Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, wie viel das an Geld ist? Da können Sie noch so viel Industrie oder noch eine Straße bauen, Sie werden das nie wieder reinholen. Das ist nämlich ein Gut, das gilt es zu erhalten. Deswegen ist das ein ganz schlechtes Beispiel dafür, dass man im Prinzip

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

an dieser Stelle unbedingt die Nulloption weit vorwegschicken muss.

Demographie - genau die gleiche Frage: Gebietet es nicht gerade die demographische Entwicklung, dass man darüber nachdenkt, was man noch zubaut, ob man nicht Dinge rückbauen kann, dass man aus dem, was man rückbaut, Boden gewinnen kann, Acker für die Bauern? Völlig unverständlich, wie Sie genau mit diesen beiden Punkten versuchen, Argumente zu liefern gegen unseren Antrag. Das erschließt sich mir überhaupt nicht.

Herr Kollege Primas - noch einmal: Es ist doch nicht schwierig, jetzt einmal die ganzen Aktivitäten, die es gab, hinzulegen, um mal zu schauen, wann ist denn was passiert. Unser Antrag ist z.B. älter als die Empfehlung des Nachhaltigkeitsbeirats. Wir haben mitnichten dem Nachhaltigkeitsbeirat irgendetwas in die Feder diktiert, noch haben wir uns in unserem Antrag darauf bezogen, was wir uns von dem Nachhaltigkeitsbeirat wünschen, sondern wir haben darauf hingewiesen, dass es da eine Entscheidung geben wird im Nachhaltigkeitsbeirat, und

wir wussten ja, wie die Diskussionen sind. Von der SPD und der CDU war ja niemand bei dem Symposium dabei; ich war anwesend und habe die Diskussion verfolgt. Es gab eine ganz große Einhelligkeit, übrigens auch von Wirtschaftsvertretern, dass man ganz schnell auf die Nulloption kommen muss. Also insofern war ich überzeugt davon, dass in den Empfehlungen des Nachhaltigkeitsbeirats die Nulloption drinstehen wird. Deswegen auch unser Optimismus, auch die Formulierung in unserem Antrag dazu. Aber wir haben mitnichten irgendetwas dem Nachhaltigkeitsbeirat in die Feder geschrieben und haben irgendwelche Erwartungen geweckt, sondern wir haben geschrieben: Wir möchten, dass die Landesregierung das, was der Nachhaltigkeitsbeirat zu diesem Thema tun wird, ernst nimmt. Wir waren natürlich dann sehr erfreut, dass sich das fast eins zu eins deckt. Ich sage es noch einmal: Im Prinzip war der Nachhaltigkeitsbeirat sogar noch etwas stringenter als wir, hat noch eine Jahreszahl reingeschrieben. Insofern, meine Damen und Herren, bleiben Sie doch einfach bei den Tatsachen und legen Sie die Dokumente nebeneinander, schauen Sie auf das Datum dieser Dokumente. Und, wie gesagt, Frau Mühlbauer, lesen Sie doch mal die Rede Ihres Kollegen, bevor Sie hier vorgehen, dann würde manches auch etwas klarer hier sein. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeordnete Kummer zu Wort gemeldet.

Vielen Dank. Frau Mühlbauer, Sie haben auch mich noch mal hier nach vorn gerufen. Wir hätten gern mit Ihnen zusammen eine andere Politik in diesem Land gemacht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie setzen die CDU-Politik fort. Uns ist bei der Verabschiedung des Landesentwicklungsplans auch mit Kritik aus unserer Fraktion offeriert worden, dass man u.a. die Goldene Aue, die so heißt, weil sie eines der besten Landwirtschaftsgebiete Deutschlands ist, für eine Großindustriefläche versiegeln will. Wir haben das damals heftig kritisiert.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das wird immer schlimmer heute.)

Es ist uns aber wenigstens versprochen worden, dass die damals im Landesentwicklungsplan beinhalteten vier großen Industriegebiete, die man in Thüringen ausgewiesen hat, die letzten wären, immer mit der Zahl im Hinterkopf, wie viele Brachflä

chen, auch industrielle Brachflächen wir über die einzelnen Gemeinden und Städte Thüringens noch verteilt haben. Diese großflächigen Ansiedlungen, wo es wirklich nur großflächige Ansiedlungen drin geben sollte, wie Queienfeld, die besten Böden in Südthüringen, sind versiegelt worden für Gewerbeund Industrieansiedlungen im Bereich um die 10 ha. In Hildburghausen haben wir mit viel Aufwand eine ehemalige industrielle Brachfläche als Gewerbegebiet saniert. Die steht bis heute leer, dafür ist auf der grünen Wiese in Queienfeld neues Gewerbe angesiedelt worden, was in Hildburghausen hätte hingebaut werden können.

(Beifall Bündnis 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Wirtschaftsministerium, das von Ihnen geführte Wirtschaftsministerium erklärt heute, dass wir wieder 290 ha brauchen. Das sind 90er-Böden, 100erBöden. Meine Familie hat auf 20er-Äckern gewirtschaftet. Wenn wir diese Böden sehen, ist es für uns unvorstellbar, wie man etwas anderes auf diesen Böden machen kann als landwirtschaftliche Produktion. Das muss doch endlich mal ein Ende haben. Wir verlangen von ihnen nicht, dass von heute auf morgen keine Flächenversiegelung in Thüringen mehr stattfinden darf. Wir sagen doch nur, wir wollen einen Flächenpool, der es ermöglicht, dass von heute auf morgen eine Ausgeglichenheit erfolgt, dass dort, wo versiegelt wird, auch entsiegelt wird. Das ist doch das einzige, was angestrebt wird, und das lässt sich doch umsetzen bei 15.000 ha Brachfläche. Ich verstehe nicht, warum Sie sich so dagegen sträuben. Ich verstehe nicht, warum Sie uns vorwerfen, dass wir eine Schaufensterpolitik machen, wenn Sie die Entwicklung, die es in Thüringen seit 20 Jahren gibt, eine massive Flächenverbrauchspolitik weiterhin so durchführen lassen, wie es das in der Vergangenheit gegeben hat. Etwas anderes war die Aussage der prioritären Großflächen für Industrie, die es heute gegeben hat, wo es auch noch untergeordnete, weniger prioritäre Großflächen geben soll, die heute gar nicht genannt worden sind.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD hat sich Frau Abgeordnete Mühlbauer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, Sie erlauben, ich darf zitieren aus dem Protokoll der 5. Wahlperiode, der 41. Sitzung, Seite 3693, Abgeordneter Weber zu dem Antrag, von dem wir gerade gesprochen haben. Der Antrag ist wichtig. „Es ist an der Zeit, dieses Thema intensiv zu diskutieren. Wie viel Flächen kann und darf Thüringen brauchen.“ Ich lasse einen kleinen Satz aus. „Dieser Bereich der Nachhaltigkeitsstrategie

muss an den Aspekten der Ökologie, der Wirtschaftlichkeit, auch des demographischen Wandels diskutiert werden.“ Ich sehe hier keinen Dissens zwischen den Aussagen des Kollegen Weber und meiner Seite. Ich sage es noch heute deutlich, weil es hier Mode in diesem Plenum wird, dass man hier nach vorn geht und etwas implementiert, was nach außen darstellt, wir wissen gar nicht, was wir sagen. Wir wissen es. Ich weiß es, und dazu stehe ich auch.

Jetzt noch mal zu Ihnen, Herr Kollege Kummer. Ich habe auch, und jetzt zitiere ich den Kollegen Augsten, lesen Sie sich doch bitte die Reden der Kollegen der letzten Plenen aus Ihrer Fraktion durch. Nehmen wir das Thema Leiharbeit, gestern Aktuelle Stunde. Wir brauchen gute Arbeitsplätze. Wir haben eins begriffen, dass in 20 Jahren natürlich Gewerbegebiete, Industriegebiete wie leider Ihres in Hildburghausen einer falschen Ansiedlung unterlegen sind. Aus dem Grunde brauchen wir eine gute Strategie. Wir brauchen gut bezahlte Arbeitskräfte in unserem Land. Das dürfen wir uns hier nicht verbauen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wirklich nicht verbauen.)

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Koste es, was es wolle?!)

Da bitte ich auch innerhalb Ihrer Fraktion mit einer Zunge zu sprechen und nicht mit verschiedenen Zungen zu sprechen, so wie wir es tun und so wie wir uns bemühen. Ich lasse mich hier nicht in den Dissens mit unserem Wirtschaftsminister stellen, weil beide Aspekte richtig sind, beide Aspekte sind wichtig und sind auch umsetzbar. Wir werden es hinbekommen, dass wir im Freistaat eine prosperierende wirtschaftliche Entwicklung erreichen an guten Bereichen, mit guten Arbeitsplätzen. Wir werden auch unsere Böden schützen und wir werden unsere Nettoneuverschuldung auf null reduzieren in einem angemessenen Zeitraum. Hier sehe ich keinen Dissens. Danke.

(Beifall SPD)

Entschuldigung - eine kleine Anmerkung: Wenn Sie einen Flächenpool wünschen, Herr Kummer, wie Sie es gerade angestrebt haben, dann bitte ich doch, dass Sie es wenigstens in den Antrag reinschreiben und sich nicht hinstellen, Sie hätten Flächenpool geschrieben. Dann stellen Sie es rein in den Antrag, dann können wir darüber abstimmen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: In unserem Gesetz stand das, was Sie abge- lehnt haben.)

Ich denke, wir reden heute über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und nicht über eine

(Abg. Kummer)

Debatte, die wir vor vier Wochen im letzten Plenum geführt haben, Herr Ramelow.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall SPD)

Ich bitte hier, dass wir uns schon darauf einigen, dass wir die Tagesordnung abarbeiten. Danke.

So ist das. Wir reden über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Neufassung und den Alternativantrag der FDP und dann stimmen wir auch ab. Aber ich nehme an, für die Landesregierung möchte jetzt Minister Reinholz das Wort ergreifen? Bitte.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einmal versuchen, ein bisschen Struktur und Ruhe wieder in diese Debatte zu bringen. Ich werde auch, Herr Augsten, ohne dem Tagesordnungspunkt 16 vorzugreifen, etwas zum Nachhaltigkeitsbeirat sagen in meiner Rede.

Meine Damen und Herren, wie an der Stelle hier schon mehrfach betont, ist es nun mal das erklärte Ziel der Landesregierung, den Flächenverbrauch oder präzise heißt das ja die Flächenneuinanspruchnahme von bisher land- und forstwirtschaftlich genutzten oder naturbelassenen Flächen soweit wie möglich zu begrenzen. Die Flächenhaushaltspolitik der Landesregierung, die Teil ihrer Nachhaltigkeitspolitik und der künftigen Nachhaltigkeitsstrategie Thüringens ist, soll sowohl städtebauliche, gewerbliche und infrastrukturelle Entwicklungen ermöglichen und gleichzeitig natürlich einer fortschreitenden Zersiedlung der Landschaft und Lebensräume und einer Versiegelung von Flächen Einhalt gebieten. Darüber hinaus sollen brachliegende Flächen einer neuen Nutzung zugeführt werden bzw. auch renaturiert werden. Dieses Flächenmanagement wird bereits durch Förderungen im Bereich Städtebau wie auch in der ländlichen Entwicklung sowie beim Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur aktiv betrieben. Die Flächeninanspruchnahme in Thüringen war in den letzten fünf Jahren - und das ist richtig - wesentlich dem Straßenbau und dem Neubau der Bundesautobahn geschuldet. Diese Verkehrsmaßnahmen waren aber wie wir uns wohl sicher einig sind - zur Beseitigung teilungsbedingter Infrastrukturdefizite auch erforderlich.

Der von der Landesregierung berufene - und jetzt komme ich einmal ein bisschen dazu - Beirat zur Nachhaltigen Entwicklung hat der Landesregierung empfohlen, bis zum Jahr 2020 die Flächeninan

spruchnahme auf 0 Hektar netto zu begrenzen, und das, wie gesagt, bis zum Jahr 2020. Diese Empfehlung entspricht den Ergebnissen des Symposiums des Beirats zum Flächenverbrauch in Thüringen.

Begründet wird die Empfehlung mit mehreren Punkten:

1. mit der absehbaren demographischen Entwicklung, die haben Sie auch angesprochen, Herr Dr. Augsten, die in der Tendenz zu einem Rückgang des Flächenbedarfs insbesondere im Bedürfnisfeld Wohnen auch führen müsste;

2. in einen Brachflächenbestand, der ist hier ebenfalls schon angesprochen worden, von 15.000 Hektar gegenüber einem absehbaren Bedarf von Flächen für Verkehr, Gewerbe und Wohnen von nur 7.000 Hektar;

3. mit der Gefährdung der Artenvielfalt durch zusätzliche Zerschneidungs- und Zersiedlungseffekte sowie nicht zuletzt mit dem aus einer Versiegelung folgenden Verlust der natürlichen Bodenfunktion und dem Verlust an land- und forstwirtschaftlichen Flächen.

Mit diesem letzten Punkt schlägt der Beirat implizit dann auch die Brücke zu den beiden weiteren Schwerpunktfeldern und seinen Empfehlungen, nämlich zur regionalen und nachhaltigen Wirtschaft sowie zum Schwerpunkt Energie und Klima. Gerade die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sind in Thüringen prädestiniert für regional verankerte Wirtschaftskreislaufe. Ich glaube, darüber sind wir uns alle im Klaren. Ebenso können die Land- und Forstwirtschaft im Bereich der erneuerbaren Energien erheblich zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten beitragen. Dafür brauchen wir allerdings Fläche. Das haben wir vorhin auch in den Mündlichen Anfragen miteinander diskutiert.

Im Kern, meine Damen und Herren, empfiehlt der Beirat, die unstrittig auch künftig notwendige Neuinanspruchnahme für Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrszwecke durch Renaturierung für land- und forstwirtschaftliche oder Naturschutzzwecke an anderer Stelle auszugleichen.

Sie kennen alle die Diskussion, den Bauern wird Land mehr oder weniger für Straßenbau weggenommen und die Ausgleichsmaßnahmen erfolgen dann ebenfalls noch mal auf landwirtschaftlicher Fläche. Wir haben beide auch schon mal darüber diskutiert, dass wir das beide auch nicht gut finden. Es gibt andere Möglichkeiten und diese Wege sollten und müssten wir einfach miteinander gehen.

Die Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung - und da bitte ich einfach um Verständnis - zu den Empfehlungen des Nachhaltigkeitsbeirats, die offiziell erst am 29. März an Frau Ministerpräsidentin übergeben wurden, ist weder in diesem Feld

(Abg. Mühlbauer)

noch in den anderen Feldern bereits abgeschlossen. Die Staatssekretärsarbeitsgruppe, Sie kennen das, die sich Nachhaltige Entwicklung nennt, wird sich in den kommenden Wochen mit den Empfehlungen insgesamt auseinandersetzen und der Landesregierung einen Vorschlag für eine Nachhaltigkeitsstrategie für Thüringen unterbreiten. Ziel ist es, diese Strategie bis zur Sommerpause im Kabinett zu beschließen. An der Stelle muss ich meinem Kollegen Primas recht geben, so lange hätte man durchaus noch warten können mit einem zweiten Antrag oder man hätte sich in diese Diskussion an der Stelle dann auch einbringen können.

Aber nun zurück zur Flächenneuinanspruchnahme: Parallel zu der durch den Beirat angestoßenen Diskussion innerhalb Thüringens zum Thema Flächenneuinanspruchnahme wird auch zwischen Bund und Ländern darüber diskutiert. Die Konferenz der Chefs der Staatskanzleien hat am 18. November letzten Jahres die Ministerkonferenz für Raumordnung gebeten, unter Einbeziehung der Umweltministerkonferenz, der Bauministerkonferenz, der Innenministerkonferenz und der Agrarministerkonferenz sowie der Finanzministerkonferenz auf der Basis der vorliegenden Beschlüsse und Stellungnahmen ein Positionspapier mit konkreten Handlungsvorschlägen sowie eine Berichterstattung zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme bis zum November dieses Jahres vorzulegen. Sie sehen, das läuft glücklicherweise parallel zu Thüringen. Die im Antrag der FDP erbetene Aussage, welche Instrumente zur Verringerung der Flächenneuinanspruchnahme zum Ansatz kommen sollen, werden natürlich erst im Ergebnis der Abstimmung zwischen Bund und Ländern dann auch möglich sein. Dies gilt ebenso für den vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog und die Aktionspläne.