringen Bedeutung haben. Und Frau Ministerin sagte es schon, der Verfassungsrechtler Prof. Thomas Würtenberger schloss letztes Jahr in seinem Gutachten zwar, dass die Thüringer Regelungen für den Maßregelvollzug im Wesentlichen verfassungskonform sind, aber er sah unter anderem Handlungsbedarf bei der Frage, wer eine schärfere Bestrafung von randalierenden Patienten anordnen darf. Deshalb beraten wir also diese Gesetzesnovelle, die von der Landesregierung heute eingebracht wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Maßregelvollzug in Thüringen ist seit 2002 in privater Hand - die geschichtlichen Grundlagen hat Herr Bärwolff dargelegt - und das soll laut vorliegendem Gesetzentwurf auch so bleiben, das heißt, Thüringen möchte die Betroffenen auch weiterhin nach dem Ende ihrer Haftstrafe in privaten Kliniken unterbringen. Hierfür gibt es in Thüringen private Maßregelvollzugseinrichtungen in Stadtroda, Hildburghausen und Mühlhausen. Dort werden zurzeit 300, vor allem psychisch kranke und suchtkranke Straftäter untergebracht, die für die Allgemeinheit gefährlich sind. In diesen Einrichtungen sind aber keine Staatsbediensteten tätig, sondern Angestellte des jeweiligen privaten Trägers. In seinem Gutachten gab Prof. Würtenberger einige Empfehlungen ab, wie die Thüringer Privatisierungslösung neu gestaltet werden kann. Diese Vorschläge sind nun seitens der Landesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt worden. Künftig soll in Thüringen ein Richter entscheiden, ob ein Untergebrachter ohne seine Einwilligung einem ärztlichen Eingriff unterzogen werden darf. Über weniger schwerwiegende Zwangsmaßnahmen und Sanktionen, zum Beispiel gegen randalierende Gefangene, soll ein
sogenannter Interventionsbeauftragter entscheiden. Dieser soll, wie schon berichtet, beim Landesverwaltungsamt angesiedelt sein und die Grundrechtseingriffe überwachen. Nach Angaben von Frau Ministerin Taubert sollen dafür drei Stellen geschaffen werden. In Zukunft soll laut vorliegendem Gesetzentwurf das Land außerdem ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Chefärzte in den entsprechenden Einrichtungen erhalten. So werden Chefärzte, ihre Stellvertreter und das weitere ärztliche Personal demokratisch legitimiert.
Sehr geehrte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, Frau Ministerin hatte schon die Änderungsvorschläge im Gesetzentwurf dargelegt, so dass ich an dieser Stelle darauf nicht weiter eingehen möchte. Allerdings kann ich mich nur Herrn Bärwolff anschließen, dass wir schon im Sozialausschuss bezüglich der Petition, die uns zum Maßregelvollzug erreicht hat, sehr intensiv diskutiert haben und es uns nicht leichtgefallen ist, dazu als Ausschuss eine Stellungnahme abzugeben. Deswegen bin ich schon gespannt, wie die Beratung dieses Gesetzentwurfs jetzt im Ausschuss verläuft und wie das Schließen dieser dargelegten Regelungslücke mit diesem Gesetzentwurf gelingen soll.
Es ist schon angesprochen worden, wir waren im Sozialausschuss schon fleißig und haben darüber beraten, wie es nun nach der heutigen Einbringung weitergehen soll und haben uns fraktionsübergreifend dazu verständigt, dass wir morgen eine Ausschuss-Sitzung durchführen, in der wir ein mündliches Anhörungsverfahren beschließen, um die Fachleute in diesem Themenfeld zu Wort kommen zu lassen und diese Gesetzesänderung zu beraten und ggf. zu ändern bzw. zu beschließen.
Deswegen beantragen wir schlussfolgernd als Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und, da es auch an vielfachen Stellen des Gesetzentwurfs um Abwägungen bei Grundrechtseingriffen sowie den Richtervorbehalt geht, möchten wir ebenso die Mitberatung im Justiz- und Verfassungsausschuss beantragen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Meißner. Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Koppe.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Meißner hat es schon angeführt, wir sind nicht nur zu dem Thema fleißig gewesen, wir opfern morgen auch noch wertvolle Zeit, die wir zur Nachtruhe hätten benutzen können
und treffen uns relativ frühzeitig. Kollege Grob hat noch einmal gefragt, wann. Ich wollte ihn daran erinnern, also für den Kollegen Grob 8.30 Uhr, für alle anderen auch, damit wir pünktlich sind. So viel zur Einleitung.
Ich würde dem Kollegen Bärwolff in einer Beziehung nicht recht geben wollen, ich würde das Gesetz an sich keine Krücke nennen. Aber auch wir sehen in vielen Punkten noch deutlich Änderungsbedarf. Wir haben Zeit, wenn wir das wollen, dann müssen wir uns einfach die Zeit nehmen, es liegt an uns, wir sind frei gewählte Abgeordnete. Wir können auch über die Zeit im Ausschuss verfügen, also es steht jedem frei. Wie sehr jeder oder jede Fraktion die Bereitschaft dazu an den Tag legen wird, das werden wir dann sehen. Nichtsdestotrotz werden wir morgen dazu - so die Absprache - eine Anhörung beschließen. Dann, glaube ich, können wir zur übernächsten Sitzung das Thema auf die Tagesordnung setzen. Dann schauen wir mal, wie schnell wir das hinbekommen.
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Wir beraten heute in erster Lesung das mit einem schon merkwürdigen Namen versehene „Thüringer Gesetz zur Neuregelung der als Maßregel angeordneten Unterbringung und ähnlicher Unterbringungsmaßnahmen“. Es ist nötig geworden, das ist schon angesprochen worden, da nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil am 18. Januar 2012 strengere Vorgaben für den privatisierten Maßregelvollzug aufgestellt hat. Somit sind die seit 2002 gültigen Beleihungsverträge sowie die bisher gültigen Rechtsgrundlagen durch den Freistaat Thüringen zu ändern. Wie komplex jedoch die Einzelfragen der zu ändernden Regelungen sind, zeigt allein das Beispiel aus Hessen, auf welches sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezogen hatte. Es stand die Frage im Raum, wer bei einem gewalttätigen Patienten über einen sogenannten Einschluss überhaupt entscheiden darf. Darf es der Arzt vor Ort, der sich einer konkreten Gefahr ausgesetzt sieht, darf es ein Beamter, der an seiner gesonderten Rechtsstellung das Gewaltmonopol des Staates ausüben kann? Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, sich vor Ort über die Realitäten im Maßregelvollzug ein Bild zu machen, der weiß, wie sehr gut gemeinte Rechtsnormen in dem einen oder anderen Fall mit konkreten Alltagserfahrungen der Patienten und der Mitarbeiter im Maßregelvollzug kollidieren können.
Ja, vielleicht erzählt der Ministerin jemand, was der Inhalt der Debatte jetzt hier zum Thema ist. Vielen Dank, Kollege Bergemann, für den Hinweis, aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Aber gut, dass wir es trotzdem einmal gehört haben.
Also noch einmal zum Thema: Es steht außer Frage auch für uns, ob dieses juristische Problem diskutabel ist, ob in einem privatrechtlich verfassten Maßregelvollzug der Staat möglicherweise Gefahr läuft, zentrale Grundbedingungen der eigenen staatsrechtlichen Verfasstheit aufzugeben. Aber und das sage ich hier ganz deutlich - wir dürfen die praktischen Bedingungen im Maßregelvollzug selbst nicht außer Acht lassen. Nicht umsonst habe ich am Anfang fein zwischen den Worten „Insasse“ und „Patient“ unterschieden, denn die Bedingungen des Maßregelvollzugs sind nicht ohne Grund komplett anders als beispielsweise im Strafvollzug, da der Personenkreis nicht nur gefährlich, sondern vor allen Dingen auch medizinisch bedingt straffällig geworden ist. Die Gefahren, die durch Patienten für Patienten, aber auch für das handelnde Personal ausgehen, sind deswegen weitaus weniger kontrollierbar als im normalen Strafvollzug. Wie ich also mit einem Patienten im Notfall umzugehen habe, darf somit nicht allein eine juristische Frage sein, sondern es müssen stets die tatsächlichen Gefahrenbilder im Blick behalten werden.
Über welchen Personenkreis sprechen wir hier eigentlich? Ich will versuchen, es noch einmal darzulegen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Gruppen und da kommen die §§ 63 und 64 SGB zum Tragen, zum einen die Gruppe, die nach § 63 Strafgesetzbuch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist. Diese Unterbringungsform bezieht sich auf schuldunfähige oder vermindert schuldfähige Straftäter, die aufgrund ihrer Erkrankung als für die Allgemeinheit gefährlich gelten und von denen weitere erhebliche Straftaten, sowohl Gewaltdelikte als auch Sexualdelikte, zu befürchten sind. Diese Maßregel, noch mal ganz klar, ist unbefristet. Dann haben wir den anderen Personenkreis, das sind diejenigen, die nach § 64 Strafgesetzbuch in der Entziehungsanstalt unterzubringen sind. Dies bezieht sich auf suchtkranke Straftäter. Diese Maßregel ist grundsätzlich auf zwei Jahre beschränkt, wobei sich die Aufenthaltsdauer in der Maßregel durch entsprechende Höchstfristberechnungen verschieben bzw. verlängern kann.
Die Personen, die gerichtlich angeordnet nach § 63 bzw. § 64 Strafgesetzbuch unterzubringen sind, sind grundsätzlich weiterhin dauerhaft gefährlich, anders als manch anderer, der für eine Straftat in der JVA untergebracht ist. An diesem Beispiel, glaube ich, wird deutlich, dass die Debatte um die im Gesetzentwurf angedachten Interventionsbeauftragten dringend noch einmal die Antwort der Praktiker braucht, denn die Interventionsbeauftragten geben als Beamte nicht nur ihre Zustimmung zur Einstellung des ärztlichen Personals, sondern können nach § 6 des Maßregelvollzugsgesetzes auch die Durchführung von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen anordnen. Das heißt, dass die Ärzte erst fragen müssen, ob sie eine medizini
sche Zwangsbehandlung durchführen dürfen. Verständlich, dass dies Unbehagen beim medizinischen Personal hervorruft.
Wie wir wissen, verfügen die Einrichtungen nicht ohne Grund bereits jetzt über gesondert gesicherte Trakte, in denen auch Patienten separiert werden können. Wir tun also gut daran, die vorgeschlagene Lösung noch einmal in einem Anhörungsverfahren auf ihre Praxisnähe zu überprüfen.
Auch - das ist uns besonders wichtig - ist mit diesen Trägern abzuprüfen, inwieweit die Neugestaltung der Kostenregelungen langfristig tragfähig ist. Die Frage, dass die steigenden Kosten nur der Gewinnabsicht der Träger zuzuschreiben sind, lässt sich in der Realität nicht abbilden. Zwar sind seit Jahren die Fallzahlen steigend, aber - wie wir alle wissen weisen sich die Träger die Patienten nicht selbst zu, sondern dies wird bereits durch die Hauptverhandlung, also durch ein ordentliches Gericht angeordnet. Des Weiteren haben sich in den letzten zehn Jahren auch die Therapieformen massiv verändert. Gerade die klinische Psychiatrie hat sich als medizinisches Teilfach enormen Fortschritten unterzogen, ein Fortschritt, der sich im tagtäglichen Handeln niederschlägt und damit auch Kosten fabriziert. So ist das mit dem medizinischen Fortschritt. Es soll an anderer Stelle auch so sein, Frau Ministerin, na klar. Aber es ist schön, dass Sie jetzt der Debatte wieder lauschen. Das ist, glaube ich, auch dem Thema angebracht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich dann aber doch einmal die Mühe macht, die überdurchschnittliche Kostenentwicklung in Thüringen einmal zu hinterfragen, muss man sich schon sehr wundern - zumindest haben wir das gemacht. Im 3. Psychiatriebericht des TMSFG selbst aus dem Jahr 2012 - die Frau Ministerin kennt ihn bestimmt kann man das nämlich nachlesen. Auf Seite 137, die Seite ist mir aufgeschrieben worden, liest man, dass Thüringen eine überdurchschnittliche Personalausstattung hat - bezogen auf Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen sowie sonstige Therapeuten sowie bei den Pflegekräften der Maßregelvollzugseinrichtungen im Freistaat Thüringen. Wissen Sie, was? Das ist aus unserer Sicht auch gut so. Denn auf derselben Seite steht auch, dass man gerade durch die guten Bedingungen im Therapieerfolg in Thüringen ganz weit vorn ist.
Unsere Einrichtungen sind also ganz weit vorn, Frau Ministerin, sowohl bei den Leistungsmerkmalen, Lockerungen je 100 Fälle, als auch bei der Anzahl der Entweichungen je 100 Fälle. Das ist nicht meine Erfindung - die Leistungsmerkmale heißen so. Auf Deutsch - bei uns werden erstens die Pati
enten schneller therapiert und zweitens flüchten Sie deutlich weniger aus dem Maßregelvollzug als in anderen Bundesländern. Der Zusammenhang zwischen Personalbestand, Therapiemöglichkeiten und Therapieerfolg ist also evident. Gerade aus diesem Grund wollen und müssen wir uns auch diese Regelungen noch einmal gründlich ansehen. Auch dieses Mal gemeinsam mit dem Träger.
Aber auf eines will ich am Ende, nachdem ich auf die inhaltlichen Punkte, die wir im Ausschuss noch auf jeden Fall im Einzelnen diskutieren sollen und auch bestimmt werden, auf einen Punkt möchte ich am Ende meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen: Wenn man sich mit den Zahlen im Maßregelvollzug der letzten Jahre beschäftigt, sieht man ganz schnell, dass dort in diesem Haushaltstitel keine relevanten Kosten einzusparen sind. Aus diesem Grund, Frau Ministerin, fand ich es damals schon nicht redlich - ich wiederhole das heute noch einmal -, dass Sie den Haushaltstitel Ärzteförderung unter den Finanzierungsvorbehalt der Einsparung im Maßregelvollzug gestellt haben. Wie wir wissen, haben wir an den Zahlen gesehen, dass das die ganzen Jahre nicht passiert ist.
Aber, dieses Jahr - welch Graus oder welch glücklicher Zufall - habe ich die Aufstellung aus dem Finanzministerium, Stand 31.12.2013. Da kann man lesen, dass von den veranschlagten 35.648.000 € doch 193.033,62 € übrig geblieben sind, Frau Ministerin. Dieses Geld haben Sie nicht, obwohl Sie es in der Haushaltsberatung versprochen haben, dem Ärzte-Förderungsprogramm zukommen lassen, sondern das Geld ist in den ganz normalen Haushalt wieder vereinnahmt worden.
(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Das müsste doch Sparfüchse wie Sie freuen.)
Nein, Frau Ministerin, Sie haben es versprochen, ich nicht. Sie haben sich hier bei den Haushaltsberatungen hingestellt und haben gesagt, jeder einzelne Euro im Jahr 2013 bis zu einer Höchstgrenze von 300.000 €, der im Maßregelvollzug eingespart wird, wird für das Programm der Ärzteförderung in Thüringen eingesetzt. Wie bitte wollen Sie das den Leuten erklären, und ich hätte es auch gern mal gewusst, warum halten Sie Ihr Versprechen nicht und lassen die 193.000 €, worauf auch die Ärzteverbände warten, um diese Fördermöglichkeiten zu nutzen, warum halten Sie Ihr Versprechen nicht und haben das Geld ganz einfach in den Gesamthaushalt zurückfließen lassen? Das ist ein Punkt, der mich sehr interessiert, außer dem Inhalt dieses Gesetzes. Vielleicht können Sie auch etwas dazu sagen, das würde mich sehr freuen. Ansonsten schließe ich mich meinen Kolleginnen und Kollegen an und beantrage die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Koppe. Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Koppe, da waren einige spannende Fragen dabei. Ich bin jetzt offen gestanden auch gespannt, wie die beantwortet werden.
Wir haben einen Gesetzentwurf vorliegen, mit dem viele von uns im Ausschuss nicht mehr gerechnet haben. Ebenso wie beim Gesetzentwurf zur Umsetzung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und der UN-Behindertenrechtskonvention sind wir inzwischen davon ausgegangen, übrigens fraktionsübergreifend, dass der lange angekündigte und versprochene Gesetzentwurf nicht mehr kommt. Jetzt ist er da und das ist erst einmal gut. Was nicht so gut ist, ist, dass jetzt beabsichtigt ist, das Ganze im Schnelldurchlauf noch vor der Sommerpause zu diskutieren. Wir müssen uns die Zeit dafür nehmen, müssen uns auch Zeit lassen, denn es geht um ein sehr sensibles Thema, es geht um die Unterbringung in Maßregelvollzug. Das braucht bedachte Äußerungen zum einen, gutachterliche Äußerungen zum anderen und drittens die Möglichkeit, gute Entscheidungen treffen zu können - mit anderen Worten, das braucht Zeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, andere Bundesländer sind, wen wundert es, mit der Novellierung längst vorangeschritten, waren schneller, haben übrigens deutlich eher begonnen, mit vielen Partnerinnen und Partnern gemeinsam einen umfassenden Diskussionsprozess einzuläuten. Es geht auch in diesem Bereich darum, Beteiligungsrechte zu stärken, Transparenz im Erarbeitungsprozess einzufordern. Das ist wieder so ein Gesetz, bei dem wir das Gefühl haben, hätte man sich eher gemeinsam an einen Tisch gesetzt, hätten wir jetzt auch mehr Zeit zur Beratung. Jetzt liegt es aber da, ist eine komplizierte Materie und wir werden uns die Zeit nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen, dass es insbesondere um die drei forensischen Kliniken in Stadtroda, Mühlhausen und Hildburghausen geht und dass gerade jene einen verlässlichen und klaren Rahmen brauchen, der ihnen hilft und vor allen Dingen den Patientinnen und Patienten hilft, damit sie gut betreut werden können. Infolge der Beleihung privater Kliniken seit dem Jahr 2002, die es übrigens nur noch in Hessen gibt,
in Hessen und in Thüringen, müssen wir gerade auch bei der Anpassung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2011 sehr sorgfältig sein. Ich will an dieser Stelle eine Bemerkung sehr klar einpflegen: Ich finde, dass diese Privatisierung ein Fehler war.
Wir haben darüber im Ausschuss auch schon diskutiert. Wir haben auch darüber diskutiert, dass wir wissen, dass der Ministerin quasi die Hände gebunden sind, weil es nun mal Verträge gibt, die noch viele Jahre laufen. Aber ich finde, dass eine der größten Aufgaben, übrigens partei- und fraktionsübergreifend, in der nächsten Legislatur ist, diese Rückabwicklung anzuschieben
und dafür zu sorgen, dass der Maßregelvollzug in Gänze wieder zurück in Landesverantwortung geht. Diese Aufgabe muss rückübertragen werden.