Protokoll der Sitzung vom 17.06.2011

Frau Präsidentin, meine werten Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne sowie die im Internet, die UN-Behindertenrechtskonvention, welche wir hier im Landtag in den zurückliegenden zwei Jahren schon des Öfteren diskutiert haben, gilt auch in Deutschland. Sie fordert in Artikel 24 von den Vertragsstaaten ein, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Dabei muss sichergestellt werden, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und sie gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben - also die behinderten Menschen -, Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen, unentgeltlichen Unterricht an den Grundschulen und weiterführenden Schulen haben müssen.

Dieses Ziel, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dessen geplante Umsetzung hat in den zu

rückliegenden Monaten in Thüringen vor allem auch durch das Zutun des zuständigen Ministers und dessen Staatssekretärs zu Verunsicherungen auf der Seite der Eltern, Elternsprecher, Pädagoginnen und Pädagogen und der Fachleute geführt. Es bildeten sich Elterninitiativen mit der Ausrichtung pro und kontra Förderschulen und Förderzentren. Wir als Fraktion DIE LINKE haben diese Situation kritisch zur Kenntnis genommen und einen Antrag, der Ihnen heute in der Drucksache 5/2657 vorliegt, zur Qualitätssicherung des Unterrichts von Schülerinnen und Schülern vorgelegt. Ich nehme sehr bewusst und auch mit Freude zur Kenntnis, dass andere Fraktionen nun endlich auch das Thema für sich erkannt und somit weitere Anträge vorgelegt haben. Das Thema „Inklusive Bildung und Unterricht“ wurde wie letzten Freitag durch die LIGA sowie die Parität durch Fachsymposien diskutiert. Als Ergebnis habe ich diesen Diskussionen entnehmen können, dass inklusive Beschulung einen Perspektivwandel im gemeinsamen Leben behinderter und nicht behinderter Kinder und Menschen darstellt.

Wir brauchen, werte Kolleginnen und Kollegen, eine fundierte inhaltliche Diskussion mit den Praktikerinnen und Praktikern, die langfristig die Rahmenbedingungen für die inklusive Bildung, angefangen von der Kita bis hin zu den Ausbildungsstätten und Universitäten, absteckt. Wir brauchen das fachliche Know-how, die Innovationskraft der heute schon tätigen Akteure. Wir brauchen den Erfahrungsaustausch und das Mitwirken, und dies ganz besonders von den Eltern, den Pädagogen, der Wissenschaft und der Politik. Wir brauchen aber auch dazu gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen und - und dies ist nicht zu unterschätzen - die Bereitstellung von Finanzen, um das Ziel der inklusiven Bildung zu erreichen. Inklusive Strukturen sind und dürfen kein Sparkonzept darstellen, sondern müssen eine Herausforderung auf dem höchsten Niveau sein. Der Vorsitzende der GEW Thüringen Torsten Wolf sagte unlängst in einer Presseerklärung - hiermit möchte ich sie zitieren -: „Inklusion ist jedoch mehr als zusätzliche Förderangebote in einem ansonsten separierten Schulalltag. Inklusion ist ein ganzheitlicher Prozess, der nicht nur die Schule betrifft. Aber gerade dort müssen die Voraussetzungen für einen Perspektivwechsel geschaffen werden.“ Dem, so denke ich, ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Nutzen wir, werte Abgeordnete, hier die Auseinandersetzung mit dem Thema inklusive Bildung als Chance für die Entwicklung auch der gesamten Gesellschaft, denn nicht Ausgrenzung und Separation darf das Ziel sein, sondern selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Barth)

Danke, Frau Abgeordnete Stange. Die Fraktion der FDP wünscht nicht das Wort zur Begründung. Ich frage: Wünscht jemand aus den Fraktionen der CDU und der SPD das Wort zur Begründung? Das ist auch nicht der Fall. Dann eröffne ich an dieser Stelle die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben hiermit ein sehr wichtiges und ein sehr umfängliches Thema heute auf der Tagesordnung. Ich bin sehr froh, dass es dazu auch schon mehrere Anträge gibt, die heute hier vorliegen und auch in einem Tagesordnungspunkt behandelt werden. Ich sage aber auch, ich glaube, es gibt noch sehr vieles zu tun und auch vieles zu besprechen. In dieser Hinsicht begrüße ich die Zusicherung aller bildungspolitischen Sprecherinnen, dass wir uns ausführlich mit dieser Thematik im Bildungsausschuss beschäftigen wollen, sogar mit dem Ziel - so es uns gelingt -, einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen, wie wir in Thüringen tatsächlich zu einer Schule für alle kommen, die diskriminierungsfrei ist. Denn das ist das Entscheidende, das hat ja eben auch schon die Abgeordnete Karola Stange ausgeführt.

Wir haben ein Gutachten auf den Weg gebracht, welches Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz erstellt hat, zum Stand und zu den Perspektiven von inklusiver sonderpädagogischer Förderung in Thüringen. Das, was sich aus diesem Gutachten ergibt, sind sehr spannende, aber auch alarmierende Zahlen, die uns zu denken geben müssen. Wir wissen alle, dass wir in Thüringen eine überdurchschnittlich hohe Förderquote verzeichnen, und zwar landesweit bezogen auf alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 1 bis 10. Da ist die Quote in den letzten Jahren, nämlich zwischen 1990 und 2008, sogar um fast 30 Prozent gestiegen von 6,9 Prozent auf einen Anteil von 9 Prozent. Der Bundesschnitt liegt bei 6 Prozent.

Diese Förderquote zählt neben Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zu den bundesweit höchsten und liegt um mehr als das Doppelte über der Förderquote vergleichbarer Flächenstaaten alter Bundesländer. Das muss uns durchaus zu denken geben. Wir sagen aber auch sehr deutlich - und das wissen wir auch aus unserer Erfahrung -, dass viele Kinder schon in einem sehr jungen Alter in Förderschulen eingeschult werden, und zwar viele gerade im Bereich der geistigen Entwicklung schon in der Schuleingangsphase. Wir müssen über diese Problematik neu nachdenken, und zwar meine ich dass ist ganz wichtig - gemeinsam mit den Betroffe

nen, gemeinsam mit denen, die Professionalität in diesem Bereich mitbringen, und natürlich auch gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern an allen anderen Schulen. Denn unser Ziel ist es ja, eine wesentlich höhere Inklusionsrate zu erreichen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Anträgen von CDU, SPD, FDP und auch von der LINKEN will ich noch einmal sagen, wir begrüßen diese ausdrücklich, denn es werden ganz wichtige Punkte angesprochen, die in der UN-Behindertenrechtskonvention auch Erwähnung finden mit Blick auf das Bildungswesen. Es geht da um die Übergänge zwischen den einzelnen Bildungsphasen, es geht um die Einbeziehung aller Beteiligten, wie ich das eben auch schon erwähnt habe, auch der lokalen Ebene. Es geht um die Frage der wichtigen Ressourcenverteilung, sprich was gibt es für feste Stellen, wo finden Doppelbesetzungen statt, wo braucht es ressortübergreifenden Einsatz. Es geht um die Frage der Aus- und Weiterbildung der Pädagoginnen. Da möchte ich auch noch einmal erinnern an unseren Antrag, den wir ja in der Diskussion um die Perspektiven für Lehrerinnen und Lehrer hier schon einmal eingebracht haben, nämlich ein verpflichtendes Modul im Umgang mit Heterogenität in der Lehrerinnenausbildung einzuführen. Es geht natürlich ganz zentral auch um die Frage der Zukunft unserer Förderschulen. Da will ich auch noch einmal sagen, weil es in dieser Hinsicht immer große Sorgen gibt, niemand hat die Absicht, alle Förderschulen zu schließen, sondern unser Ziel ist, wir wollen eine sehr viel höhere Inklusionsrate erreichen. Wir als GRÜNE haben uns da eine Zielmarke von 85 Prozent bis 2018 vorgenommen. Wir sagen aber auch sehr deutlich, wir müssen dann auch über Möglichkeiten beispielsweise der sogenannten - ich weiß, das ist immer ein Begriff, der nicht so gern gehört wird - umgekehrten Inklusion sprechen, nicht in dem Sinne, wie Sie jetzt vielleicht befürchten, Herr Prof. Merten, sondern in dem Sinne, dass wir die Förderschulen und deren Voraussetzungen nutzen, um sie umzubauen zu Schulen, die beispielsweise sehr gute Orte sein könnten, an denen gemeinsamer Unterricht gelebt wird.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Einige von Ihnen waren auch bei dem Symposium am letzten Freitag, das die LIGA hier im Landtag veranstaltet hat. Ich glaube, dass es da sehr wichtige und auch sehr gute Impulse gegeben hat, die wir dann sicherlich in der Beratung im Ausschuss auch aufgreifen könne. Ich hoffe auf eine sehr gute Zusammenarbeit an dieser Stelle.

Unser Ziel sollte, denke ich, sein - das wäre auch unser Wunsch -, dass wir ein Thüringer Inklusionsgesetz auf den Weg bringen, welches tatsächlich das Bildungswesen insgesamt mit in den Blick nimmt - wir haben bis jetzt hauptsächlich immer

über das Schulwesen gesprochen -, welches auch die Ängste sehr ernst nimmt und die Betroffenen einbezieht. Wir werden jedenfalls auch als Fraktion entsprechende Fachgespräche dazu durchführen mit den Betroffenen. Das haben wir ihnen zugesagt. Ich freue mich, wenn wir auch fraktionsübergreifend dazu intensiv ins Gespräch kommen, weil wir wissen, dass ein Konsens in dieser Frage tatsächlich ganz entscheidend ist. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass es ähnliche ideologische Debatten geben könnte wie rund um die Schulordnung, die ich außerordentlich bedauere.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will auch noch einmal zu bedenken geben, dass wir nicht nur in Thüringen jede Menge Nachholbedarf haben, sondern dass auch Deutschland bezogen auf die Inklusionsquote in Europa auf dem vorletzten Platz liegt. Europaweit liegt nämlich der Inklusionsanteil bei rund 85 Prozent; in 17 von 30 europäischen Ländern beträgt dieser Anteil seit 2008 schon über 75 Prozent. Es gibt nur wenige Länder, die unter 20 Prozent liegen; das sind Belgien, Deutschland und Litauen. Da sage ich ganz deutlich, wir können und dürfen es uns nicht länger leisten, auf die Sonderung von Kindern mit Behinderung in eigenen Schulen zu setzen, sondern wir müssen tatsächlich dem Ansatz von Inklusion Rechnung tragen, um Chancengleichheit für alle zu gewähren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Wir müssen natürlich aber auch sehen, dass viele Kinder besondere Förderung brauchen. Da - darauf werde ich noch einmal kurz eingehen - müssen sich, glaube ich, auch gerade die Fachkräfte, sprich die Lehrerinnen und Lehrer, die eine sonderpädagogische Ausbildung genossen haben oder sie jetzt in Angriff nehmen, keine Sorgen machen, denn wir werden sehr viel mehr sonderpädagogisches Personal brauchen, auch und gerade wenn wir ein inklusives Schulsystem anstreben, was tatsächlich fachlich den Bedarfen und jedem Kind Rechnung trägt. Insofern noch einmal vielen herzlichen Dank für die Initiative der Fraktionen, die jetzt schon einmal vorgelegt haben. Ich bin gespannt auf die Debatte. Ich hoffe wirklich auf ein gutes Miteinander und freue mich, dass wir gemeinsam etwas auf den Weg bringen im Sinne der Sache. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Es hat jetzt der Abgeordnete Metz für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein Meilenstein bei der globalen Durchsetzung der gleichberechtigten Partizipation von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen. Schon in Artikel 1 des Vertragswerks wird als allgemeine Zielsetzung definiert, die Konvention solle - ich zitiere - „den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderung fördern, schützen und gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde fördern.“ Mit dieser Zielsetzung macht die Konvention deutlich, dass es nicht darum geht, Spezialrechte für eine besondere Gruppe von Menschen zu kreieren, sondern darum, behinderte Menschen endlich in den vollen Genuss der universalen Menschenrechte kommen zu lassen. Außerdem steht die Konvention für die Überwindung des Defizitansatzes, wonach die sogenannte Behinderung als Abweichung von der Norm, als individueller Mangel oder Fehler gesehen wird. Der Defizitansatz ist im gesellschaftlichen Denken und Handeln immer noch weit verbreitet und wirkt sich manchmal ungewollt, manchmal gewollt benachteiligend auf das Leben von Menschen aus. Die Konvention setzt dieser Sichtweise zwei Dinge entgegen. Sie fordert erstens die gesellschaftliche Wertschätzung von Menschen mit Behinderung. Behinderte gehören eben zur Normalität menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zusammenlebens und stellen außerdem einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt dar. Die gebotene Wertschätzung gegenüber Menschen mit Behinderung auch konkret zu erbringen, das fordert die Konvention dann zweitens gegenüber Staat und Gesellschaft verbindlich ein. Sichtbar wird dieses Einfordern dann etwa in Artikel 24 der UN-Behindertenkonvention. Er befasst sich mit einem der zentralen Menschenrechte, nämlich dem allgemeinen Recht auf Bildung. Artikel 24 verpflichtet die Vertragsstaaten, den diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugang zur Bildung, wenn man dem englischsprachigen Originaltext folgt, inklusive des Bildungssystems auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Die Vertragsstaaten haben insbesondere festzustellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderungen vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden, und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderungen vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder dem Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden. Entsprechend sollen Menschen mit Behinderung eben gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Dabei sind angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisses des Einzelnen zu treffen, wirksame, individuell angepasste Unterstüt

(Abg. Rothe-Beinlich)

zungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, anzubieten sowie die nötigen personellen und materiellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit benennt die UN-Behindertenrechtskonvention fünf Fixpunkte, die bei der Realisierung gleichberechtigter Bildungspartizipation von Menschen mit Behinderung Berücksichtigung finden müssen. Zunächst die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems auf allen Ebenen, dann der ungehinderte Zugang von Kindern mit Behinderung zum Unterricht der allgemeinbildenden Schulen, die Orientierung an den konkreten Bedürfnissen des Einzelnen sowie an dem für seine soziale und schulische Entwicklung bestmöglich geeigneten Umfeld und das Anbieten individueller Unterstützungsmaßnahmen sowie das Sicherstellen personeller und materieller Ressourcen.

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass sich alle Fraktionen dieses Hauses nicht allein zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bekennen, sondern sich auch hinter diesen ganz konkreten Rahmenbedingungen zur Verwirklichung des Vertragswerkes im Bildungsbereich versammeln können. Dementsprechend haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt, der in seinen ersten acht Punkten die Bestimmungen des Artikels 24 aufnimmt und sie mit der spezifischen Situation in Thüringen verknüpft. Ich werde das selbst nicht im Einzelnen vortragen. Sie haben den Antrag vor sich liegen und die Zeit ist auch schon etwas fortgeschritten, also kann man das auch gut nachlesen. Deshalb dazu nur so viel: Dass auch hier im Freistaat noch erheblicher Handlungsbedarf bei der Realisierung der UN-Konvention besteht, wird sicherlich niemand in Abrede stellen. Die nüchternen Zahlen sprechen für sich. Nur 25 Prozent aller Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen derzeit in Thüringen im gemeinsamen Unterricht der allgemeinbildenden Schulen, 75 Prozent von ihnen werden nach wie vor an den Förderzentren beschult. Knapp 80 Prozent aller Förderschülerinnen und -schüler schaffen den Hauptschulabschluss nicht, nur 2 Prozent von ihnen erreichen den Realschulabschluss und nicht einmal 1 Prozent der Förderschülerinnen und -schüler erlangen das Abitur. Soweit die traurige bildungspolitische Realität an dieser Stelle in Thüringen zwei Jahre nach dem verbindlichen Inkrafttreten der UNBehindertenrechtskonvention für die Bundesrepublik.

Die Koalitionsfraktionen lassen es daher in ihrem Antrag auch nicht bei bloßen Absichtserklärungen und Zustandsbeschreibungen bewenden. Wir bitten zum Beispiel die Landesregierung, einen Entwicklungsplan zur Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, das selbstverständlich auch den Ki

ta-Bereich umfasst, vorzulegen, die Vermittlung sonderpädagogischer Kompetenzen in den einzelnen Phasen der Lehrerbildung zu verstärken, um schulische Inklusion besser als bisher ermöglichen zu können und schließlich auch personelle, materielle und fachliche Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Unterricht festzulegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Initiative von Ihnen, Herr Matschie, zur Einrichtung eines Fachbeirats dazu auch der richtige Weg und die richtige Unterstützung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit geht unser Antrag etwas und doch schon weit über die Initiativen der LINKEN und der FDP hinaus, die sich jeweils, wenn auch mit etwas unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, auf ein Berichtsersuchen und die Forderung nach der Erarbeitung eines Konzepts zur Verbesserung der Pädagogenausbildung beschränken. Das ist von mir an der Stelle nicht als Kritik gemeint, sondern führt dazu, dass wir darum bitten, den Antrag zu überweisen und konstruktiv vielleicht sogar zu einer gemeinsamen Initiative zu kommen.

Mir ist an dieser Stelle nicht so sehr daran gelegen, die großen Unterschiede im Fachlichen im Parlament bei der Einbringung zu betonen. Das Trennende will ich also nicht betonen, sondern mir ist vielmehr daran gelegen, zu einem breiten Konsens des Hauses bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu kommen. Ich denke, es ist der Bedeutung des Themas mehr als angemessen, wenn wir alle hier nicht die parteipolitische Auseinandersetzung, sondern den fachlichen Diskurs und die gemeinsame Verständigung an dieser Stelle suchen. SPD und auch CDU sind jedenfalls dazu bereit. Daher beantrage ich die Überweisung aller drei Anträge, die gestellt wurden, zur weiteren Beratung an den Bildungsausschuss. Ich danke Ihnen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Metz. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Hitzing für die Fraktion der FDP.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr verehrte Damen und Herren, der Artikel 7, Kindeswohl, in der UN-Behindertenrechtskonvention wurde im Antrag der Fraktion DIE LINKE so nicht erwähnt, genauso wenig wie der Absatz 2 des Artikels 24 auf individuelle Förderung. Deshalb haben wir einen Alternativantrag zu Ihrem Antrag gestellt, in dem sowohl auf den Artikel 7 in Gänze verwiesen wird als auch auf den Passus individuelle Förderung im Absatz 2 in Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention und so haben wir dann

(Beifall FDP)

(Abg. Metz)

mit Ihrem Antrag gemeinsam alles zusammen. Wir haben von den Vorrednern bereits gehört, dass es Anstrengungen gibt seitens aller bildungspolitischen Sprecher der verschiedenen Fraktionen, im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen, der das Ziel hat, zum Thema der Qualität der schulischen Ausbildung und des Unterrichts in Thüringen beizutragen. Deshalb kann ich auch vorweg für meine Fraktion sagen, wir werden auch beantragen, oder ich beantrage das jetzt schon an dieser Stelle, alle drei Anträge an den Ausschuss zu überweisen. Unsere Vorstellungen bezogen auf unseren Antrag, der sowohl den Artikel 7 als auch Artikel 24 in Gänze betrachtet, sind, dass Kinder mit Behinderungen natürlich ein Recht darauf haben, dass ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden und sie müssen durch die Arbeit spezialisierter Pädagoginnen und Pädagogen so unterstützt werden, dass weder motorische noch kognitive Nachteile dazu führen könnten, dass sich das Kind nicht frei und selbstbestimmt äußern oder entwickeln kann.

(Beifall FDP)

Eine Behinderung zu haben bedeutet, die Förderung der Gesellschaft zum Ausgleich möglicher Nachteile zu erhalten und darauf ein Recht zu haben. Dazu müssen Kinder mit Behinderungen, die eine Teilnahme am Unterricht nicht unmöglich macht, auch in Klassen mit nicht behinderten Kindern gemeinsam unterrichtet werden können. Damit ist die Forderung des Artikels 24 Abs. 1 erfüllt, wenn das so ist. Ich möchte anmerken, die UN-Behindertenrechtskonvention bezieht sich natürlich nicht nur auf Deutschland, sondern auf alle europäischen Länder und wir haben bei Weitem sehr viele Länder im europäischen Raum, die lange nicht so ausgerichtet und so entwickelt sind im Bereich der Bildung, wie das Deutschland eben ist. Genau an diese Länder richtet es sich auch, wo behinderte Kinder wahrlich ungleich behandelt werden und nicht den Zugang haben zu dem Unterricht, der ihnen gewährt werden muss.

(Beifall FDP)

Das deutsche Bildungssystem ist bereits in der Lage, integrativ zu beschulen und der Konvention gerecht zu werden. Sie gestatten mir einige Beispiele zu nennen: Kinder mit Behinderungen im Sinne von Gehbehinderungen, Sehstörungen, Gehörstörungen werden auch heute schon integrativ beschult in den Schulen in Thüringen. An dieser Stelle sind wir schon einen gewissen Schritt nach vorn gekommen.

Zu Artikel 7: Der Artikel 7, Kindeswohl, findet in Ihrem Antrag keine Anwendung. Aus ihm leitet sich aber der Umgang mit behinderten Kindern unmittelbar ab. Es soll nämlich das gemacht werden, was dem Kind und dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Nach konkreter Auslegung soll ein be

hindertes Kind dann individuell gefördert werden, wenn das für seine Entwicklung das Beste ist. Und dieses Kind soll dann inklusiv gefördert und in einem inklusiven Bildungssystem unterrichtet werden, wenn das das Beste für das Kind ist.

(Beifall FDP)

Hierzu muss in beiden Fällen eine behindertengerechte Lernatmosphäre geschaffen und vorgehalten werden mit spezialisierten Pädagogen selbstverständlich. Die FDP spricht sich für ein gegliedertes Bildungssystem aus, in welchem Kinder mit Behinderung und Kinder ohne Behinderung gemeinsam lernen können und die Kinder mit Behinderung, wenn es ihrer Persönlichkeit entspricht, natürlich auch ihren Platz in der entsprechenden Schulform finden können und müssen. Es macht aus unserer Sicht allerdings keinen Sinn, dass behinderte Kinder nun verpflichtend mit nichtbehinderten Kindern zusammen lernen müssen, sondern die Entscheidung ist immer noch in der individuellen Persönlichkeit, also auch bei den Eltern. Für behinderte Kinder, das ist ganz wichtig, besteht das Recht darauf, aber nicht die Pflicht, integrativ beschult zu werden.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Metz, SPD: Das Recht ist wichtig.)

Und das Recht ist natürlich ganz wichtig, ich sagte es gerade, Herr Metz.

(Beifall FDP)