Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

Aktuelle Stunde.

Ich möchte aber auch noch einmal kurz die Älteren mit in den Blick nehmen. Wir sind in Thüringen das Bundesland mit der ältesten Bevölkerung. Wir reden alle immer wieder vom lebenslangen Lernen. Wenn wir lebenslanges Lernen ernst meinen, auch und gerade von Menschen, die viele Jahre beispielsweise im Beruf gestanden haben, die jetzt vielleicht sogar schon in Rente gegangen sind und die jetzt überlegen, sich trotzdem noch fortbilden zu wollen, dann dürfen wir ihnen aus meiner Sicht keine zusätzlichen Hürden errichten, weil wir zum einen und gerade von diesen älteren wissbegierigen Menschen profitieren und weil diese auch etwas weitergeben, denn sie haben die Motivation, noch dazuzulernen, Neues dazuzulernen und sicher auch dies weiterzugeben. Insofern finde ich es ganz wichtig, darauf zu achten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte noch einmal ein Plädoyer dafür erheben, dass wir sehr viel mehr Quereinstiege ermöglichen, auch und gerade für Menschen, die vielleicht nicht den klassischen Lebensweg gegangen sind. Wir haben sowieso immer mehr gebrochene Erwerbs- oder Berufsbiografien, auch Bildungsbiografien. Dem gilt es Rechnung zu tragen.

(Beifall DIE LINKE)

Solche Gebühren, wie wir sie jetzt schon haben - Langzeitstudiengebühren, Verwaltungsgebühren - schrecken diese Menschen ab, die vor der Entscheidung stehen, verlasse ich eingefahrene Wege und wage etwas Neues, bilde ich mich auch fort oder eben nicht. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu den beiden Anträgen und auch um Überweisung an die genannten Ausschüsse. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich frage: Will die Landesregierung zu dem Tagesordnungspunkt das Wort ergreifen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die gemeinsame Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Wir beginnen mit der Drucksache 5/57, das ist die Verfassungsänderung. Dort ist beantragt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur, an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten und an den Haushalts- und Finanzausschuss.

Wer dafür ist, diese Drucksache an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke. Gegenprobe. Stimmenthaltungen? Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Wer dafür ist, diese Drucksache an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ich stelle wiederum Einstimmigkeit fest.

Wer dafür ist, diese Drucksache an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist diese Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über die Federführung ab. Beantragt ist, die Federführung dem Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu übertragen. Wer damit einverstanden ist, den bitte um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Drucksache 5/58 „Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften“ der Fraktion DIE LINKE. Auch hier ist beantragt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Auch hier ist die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt worden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Auch hier Einstimmigkeit.

Auch hier gibt es den Antrag, diese Drucksache federführend an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Haus- halts- und Finanzausschuss noch.)

Entschuldigung. Dann fehlt der Haushalts- und Finanzausschuss. Wer der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Auch hier Einstimmigkeit.

Aber jetzt sind wir bei der Federführung angekommen, ich wiederhole noch einmal, an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke schön. Gegenprobe. Stimmenthaltungen? Damit schließe ich die Abstimmung

über die Ausschussüberweisungen und den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahl- gesetzes (Stichwahlwiederein- führungsgesetz) Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/61 - ERSTE BERATUNG

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann erteile ich Abgeordneten Kuschel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, den neuen Thüringer Innenminister ganz herzlich zu begrüßen. Er hat sich einer hohen Herausforderung gestellt. Ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass sich seine Erwartungshaltung auch erfüllt.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Herr Mi- nister, das war eine Drohung.)

Er hat ja selbst in seiner eigenen Fraktion entsprechende Persönlichkeiten. Also es wird sich nicht nur auf meine Person beschränken. Sie sind mir bisher bekannt als Wissenschaftler und Jurist. Zumindest gehe ich einmal davon aus, der Tagesordnungspunkt, zu dem wir uns jetzt verständigen, nämlich die Stichwahlen bei Bürgermeistern und Landräten wieder einzuführen, die die CDU im Frühjahr dieses Jahres abgeschafft hat, wird bei Ihnen als Jurist und auch als Verfassungsrechtler zumindest zu einigen Irritationen geführt haben. Sie werden sicherlich auch froh sein, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, aus demokratischen Erwägungen heraus diesen sehr fragwürdigen Schritt wieder rückgängig zu machen. Sie sind mir bekannt, dass Sie auch bereit sind, Ihre eigene Rechtsauffassung infrage zu stellen, das heißt, der Irrtum ist Ihnen nicht fremd. Da sind wir uns einig. Auch ich gestehe, mich in meinem Leben schon geirrt zu haben. Dazu muss man auch stehen und nicht einfach blind weitermachen. Ich verweise darauf, dass Sie insbesondere im Zusammenhang mit dem Gutachten zum Volksbegehren für mehr Demokratie beispielhaft belegt haben, dass Sie Ihre Auffassungen im Laufe der Zeit verändern. Auch insofern wird es Ihnen nicht schwerfallen, unserem Gesetzentwurf die positiven Aspekte abzugewinnen und sich dafür einzusetzen, dass er schnellstmöglich in Thüringen

dann auch Gesetzesrealität wird.

Heute ist mehrfach der Wettbewerb eingeleitet worden nach den möglichst kurzen Reden. Ich gestehe, ich werde mich an diesem Wettbewerb nicht beteiligen.

(Beifall DIE LINKE)

Das hängt damit zusammen, dass ich eine gewisse Zeit brauche, bis meine Stimmbänder so frei sind, dass ich dann auch richtig warm bin. Aber es hat einen anderen ganz praktischen Hintergrund - dazu sollten wir sicherlich auch hier im Hohen Hause diskutieren -, das hat etwas mit dem Prinzip der Öffentlichkeit der Ausschuss-Sitzungen zu tun. Wenn wir endlich den Mut hätten, die Ausschuss-Sitzungen öffentlich zu gestalten, so dass die dortigen Diskussionen auch von der Öffentlichkeit verfolgt werden könnten, würde sich manche auch sehr fachliche Debatte in diesem Hohen Haus vielleicht erübrigen. Ich möchte, dass die Bürger und die Öffentlichkeit unsere Diskussionen nachvollziehen können, auch die Argumente gegeneinander abwägen können und da bleibt uns zurzeit nur dieses Podium hier. Deswegen, wenn die CDU sehr gern, wie alle anderen hier auch, auf eine Verkürzung der Redezeit berechtigterweise hingewiesen hat, dann müsste aber konsequenterweise der nächste Schritt folgen, nämlich dass wir uns zu den Ausschüssen verständigen sollten, dass dort das Prinzip der Öffentlichkeit gilt.

(Beifall DIE LINKE)

Der Wirtschaftsminister - er ist jetzt nicht da - hat gesagt, die Landesregierung ist nach zwei Wochen noch nicht in der Lage, Gesetzentwürfe vorzulegen. Die Bundesregierung verfolgt einen anderen Grundsatz, sie hat bereits nach wenigen Tagen entscheidende Gesetze vorgelegt, zum Beispiel zum Steuerrecht, wo die Landesregierung sich auch positionieren muss, ob sie dem zustimmt oder nicht. Wenn der Koalitionsvertrag gilt, dann eher nicht, weil es zu Steuerausfällen beim Land und in den Kommunen führt.

Da bin ich eben auch bei dem jetzigen Problem in unserem Gesetzentwurf. Wir wissen, das, was wir jetzt regeln wollen, ist auch Bestandteil der Koalitionsvereinbarung, aber für uns ist die Koalitionsvereinbarung zunächst ein Vertrag zwischen zwei Parteien, der nirgends einklagbar ist - Herr Innenminister, das wissen Sie als Jurist -, er ist eher eine Willensbekundung. In der Parlamentsgeschichte haben wir schon sehr oft erlebt, dass Regelungen in Koalitionsverträgen letztlich nicht Gesetzesrealität geworden sind, deshalb unsere Initiative. Der Regelungsinhalt ist so übersichtlich, dass sich die Landesregierung auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt

schon dazu positionieren kann. Sie kann sich auf den Koalitionsvertrag beziehen. Dort ist das eineindeutig formuliert und geregelt. Insofern können wir umgehend in das parlamentarische Verfahren einsteigen, ohne dass die Landesregierung oder ihre Fraktionen dort weitere Entwürfe vorlegen müssen.

Wir wollen, dass künftig wieder Stichwahlen stattfinden bei den Bürgermeistern und Landräten. Ich will Ihnen am Beispiel von Bad Salzungen verdeutlichen, wohin es geführt hätte, wenn die jetzige von der CDU eingeführte Regelung zur Anwendung kommen würde. In Bad Salzungen habe ich mein Abgeordnetenbüro, deswegen bietet sich dieses Beispiel an. 2006, Bürgermeisterwahl, erster Wahlgang: der Kandidat der Freien Wähler 23,0 Prozent, der Kandidat der CDU 22,7 Prozent, der unabhängige Kandidat - also ein Einzelbewerber - 22,6 Prozent. Wenn es also in einer solchen Situation nicht zu einer Stichwahl kommt, ist in der Kreisstadt Bad Salzungen der Bürgermeister mit 23 Prozent der abgegebenen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent gewählt. Was ist das für eine Legitimation? Da habe ich große Probleme. Selbst die Betroffenen hätten dort Probleme und sind jetzt froh, dass - zumindest ist es ja angekündigt - die Stichwahlen wieder eingeführt werden. Ich bin mir bewusst, das ist ein sehr extremes Beispiel, aber wir haben in Thüringen zu verzeichnen, dass wir entgegen dem bundesdeutschen Trend mindestens drei sogenannte Volksparteien haben, die ein Wählerpotenzial von 20 bis 30 Prozent haben, zumindest auf kommunaler Ebene. Klar, die SPD schwächelt da zurzeit. Aber ich sage es noch mal, ich persönlich halte nichts von einer schwachen SPD. Sie soll immer schwächer sein als DIE LINKE, das ist klar, aber wenn wir politische Veränderungen wollen, muss die SPD stärker werden. Man kann nun nicht von uns erwarten, dass wir das machen. Das müssen nun schon die Genossen der SPD selbst auf den Weg bringen.

(Heiterkeit SPD)

Arbeitet mal daran. Letztlich sind auf der kommunalen Ebene solche Wahlergebnisse wie in Bad Salzungen nichts Außergewöhnliches, dass sich das Stimmenpotenzial im Wesentlichen aufteilt, und auch das spricht dafür, die Stichwahlen wieder einzuführen. Nun werden Sie fragen, warum denn jetzt, warum warten wir nicht ab, bis die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt? Das hat was mit der Zeitschiene zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich bitte Sie wirklich, das parlamentarische Verfahren nicht weiter zu verzögern,

(Beifall DIE LINKE)

weil die Betroffenen relativ schnell Klarheit brauchen und wir im nächsten Jahr im Juni die Bürgermeister

wahl für die ehrenamtlichen Bürgermeister haben. Das heißt, ab Januar geht der Findungsprozess der Kandidaten los. Im Februar/März wird meistens über die Kandidaten entschieden. Das heißt, wenn wir heute das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen - und es ist eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zwingend vorgesehen -, werden wir im Januar möglicherweise dann die zweite Lesung machen und das Gesetz verabschieden können. Das ist aber schon der späteste Zeitpunkt. Deshalb die Bitte, das Gesetzgebungsverfahren heute auf den Weg zu bringen. Wir kennen das, die neuen Kolleginnen und Kollegen kennen das vielleicht nicht - die Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Ausschuss heißt ja nicht, dass danach zügig die Beratungen beginnen, sondern die Mehrheit im Ausschuss entscheidet, was dann wird - und das sind CDU und SPD. Ich habe schon erlebt, manche unserer Gesetzentwürfe wurden zwar an den Ausschuss überwiesen, aber dort lagen sie eineinhalb Jahre. Erst wenn Herr Fiedler im Innenausschuss - aus welchen Gründen auch immer - die Sache freigegeben hat, ging die Beratung weiter.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Weil der Ahnung hat.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aller Müll muss ja nicht bearbeitet werden.)

Es ging ja dann weiter, es ist ja nicht beerdigt worden, aber es hat zu zeitlichen Verzögerungen geführt und das dürfen wir uns hier nicht leisten im Interesse der Betroffenen. Wir haben das Ziel, bis Januar das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen, so dass tatsächlich dann alle Kandidaten wissen, welches Verfahren sie in der Kommunalwahl erwartet. Ich habe großes Verständnis dafür, dass mancher seine Kandidatur von der Stichwahl abhängig macht. Das hat auch damit zu tun, dass sich, wenn es keine Stichwahl gibt, Parteien oder Wählergruppen vorher möglicherweise auf gemeinsame Kandidaten verständigen. Das zeigen die Erfahrungen in NordrheinWestfalen, wo bereits Kommunalwahlen ohne Stichwahlen über die Bühne gingen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich beantrage im Namen unserer Fraktion, unseren Gesetzentwurf an den Innenausschuss und, da es ein Gesetzentwurf einer Fraktion ist, auch an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat Abgeordneter Fiedler von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Heiterkeit im Hause)

Entschuldigung, Herr Präsident. Wir sind das DreiMädel-Haus so gewöhnt, Entschuldigung, Herr Präsident. Solange ich nicht Heike sage und bei Heiko bleibe, geht das noch.

Wenn Sie dann zur Rede kommen würden, Herr Abgeordneter.