Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

(Beifall FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es muss mehr qualifiziertes Personal, bessere Arbeitsbedingungen und längere Öffnungszeiten geben. Tagespflege und institutionelle Kinderbetreuung müssen gleichrangig in die staatliche Förderung einbezogen werden. Wir wollen die Attraktivität des Berufs der Erzieherin und des Erziehers deutlich erhöhen. Dazu gehört die Qualifikation von Erzieherinnen und Erziehern sowie Tagespflegepersonen, insbesondere in Bezug auf frühkindliche Bildung, auf die Sprachförderung sowie für das Angebot für Kinder mit besonderem Förderbedarf im Zusammenspiel mit verbesserten Rahmenbedingungen für Ausbildung und Beruf in Kooperation mit Kommunen, Trägern und Verbänden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein gesetzlicher Anspruch auf Förderung und Betreuung ab dem ersten vollendeten Lebensjahr ist dadurch ausdrücklich zu begrüßen.

(Beifall FDP)

Man muss aber auch wissen, dass auf Bundesebene eine deutschlandweit gültige Regelung zur Einführung eines Betreuungsgelds von monatlich 150 € ab dem Jahr 2013 vereinbart wurde. Es stellt sich hier die Frage: Hat diese zu erwartende bundesweite Regelung der Kinderbetreuung in den Überlegungen des vorliegenden Gesetzentwurfs Berücksichtigung gefunden? Dass zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher für die Kinderförderung und -betreuung in Thüringen dringend benötigt werden, ist aus unserer Sicht unstrittig. Ob aber wirklich - wie im Gesetzentwurf von Ihnen genannt - 2.014 Stellen geschaffen werden müssen, bedarf meiner Meinung nach noch einer genaueren Analyse. Der Gemeinde- und Städtebund z.B. spricht dazu in einer Stellungnahme von einem Bedarf von ca. 800 neu zu schaffenden Stellen.

Zur Frage der räumlichen Ausstattung sind die im Gesetzentwurf geforderten Standards bereits größtenteils mit der Thüringer Kindertagesstätteneinrichtungsverordnung vom 11. April 2006 geregelt worden. Auch ist zu prüfen, ob der zur Umsetzung der Bereitstellung der benötigten Räumlichkeiten des Personalbedarfs vorgesehene Zeitrahmen zu realisieren ist. Speziell zur Frage der benötigten ausgebildeten Er

zieherinnen und Erzieher besteht meiner Meinung nach noch Klärungsbedarf, denn momentan deckt die Anzahl der neu ausgebildeten Fachkräfte gerade einmal den Bedarf ab, der aufgrund des altersbedingten Ausscheidens der Erzieherinnen und Erzieher entsteht.

Der Rechtsanspruch von Grundschulkindern in Ihrem Entwurf in Betreuung im Grundschulhort ist aus unserer Sicht doch eher eine Materie, die in der Schulgesetzgebung zu regeln wäre. Daher sollte auch das Diskussionspunkt der Beratungen in den zuständigen Ausschüssen sein.

Zum Schluss noch zwei Punkte zur Kostenberechnung in der Anlage Ihres Entwurfs. Zum einen sieht der Gesetzentwurf keine Mittel für die erforderlichen Bau- und Ausstattungsmaßnahmen der zusätzlich zu schaffenden Plätze vor. Diese Mehrausgaben sind auch nicht in der Darstellung der detaillierten Kostenberechnungen berücksichtigt.

Zum Zweiten liegt im Vergleich zwischen alter und angestrebter Gesetzeslage nur die bestehende Regelung ab dem zweiten vollendeten Lebensjahr zugrunde. Es fehlt daher die Bezifferung der Kostensteigerung bei Anspruch ab dem ersten Lebensjahr.

Sehr geehrte Damen und Herren, dies alles sind Fragen, die im Rahmen der Ausschussberatungen erörtert werden sollten. Ich für meine Person freue mich darauf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Ich rufe als Nächstes auf für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Jung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten - Gäste sind keine mehr da -, Herr Machnig sagte vorhin, wenn man mit Politik verändern will, muss man Realitäten kennen. Ich kann beim KitaGesetz heute nicht zum ersten Mal die Realitäten gern noch einmal wiederholen, die wir in diesem Land haben. In wenigen Tagen jährt sich zum dritten Mal die Verabschiedung des Familienfördergesetzes. Seit April 2005, nämlich seit der Verkündung der Familienoffensive, ist ein massiver Protest der Eltern und von vielen anderen in diesem Land zu verspüren. Das sind viereinhalb Jahre inzwischen und schon fast drei Jahre, nämlich seit Inkrafttreten dieses Gesetzes, gehen unseren Kindern in diesem Land viele Möglichkeiten der Bildung und Erziehung verloren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich hat sich hinsichtlich unseres gemeinsam eingereichten Gesetzentwurfs nicht wirklich viel verändert. Die Erzieherinnen sind nicht nur immer noch überlastet, sie sind inzwischen nach drei Jahren ausgebrannt. Der Bildungsplan kann dadurch überhaupt nicht umgesetzt werden in unseren Kindertagesstätten. Es gibt nach wie vor keine bessere Integration von Kindern mit und ohne Behinderung.

Das alles haben wir schon viele Male hier an diesem Rednerpult ausgeführt, haben es in Reden formuliert im Wahlkampf, in Podien diskutiert und wir, LINKE und GRÜNE, haben gemeinsam mit der SPD für genau dieses Gesetz gestritten. Alle drei Parteien und Fraktionen haben sich dazu verpflichtet, das Gesetz so umzusetzen, wie es der Trägerkreis „Für eine bessere Familienpolitik“ erarbeitet hat. Deshalb ist es auch wortgleich zum zweiten Mal in den Thüringer Landtag eingebracht worden. So wollten wir es einbringen und nicht irgendwie oder nur so ähnlich. Von einem Gesetz, das die Ziele des Volksbegehrens umsetzt, wie es im Koalitionsvertrag heißt, dabei aber die Inhalte nicht übernimmt, war nicht die Rede. Wir hoffen, es ist im Koalitionsvertrag auch nicht so gemeint.

Deshalb habe nicht nur ich und meine Fraktion, nein, haben die vielen Erzieherinnen und Erzieher, die Eltern für ihre Kinder die Erwartung an die Landesregierung, an Sie ganz persönlich, Herr Matschie, als Kultusminister - halten Sie Wort.

Insofern hat sich natürlich in der Zwischenzeit doch etwas getan. Eine der drei Parteien, die über Jahre hinweg das Volksbegehren mitgetragen hat, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form mitformuliert hat und die Forderung nach 2.000 zusätzlichen Erzieherinnen mit erhoben hat, sitzt jetzt auf der Regierungsbank.

Zur Erinnerung: Wir - die GRÜNEN, die LINKEN und die SPD - haben immer gemeinsam gefordert, dass wir 2.000 zusätzliche Fachkräfte brauchen, weil die frühkindliche Bildung in den Kitas endlich vom schönen Bildungsplanpapier in die Realität überführt werden soll

(Beifall DIE LINKE)

und weil - das war Konsens unter allen Beteiligten - nur Fachkräfte in der Lage sind, den hohen Anforderungen der frühkindlichen Bildung tatsächlich zu genügen.

Frau Lieberknecht hat gestern in ihrer Regierungserklärung von einer deutlichen Verbesserung der Personalsituation in den Kindertagesstätten gesprochen.

Herr Matschie hat es dann noch mal vervollständigt und hat von 2.000 Erzieherstellen gesprochen. Warum ich das betone, will ich hier an der Stelle noch mal sagen und das ist vor allen Dingen an Sie, Herr Mertens, gerichtet: Kinderpfleger sind auch im jetzigen Gesetz keine Fachkräfte.

(Beifall DIE LINKE)

Was wollen wir nun mit unserem Gesetz verbessern? Der Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr - es wurde hier schon erwähnt - sowie für Hortplätze in Grundschulen und in Kindertagesstätten. Zum Zweiten die Förderung von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf in Regeleinrichtungen, wobei die Gruppengröße anzupassen ist für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten oder Kinder mit Migrationshintergrund oder nicht altersgemäßer Entwicklung. Dazu sollen die Träger der Jugendhilfe geeignete Maßnahmen festlegen.

Der Punkt 5 in unserem Gesetzentwurf ist ein sehr wichtiger Punkt für die Eltern, die jahrelang darum kämpfen, einen Zusammenschluss auf Landesebene zu erreichen. Die räumliche Ausstattung - Herr Kellner oder der Kollege von der FDP hat es, glaube ich, gesagt -, soll im Gesetz geregelt werden, im Gesetz deswegen geregelt werden, weil eine Verordnung auch schnell zu ändern ist. Eltern und Erzieher haben uns immer wieder aufgefordert, genau diese Regelungen über die Größe der Räumlichkeiten gesetzlich zu regeln. Die Änderungen sind dort gegenüber der Verordnung nicht umfangreich, aber es ist etwas anderes, wenn es im Gesetz geregelt ist und nicht nur in einer Verordnung.

Der wichtigste Punkt im Gesetz ist natürlich der § 14 und so soll unter 8. die Erhöhung des Personalschlüssels erfolgen. Wie notwendig das ist, wissen wir. Ich erinnere noch mal auch an die LIGA-Kampagne „Sechs Minuten sind zu wenig“. Der Bildungsplan kann nur umgesetzt werden, wenn diese Erzieherstellen wirklich geschaffen werden.

Ich will an dieser Stelle durchaus noch mal betonen, dass wir mit dem vorgeschlagenen Schlüssel und mit 2.000 Stellen noch nicht mal Spitzenniveau in Deutschland erreichen, und auf die europäische Ebene will ich dabei gar nicht eingehen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Nennen Sie mal die anderen Bereiche, wo wir schon Spitzenniveau haben. Die dürfen wir nicht vergessen.)

Ich rede zu dem Gesetzentwurf, Herr Emde. Wo sind wir denn Spitzenniveau im Kita-Bereich, bitte? In der Auslastung im letzten Kita-Jahr sicherlich. Aber das hatten wir auch vor der Änderung des Kita-Gesetzes.

(Beifall DIE LINKE)

Heutzutage werde ich immer wieder gefragt, wo nehmen wir denn die 2.000 Erzieherstellen her. Wir haben über 8.000 Erzieherinnen, die zum großen Teil in Teilzeitarbeit beschäftigt sind, zum Teil unter 30 Wochenstunden. Die wären bereit, unter anderen Rahmenbedingungen voll zu arbeiten. Die Umfragen des Trägerkreises für eine bessere Familienpolitik bestätigen das eindringlich. Wir können andere pädagogische Berufsgruppen durchaus noch zulassen, z.B. auch Hochschulpädagogen die Möglichkeit geben, in Kindertagesstätten tätig zu sein. Wenn die Stellen im Gesetz geschaffen werden, bin ich auch davon überzeugt, dass die eine oder andere Erzieherin, der eine oder andere Erzieher durchaus auch wieder zurück in unser Thüringen kommt, um dort die Arbeit wieder auszuüben, denn es sind viele nach der Änderung des Gesetzes weggegangen.

In Punkt 11, § 17 des Kita-Gesetzes, haben wir die Bedarfsplanung neu geregelt. Bedarfsplanung deswegen neu geregelt, weil den Kommunen momentan überlassen wird, wann sie sie aufstellen. Die überwiegende Mehrheit der Bedarfsplanung wird entsprechend des Kita-Jahres und Schuljahres aufgestellt. Aber es gibt Kommunen, die die Jahresscheibe verwenden und im Trägerkreis wurde das als sehr problematisch diskutiert. Deswegen gibt es hier die Veränderungen. Wenn wir konsequent sind und sagen, Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen, dann brauchen wir auch eine vergleichbare Planung.

In § 19 - und da komme ich zu den Anfragen zum Geld - soll das Geld neu geregelt werden. Dieser Paragraph ist natürlich sehr beeinflusst von dem Finanzvorbehalt beim Volksbegehren. Der Wegfall der Infrastrukturpauschale ist dem ebenso geschuldet, wie der Wegfall des Erziehungsgeldes. Wir haben überhaupt kein Problem und Sie wissen, unter welchen finanziellen Zwängen in Thüringen nach wie vor ein Volksbegehren durchgeführt werden kann, wenn z.B. das Erziehungsgeld zusätzlich zu den beanspruchten Stellen eingeführt wird, wenn die Bürokratie wegfällt. Wir sperren uns als LINKE nicht gegen das Erziehungsgeld prinzipiell. Wir haben immer gesagt, wir sind dagegen, dass diese Mittel aus dem Kita-Bereich herausgezogen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Der Trägerkreis, meine Damen und Herren, plant die große Sammlung. Deshalb haben wir keine Zeit, bis zum Januar 2010 den Gesetzentwurf der Regierung erst vorgelegt zu bekommen. Deswegen gebietet sich einfach die Eile. Im Trägerkreis - und man hat mich sehr deutlich beauftragt, das hier zu sagen - werden momentan die Multiplikatoren geschult, ist der Ablaufplan für das Volksbegehren beschlossen. Ich will ein

fach sagen, wenn wir nicht in absehbarer Zeit im Interesse unserer Kinder, im Interesse der Eltern endlich Veränderungen herbeiführen, dann werden wir das nächste große Volksbegehren in diesem Land haben.

Also, meine Damen und Herren, halten Sie den Füllfederhalter bei Ihnen, Herr Matschie, in der SPD, um dieses Gesetz zum Erfolg zu führen und die Personalsituation in Thüringen an Kindertagesstätten wirklich zu verbessern. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Christoph Matschie, heute vor 20 Jahren verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle Kinder auf dieser Welt erhielten damit verbriefte Rechte auf Überleben, Entwicklungsschutz und Beteiligung. Dazu gehört auch das Recht auf Leben und Entwicklung, insbesondere auch der Zugang zu Bildung. Insofern glaube ich, dass es ein sehr passender Tag ist, an dem dieses Gesetz heute auf der Tagesordnung steht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich erinnere mich noch sehr gut an den 20. August. Am 20. August hatten uns die Vertrauensleute des Trägerkreises für eine bessere Familienpolitik, die das Volksbegehren auf den Weg gebracht haben, eingeladen. Dort saßen wir auf dem Podium. Christoph Matschie - deswegen habe ich ihn eben auch gesondert noch einmal angesprochen - hat dort auf die Nachfrage, ob auch die SPD in den ersten 100 Tagen nach der Wahl dieses Gesetz einbringen wird - nicht nach der Regierungsbildung, sondern in den ersten 100 Tagen nach der Wahl -, geantwortet: „Ja, selbstverständlich werden wir das tun.“ Genau deshalb sind wir - LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - auf die SPD zugegangen und haben die SPD gebeten, diesen Gesetzentwurf, den wir nicht allein erarbeitet haben, sondern gemeinsam mit allen, die sich im Volksbegehren engagiert haben, auch mit der Unterstützung der SPD, diesen mit zu unterschreiben.

Ich habe jetzt gelernt - Frau Pelke hat es gesagt -, die SPD orientiert sich am Koalitionsvertrag. Meines Wissens hat dieser keine Gesetzeskraft. Nun würde ich mir wünschen, im Sinne der Sache dennoch zueinander zu finden.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sie ha- ben nicht richtig zugehört.)

Wie gesagt, wenn wir die 100 Tage einhalten wollen, dann ist dies die letzte Plenarsitzung, in der wir den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung bringen können.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben uns schlicht an unsere eigenen Wahlversprechen gehalten.