Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Offenbar gibt es hier jetzt schon Unmut. Ich sehe, dass es eine gute Grundlage gibt, heute zu diskutieren und ich bitte Sie deshalb sehr herzlich um die Aufnahme in die Tagesordnung. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Möchte jemand dagegen sprechen? Ja. Bitte schön, Herr Abgeordneter Gumprecht. Bevor Sie sprechen, Herr Abgeordneter Gumprecht - Frau Siegesmund, lassen Sie mich bitte korrigieren. Ich habe gestern verfügt - ich glaube es ist auch heute in den Postfächern -, dass der Entwurf dieses Berichts an die Mitglieder des Sozialausschusses verteilt wurde. Ja, Herr Adams klopft, er hat ihn. Gut.

Bitte schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich spreche gegen die sofortige Aufnahme. Die Argumentation ist eben auch angesprochen worden. Wie wollen wir über ein Thema, das wir nur über Dritte hören, reden?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei uns ist noch nichts an- gekommen.)

Ich halte es für angemessen und im Sinne des Themas, wenn wir den Bericht gelesen haben, diesen sinnvoll zu analysieren und danach zu diskutieren. Deshalb halte ich eine Diskussion, ohne dass der Bericht vorliegt - ich habe gehört, er ist uns heute zugegangen - und ohne ihn gelesen zu haben, nicht für sinnvoll. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall CDU, SPD)

Danke schön. Wir kommen zur Abstimmung. Erst einmal gibt es die einfache Mehrheit. Wer widerspricht der einfachen Mehrheit? Ich sehe Widerspruch aus der CDU-Fraktion. Dann brauchen wir die Zweidrittelmehrheit. Wer für die Aufnahme dieses Tagesordnungspunkts ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Wer ist gegen die Aufnahme? Dafür sprechen sich die Fraktionen der CDU und der SPD aus. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Tagesordnungspunkt für die Aufnahme abgelehnt. Und Frau Abg. Pelke, jawohl ich sehe Sie.

Sie möchten zum Abstimmverhalten reden? Ja, bitte.

Frau Präsidentin, danke. Ich möchte eine persönliche Erklärung zum Abstimmverhalten geben. Ich habe mich der Stimme enthalten, weil wir der Meinung sind, dass wir als Fraktion die Aufklärung im Ausschuss für Soziales und Familie gefordert haben und das dort auch tun wollen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnten wir die Ausführungen der Landesregierung auch nicht bewerten. Dem Ansinnen sind wir natürlich aufgeschlossen und stimmen dem auch zu.

(Beifall DIE LINKE)

Danke schön. Sie möchten auch eine Erklärung abgeben. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe mich der Stimme enthalten, weil im Moment ein Bericht kurzfristig vorliegt, der ein Entwurf ist und nicht abschließend diskutiert werden kann. Deshalb müsste zunächst die Diskussion im Ausschuss erfolgen. Ich kann mich Frau Jung anschließen. Demzufolge habe ich mich der Stimme enthalten, weil vom Grundsatz eine Diskussion und Aufarbeitung natürlich notwendig ist. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Danke schön. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Es gibt auch keine weiteren Anmerkungen zur Tagesordnung. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24. Alle Fraktionen haben eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für die einzelnen Themen beträgt jeweils 30 Minuten; die Redezeit des einzelnen Abgeordneten 5

(Abg. Siegesmund)

Minuten. Die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt.

Ich rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 24

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Auswirkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai 2011 auf Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2513

Als Erster hat sich Abgeordneter Lemb zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, Europa rückt in wenigen Tagen ein Stück näher zusammen. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, da zum 30. April die Übergangsfristen für die Länder Mittel- und Osteuropas, die 2004 der Europäischen Union beigetreten waren, enden. Das bedeutet, für die Menschen in Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn gilt ab 1. Mai 2011 eine der fundamentalen Freiheiten aller Menschen in der Europäischen Union, das ist die Freiheit, in jedem Land der Union nicht nur leben, sondern auch arbeiten zu können mit gleichen Rechten und Pflichten. Diese neuen Freiheiten für die Menschen aus diesen Mitgliedstaaten bieten natürlich Chancen. Sie bieten aber auch nach wie vor, zumindest aus unserer Sicht, eine Menge Risiken. Es geht darum, dass wir allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch unseren Betrieben Sicherheit und Schutz bieten - den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Sicherheit und Schutz vor Lohndumping, den Betrieben vor Billigkonkurrenz und damit auch im Hinblick auf eine Sicherheit der Beschäftigung in den Unternehmen. Nach einer letzten Forsa-Umfrage sind die Menschen gefragt worden, wie sie bezogen auf diese Arbeitnehmerfreizügigkeit stehen: 60 Prozent der Befragten haben Ängste vor einer Zunahme von Einwanderung der Arbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen Ländern und insbesondere vor Lohndumping geäußert. Insofern sind wir, die Politik, gefordert, mit politischen Gestaltungsmöglichkeiten dafür zu sorgen, dass eine Maxime gilt, nämlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen aus anderen EU-Staaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht eingeschränkt hatten, also schon längere

Zeit damit konfrontiert sind, sind eindeutig so, dass Regelungen zu Lohnund Arbeitsbedingungen wichtig sind, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern. Insofern gibt es noch eine Reihe von Maßnahmen, die politisch in der Gestaltung umgesetzt werden müssen. Ich will mich deshalb ausdrücklich bedanken - das war ja eben schon mal kurz Thema und wird wahrscheinlich im Verlauf der Plenardebatte noch häufiger Thema sein -, dass wir bundesweit in die Schlagzeilen gekommen sind. Das ist richtig, aber Herr Kemmerich, für den Präsidenten von Gesamtmetall gilt das Gleiche wie für die FDP auch: Sie haben nicht immer recht. Insofern ist ausdrücklich zu begrüßen,

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Sie ver- giften die Stimmung.)

dass die Landesregierung hier initiativ geworden ist, weil das ein praktischer Beitrag zu mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt in Thüringen und damit auch ein Beitrag für mehr Schutz und Sicherheit der Menschen ist, die hier in Thüringen leben, auch mit Blick auf den 1. Mai 2011.

(Beifall SPD)

Ich will noch einmal deutlich machen, dass 39 Prozent einer repräsentativen Umfrage in Thüringen von der thüringischen Arbeitsmarktpolitik erwartet haben und erwarten, dass es klarere und bessere Regelungen und Eingrenzungen im Bereich der Leiharbeit geben soll. Insofern ist diese Initiative ausdrücklich zu begrüßen. Zu begrüßen ist auch mit Blick auf den 1. Mai 2011, dass sich im Rahmen der Hartz-IV-Regelungen und im Rahmen der Debatten im Bundestag und im Bundesrat auf einen Mindestlohn der Leiharbeit verständigt werden konnte. Das ist aus unserer Sicht noch nicht ausreichend, aber ein erster Schritt. Insofern ist auch hier zu begrüßen die Initiative der Bundesarbeitsministerin von der Leyen, die ja vor einigen Tagen den Koalitionspartner auf der Bundesebene aufgefordert hat, weitere Branchen in das Entsenderecht einzubeziehen.

(Beifall SPD)

Zum Zweiten ist wichtig, dass wir Scheinselbstständigkeit verhindern. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns in der politischen Gestaltung in den Ländern und auch im Bund stellen müssen. Es geht darum, Scheinselbstständigkeit zu verhindern. Es geht im Bereich der EU darum, dass das Europäische Vergaberecht entsprechend angepasst wird, dass die Tariftreueregelung im Europäischen Vergaberecht Einzug findet. Auch hier haben wir - damit werden wir uns ja am Freitagfrüh beschäftigen mit dem zur Abstimmung stehenden Vergabegesetz die notwendigen Vorbereitungen an dieser Stelle für Thüringen getroffen. Aber es gibt eine Reihe weiterer Herausforderungen, sei es in der Bekämpfung der Schwarzarbeit, sei es in der Regi

(Präsidentin Diezel)

strierung der Entsendung bei der Sozialversicherung, sei es bei der statistischen Erfassung von Entsendetatbeständen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hier bleibt eine Menge politischer Handlungsbedarf, an dem wir uns aktiv auch aus Thüringen heraus beteiligen sollten. Das geht in weiten Teilen nur auf der Bundesebene. Dazu fordere ich uns alle auf.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich habe es gesehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Abgeordnete Ina Leukefeld.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch wir sind sehr dafür, dass dieses Thema heute hier noch einmal behandelt wird. Wir hatten ja schon einen Selbstbefassungsantrag analog im Wirtschaftsausschuss. Der Abgeordnete Lemb hat jetzt sehr schön noch einmal dargelegt, um was es geht.

Gestatten Sie mir nur eine Anmerkung: Es ist richtig, diese sieben Jahre Übergangszeit hat Deutschland ausgenutzt. Aber man muss schon sagen, dass die Bundesrepublik neben Österreich der einzige „alte“ Mitgliedstaat der EU war, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit über den höchstmöglichen Zeitpunkt ausgesetzt hat. Begründet wurde das ursprünglich mit der konkreten Arbeitsmarktsituation in Deutschland und auch mit dem gespaltenen Arbeitsmarkt Ost und West. Aber ich sage Ihnen, Hauptgrund war das Agieren der damaligen Bundesregierung, die sich strikt weigerte - und heute sich die neue schwarz-gelbe Bundesregierung erst recht weigert -, hinreichende nationale Regelungen gegen Lohndumping und ruinösen Lohnwettbewerb einzuführen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir sagen ganz klar als LINKE: Mindestlohn statt Lohndumping! Uns reichen auch nicht die branchenspezifischen Mindestlöhne, Sie wissen das, ich sage das fast gebetsmühlenartig hier. Die LINKE fordert einen flächendeckenden

(Zwischenruf Abg. Kemmrich, FDP:)

- Herr Kemmrich, Sie müssen das aushalten - gesetzlichen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Existenz sichernden Mindestlohn. Auch da hat sich in der Vergangenheit einiges verändert. Von ursprünglich 8 € sind wir jetzt bei 10 € gelandet. Wir fordern, da sind wir uns sehr einig, gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die eingeführten branchenspezifischen Mindestlöhne sichern das aus unserer Sicht nicht ab, was jetzt gebraucht wird. Ich meine, die Notbremse wurde gezogen mit dem Mindestlohn für Zeitarbeit. Aber auch dort, das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen, 7,79 € West und 6,89 € Ost sind in mehrfacher Hinsicht für uns nicht zu akzeptieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens, weil es nicht zum Leben reicht und zweitens, weil wir erneut wieder auch die Unterschiede Ost und West zementieren.

Meine Damen und Herren, die Debatte im Wirtschaftsausschuss hat gezeigt und das ist jetzt auch noch einmal gesagt worden, die Studien sagen das auch, eine riesige Zuwanderungswelle wird jetzt sofort nicht erwartet, zumindest nicht in Thüringen. Aber die Gefahr ist real, dass es im Bereich der gering qualifizierten Beschäftigung durchaus zu einer Konkurrenzsituation von Arbeitnehmern hier und den neuen EU-Staaten kommt, ganz besonders in bestimmten Bereichen. Ich will hier nur mal einen Bereich sagen, der hat mit dem verarbeitendem Gewerbe und IG Metall gar nichts zu tun, ich nenne z.B. den Pflegebereich. Da haben wir das zum großen Teil schon. Aber ich will hier auch für DIE LINKE ganz klar sagen: Wir begrüßen natürlich die Öffnung der Grenzen, da jeder Mensch das Recht auf Freizügigkeit hat.

(Beifall DIE LINKE)