Protokoll der Sitzung vom 15.04.2011

Vielen herzlichen Dank, Carsten Meyer. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Gudrun Holbe für die CDU Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den Antrag der FDP-Fraktion und mein Kollege Pidde hat schon sehr ausführlich die klaren tarifrechtlichen Regelungen umrissen, die es gibt und die entsprechend auch zu berücksichtigen sind. Ich denke, es ist auch interessant, mal zu schauen, wie sich Ihre Kollegen zu diesem Thema äußern. Bei meiner Recherche habe ich eine Pressemeldung der FDP-Europaabgeordneten Nadja Hirsch vom 6. Juli 2010 gefunden, die ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, gern zitieren würde: „Unbezahlte Praktika können jungen Menschen wertvolle Erfahrungen mit auf den Weg geben. Diese können zum Beispiel in gemeinnützigen und sozialen Organisationen stattfinden, die ein spannendes Arbeitsfeld bieten, es sich aber einfach nicht leisten können, ein Praktikantengehalt zu zahlen. Für mich ist das zentrale Kriterium die Dauer eines Praktikums. Bei jedem Praktikum, das länger als sechs Monate läuft, kann der Arbeitgeber auf Arbeitsleistung bauen. Ab dem sollte auch eine Entlohnung erfolgen.“ Zum besseren Verständnis am 06.07.2010 hatte die Mehrheit der EU-Abgeordneten zwar für ein Verbot unbezahlter Praktika gestimmt, jedoch meinte Abgeordnete Hirsch von der FDP weiter, „Deshalb unbezahlte Praktika ganz zu verbieten, ist allerdings eine völlig überzogene Schlussfolgerung.“ Dann muss ich fragen: Wenn Sie das hier für die Studenten an Hochschulen fordern, die ein Praktikum in der Landtagsverwaltung und in den Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen ablegen sollen, weshalb springen Sie dann so kurz und vergessen, auch die Wirtschaft mit in Ihren Antrag einzubeziehen? Sollten diese etwa leer ausgehen? Besteht nicht ein etwas größerer Handlungsbedarf, wenn Sie das Thema Praktikum und gute Bezahlung hier mit hineinnehmen?

Der Kollege Meyer hat schon auf die demographische Entwicklung hingewiesen. Ich denke, jedes Unternehmen ist sicher gut beraten, entsprechende Praktikanten mit einzustellen und diese kennenzulernen, um sie eventuell später dann einzustellen. Ich sehe es genauso, dass sich hier mit großer Sicherheit noch eine sehr rasche Entwicklung vollzie

hen wird. Aber eines ist auch klar, dass wir als Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder natürlich auch an die satzungsgemäßen Bestimmungen gebunden sind, d.h. die Interessen der Mitgliedsländer an der Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentliches Dienstes, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen und sonstigen Vereinbarungen, so dass es uns hier verwehrt ist, jetzt eine eigene Richtlinie zu machen. Wir sind in der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder und können entsprechende Regelungen auch nur gemeinsam treffen.

Des Weiteren wird von den Parlamentariern der EU-Kommission gefordert, der Ministerrat wird hier aufgefordert, eine europäische Qualitätscharta mit Mindestanforderungen für das Praktikum zu schaffen, darunter ein Grundgehalt zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten für Praktikanten und eine zeitliche Befristung. Ich denke, hier sollte man den Vorstoß des Europaparlaments und endgültige Entscheidungen aus Brüssel abwarten, die sicherlich entsprechende Regelungen treffen könnten. Ansonsten sehen wir momentan keinen Handlungsbedarf und lehnen Ihren Antrag ab. Danke schön.

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Holbe. Das Wort hat jetzt Susanne Hennig für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich glaube, die Debatte zeigt schon, dass wir einen Handlungsbedarf haben. Selbst wenn der Antrag der FDP nicht weit genug führt, ist er doch der richtige Ansatz, um zu sagen, der öffentliche Dienst muss auch in die Vorhand gehen und Vorbildwirkung haben.

(Beifall FDP)

Wenn man was von Unternehmen verlangt, kann man durchaus mit Vorbild vorangehen. Also Sie sehen, grundsätzlich stimmen wir als Fraktion Ihrem Antrag zu, auch wenn er uns selbst nicht weit genug geht. Ich würde aber gern schon noch ein paar grundsätzliche Sachen sagen wollen.

Das, was die FDP aufgreift, ist ja nichts anderes als das ganze Thema Generation Praktikum und dieses ganze Thema ereilt uns nicht erst seit heute oder seit gestern, sondern ist mindestens seit Mitte der 90er-Jahre auch genauso bekannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, als Generation Praktikum oder Generation Prekär bezeichnet man durchaus die jungen Akademiker, die ihren Lebenslauf damit füllen, dass sie Lücken im Arbeitsleben mit Praktika überbrücken, dass sie Praktikantenstellen über viele Monate einnehmen,

(Abg. Meyer)

dass sie wertvolle Arbeiten für Unternehmen leisten, hospitieren und man durchaus davon sprechen kann, dass sie für wenig Geld - wenn sie überhaupt welches bekommen - missbraucht und ausgebeutet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Aus meiner Sicht kann sich der öffentliche Dienst bzw. das Land Thüringen nicht daran beteiligen, auch wenn die Rede davon ist, dass - wie die FDP das schon sagt - die Studierenden das ja auch im Rahmen ihrer Ausbildung machen. Trotzdem erbringen sie eine Arbeitsleistung.

Wenn man das Problem Generation Praktikum bespricht, darf man nicht außer Acht lassen, dass natürlich auch die Generation Praktikum in ein gewisses prekäres Milieu gedrückt wird, was zur Lebenskultur wird, was gleichzeitig auch das Leben perspektivisch bestimmen wird. Es sind eben nicht die Ingenieure, die Mathematiker, die das ganze Thema betrifft, sondern es sind in erster Linie Sozialwissenschaftler, Juristen, Pädagogen usw., die sich mit Niedriglohnjobs, mit Praktika durch das Leben wursteln. Wir kennen die Begriffe „1.000-Euro-Generation“ in Italien und „700-Euro-Generation“ in Griechenland. In Griechenland gab es entsprechende Aufstände dazu, und das sollten wir alles nicht außer Acht lassen.

Ich stimme Herrn Meyer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, dass wir möglicherweise eine Chance haben, das Problem etwas zu klären, wenn es um Fachkräfteentwicklung geht, dass auch die Landesregierung und der öffentliche Dienst Fachkräfte benötigen werden, gerade im sozialwissenschaftlichen Bereich, im juristischen Bereich, und dass wir die jungen Menschen da durchaus sehr frühzeitig binden sollten.

Die Gewerkschaft hat festgestellt, dass es in ganz Deutschland etwa 400.000 prekär Beschäftigte gibt, darunter fast 90 Prozent Praktikantinnen. Es sind Arbeitsverhältnisse, die in der Regel schwierige Arbeitsverträge haben, wo sich nicht an gesetzlichen Bedingungen orientiert wird und wo auch diejenigen - also genau genommen 32 Prozent -, die die Praktika ausführen, durchaus sagen, der Lerneffekt ist äußerst gering.

Die Motive, Praktika anzunehmen, sind, glaube ich, sehr einfach zu deuten. Zum einen möchte man natürlich einen Berufseinstieg vorbereiten, junge Menschen nach dem Hochschulstudium sind bereit, einiges auf sich zu nehmen, um einen Beruf zu bekommen, um übernommen zu werden usw. Obwohl ich einfach glaube, und das bestätigen auch Untersuchungen, dass die Wirtschaft selbst - und da spreche ich jetzt von Wirtschaft - sich keinen Gefallen damit tut, dauerhaft Einstellungen von Praktikanten vorzunehmen. Das hat etwas damit zu tun, dass Praktikanten eingestellt werden müssen.

Letztendlich ist es auch politisch zu geißeln, wenn damit Kündigungsschutz umgangen wird.

Ich würde ganz gern noch etwas zu der Situation europaweit sagen. In Italien erschien 2007 ein Roman zur Generation Praktikum, 1.000-Euro-Generation - ich habe es schon genannt - und in Italien haben wir durchaus die Situation, die noch etwas anderes zu Deutschland ist. Da ist es gerade in den sozialwissenschaftlichen Berufen, Architekturberufen und bei den Juristen der Fall, dass man nach dem Hochschulabschluss noch mal zwei bis drei Jahre, um die endgültige Berufsbefähigung zu erhalten, bei einem sogenannten Meister in die Schule gehen muss - jetzt flapsig umschrieben. Das führt dazu, dass es gewisse Kasten gibt, weil die Kammern natürlich auch bestimmen, wer dann den Zugang hat und wer nicht und dass in Italien bis zum 30. Geburtstag durchaus eine Generation Praktikum die Regel ist. Die Hälfte der Hochschulabsolventen in Österreich machen mehrere Praktika nach ihrem Studium. In der Schweiz gibt es angeblich dieses Problem nicht, aber es lässt sich nachweisen, dass auch da immer mehr Studierende nach ihrem Hochschulabschluss in die Praktika gehen. Die Situation in Griechenland ist aus meiner Sicht besonders prekär. Junge Menschen, die mit 700 € Gehalt leben müssen, ihre Zukunft aufbauen müssen, Kinder und Familie aufbauen sollen, können das natürlich nicht leisten, was dazu führte, dass es im Dezember 2008 zu größeren Demonstrationen kam.

Sehr geehrte Damen und Herren, aus meiner Sicht spricht die FPD mit ihrem Antrag zur Praktikumsvergütung ein höchst aktuelles Thema an, ein höchst aktuelles Thema seit etwa 15 Jahren. Denn Praktika gelten nach wie vor als Zutritt und als Eintrittskarte in den Beruf. Wer keine praktische Berufserfahrung hat, dem wird die Berufstätigkeit nicht anerkannt; viele junge Leute sind darauf angewiesen. Nur noch die Hälfte aller Praktika sind aber heute überhaupt mit einer Vergütung oder wenigstens mit einer Aufwandsentschädigung versehen. Wer zum Beispiel in einem journalistischen Bereich oder an der Hochschule, in der Computerbranche und selbst in der Justiz, in der Verwaltung oder in der Politik eine Arbeit sucht, kommt in vielen Fällen an einem mehrmonatigen unentgeltlichen Praktikum nicht vorbei. Auch die Politik geht mit keinem guten Beispiel voran. Deswegen begrüße ich auch den FDP-Antrag heute. Von den 14 Bundesministerien stellen nur drei eine Vergütung für Praktikanten zur Verfügung. Weitere zwei zahlen eine gewisse Aufwandsentschädigung. Ich frage jetzt einfach mal, denn Sie sind ja nach mir dran in der Rede, wie das in den FDP-Ministerien aussieht und wie die FDP gedenkt, innerhalb der Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass in den Bundesministerien Aufwandsvergütungen für Praktikanten die Regel werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht sind unbezahlte Praktika reguläre Arbeit, an der gespart und schamlos ausgebeutet wird. Deswegen bin ich dafür, weil ich eigentlich nur Positives zu dem Antrag gehört habe, dass wir diesen Antrag im Ausschuss beraten. Ich würde vorschlagen, dass wir uns im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit diesem Thema befassen, um uns einfach darüber zu verständigen, wie weit bezahlte Praktika gehen sollen, was in einer Richtlinie formuliert werden soll usw.

Zum Schluss gehört auch der Antrag, den die FPDFraktion hier vorgelegt hat, in die Versuche der Politik, auf diese Missstände zu antworten, die ich gerade beschrieben habe. Aus meiner Sicht müssen wir als Politik mit gutem Beispiel vorangehen.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Hennig. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Lutz Recknagel für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, Auszubildende werden bezahlt mit einer Vergütung für geleistete Arbeit und zum Unterhalt des Auszubildenden, Studenten in der Regel nicht, zumindest dann nicht, wenn es nach der Thüringer Landesregierung geht. Die Antwort auf unsere Kleine Anfrage aus dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie spricht da deutliche Worte. Ganz interessant ist es, sich einmal eine Agenturmeldung von heute anzuschauen. Da hat der Journalist nachgefragt, wie das denn bei den Parteien in Thüringen so aussieht. Die Fraktion DIE LINKE fordert für Praktika während der Ausbildung oder des Studiums mindestens 300 € im Monat, heißt es auf der Website der LINKEN im Bundestag. Tatsächlich arbeiten jedes Jahr im Schnitt fünf Vollzeitpraktikanten für bis zu sechs Wochen für die Thüringer Landespartei, ohne einen einzigen Cent dafür zu erhalten. Sie fordern 300 €, zahlen aber nichts.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Wo habt ihr denn das her?)

Bei der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag scheint es anders zu sein.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Hört, Hört!)

Hier hat Martina Renner von 200 € Aufwandsentschädigung plus Spesen gesprochen, allerdings, wer bereits Geld von der Familie oder BAföG erhalte, der bekomme kein weiteres Gehalt. Das heißt im Klartext: DIE LINKE subventioniert sich zulasten der Familie oder von BAföG.

(Beifall FDP)

Bei der SPD-Fraktion sieht es nicht besser aus, aber das habe ich nicht anders erwartet nach dem, was ich vom Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie gehört habe. Studenten, die normalerweise über ein angemessenes Einkommen verfügen, erhalten deshalb keine Vergütung. Eine angemessene Vergütung erhält demnach nur, wer nachweisen kann, dass er nicht über andere Einnahmequellen verfügt.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wo hat er denn das her?)

Da fragen Sie mal nach, wer da bei Ihnen nachgefragt hat - Agenturmeldung von heute, ich kann Sie Ihnen gern gleich geben. Also angemessene Vergütung steht nur Mittellosen zu? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Unruhe SPD)

(Beifall FDP)

Sie kritisieren ernsthaft die Geschichte mit den Aufstockern bei Hartz IV als Ausnutzen und Ausbeuten und dann frage ich mich, was passiert denn bei Ihnen in der Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Haben Sie denn die Fraktionen verwechselt?)

Herr Dr. Pidde, die Tatsache, dass ein Praktikum Bestandteil der Ausbildung ist, kann doch nicht der Grund sein, dass man deswegen nicht zahlt.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So ein Stuss.)

Bei den GRÜNEN - auch Auskunft aus der Agenturmeldung - sieht es etwas besser aus. Da gilt ein Gehalt von 300 € sowohl in der Partei als auch in der Fraktion als Selbstverständlichkeit. Stutzig gemacht hat mich die Aussage, dass man studienbegleitend diese 300 € erhalte, aber mindestens 800 € für Absolventen gezahlt werden sollen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 800 € für einen Absolventen.

(Zwischenruf Abg. Adams und Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für Praktika.)

Jetzt weiß ich auch, warum Sie Mindestlohn fordern,

(Beifall FDP)

denn mit 800 € für ausgebildete Hochschulabsolventen kommt man nicht so richtig weit.

Herr Recknagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

(Abg. Hennig)

Haben Sie unsere Richtlinie für das Praktikum derart verstanden, dass wir vorschlagen, Absolventen von Hochschulstudien mit 800 € zu vergüten oder haben Sie sie falsch verstanden, denn in unserer Richtlinie steht, wenn ein Hochschulabsolvent noch ein Praktikum, was ja durchaus üblich ist, nach dem Studium absolvieren wird, dass er dann mindestens, weil er Absolvent ist, 800 € bekommen muss?