Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

In Bildung investieren: Wir haben vorgeschlagen, dass im Justizbereich weiter ausgebildet werden muss, weil wir genau wissen, dass wir dort ein Problem haben. Ganz exemplarisch: Wir haben an vielen anderen Stellen auch Probleme mit Ausbildung, auch mit der Menge, die wir ausbilden können, das wissen wir. Aber in dem Punkt konnten wir mal sagen, das ist gegenfinanziert durch die simple Annahme, dass wir genauso viele Waren verkaufen aus den Justizvollzugsanstalten heraus wie im letzten Jahr und fertig. Das hat uns die Sache mal sehr einfach gemacht, das hat Frau Lehmann völlig richtig erkannt.

Wir wollen Schwache schützen, da muss aber umverteilt werden dürfen; da bin ich bei den LINKEN.

Schulpsychologen müssen ran, es braucht mehr davon. Wir müssen gerade in Erfurt nicht über dieses Thema diskutieren, wirklich nicht. Es gibt einfach zu wenig Schulpsychologen. Selbstverständlich haben wir mit der LINKEN auch einen gemeinsamen Antrag eingebracht, dafür zu sorgen, dass auch Flüchtlinge eine vernünftige psychologische Betreuung durch den Verein Refugio bekommen können. Wir hoffen darauf, dass dieser Antrag heute - wenigstens dieser eine Antrag - mit seinen unheimlich teuren 30.000 € eine Mehrheit bekommt in diesem Haus.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber nicht zusätzlich.)

Ich weiß schon. Wir haben ja nichts zusätzlich drin, wir wollen immer nur umschichten; schon klar.

Wir haben den Green New Deal ausgerufen als Partei. Das heißt, Arbeit vor Ort schaffen, Arbeit fair vergüten und u.a. auch die Raumnutzung umweltverträglicher machen. Das heißt zum Beispiel, wenn es um Strukturen geht, die Straßensanierung finanzierbar halten. Große Zeitungen schreiben mittlerweile von den Tatsachen, dass die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, ihren Instandhaltungsstau zu bedienen - völlig richtig. Aber dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir ihnen nicht mehr Straßen überhelfen dürfen. Unangenehmerweise sind das aber auch Ortsumgehungen, die mehr Straßen bedeuten können, wenn wir beispielsweise von Kreisstraßen sprechen. Dann muss der Straßenneubau überdacht werden zugunsten von Straßensanierungen. Ich habe noch nicht über das Thema Bahn und Fahrradwege und so etwas geredet, nur immanent im Verkehr für private Kfz. Es braucht dann auch keine neuen Landesgebäude, aber es braucht genügend Bauunterhaltung und auch da mangelt es.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Abschluss: Der Haushalt ist kaum das Papier wert, auf dem er gedruckt werden wird, weil, die Steuerschätzung wird als Begründung herhalten dürfen, plötzlich doch nicht alle Wünsche finanzierbar sind. Sie kommt in sieben Tagen und die ersten „Geheimmeldungen“ geistern schon durch die Zeitungen und die heißen, es wird schlimmer als befürchtet.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wenn es in der Zeitung ist, dann ist es nicht mehr geheim.)

Ja eben, das war mit Anführungszeichen. Das heißt, Frau Ministerpräsidentin, ich gehe davon aus, dass die Landesregierung Globale Minderausgaben verkünden wird, schon um Handlungsfähigkeit zeigen zu können und sich bis in den Herbst retten zu können. Ich bin ja mal gespannt, ob ich damit falsch liege. Ich nehme an, Sie haben keine andere Wahl.

Zweitens: Die Strukturkommission, auf die ich auch große Hoffnung setze, kann nicht ein einziges Mal tagen, ohne dass Interna nach draußen dringen und erste Ideen, die zumindest in Richtung einer Strukturreform gehen, reflexhaft dementiert werden. Ich schaue jetzt auf niemanden, der mit dem Thema zu tun hatte, das fällt mir schwer, weil einige in dieser Runde damit zu tun hatten. Als Geheimveranstaltung wird sie aber kaum die Durchsetzungsfähigkeit erreichen, die notwendig wäre. Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben mehrfach, und tun es auch heute und hier wieder, angeboten, dabei mitzutun, weil nur so mit einem großen gesellschaftlichen politischen Konsens die Chance bestehen kann, die Ergebnisse der Strukturkommission auch umsetzen zu können. Sonst - da muss ich Herrn Recknagel recht geben - hat es wieder ein Gutachten gegeben und wieder eine Kommission gegeben und es ist wieder nichts dabei herausgekommen. Geheimverhandlungen werden es nicht mehr bringen, nicht in diesen strukturellen Defiziten. Wir hoffen da auf ein Mehr-auf-uns-zukommen durch die Landesregierung. Dann wird sich zeigen, ob das Land eine wirklich handlungsfähige Regierung hat oder nur zwei Fraktionen, die aneinander gekettet sind. Erstens kann man Ketten nicht durchschneiden, die muss man richtig durchsägen, aber wenn sie nicht gekettet wären, würden sie umfallen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Es sei denn, man hat die Schlüssel.)

Ja, richtig, aber das wollten doch Sie jetzt nicht wirklich in die Diskussion einbringen, Herr Mohring. Ich dachte, Sie hätten den Schlüssel weggeschmissen. Also ich habe angenommen, die Schlüssel gibt es nicht mehr. Aber wir sind bereit, Einzelne aufzufangen von denen, die dann umfallen könnten.

Meine Damen und Herren, nach meinen Ausführungen wird es Sie sicher nicht besonders wundern, wenn wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen werden. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Meyer. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Pidde für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist ein guter Haushalt.

(Beifall CDU, SPD)

(Unruhe FDP)

Dieser Haushalt ist gut für Thüringen, er ist gut für die Menschen in unserem Land. Wir alle wissen, dass jeder Haushalt ein Kompromiss ist, aber dieser Haushalt ist ein guter Kompromiss. Mir würden aus dem Stegreif 30, 40, 50 oder noch mehr Positionen einfallen, für die mehr Geld nötig ist und es auch sinnvoll eingesetzt werden würde. Auf der anderen Seite wäre es mir auch lieb, wir hätten die Kreditaufnahme bei Null oder würden sogar Kredite tilgen in diesem Jahr.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Wünsch dir was.)

Dieser Haushalt ist ein guter Kompromiss, weil er angemessen auf die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert. Was wir jetzt brauchen, sind Investitionen. Jetzt in der Krise setzen die Koalitionsfraktionen mit diesem Haushalt die richtigen Impulse: Impulse in die Wirtschaft, Impulse für Arbeitsplätze - und deshalb ist es ein guter Haushalt.

Meine Damen und Herren, schauen wir ruhig mal ein Jahr zurück. Ich habe im Pressespiegel vom 29. April 2009 nachgeschaut. Die Krise und deren Auswirkungen waren in aller Munde und bestimmten auch an dem Tag die Schlagzeilen. Es gab Lob für das schnelle Handeln der damaligen Bundesregierung. Durch Verlängerung der Kurzarbeiterregelung wurden Massenentlassungen verhindert und es gab Lob, weil erste Projekte für das Konjunkturpaket II genehmigt wurden.

Heute sind wir ein Jahr älter und viele von uns - nicht alle - ein Jahr schlauer. Wir wissen, dass wir in der schwersten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stehen. Ist das Licht am Ende des Tunnels schon zu sehen? Keiner weiß es so genau, wie lange die Fahrt im Tunnel noch dauern wird. Es gibt eine Reihe von guten Nachrichten, aber es gibt auch Horrormeldungen, wie neulich im Handelsblatt. Am 08.04.2010 wurde getitelt: „Tsunami an Kreditausfällen rollt auf die US-Wirtschaft zu.“ Nun sind es die Gewerbeimmobilien und die dafür aufgenommenen Kredite, die Sorge bereiten. Das sind Belege dafür, weshalb ich sage, wir haben die Talsohle noch nicht hinter uns gelassen und viele politisch Verantwortliche wissen das und auch in der Wirtschaft wird dies so gesehen.

Ich will Günther Vogelsang, den Vorstandsvorsitzenden von Krupp, zitieren, der ja nun weiß Gott kein SPD-Parteibuch hat: „Was wir in dieser Situation brauchen, ist eine pragmatische Wirtschaftspolitik, Weitsicht bei den Forschungsaufgaben und Stabilität in der Finanzpolitik.“ Auch wenn erste Anzeichen einer Erholung sichtbar sind, ist die Krise noch lange nicht überwunden. Die finanziellen Auswirkungen jeder Krise merken die öffentlichen Haushalte - ob

das beim Bund oder bei den Ländern oder bei den Kommunen ist - sowieso erst immer im darauffolgenden Jahr oder in den Folgejahren. Wenn wir uns die Steuereinnahmen des Freistaats anschauen, die 2008 noch bei oberhalb von 5 Mrd. € lagen, sagt die Steuerschätzung vom November - wir wissen nicht einmal, ob es so kommen wird - für dieses Jahr 4,5 Mrd. € voraus. Genau gesagt, sind es 529 Mio. € weniger, die uns in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Dazu kommt natürlich noch das Minus beim Länderfinanzausgleich, dazu kommt das Minus bei den Bundesergänzungszuweisungen.

Meine Damen und Herren, in Deutschland und auch in Thüringen gibt es eine kleine politische Gruppierung, die das alles nicht wahrhaben will und die fleißig Konzepte und Rezepte von gestern und vorgestern propagiert, die gleichen Rezepte, die uns in die Krise geführt haben. Ich rede von Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ein Zei- chen, dass Sie es nicht verstanden ha- ben.)

Indem Sie sagen, wir brauchen nur jegliche Regulierung zurückzunehmen, werden schon alle Menschen das Richtige tun, indem Sie sagen, wir brauchen nur die Steuern ganz wegzunehmen und nach unten zu fahren, dann werden alle selig sein.

(Unruhe FDP)

Ganz besonders dreist ist es aber, wenn Sie, die Thüringer FDP, die hohe Kreditaufnahme des Landes 2010 kritisieren - ich halte sie auch nicht für gut -, auf der anderen Seite aber durch unsinnige Geschenke an Ihre Klientel sogar direkt dazu beigetragen haben,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

dass die notwendige Kreditaufnahme gestiegen ist. Ich rede vom Gesetz, das angeblich Wachstum beschleunigen soll.

(Unruhe FDP)

Für Thüringen - und das wissen Sie ganz genau - bedeutet es in diesem Jahr Mindereinnahmen von 42 Mio. €. Diese müssen nur noch zusätzlich weggedrückt werden und in den Folgejahren jährlich zwischen 60 und 70 Mio. €.

Herr Dr. Pidde, gestatten Sie eine Nachfrage des Abgeordneten Barth?

Natürlich.

Vielen Dank. Herr Kollege, Sie haben eben ausgeführt, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu Steuererleichterungen geführt hat. Auf Nachfrage an die Landesregierung hat uns diese mitgeteilt, dass das im Land zu Mindereinnahmen von 42 Mio. € führt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie rechnerisch die Differenz zwischen 820 und 42 ermitteln können und ob Sie mir daraufhin vielleicht folgen können in der Feststellung, dass diese 42 Mio. € der mit Abstand kleinste Anteil in der vorgesehenen Neuverschuldung sind.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch damit gar nichts zu tun. Was soll denn das?)

Lieber Kollege Barth, zuerst einmal, dass das Gesetz so heißt, für den Namen sind Sie verantwortlich. Der Inhalt ist ganz etwas anderes. Wachstum wird damit nicht beschleunigt, im Gegenteil,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

es führt zu Steuereinnahmeausfällen. Die 42 Mio. € für dieses Jahr belasten uns schon sehr. Sie werden uns - diese 60 bis 70 Mio. €, die für das nächste Jahr prognostiziert sind - noch viel mehr belasten. Es ist eine zusätzliche Last, die damit auf uns allen, auf dem Freistaat Thüringen lastet.

(Beifall SPD)

Aber, liebe Kollegen von der FDP, die Prognosen aus Nordrhein-Westfalen sind nicht besonders gut und im Moment schweben sie knapp über der 5-Prozent-Hürde. Deshalb gibt es noch weitere zusätzliche Steuergeschenke.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie ar- beiten daran, das auch hinzubekommen.)

Bei all dem, was Sie hier sagen und versprechen, lassen Sie sich von der Realität überhaupt nicht irritieren. Ich nehme an, die Mai-Steuerschätzung und die schlechten Zahlen werden Sie nicht davon ab

halten, weitere Geschenke zu verteilen. Auch dass Sie die Kopfpauschale in Berlin fordern, für deren Einführung zusätzliche Milliarden an Steuergeldern benötigt werden, wird Sie überhaupt nicht daran hindern, weiter zu versprechen, die Steuern zu senken.

Meine Damen und Herren, so sehr wir auch die Steuern senken würden, so unsinnig sind solche Vorschläge in dieser Zeit. Selbst die Wirtschaft und die Besserverdienenden als Adressat Ihrer vermeintlichen Segnung wollen diese Steuersenkung nicht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie verstehen es einfach nicht!)

In der aktuellen Umfrage unter Unternehmern, also unter Ihrer Klientel, waren gerade mal 16 Prozent der Befragten für Steuersenkung. Die übergroße Mehrheit plädierte dafür, der Staat solle schauen, dass er seine Haushalte in Ordnung bringt.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Und das machen Sie mit Ihren zusätzlichen 820 Mio. € Schulden?)