im September 2010, in dem, ich zitiere, wenn ich darf, Frau Präsidentin, festgestellt wird: „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, um die Rechtssicherheit für solche Einrichtungen zu erhöhen,“ - es geht also um Kindergärten, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen - „müssen auch die derzeit geltenden Regelungen des Lärmschutzes weiterentwickelt werden. Die von Kinderspielplätzen oder Kindergärten ausgehenden natürli
chen Geräusche haben unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft zu stehen. Diese sollen daher zukünftig regelmäßig nicht mehr als sogenannte schädliche Umweltauswirkungen für die Nachbarschaft bewertet werden können und damit grundsätzlich auch keine wesentlichen Beeinträchtigungen für benachbarte Grundstücke darstellen.“ Angesichts der Tatsache, dass im März dieses Jahres nun endgültig dieser Antrag auch im Bundestag hätte beraten werden müssen, bringen es dann die CDU und die FDP fertig, das Thema auf die Tagesordnung zu hieven und einen großen Erfolg zu feiern in einer Sonntagsrede zum Thema: „Kinder sind unsere Zukunft“. Das meine ich damit, runter von den Sonntagsreden, rein in den Mittwoch und feststellen, das hätte schon alles viel früher passieren können.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie haben sieben Jahre lang regiert und haben sieben Jahre nicht das Bundes-Immissionsschutzge- setz auf die Reihe gekriegt.)
Richtig, Herr Barth, ich bin Ihnen selten dankbar, aber in diesem Fall bin ich Ihnen mal dankbar für diesen Zwischenruf. Völlig richtig. Abgesehen davon, dass wir auch argumentieren könnten, auch vor Helmut Kohl gab es schon eine Welt und da hat auch keiner etwas getan.
Ein Thema, das Sie richtig bemerkt haben, Herr Gumprecht, ist die Tatsache, dass es tatsächlich die Gesellschaft ist, die kinderunfreundlicher geworden ist, allerdings. Wir hatten gerade in der Gesellschaft in den letzten vier Wochen eine schöne Debatte über das Thema Quotierung. Sie hätten mal nachfragen müssen bei der Frage, wer die Antragsteller gewesen sind bei dem Thema: „Lärm von Kindern als Problem“, und zwar nach Geschlechtern differenziert. Da hätten Sie eine ziemliche Überraschung erlebt. Es ist ein Männerproblem. Es ist sogar ein Problem von Männern im fortgeschrittenen Alter.
Das kann man beweisen. Ich habe selber Erfahrung damit gemacht, ich kenne Petenten aus der Stadt Weimar, die genau dasselbe beklagt haben. Und Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Ostdeutschland da zurzeit gar kein Problem dargestellt hat in den letzten Jahren. Das war auch der Grund, warum alle Bundesregierungen lange Zeit geschlafen haben. Aber ich habe noch darauf hinweisen wollen, dass wir seit Jahren um das Problem wissen. Schön, Herr Barth, dass es jetzt ge
klappt hat. Nicht nur das Bundes-Immissionsschutzgesetz muss geändert werden - es ist ja sehr schön, dass das jetzt kommt -, Sie müssen natürlich sofort, wenn es geht, die Baunutzungsverordnung auf Bundesebene revidieren. In reinen Wohngebieten sind Kindereinrichtungen - welcher Art auch immer - nicht nur ausnahmsweise zuzulassen, sondern regelmäßig zuzulassen. Sie sind nämlich ein Teil dieses reinen Wohngebiets, eine Kindertageseinrichtung, ein Kinderspielplatz sind ein Stück eines reinen Wohngebiets, Punkt, aus, Feierabend. Das gehört in die Baunutzungsverordnung auf Bundesebene.
Ich will darauf hinweisen, warum das so ist in den neuen Bundesländern, dass es bislang relativ wenig gerichtliche Anfechtungen gab: nicht nur, weil unsere Bürgerinnen und Bürger das nicht wollen, sondern weil hier die Situation eine andere ist. Viele Großwohngebiete hatten ihre Kita von vornherein und übrigens auch in vernünftigen Abständen zur Wohnbebauung. Die Neubaugebiete sind nach Bebauungsplanverfahren gemacht worden, da konnte man es nicht beklagen. Man hat es zwar versucht, man hat es aber nicht geschafft. Die Situation von gewachsenen Ortsteilen im Westen haben wir in der Allgemeinheit so nicht gehabt. Das hat das Thema hier klein gehalten.
Nebenbei bemerkt, fragen Sie mal einen Makler: Kindertageseinrichtungen sind für die allermeisten Menschen, die eine Wohnung suchen, sehr ruhige Nachbarn. Denn, wenn sie berufstätig sind, erleben sie eine Kita in der Regel als geschlossene Einrichtung. Wenn sie morgens zur Arbeit gehen, ist die Kita gerade mal auf, dann passiert gar nichts betreffs Lärm, außer der anfahrenden Autos der Eltern. Wenn sie abends nach Hause kommen, ist die Kita bereits geschlossen und am Wochenende sowieso. Die Einzigen, die sich von diesem Lärm regelmäßig gestört fühlen, sind die Menschen, die am Wochentag zu Hause sind, und das sind, mit Verlaub gesagt, Menschen im fortgeschrittenen Alter.
Ich komme zum Schluss. Kinderlärm ist Alltagsgeräusch und nicht Zukunftsmusik, Alltagsgeräusche genauso wie Rasenmäher, Laubsauger oder Motorräder und die verbieten Sie in reinen Wohngebieten schließlich auch nicht. Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Jung von der Fraktion DIE LINKE.
zen und wenig Kontakt zu den eigenen Enkeln oder gar Nachbarskindern haben, kommt es eben immer wieder vor, dass sie spielende Kinder als Lärmbelästigung empfinden. Das zeigen nicht nur die Klagen, die es gegen Spielplätze und Kindertagesstätten gibt - das hat Herr Gumprecht schon ausgeführt -, aber was er nicht ausgeführt hat, das wurde nun auch von dem CDU-Seniorenverband aus Nordrhein-Westfalen eindrücklich belegt,
als er sich gegen die Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wandte, die Kitas künftig grundsätzlich in Wohngebieten zulassen sollen. Dieser Vorsitzende dieses Seniorenverbandes ist auch Bundesvize der CDU-Organisation und er sagte - das finde ich schon ungeheuerlich -, dass man auf die Interessen der Ruheständler Rücksicht nehmen und diese gegen die Interessen junger Familien abwägen müsse. Die Empörung war bundeseinheitlich sehr groß, auch bei Ihnen, denke ich, meine werten Kolleginnen und Kollegen der CDU, und es muss ein arger Schlag für Sie gewesen sein, dass Sie nun in der Öffentlichkeit nicht mehr als Familienpartei wahrgenommen werden, sondern auch als kinderfeindlich. Entsprechend schnell kamen auch die Reaktionen der Bundes-CDU. Das Gleiche, denke ich, tun Sie heute mit der Aktuellen Stunde und eigentlich freut es uns ja, denn wir alle wollen im Thüringer Landtag, dass Kinder eine Zukunft haben, dass sie unsere Zukunft sind und dass wir in einem kinder- und familienfreundlichen Land leben.
Herr Gumprecht, eins müssen Sie von mir natürlich gesagt bekommen, die Familienoffensive, also noch einmal übersetzt, der Angriff auf die Familien war es natürlich nicht, der Thüringen zu einem kinderfreundlichen Land gemacht hat.
Aber wie kommt es nun dazu, dass sich die Senioren-CDU so geäußert hat, und wie kommt es zu den immer wieder getätigten Klagen gegen die wenigen Kinder, die es in unserer Gesellschaft überhaupt noch gibt? Viel oder alles hat mit den Werten in unserer Gesellschaft zu tun, Werte wie Toleranz und Akzeptanz zum Beispiel. Wie gehen die Generationen untereinander und miteinander um? Wie stehen wir wirklich zu diesem Generationenvertrag? Ja, Herr Gumprecht, Kindergeschrei ist nicht immer nur Musik und Wohlklang. Aber was ist es, was als Musik bezeichnet wird, ist das immer Wohlklang? Sollten aber spielende, fröhliche oder auch einmal streitende Kinder nicht als ganz alltäglicher Bestandteil des Lebens angesehen werden, die mitnichten etwas mit dem Lärmpegel von Pressluftbohrern, Flugzeugmotoren oder Straßenlärm zu tun haben? Wenn die Kinder schon immer weniger werden, sollten diese trotzdem eine Existenzbe
rechtigung haben, und zwar nicht als kleine Erwachsene, sondern mit ihren eigenen Lebensäußerungen und ihren eigenen Rechten. Dazu gehört das Recht, nicht als schädliche Umwelteinwirkung wahrgenommen zu werden, und dieser Schritt wird mit der Zehnten Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes getan. Jetzt fehlt nur noch die Änderung der Baunutzungsverordnung. Wenn Sie, werte Abgeordnete der CDU, es aber ernst meinen mit der Zukunftsmusik, dann müssen Sie auch noch einen weiteren Schritt gehen, unterstützen Sie die Initiative „Kinderrechte ins Grundgesetz“,
überzeugen Sie Ihre Parteifreunde im Bundestag davon und setzen Sie sich dafür ein, dass die UNKinderrechtskonvention Verfassungsrang in Deutschland erhält. Wir unterstützen hier die Forderung des Deutschen Kinderschutzbundes, der darauf verweist, dass zu den Kinderrechten auch der Artikel 31 Grundgesetz, das Recht auf Spielen, und der Artikel 28 Grundgesetz, das Recht auf Bildung, der UN-Kinderrechtskonvention gehören. Wenn diese in das Grundgesetz aufgenommen werden, können Kinderrechte als öffentliche Belange vorrangig und gegen private Belange von Eigentümern und Nachbarn abgewogen werden.
Und noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Begegnung hilft natürlich. Wir waren in der vergangenen Woche im Mehrgenerationenhaus in Gera mit unserem Generationenbeauftragten von Thüringen. Dort wurde uns gemeinsam berichtet, dass die Anwohner zu Beginn wenig begeistert waren, dass junge Menschen gelegentlich etwas lauter sind. Seitdem nun die Älteren sich ihrerseits öfter im Mehrgenerationenhaus einfinden, sich dort betätigen und junge Menschen kennenlernen, haben die Klagen aufgehört. Als Lektüre empfehle ich allen Astrid Lindgrens Roman „Die Kinder aus der Krachmacherstation“,
„Krachmacherstraße“, denn ich denke, dort wird genau ausgeführt, was wir heute alle miteinander diskutieren. Ich denke, die Aktuelle Stunde wurde zu Ihrer Selbstbestätigung hier auf die Tagesordnung gesetzt. Ich hoffe, dass wir trotzdem uns alle gemeinsam für Kinder engagieren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Jung, Sie haben es angesprochen, Kinderlärm ist eben nicht nur Musik, Kinderlärm ist auch manchmal mit Anstrengung verbunden, aber es bleibt festzustellen, Kinderlärm ist Normalität und gehört zum Leben und das sollten wir akzeptieren.
Ich sage einmal in Richtung eines etwas schwierigeren Themas, was Kinder angeht, vielleicht sollten wir auch manchmal mehr hinhören, wenn Kinder weinen. Ich glaube, das würde der Gesellschaft guttun, wenn wir ein Ohr genau für diesen Lärm haben.
Insofern kann ich mich auch Herrn Meyer anschließen. Lassen Sie mich das noch einmal ergänzen mit einigen Zitaten. Ich bitte das ausdrücklich im Protokoll festzuhalten, Zitat in Gänsefüßchen, von Gerichten, die sich schon über viele Jahre mit dem Thema „Kinderlärm“ in Deutschland auseinandersetzen mussten, und das zeigt eigentlich, dass Deutschland ab und an doch sehr bürokratisch ist, bzw. es zeigt eigentlich, dass wir uns manchmal mit Dingen beschäftigen, die man schon als normal begreifen sollten. Ich zitiere einmal ganz kurz aus der seitherigen Rechtsprechung zum Beispiel zum Thema „Kinderlärm in Mietwohnungen“. Das fand ich ganz lustig, da steht nämlich drin: „Kleinkinder lassen sich nicht (noch nicht) auf lautlos einstellen.“ Diese Feststellung finde ich gut und ich finde es auch gut, dass sich damit noch einmal ein Gericht befassen muss, mit Dingen, die eigentlich ganz normal sind. Das war das Oberverwaltungsgericht in Münster, das dann auch festgestellt hat: „Die anderen Hausbewohner müssen Babyschreien ertragen, selbst in Ruhezeiten“, auszugsweise zitiert. „Die Duldungspflicht des Mieters im Mehrfamilienhaus hinsichtlich Kinderlärms“ - damit hatte sich dann das Gericht in Starnberg beschäftigt. „Der Mieter im Mehrfamilienhaus hat die Geräusche, die naturgemäß dem Bewegungs- und Spieldrang auch der kleinen Kinder des Wohnungsnachbarn entsprechen, hinzunehmen.“ Dann hat das Gericht in Kassel gesagt: „Üblicher Kinderlärm in Mehrfamilienmietshäusern ist hinzunehmen und die Üblichkeit bestimmt sich nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern nach den Wohn- und Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern.“ Das war im Übrigen schon 1991.
Insofern kann ich mich Herrn Meyer anschließen, dass es ein Armutszeugnis für alle bislang regierenden Parteien ist, unabhängig von dem Antrag der GRÜNEN, aber auch die waren vorher schon in Regierungsverantwortung. Es ist allen nicht gelungen,
eine vernünftige Entscheidung auf den Weg zu bringen, die vielerorts als selbstverständlich betrachtet wird.
Dann muss ich einfach noch einmal darauf eingehen: Wenn dann auch heute im Jahr 2011 noch der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU-Senioren-Organisation Kuckart Kindertagesstätten als „Quelle unzumutbarer Lärmbelästigung“ bezeichnet, auch das ist ein Zitat, und dies mit den Geräuschen von Presslufthämmern verglichen hat, das zeigt das Denken zum einen. Es zeigt auch jetzt, dass wir an einem wichtigen Punkt angekommen sind, nämlich die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, was für uns hier in Thüringen, was im Osten eigentlich Normalität ist, dass auch Kindereinrichtungen in Wohngebieten entstehen können. Aber ganz so einfach ist es nicht. Herr Meyer hat vorhin gesagt und andere auch noch, dass es hier in Thüringen noch keine Probleme gegeben hat. Nicht alles wegdiskutieren - es gab auch hier in Thüringen schon Diskussionen darum, ob Jugendhäuser in Wohngebieten angesiedelt werden dürfen und, und, und. Es gab auch schon Diskussionen und deshalb, glaube ich, müssen wir auch immer weiter dafür Sorge tragen, dass sich das Denken und dass sich das Akzeptieren innerhalb der Gesellschaft und die gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch das gegenseitige Verstehen weiterhin verstärken. Insofern bin ich dankbar für diese Entscheidung, die jetzt getroffen ist. Ich glaube, sie kommt viele, viele Jahre zu spät; jetzt ist sie da. Wir sollten sie unterstützen. Wir sollten in Gesprächen mit den Menschen dafür Sorge tragen, dass man sich, wie gesagt, gegenseitig akzeptiert.
Wir sollten - und damit komme ich zum Schluss Kinderlärm als Normalität, die durchaus schön ist, manchmal anstrengend sein kann, aber trotz alldem tatsächlich Zukunftsmusik ist, akzeptieren. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, da wir uns heute schon das eine oder andere Mal mit Fragen des geistigen Eigentums beschäftigt haben, aber auf Bundesebene, möchte ich noch einmal an den Aufkleber der Jungen Liberalen aus dem Jahr 1992 erinnern, der genau diesen Titel der Aktuellen Stunde von heute getragen hat. Aber nur mal so am Rande, dass wir es mal gehört haben.
Es ist auch erstaunlich, dass Herr Mohring auf der Landespressekonferenz zur Begründung dieser Aktuellen Stunde sinngemäß gesagt hat, dass er damit die Umsetzung des kommenden Bundesrechts in Thüringen forcieren will und dass sich einmal die hiesigen Koalitionsparteien bei diesem Thema einig sind.