Protokoll der Sitzung vom 27.05.2010

Meine Damen und Herren, insofern ist dieser Antrag nach Auffassung der FDP-Fraktion nicht zustimmungsfähig. Ich danke Ihnen. Jetzt bitte Ihre Frage.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Bergner. Sie haben am Anfang Ihrer kleinen Rede gesagt, es handelt sich um einen zahnlosen Tiger und 5, 6, 7 Sätze später haben Sie bemängelt, dass diese Stelle zu weitgehende Befugnisse hätte. Erklären Sie mir das doch bitte einmal. Das habe ich nicht verstanden. Wie kann ein zahnloser Tiger zu weitgehende Befugnisse haben?

Dann schauen Sie bitte in Ihren eigenen Antrag hinein, der ist in sich widersprüchlich. Das meinen wir damit. Auf der einen Seite ist überhaupt nicht geregelt, was die Kompetenzen sein sollen, und auf der anderen Seite setzt es aber voraus, dass hier ein Eingriff in Persönlichkeitsbereiche und in Datenbereiche gegeben sein soll, der doch nach unserer Auffassung sehr sensibel ist. Danke schön.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dirk Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrten Gäste auf der Tribüne! Vielleicht in Richtung von CDU und FDP: Es fällt auf zum Beispiel, dass Sie in Ihren Argumentationen, die Sie jetzt

gerade beide vorgetragen haben, eigentlich immer nur das Verhältnis Bürger - Polizei in den Fokus nehmen und sagen, was hat den Bürger das anzugehen, was die Polizei macht. Ich glaube, Sie sollten einen weiteren Aspekt des Antrags von den LINKEN hier nicht aus dem Auge lassen, dass es auch innerhalb der Polizei die Möglichkeit geben soll. Zumindest der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei begrüßte das ja, indem er sagt, es macht auch Sinn, um intern etwas aufzuklären. Insofern sollten Sie dabei auch das Verhältnis von Polizei zu Polizei mit in den Blick nehmen.

(Beifall DIE LINKE)

An den Kollegen der CDU: Herr Kellner, schauen Sie einfach nach Sachsen-Anhalt, dann erläutert sich die ganze Frage. Sie hatten relativ populär gefragt: Wozu brauchen wir das, was soll das? Schauen Sie nach Sachsen-Anhalt, da wird Ihnen das erklärt, was man alles zumindest mit einem Modellprojekt machen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Bürgerpolizei, hoch akzeptiert, geachtet und effektiv eingesetzt, ist ein hohes Gut in einem demokratischen Rechtsstaat und wir sollten danach trachten, dieses hohe Gut ständig zu verbessern, lassen Sie mich es so sagen, es täglich zu vergolden. Der Antrag der LINKEN ist dafür meiner Meinung nach höchst geeignet und hilfreich.

(Beifall DIE LINKE)

Es soll, so der Antrag, eine Beschwerdestelle eingerichtet werden. Wir könnten sie vielleicht auch Informations- oder Transparenzstelle nennen oder Kontaktstelle - ich glaube, über das Wort muss man nicht streiten -, jedenfalls eine Stelle, die Bürgerinnen und Bürgern, Polizistinnen und Polizisten gleichermaßen zur Verfügung steht. Ich glaube, da kann selbst die CDU nichts dagegen haben. Eine große Aufgabe, das ist auch in Ihren Reden vollkommen zu Recht schon angeklungen; wenn man sich dem stellt, wird man sehr schnell darauf kommen, dass ein solches Ziel, eine solche Aufgabe sicherlich nur in Etappen lösbar ist. Wir werden nicht irgendwann ein Gesetz haben, dass eine solche Stelle einrichtet und sofort beginnen lässt. Es wird in kleinen Etappen nur möglich sein.

Was ist nötig, um diese Stelle gut auszustatten, um aus ihr etwas fruchtbar für unseren Rechtsstaat herauszuholen für ein besseres, immer besser werdendes Verhältnis zwischen Polizei, Bürger und auch innerhalb der Polizei? Diese Stelle muss unabhängig sein, ungefähr so, wie die Bürgerbeauftragte des Freistaats. Diese Stelle muss selbst Akten einsehen können und nachforschen können. Das ist ein ganz wich

tiger Punkt. Denn sie darf nicht nur eine Art Kummerkasten werden, der dann sagt, möglicherweise ist das wirklich ein Problem, aber mehr können wir dazu auch nicht sagen. Sie soll anonym erreichbar sein, weil nicht jeder nach einem Konflikt mit der Polizei schon gleich den nächsten Konflikt heraufbeschwören möchte. Wenn man sich das genau überlegt, diese drei Punkte, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, sieht man, dass es da natürlich auch sehr viele Fragen gibt, die noch zu lösen sind. Ich würde mich freuen, wenn wir über diese Fragen im Ausschuss diskutieren könnten.

Eine anonym erreichbare Stelle, das hat die FDP zu Recht gesagt, öffnet natürlich auch immer die Möglichkeit, dass jemand, der gern anschwärzt, diese allzu sehr nutzt. Die Frage ist allerdings, ist das wirklich das Problem, z.B. in unserer Gerichtsbarkeit, dass Leute, die denunzieren wollen, hier den Apparat lähmen - ich glaube nicht. Aber wir sollten darüber diskutieren, wie wir diese Stelle ausstatten und konstruieren, dass das eben nicht zu einem Problem wird.

Es soll eine Art Ermittlungskompetenz geben. Auch hier ist die Frage schon angeklungen: Was bedeutet das eigentlich, wird das eine Parallelstruktur, eine Parallelstruktur dann zur Staatsanwaltschaft, würden wir das wollen, neben dem doch sehr autonom agierenden Justizapparat hier eine Parallelstruktur aufbauen zu wollen? Auch darüber müssen wir reden. Eine genügende personelle Ausstattung, und das bei unserer finanziellen Situation, auch darüber wird man reden müssen, wie viel müssen und wie viel können wir hier investieren und - das ist eigentlich die wichtigste Frage - was machen wir eigentlich mit den Ergebnissen. Wird es regelmäßig das Ergebnis geben, ja, das scheint sehr begründet zu sein, bitte wählen Sie doch den Weg zu einem Verwaltungsgericht, oder nein, dieser Antrag scheint eher keine Aussicht auf Erfolg haben zu können - im Prinzip also eine Rechtsberatung anbieten? Ich glaube, das kann es auch nicht sein. Insofern sind die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, Herr Bergner, richtige Fragen. Aber wir sollten sie nicht vom Tisch wischen und sagen, weil wir diese Fragen haben, lohnt es sich nicht, weiter darüber zu diskutieren. Eine solche Zielstellung, eine solche Beschwerdestelle, Kontaktstelle einzurichten, ist für meine Begriffe eine absolut alternativlose Aufgabe, die sich der moderne Rechtsstaat immer stellen muss. Wir sollten keine Angst davor haben, Polizistinnen und Polizisten auch von außen kontrollieren zu lassen. Das tut die Staatsanwaltschaft sowieso schon, könnten Sie sagen - aber warum sollen wir dem nicht noch ein sinnvolles Element hinzufügen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon kurz angeklungen und es verwundert mich,

ich hätte jetzt an der Stelle eigentlich sagen wollen, das scheint auch gute Aussichten auf Erfolg zu haben dieses Projekt, da der Innenminister Huber sich dazu bekannt hat. Jetzt dementiert die CDU-Fraktion. Ich finde, Sie können mit dem MDR, der das auf der Internetseite nach wie vor als Meinungsäußerung darstellt, nachher noch gleich diskutieren darüber. Auffällig ist nur, dass auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, der Herr Grosa, sich dazu geäußert hat. Wenn Herr Huber dazu nichts gesagt hätte, dann wäre Herr Grosa unser Kronzeuge. Ich glaube aber, dass sie eigentlich beide etwas dazu gesagt haben, zumindest habe ich es auch so verstanden. Insofern sollten wir doch einfach die Diskussion einmal führen, gern mit der GdP im Ausschuss auch gemeinsam. Eine Tagung der GRÜNEN-Bundestagsfraktion hat gezeigt, dass beispielsweise in einem Land, in dem es die Polizei sehr, sehr schwer hat, Nordirland, eine solche Stelle, eine solche Organisationsstruktur geholfen hat, die Akzeptanz und die Bürgernähe der Polizei enorm zu verbessern. Wir sollten dieses Instrument nutzen, um ein Stück weiter in Richtung der Bürgerpolizei zu kommen. Ich finde, das ist ein gutes Ziel und wir sollten uns engagiert dieser Sache widmen und darüber im Ausschuss diskutieren. Das heute vom Tisch zu wischen oder, wie es Frau Kollegin Marx vorhin sagte, gleich zu erledigen -

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Beerdigen.)

„beerdigen“ war das richtige Wort -, ist, finde ich, mit Blick auf einen modernen Rechtsstaat nicht angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Demonstrieren Sie einfach Ihre Lust am Diskutieren und am Gewinn neuer Erkenntnisse. Wir sind auf jeden Fall gern mit dabei. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Adams. Gehe ich richtig in der Annahme, dass die Überweisung an den Innenausschuss beantragt wird?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So ist es.)

Danke schön. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gentzel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Post fand, hatte ich sofort das Gefühl, das kennst du doch. Ich habe dann mal ins Archiv gesehen, dort nichts gefunden, habe dann mal ins eigene Archiv gesehen und ich habe etwas gefunden. Im Jahr 2005 ist die Oppositionsfraktion DIE LINKE damals auf die Oppositionsfraktion SPD zugegangen mit einem Antrag, der ähnlich formuliert war. Es hat den Antrag dann nicht gegeben, weil ich es seinerzeit schon in der Opposition abgelehnt habe. Die Begründung, die ich Ihnen damals genannt habe, ist so ziemlich die gleiche Begründung, die ich Ihnen heute geben werde. Die ist ziemlich nahe, wenn nicht fast identisch, beim Abgeordneten Kellner.

Ich will mal aufzählen, wohin sich Polizisten und Bürger jetzt schon wenden können: Bürgerbeauftragter, Petitionsausschuss, nicht zuletzt die Gewerkschaften, die Landtagsfraktionen; zur Pressefreiheit ist etwas gesagt worden. Ich sage Ihnen an dieser Stelle, weshalb ich auch den Antrag nicht verstehe, aus meiner bisherigen Sicht auf die Dinge, das funktioniert ja auch. Ich habe noch nicht einmal erlebt, wenn mir im Innenausschuss Fraktionen einen konkreten Sachverhalt an dieser Stelle vorgetragen haben, dass sie abgespeist worden sind.

(Beifall CDU, SPD)

Ich will mal nebenbei daran erinnern, dass hier ein Innenminister Gasser an einer Polizeireform gescheitert ist, weil Polizisten auf Fraktionen zugegangen sind und mit den Fraktionen geredet und mit den Fraktionen Tacheles geredet haben. Das Gleiche haben übrigens auch die Polizeigewerkschaften gemacht. Insofern, das System, was wir jetzt haben, das funktioniert. Ich frage mich, warum man darauf noch etwas aufsetzen will.

Ich will noch einen Satz sagen zu dem, was angeblich oder wahrscheinlich oder was der eine oder andere verstanden hat, was der Innenminister im MDR gesagt hat. Ich war selber in der Sendung und habe auch anschließend mit dem Innenminister geredet. Wir sind uns beide einig, dass das so, wie Sie das hier auslegen, ein gezieltes und gewolltes Missverständnis ist. Der Innenminister hat gesagt, dass bei einer Frage Polizeibeschwerde und Ähnliches mal überlegt werden kann, ob man zum Beispiel beim Bürgerbeauftragten etwas in der Struktur, in der Organisation tun kann. Dem hat der Chef der Gewerkschaft zugestimmt. Das ist aber ein ganzes Stückchen weg von dem, was Sie in Ihrem Antrag formulieren. Den Innenminister für Ihren Antrag zu verhaften, das geht gar nicht.

(Beifall CDU)

Abschließend noch eine Bemerkung, weil Sie immer sagen, schauen Sie nach Sachsen-Anhalt sagen - ich bitte, schauen Sie nicht so intensiv, die haben in den letzten drei Jahren 2.000 Stellen abgebaut. Wenn wir an der Stelle nach Sachsen-Anhalt schauen, brauchen wir den Beauftragten dann gleich gar nicht mehr, weil wir dann kaum noch Polizisten haben. Ich bitte Sie, diesen Antrag abzulehnen. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Gentzel. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Martina Renner für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bevor ich zu meinen Ausführungen, zu dem eigentlich kommen kann, wie wir uns die Beschwerdestelle vorstellen und wie wir sie auch begründen, möchte ich gern jetzt doch zuerst auf die Äußerungen von Herrn Kellner, Herrn Bergner und auch Herrn Gentzel eingehen.

Herr Kellner, ich kann eigentlich nicht verstehen, wie man sich im Vorfeld einer Rede so wenig sachkundig machen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Ich denke, da haben wir heute die neuen Medien, die helfen uns schon, bestimmte Informationen zu recherchieren. Wenn man das tut, dann entbehrt eigentlich der Vorwurf „Populismus“ jeder Grundlage.

(Beifall DIE LINKE)

Dann wäre man dazu gekommen, zu sehen, dass in unserem Nachbarland Sachsen-Anhalt auf Grundlage einer sehr ernsthaften, sachlichen und auch kritischen Auseinandersetzung dort im Landtag vor einem halben Jahr eine Polizeibeschwerdestelle eingerichtet wurde und dass eine erste Halbjahresbilanz vorliegt, die sehr positiv aussieht. Das müssen wir einfach mal zur Kenntnis nehmen und das auch reflektieren hier in Thüringen. Dann sagten Sie als Zweites, Sie wüssten gar nicht, auf welche Skandale in der Polizei oder Missstände wir hier anspielen. Auch da hätte, ich sage mal, eine einfache Internetrecherche geholfen, die Worte „Thüringen“ und „Polizeiskandal“ einzugeben. Dann wäre man darauf gekommen, dass es hier den Vorfall gab in Hamburg, wo Thüringer Polizeibeamte auf Kollegen eingeprügelt haben, dass es einen Todesfall gab nach dem

Einsatz einer mannstoppenden Munition, dass es Rotlicht-Affären gab, Pornos auf Dienstrechnern, Überstundenabrechnung, Mobbing, Suizid in der Polizei etc. Das sind alles Vorgänge, die uns hier zum Teil im Innenausschuss beschäftigt haben und wo wir auch erleben müssen - und da komme ich zu Herrn Gentzel -, dass sich viele Polizeibeamte eben nicht an die internen Ermittler wenden, auch nicht an den Dienstvorgesetzten, an den Petitionsausschuss oder den Bürgerbeauftragten, weil sie Sorge haben, dass sie mit Repressalien im Dienst zu rechnen haben, sondern sie wenden sich anonym an uns Abgeordnete. Das halte ich schon für einen Missstand,

(Beifall DIE LINKE)

dass dieser Weg eigentlich gesucht werden muss, weil es kein adäquates Ansprechorgan für diese Beamten gibt.

Herr Bergner, ich bin auch ein bisschen enttäuscht: Wo ist eigentlich die liberale Bürgerrechtspartei geblieben?

(Beifall DIE LINKE)

Die FDP-Fraktion in NRW hat 2002 selbst einen Polizeibeauftragten gefordert. Was ist in den letzten acht Jahren eigentlich geschehen, dass Sie diese Tradition - und da können Sie eigentlich zu Recht stolz sein -, diese liberale Bürgerrechtstradition so aufgegeben haben und hier - das haben wir heute schon an anderer Stelle gesagt - wirklich rechtspopulistische Töne von sich geben?

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte jetzt aber doch noch mal zu unserem Antrag zurückkommen, denn das ist unser Anliegen, wirklich sachlich dafür zu werben, dass es hier nicht um Populismus geht, sondern ein ernsthaftes Anliegen vorgetragen wird.

Der Thüringer Innenminister kümmert sich, sagte er zuletzt einer Familie aus Weimar zu, die sich im Rahmen einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung am vergangenen Mittwoch im Thüringer Landtag über einen Polizeieinsatz beschwerte. Die Familie hatte am 1. Mai in Erfurt miterleben müssen, wie es von einzelnen Kräften der Polizei zu einem Übergriff gegen friedliche Demonstranten gekommen ist. Auch im Innenausschuss kam dieser Vorfall nur zwei Tage später zur Sprache. Dann konnte oder wollte der Innenminister dazu aber keine Stellungnahme mehr abgeben. Stattdessen forderte ein Landtagsabgeordneter, der heute leider nicht da ist, eher polternd, wie es seine Art ist: Erstatten sie doch Strafanzeige! Während das eine ein normaler