Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Diese Bürgerin hat eine zweite Funktion, sie ist nämlich Ministerpräsidentin von Thüringen seit einem halben Jahr. Leider ist es aber so nach meinem Eindruck, dass die Bürgerin Christine Lieberknecht und die Ministerpräsidentin nicht so sehr viel und nicht so sehr häufig miteinander sprechen. Deswegen sollte die Bürgerin ihrer Ministerpräsidentin viel

leicht einmal einen Brief schreiben. Denn im Gegensatz zur Bürgerin

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Man sollte nicht immer nur von sich ausgehen.)

hat die Ministerpräsidentin den Ernst der Lage offenbar ebenso wenig begriffen wie Kollegin Rothe-Beinlich den Inhalt meiner Rede.

(Beifall FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über die verspielten Chancen des Haushalts 2010 habe ich schon gesprochen. Aber es ist ja nicht zu spät. Man könnte jetzt anfangen, auf die Bürgerin zu hören. Was macht aber die Bürgerin in ihrer Funktion als Ministerpräsidentin? Anstatt die Sparbemühungen ihrer eigenen Parteifreunde, die diese auf Bundesebene unternehmen, zu unterstützen, wirft sie ihnen Knüppel zwischen die Beine. Ihre Parteifreunde haben nämlich soeben diesen Weg, der steinig ist und nach Erkenntnis der Bürgerin Lieberknecht eben auch steil, zu beschreiten. Deshalb glaube ich, dass wir hier schon konstatieren müssen, es ist spät, aber vielleicht noch nicht zu spät. Man kann noch umsteuern und die Landesregierung möge doch bitte überlegen, ob es wirklich das richtige Signal ist, sich im Zusammenhang mit dem Haushalt 2011 jetzt darüber zu streiten, ob wir vielleicht 500 oder doch 700 Mio. € an Ausgaben einsparen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen noch einmal zur Erinnerung: Die Neuverschuldung im letzten Haushalt betrug 820 Mio. €. Das ist die Latte, an der Sie sich messen müssen, das ist die Zahl, um die es mindestens geht. Denn wir haben auch vorhin schon mal gehört, dass bei der Neuverschuldung Zinsen anfallen. Selbst bei niedrigem Zinssatz 37 Mio. € aus diesen 820 Mio. €, und da ist noch kein Euro Tilgung dabei. Jeder, der einen Privatkredit laufen hat, weiß, dass man da nicht nur Zinsen bezahlt, sondern dass man den langfristig auch irgendwann einmal zurückzahlen muss. Deswegen liebe Kollegen, insbesondere von der CDU-Fraktion, dass von Ihrem Koalitionspartner keine Einsparvorschläge kommen werden, hat Kollege Pidde in der Haushaltsberatung und auch hier eben noch mal eindrucksvoll bewiesen, alle Ausgaben - haben Sie in der Haushaltsberatung gesagt -

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: So ein Quatsch.)

sind quasi alternativlos und deswegen appelliere ich ausdrücklich auch an die Ministerpräsidentin, hören Sie auf so zu tun, als hätten Sie nichts mit alldem zu tun, sondern nehmen Sie die Verantwor

tung, die Sie am 30. August von den Bürgerinnen und Bürgern auferlegt bekommen haben, wahr, nehmen Sie sie ernst und legen Sie Haushalte vor, die ohne Neuverschuldung auskommen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Meyer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei diesem Thema habe ich keine Lust mich zu streiten. Keine Sorge, ich habe auch nicht vor, jetzt gleich wieder Schwarz-Grün auszurufen, aber ich habe mir alle Bemerkungen dazu verkniffen, die man heute ohne Weiteres hätte machen können. Ich erinnere da nur an den Beitrag von Herrn Huster gerade. Wir reden über einen Zeitungsartikel, denn die Analyse selbst kenne ich nicht, ich kenne nur diesen einen Artikel und es scheint auch bisher nicht mehr zu geben. Aber das ist auch in Ordnung so. Wenn die CDU aus diesem Artikel heraus diese Schlussfolgerung zieht, die ich gerade hören durfte von Frau Lehmann, vielen Dank. Das meine ich auch wirklich ganz im Ernst.

Bemerkungen dazu, was noch da drinsteht: Abgesehen davon, dass Herr Dr. Ragnitz sagt, es droht Personalabbau, es fehlen über 3 Mrd., die Ausstattungen der Kommunen müssen zurückgefahren werden, die Investitionen sind zu überprüfen, Strukturreformen sind notwendig und Leistungsgesetze müssen gekürzt werden - alles richtig -, müssen wir auch feststellen, dass das bedeutet, das die Leistungen pro Einwohner deutlich zurückzufahren sind. Ob wir jetzt unter Leistungen Kilometer Straßenneubau oder Straßenunterhaltung meinen, Plätze in Kindertageseinrichtungen oder meinetwegen auch freiwillige Leistungen im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs ist völlig nebensächlich, es meint weniger Leistungen pro Einwohner. Dem gegenüber steht - und auch das wird immer gern vergessen, auch wenn die Demographie heute schon mehrfach hier genannt worden ist -, dass die Menschen, die in 10 oder 20 Jahren in Thüringen leben werden, auch noch eine geringere Leistungskraft haben werden, was das Finanzielle angeht, als die Menschen heute im Durchschnitt. Es liegt einfach daran, dass sie älter sind und in der Regel dann über Renteneinkommen verfügen, das in der Regel niedriger ist als Arbeitseinkommen. Schlimmstenfalls müssen sie Harz IV erdulden, weil sie nach einem Leben in Arbeit dann trotzdem nur noch Grundsicherung bekommen. Das heißt, auch damit müssen

wir uns auseinandersetzen, unsere eigenen Einnahmen werden noch weiter schrumpfen, als wir sie bisher schon erwartet haben.

Wenn man das alles ernst nimmt, dann kann ich nur sagen, dann sollten wir hier darüber keine Streitereien anfangen, sondern feststellen, das kann man nur gemeinsam lösen - das habe ich schon mehrfach gesagt und das wiederhole ich hier auch -, dann muss die Regierung Wege und Möglichkeiten finden, ohne demokratische Gepflogenheiten außer Kraft zu setzen, dafür zu sorgen, dass auch die Opposition mittun kann. Denn Sie werden keinen einzigen dieser Punkte - Personalabbau intern, Ausstattung der Kommunen zurückfahren, Investitionen überprüfen, das heißt kürzen, Strukturreformen angehen, meinetwegen Kreisgebietsreform und vor allen Dingen auch Leistungsgesetze kürzen - auch nur ansatzweise in deren Deutlichkeit durchbekommen, wenn Sie nicht mit der Opposition gemeinsam dazu Konsens finden, wenigstens in den groben Bereichen. Das liegt schon daran, dass wir über 300 Mio. pro Jahr reden. Es können auch auch 500, 700 oder 750 sein, das spielt keine Rolle. 300 Mio pro Jahr würde bedeuten, der kleinere Koalitionspartner setzt sich durch und sagt, wir streichen bei den Investitionen alles zusammen - Herr Machnig ist nicht da, ich darf das ruhig mal gesagt haben -, oder der große Koalitionspartner setzt sich durch und sagt, das machen wir jetzt alles im Bildungsbereich. Auch keine wirklich gute Idee, Herr Matschie.

Herr Dr. Pidde, es gibt auch noch eine vierte Möglichkeit, wie man das Problem angehen kann, indem man Vermögen umschichtet. Auch ein unschönes Thema, gerade für die CDU-Fraktion, aber auch da bin ich der Meinung, müssen wir ran, landeseigenes Vermögen umschichten,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Welches denn?)

- Gesellschaften zum Beispiel oder Anteile an bestimmten Unternehmen. Ich wollte jetzt nicht Reizthemen ansprechen wie z.B. Flughäfen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da ist nicht mehr so viel da.)

Ich weiß, das ist auch eins der Probleme, das wir zu diskutieren haben. Ich habe dann gedacht, weil ja die Stunde heißt Schlussfolgerungen aus den Analysen, die vorliegen, dass auch die Grundsatzrede von Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht in Jena eine Rolle spielen könnte. Ich habe darin gelesen und auch einige ganz gute Bemerkungen gefunden, z.B. hat Frau Lieberknecht - ich zitiere - ausgeführt: „Regionen wie Sachsen und Thüringen konkurrieren auch in den Hochtechnologiesparten

längst mit Standorten wie Bangalore und Shenzhen.“ Da hat sie völlig recht, wir haben nur eine Welt. Frieden in Afghanistan hat was mit uns zu tun. Sozialer Frieden in Deutschland, den zu erhalten, hat was damit zu tun, wie in Bangalore die Menschen leben. Diesen Zusammenhang herzustellen heißt für uns aber auch, entsprechend wahrzunehmen, dass man nicht nur hingehen darf und sagen darf, im Jahre 2020, ich zitiere wieder: „wird es in der Regel und nicht die Ausnahme sein, dass Regionen auf EUEbene ihre Interessen koordinieren und gemeinsam durchsetzen.“ Dann muss man aber den Mut haben, zu sagen, das könnte doch auch mit Bundesländern gemeinsam passieren, und zwar ernsthaft und nicht immer nur so tun, als wenn Strafvollzugsanstalten schon der Weisheit letzter Schluss sind, auch Länderfusionen sind zu diskutieren, wenigstens zu diskutieren, wenn auch nicht gleich so schnell durchzuführen.

Ich möchte darauf hinaus, dass wir eine Aufgabe vor uns haben, wo es meiner Ansicht nach nicht darum gehen kann, uns immer nur die Versäumnisse der Vergangenheit vorzuhalten, da hätten wir eine Menge zu tun, das mache ich bei Gelegenheit auch gerne mal wieder, heute hier an diesem Tag nicht. Ich schließe mit einem Zitat, wiederum von Frau Lieberknecht, allerdings hat sie da jemand anderes zitiert, nämlich Max Weber und der hat gesagt: „In der Politik bedürfe es jener Festigkeit des Herzens, die auch beim Scheitern aller Hoffnungen dennoch zu sagen vermag.“ Darauf hoffe ich hier auch. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeordnete Ramelow zu Wort gemeldet.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich ahnte nicht, dass bei der Thematik der Aktuellen Stunde politische Schlussfolgerungen für Thüringen aus den aktuell vorgelegten vorausschauenden Analysen für das Jahr 2020, so ist der Titel der Aktuellen Stunde, über die wir debattieren, sich dahinter die Verwaltungs-, Gebiets- und Kommunalreform verbirgt. Hätte man das nicht einfacher schreiben können? Hätte man nicht sagen können, lasst uns mal endlich darüber reden, was in diesem Land an Verwaltung nicht so optimal läuft? Lasst uns mal ein bisschen darüber reden, wie Abwanderungsdruck von Menschen, von Bevölkerung sich auf unsere Einnahmenseite auswirkt. Wie sich die sinkenden Einnahmen, die wir jetzt schon wissen, die SoBEZ, die Solidarpaktmittel und die europäischen Gelder, auswirken. Während die Debatte läuft - das ist der Grund, warum ich mich zu

Wort gemeldet habe und Mike Huster anspricht, dass wir dann ja gemeinsam über die Verwaltungsreform reden sollten, und zwar als offensive Debatte und nicht als zerstörerische Debatte, es geht ja darum, über Lösungen gemeinsam zu reden - springt Mike Mohring auf als Fraktionsvorsitzender und sagt, die CDU-Fraktion ist nicht daran Schuld. Also wir haben schon mal geklärt, wer nicht daran Schuld ist. Die CDU-Fraktion produziert solche seltsamen Sätze, wie ich sie gerade vorgelesen habe als Aktuelle Stunde, man muss Hellseher oder Wahrsager oder sonst was sein, um darauf zu kommen, dass eigentlich damit gemeint ist, dass in der Koalition ein offener Punkt ist, der nicht geklärt werden kann. Ich biete deswegen ausdrücklich - und das war der Grund, dass ich vorgekommen bin - die Mithilfe und Mitunterstützung meiner Fraktion an, wenn wir eine offensive Debatte über die Verwaltungs- und Gebietsreform endlich hier im Hohen Haus zielgerichtet führen mit Ergebnissen am Schluss. Wenn dann die CDU-Fraktion ganz klar sagt, sie akzeptiert in der Koalition jede Abstimmung, die mehrheitsfähig ist hier im Hohen Haus, dann hätten wir tatsächlich eine neue Qualität, dann würden wir mal über Lösungen reden. Wir würden also mal über die Zweistufigkeit der gesamten Verwaltung reden, wir würden mal über die Einräumigkeit der Verwaltung reden. Warum haben wir 158 Zweckverbände im Wasser- und Abwasserbereich? Warum haben wir ein nicht aufeinander abgestimmtes Verfahren von Schulnetzplanung, kommunaler Planung, von den Dingen, die in den kreisfreien Städten im Verhältnis zu Kreisstädten sich die Dinge abspielen usw. Wenn das gemeint wäre, dann hätte man das doch einfacher schreiben können. Wenn wir darüber reden würden, um zu sagen, das ist der Zukunftsplan Thüringen 2020, dann sage ich, wir sind dabei. Wir würden gern mitmachen. Wir würden auch gern die Mehrheiten dafür mit absichern, damit wir zielgerichtet zuerst über das Instrumentarium, über den Kompass des Verwaltungsumbaus reden, damit dann alle Beteiligten im Land auch wissen, was das Hohe Haus, das Parlament und die Regierung von allen anderen Beteiligten im Land erwartet. Da sagen wir ganz klar, aus unserer Sicht: Abschaffung des Landesverwaltungsamtes. Gestern in der Zeitung las ich auf einmal, dass der Erfinder des Landesverwaltungsamts für die Erfindung von einer Drei-Regionalen-Verwaltungsgliederung war. Als ich mal gewagt habe vor fünf Jahren, das Wort „drei“ in den Mund zu nehmen - drei oder vier - wurde mir SED angedichtet, wurde mir die Wiedereinführung der Bezirke der Deutschen Demokratischen Republik angedichtet und was nicht alles. Ich wusste gar nicht, was mir da begegnete. Jetzt kommt der Erfinder des Landesverwaltungsamtes gestern in der TLZ und sagt, das Landesverwaltungsamt könnte man eigentlich abschaffen im Sinne einer Überwindung zu drei regionalen Verwaltungseinheiten.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Bezirke.)

Damit wären wir dann beim Thema, wie viele obere und untere … Bezirke - Herr Barth, Sie haben es nicht verstanden, Sie sollten die Zeitung nehmen, einfach nachlesen. Ich habe zitiert, aber Ihnen fällt nur „Bezirke“ ein. Das ist so dieser Schaum vorm Mund, der dann bis ins Gehirn durchgeht, dass man sagt: Na ja, das hört sich alles an wie DDR. Dabei geht es darum, wie bekommen wir eine bessere, eine optimalere und eine stabilere Verwaltung hin, bei der gleichzeitig die Planungssicherheit für alle Beteiligten da ist. Ich nehme noch einmal auf den Kollegen Fiedler heute Bezug, der vorhin bei der Bürgermeisterwahl mit Stolz verwiesen hat auf das Gemeinwesen in kleinen Kommunen. Daran müssen wir denken, wie wir dieses Gemeinwesen ausbauen, wie wir es stärken, wie wir es stabilisieren und keine Pseudoüberbauten an Verwaltungen darüber setzen. Deswegen muss man sich darüber erst einmal verständigen, was wollen wir auf der kommunalen und Verwaltungsseite denn auf den Weg bringen. Wenn das das Ziel dieser Aktuellen Stunde wäre, Frau Lehmann, dann bin ich begeistert, dann machen wir mit, dann sind wir dabei und dann heben wir auch die Hand, wenn es verantwortlich um Entscheidungen für dieses Land geht, für Thüringen 2020. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schaue mal in die Reihen der Landesregierung, wer dort für dieses Thema verantwortlich ist - die Finanzministerin. Frau Finanzministerin Walsmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, reden wir doch über das, was ausgewiesen ist für die Aktuelle Stunde, reden wir über die Zukunft, Zukunft, die schon begonnen hat. Die Thüringer Zeitungsgruppe hat eine Serie aufgelegt mit dem Titel „Thüringen 2020“. Ich finde die sehr gut, weil diese Serie auch eines zeigt, nämlich ein großes Bedürfnis, was besteht, einen Blick in die Zukunft zu werfen in dem Wissen, dass wir heute eben die richtigen Weichen stellen müssen. Das ifo Dresden hat im Auftrag der Staatskanzlei Daten ermittelt, wie sich der Freistaat in den nächsten zehn Jahren entwickeln wird. Auch diese Zahlen kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass in Thüringen in den nächsten zehn Jahren die Einnahmen drastisch zurückgehen werden - das ist nichts Neues. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Leistungen aus dem Solidarpakt II, die momentan ein wesentlicher Bestandteil unserer Einnahmen sind, bis 2020 schrittweise abgeschmol

zen werden. Immerhin - nur um es unter dem Thema auch noch einmal zu sagen - erhalten wir im Jahr 2010 rund 1,25 Mrd. € aus diesem Topf. Die Einnahmen aus Steuern, dem Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen werden sich nach unseren aktuellen Prognosen bis zum Jahr 2020 - unser Thema - auf etwa 6,1 Mrd. € reduzieren. Das sind rund 300 Mio. € weniger, als wir beispielsweise in diesem Jahr zur Verfügung haben. Dabei haben wir sogar einen moderaten Anstieg der Steuereinnahmen von 0,75 Prozent jährlich unterstellt und die demographiebedingten Einnahmeverluste berücksichtigt. Auch das Ifo kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2020 rund 200.000 Menschen weniger im Freistaat leben werden. Was die Einnahmen betrifft, verliert Thüringen in Abhängigkeit von der jeweiligen Steuerkraft und der jeweiligen Wanderungsbewegung für jeden verlorenen Einwohner Einnahmen aus Steuern, Länderfinanzausgleich und Fehlbetragsbundesergänzungszuweisung jährlich zwischen 2.000 und 2.500 €.

So ergibt sich eben allein aufgrund der demographischen Entwicklung auf der Einnahmenseite ein jährlicher Gesamtverlust von 40 bis 50 Mio. €. Zusätzlich zu den genannten Einnahmen werden wir im Jahr 2020 zwar noch Einnahmen vom Bund und von der EU erhalten, aber auch diese - auch das ist kein Geheimnis - werden deutlich reduziert sein. Man muss dazu sagen, dass diese Einnahmen durch den Kofinanzierungscharakter immer auch Ausgaben erzeugen. Was kurzfristige Einnahmeeffekte durch neue Kredite betrifft, so werden denen massiv langfristige und dauerhafte Ausgaben beispielsweise in Form von Zinsen gegenüberstehen. Denn Schulden bedeuten nun immer auch mal Zinsen. Schon heute zahlen wir dafür in Thüringen rund 700 Mio. €, die uns zur politischen Gestaltung des Landes fehlen.

(Abg. Huster, DIE LINKE: Das ist be- kannt, Frau Ministerin.)

Das Jahr 2020 setzt auch einen Schlusspunkt - auch das ist bekannt. Aber es schadet ja nichts, wenn man es manchmal wiederholt, weil es der eine oder andere vielleicht noch nicht begriffen hat.

(Beifall CDU)

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verbietet von da an die Aufnahme neuer Schulden. Deshalb interessiert auch die Bevölkerung der Blick in das Jahr 2020, weil die Bevölkerung eben diese Themen diskutiert, mehr als Sie jemals unterstellen. Auch wenn sich aktuell die Wirtschaftsdaten immer mehr von ihrer guten Seite zeigen und es endlich wieder aufwärtsgeht, und zwar in kleinen Schritten. Wir wollen nicht zu optimistisch sein, aber es wird besser. Allein der Blick auf die Arbeitslosenzahlen

stimmt ja optimistisch, mit einer Arbeitslosenquote von derzeit 10 Prozent - was immer noch zu viel ist, da sind wir uns alle einig - haben wir in Thüringen die niedrigste Maizahl seit 1991. Eine konjunkturelle Belebung wird sicher dazu beitragen, dass unsere Einnahmebasis, auf diese schauen Sie ja immer, Herr Huster, stärker wird. Aber wir müssen auch realistisch bleiben. Ich bin für einen realistischen Blick in das Jahr 2020, weil wir uns nicht gegenseitig die Taschen vollhauen wollen. Das wird uns nicht aus der Verantwortung entlassen, selbst dazu beizutragen, Einnahmen und Ausgaben zusammenzuführen.

Meine Damen und Herren, aus den Einnahmeprognosen für 2020 und dem Verbot, neue Schulden aufzunehmen durch die Schuldenbremse, wird eben eines deutlich, wir kommen in den nächsten Jahren nicht drumherum, strukturelle Anpassungen vorzunehmen. Oder ganz konkret: Weniger Einnahmen bedeuten weniger Ausgaben. Die Prognosen der Experten machen noch etwas deutlich, wir haben doch kein Erkenntnisproblem. Darum geht es doch hier auch gar nicht. Mit jeder Analyse wird immer klarer, wo wir künftig einnahmeseitig stehen werden. Es nützt also nichts, weiterhin um den heißen Brei herumzuschleichen.

(Beifall FDP)

Was wir jetzt tun müssen, ist der nächste Schritt, und zwar - da komme ich auf das „gemeinsam“ zurück und da trägt auch jeder die gleiche Verantwortung - wir müssen unsere Ausgaben reduzieren in allen Bereichen mit Augenmaß, nachhaltig, aber ohne Ausnahme und ohne Tabus. Ich möchte noch einmal sagen, dass die bevorstehenden strukturellen Einschnitte keinen Kahlschlag, sondern Anpassung an das Normalmaß bedeuten, mit dem die Bürgerinnen und Bürger in anderen Bundesländern sehr gut leben können. Auch wir müssen das Geld, das uns fehlen wird, durch enorme Kraftanstrengungen kompensieren, indem wir nach der ersten Phase des strukturellen Aufbaus nach der Wiedervereinigung jetzt davor stehen, den strukturellen Umbau voranzutreiben, der in seinem Ausmaß einer zweiten Aufbauleistung entspricht. Ich sehe das nicht als Rückschritt - ganz im Gegenteil. Es ist auch eine große Chance, um neue Wege zu gehen, auch mit Blick auf die nachfolgenden Generationen. Die werden es uns danken.

(Beifall CDU)

Die Redezeit für diesen vierten Teil der Aktuellen Stunde ist erschöpft und ich schließe die Aussprache und damit auch den Tagesordnungspunkt 22.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21

Fragestunde

Als erste die Frage des Herrn Abgeordneten Bergemann, CDU-Fraktion, in der Drucksache 5/1001.

Zukunft von Spezialsportlehrern

„Keine Berufschancen für Thüringer Weltmeister“ - so titelte die „Südthüringer Zeitung“ am 18. Mai 2010. „Dem Sportgymnasium Oberhof fehlen Spezialsportlehrer, doch für Thüringer Wintersport-Weltmeister wie Marko Baacke (Nordische Kombination) und Andre Florschütz (Rodeln) gibt es im selbst ernannten ‚Sportland Thüringen’ keine Berufschancen.“ Marko Baacke hat im April an der Trainerakademie in Köln sein Diplomtrainerstudium erfolgreich beendet, Andre Florschütz steht kurz davor. „Als Spezialsportlehrer können sie aber“ - z.B. am Sportgymnasium Oberhof - „nicht angestellt werden, weil der Trainerabschluss durch die Kultusministerkonferenz nicht fürs Lehramt anerkannt wird.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Das Kultusministerium verhandelte über zwei Jahre mit dem Landessportbund darüber, die ausgebildeten Trainer künftig so anzustellen, dass sie als Spezialsportlehrer am Sportgymnasium tätig sein könnten: Zu welchem Ergebnis ist man nach Abschluss dieser Verhandlungen gekommen?