Danke, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben erneut versucht mit Verweis auf das Verfassungsgerichtsurteil, das Handeln der Landesregierung zu erklären und haben im Grunde genommen den Kommunen den schwarzen Peter zugeschoben,
die müssten jetzt klären, wie sie mit den Folgen der Finanzkrise umgehen und hätten deshalb eine freie Entscheidung, ob sie die Kindertagesstättengebühren nun anfassen oder nicht. In dem Zusammenhang muss ich aber noch einmal daran erinnern, was Sie tatsächlich im Finanzausgleich gemacht haben. Sie haben zwar 90 Mio. € für die Mehrkosten des neuen Kindertagesstättengesetzes hinzugerechnet, haben aber aus unserer Sicht in unzulässiger Art und Weise die Finanzausgleichsmasse reduziert, indem Sie 48 Mio. € abgezogen haben, die die Kommunen angeblich aus wirtschaftlicher Betätigung heraus erwirtschaften können. Sie haben einen fiktiven Hebesatz von 400 bei der Grundsteuer unterstellt, haben dabei 32 Mio. abgezogen, und 400 Hebesatzpunkte bei der Gewerbesteuer und 90 Mio. abgezogen. Sie haben bei der Auftragskostenpauschale, die schon ohnehin umstrittene Korridorbildung ersetzt durch das sogenannte Benchmarkingverfahren und haben dort noch einmal 18 Mio. € runtergenommen. In einer solchen Situation stellen Sie sich dann hierhin und sagen, die Kommunen hätten selbst die Verantwortung, zu entscheiden. Die Kommunen können entscheiden, ob sie die Gewerbetreibenden belasten so über Nacht. Ich hatte hier öfter betont, wir haben nichts gegen eine Hebesatzdiskussion, aber bitte schön nicht Mitte Dezember beschließen und ab 1. Januar soll es gelten. Die Kommunen können entscheiden, Hebesatz hoch für die Gewerbetreibenden. Sie können entscheiden, ob sie die Grundstückseigentümer und die Mieter stärker belasten durch den Hebesatz oder die Kita-Gebühren erhöhen. Was ist das denn aber für eine Politik? Wenn wir hier ein Gesetz machen, das tatsächlich bei den Kindern ankommen soll, dann müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass es durchfinanziert ist.
Nein, es ist nicht durchfinanziert, wenn Sie den Kommunen zwar formal etwas geben, aber auf der anderen Seite in viel höherem Maße etwas abziehen. Das würde privat auch nicht funktionieren, glaube ich.
Noch mal zur Systematik des Finanzausgleichs, wo Sie boshaft dieses Urteil des Verfassungsgerichts fehlinterpretieren. Das Verfassungsgericht hat gesagt, nur unter der Maßgabe, dass keine angemessene Finanzausstattung durch das Land möglich ist, hat sich das Land mit der Zweckbindung in Zurückhaltung zu üben. Mal einfach formuliert: Wenn wir die Kommunen nicht ausreichend finanzieren können, sollen die Kommunen zumindest selbst entscheiden können, wo sie das Geld zum Einsatz bringen. Jetzt behaupten Sie aber, der Finanzausgleich ist angemessen und unter der Maßgabe hat sich das Verfassungsgericht überhaupt nicht dazu geäußert, sondern unter der Maßgabe können wir natürlich eine Zweckbindung aussprechen. Wenn wir durch ein Gesetz den Kommunen ganz konkrete Vorgaben machen, dann sind wir zum Ausgleich verpflichtet oder Sie nehmen billigend in Kauf, dass die Eltern in stärkerem Maße an den Kosten beteiligt werden. Dann folgt aber eine soziale Selektion, nämlich über die Gebühr. Damit geht das Ziel des Gesetzes völlig fehl. Ich bitte wirklich darum, dann sollen Sie es sagen, es war eine politische Entscheidung, Sie waren sich von Anfang an bewusst, zum Schluss bezahlen die Kommunen und Eltern diese Reform. Dann wäre das ehrlich, aber Sie stellen sich hin, das Land bezahlt diese Reform und das ist falsch. Danke.
Gibt es weitere Wortmeldungen seitens der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Herr Minister Matschie, bitte schön.
Herr Kollege Kuschel, Sie können noch so viel Wortverdreherei und Zahlenspiele betreiben, wie Sie wollen; eines steht fest, wir haben die Mehrkosten des Kita-Gesetzes vollständig ausfinanziert. Das hat uns sogar der Gemeinde- und Städtebund bestätigt. Sie können gern den Gemeinde- und Städtebund der Lüge bezichtigen, aber die Kosten, die Mehrkosten sind vollständig im Kommunalen Finanzausgleich eingestellt. Ich lege Wert darauf, dass diese Feststellung auch hier getroffen wird. Wir haben die Verantwortung übernommen in einer schwierigen Zeit. Und wenn Sie sagen, das hat nichts mit Politik zu tun, wenn die Kommunen die Entscheidung treffen, an welchen Stellen sie ihre eigene Einnahmesituation verbessern, was ist denn dann Politik? Politik muss in Alternativen denken,
Politik muss Entscheidungen treffen, an welchen Stellen Geld ausgegeben wird, über welche Quellen Geld eingenommen wird, und es gehört zur kommunalen Selbstverwaltung dazu, solche Entscheidungen vor Ort zu treffen. Ich sage es noch einmal, viele Kommunen haben sich entschieden, die Elternbeiträge nicht zu erhöhen unter den genau gleichen Bedingungen. Das zeigt, dass hier der Entscheidungsspielraum da ist bei aller Wortverdreherei, die Sie hier machen.
Danke schön, Herr Minister. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich den zweiten Teil der Aktuellen Stunde.
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: "Auswirkungen der MaiSteuerschätzung 2011 auf Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2704
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute die Gelegenheit, über ein an sich erfreuliches Ereignis zu reden, und wir sollten die Gunst der Stunde auch nutzen. Man muss ja nicht immer alles schlechtreden. Wir haben eine hervorragende konjunkturelle Entwicklung und mit dieser Entwicklung gehen natürlich entsprechende Steuereinnahmen einher. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zahlt sich aus, die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung …
Ja, Herr Kollege Kuschel, die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik Ihrer Partei in Berlin sind ja ganz hervorragend zu betrachten. Da gab es einen gewissen Lafontaine, der hat das so gut ausgehalten, dass er dann gleich gegangen ist.
Die Bundesregierung hat Entscheidungen getroffen, die dazu führen, dass u.a. im Freistaat Thüringen in den nächsten zwei Jahren Steuermehreinnahmen von über 330 Mio. € zu erwarten sind. Das ist ungefähr der Zuschussbedarf des Bauministeriums - nur um da mal eine Größenordnung klarzumachen -, aber auf der anderen Seite eben auch nur ungefähr die Hälfte dessen, was wir jährlich an
Schulden zahlen, an Zinsen für unsere Schulden zurückzahlen müssen. Damit wird klar, das ist einerseits eine gute Nachricht, aber die Lage ist und bleibt natürlich ernst: Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit, das alles sind keine Begriffe, die wir in Thüringen ad acta legen können. Deswegen ist es gerade angesichts dieser Mehreinnahmen umso wichtiger und richtiger, jetzt die Gunst der Stunde zu nutzen und die Haushaltskonsolidierung endlich auch mit der nötigen Konsequenz anzugehen.
Diese Haushaltskonsolidierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor der drückt sich unsere Landesregierung seit Amtsübernahme ganz konsequent. Ich frage mich besorgt, warum sich das ausgerechnet in diesem Jahr nun ändern soll. Wir haben einen neuen Finanzminister, der genauso wie die alte Finanzministerin ankündigt, er wolle sparen. Dabei wünsche ich ihm viel Glück. Aber was gibt uns eigentlich Anlass zu der Annahme, dass sich mit der Amtsübernahme außer der Ankündigung auch das Ergebnis ändert? Die Ministerpräsidentin hat erklärt, warum wir hart sparen müssen. Das hat sie vor der Kabinettsumbildung getan und das tut sie auch seither. Herr Minister Machnig warnt weiter davor, zu wenig Geld auszugeben. Er ist immer dabei, wenn es darum geht, dass wir hohe Staatsausgaben haben sollten. Bisher lautete die Begründung, man solle antizyklisch handeln, also in der Krise Geld ausgeben und jetzt sollen wir die Konjunktur nicht kaputtsparen. Das sind unterschiedliche Begründungen, aber der Appell, viel Geld auszugeben, ist derselbe.
In der letzten Woche habe ich ein interessantes Interview gelesen, Sie sicherlich auch, viele von Ihnen, in dem die beiden führenden Köpfe der Koalition interviewt worden sind. Nun waren das nicht etwa die Ministerpräsidentin und ihr Stellvertreter, es waren auch nicht der Vorsitzende der CDU-Fraktion Mike Mohring und der Vorsitzende der SPD-Fraktion Uwe Höhn, dem ich von hier aus Übrigens gute Besserung wünsche, nein, es waren der Vorsitzende der größten Regierungsfraktion Mike Mohring und ein leitender Angestellter, der auf einem Versorgungsposten hier eingeflogen wurde, ein gewisser Herr Machnig. Die beiden haben dann - und das war interessant - auch zu Protokoll gegeben, dass sie gemeinsam die wesentlichen finanzpolitischen Teile des Koalitionsvertrags geschrieben hätten zu einem Zeitpunkt, als die anderen Pause hatten. Seither hat auch Herr Mohring Pause. Das Geld ausgeben macht Herr Machnig ganz allein. Ich frage Sie wieder, meine Damen und Herren, welchen Anlass haben wir, anzunehmen, dass sich die Regierungspolitik ändert? Ich sage keinen. Dabei gibt es keinen Zweifel, was der richtige Weg ist.
Erster Schritt: Wir müssen auf Neuverschuldung verzichten. So weit war Thüringen schon einmal und dahin müssen wir wieder.
Zweiter Schritt: Wir müssen bei der Haushaltsaufstellung konsequent auf Sparkurs bleiben und deswegen kündige ich an, dass auch wir wieder viele Anträge stellen werden. Denn am Sparen führt kein Weg vorbei, weil die Aussicht auf die Haushaltsstruktur 2020 sich in Wahrheit nicht geändert hat.
Dritter Schritt: Wir müssen natürlich auch beginnen, unsere Schulden endlich abzubauen. Das, was jeder Häuslebauer machen muss, gilt für uns ganz genauso.
Denn, meine Damen und Herren, ein schuldenfreier Haushalt ist noch lange kein schuldenfreies Land und das muss aber unser Ziel sein.
Deswegen bin ich nicht überrascht von der geringen Resonanz, die auch dieses Thema hier bei der Regierung findet. Ich hoffe mal - und das ist mein letzter Gedanke, Frau Präsidentin -, dass auch der Finanzminister sich gerade von der Kabinettssitzung am Schuldenberg entschuldigt hat, wo man hoffentlich in trauter Gemeinsamkeit dann auch Abbitte getan hat und die entsprechende Aufforderung der Jungen Union, der es auch um Generationengerechtigkeit geht und bei der ich mich bedanke, dort zu unterzeichnen. Ich bin wirklich gespannt, was uns aus der Steuerschätzung in den Haushalt an Erkenntnissen und Handlungen insbesondere der Landesregierung begleiten wird. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht der Abgeordnete Mike Huster von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin. Ja, Herr Barth, die Ergebnisse der Steuerschätzung sind erfreulich, es besteht aber unserer Meinung nach kein Anlass zur Euphorie.
Ich will das kurz begründen. Der Finanzminister hat, denke ich, gestern zu Recht bei der Pressekonferenz darlegen können, dass ein Großteil der prognostizierten Mehreinnahmen konjunkturell bedingt sei. Das ist natürlich erfreulich auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite ist auch die Crux, jeder wirtschaftliche Aufschwung hängt letztlich an zahlungsfähigen Käufern im Inland und im Ausland. Sie wissen alle, Autos kaufen keine Autos. Letztlich
ist ein Wachstumsmodell, bei dem sich die Käufer immer weiter verschulden, instabil, wie wir das alle an der Eurokrise in einigen Eurostaaten sehen. Insofern, wenn Sie den Bogen gedanklich zur ersten Aktuellen Stunde schlagen können, dann wird auch nachvollziehbar, dass insbesondere die deutsche Lohnpolitik, die hiesige Lohnpolitik die Wettbewerbssituation anderer europäischer Staaten in den letzten Jahren massiv verschlechtert hat. Ein Aufschwung, der sozusagen auf diesen Füßen steht, der ist in der Tat äußerst instabil und gefährlich, nämlich dann, wenn die anderen Leute ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. Dann sind auch die Arbeitsplätze und die Konjunktur hier in diesem Land gefährdet.
Ein zweiter Gedanke: Der Aufschwung, der jetzt stattfindet, findet wieder in Zeiten steigender Ungleichheit statt. Hohe Vermögen können weiter um Rohstoffe und letztlich sogar auf Pleiten von Staaten spekulieren, unter anderem auch, weil es in Deutschland keine gerechte Vermögensbildung gibt, nach wie vor nicht.
Viertens: Die Folgen einer möglichen Zinswende für die Konjunktur und für die öffentlichen Haushalte in Deutschland will ich hier nur nennen, gar nicht weiter ausführen, auch deshalb, weil mein Fraktionskollege Frank Kuschel nach meinen Reden immer in Sorge ist, ob er sich gleich einen größeren Lebensmittelvorrat anlegen soll. Also will ich das nicht weiter fortsetzen. Ich meine aber, wer heute über den Aufschwung allzu euphorisch urteilt, sollte sich zumindest ein reales Bild machen über die Risiken, dass es auch ganz schnell wieder vorbei sein kann mit der Euphorie.
Erstens: Wir sind von strukturellen Überschüssen, werte Kollegen der FDP, die implizieren würden, dass es eine regelmäßige Tilgung unserer alten Schulden geben kann, weit entfernt - nicht nur in Thüringen im Landeshaushalt, sondern in allen öffentlichen Haushalten in Deutschland. Wer in dieser Phase, in der wir noch nicht einmal Überschüsse haben, schon wieder darüber spekuliert, ob es auf Bundesebene Steuergeschenke für Besserverdienende geben kann, die in der Endkonsequenz