Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

(Beifall FDP)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat Dr. Augsten von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Primas - er ist jetzt nicht da, aber Frau Tasch wird sicher genau zuhören -, bei aller Wertschätzung für das, was die Landesregierung in den letzten Jahren tatsächlich geleistet hat, und das ist

nicht wenig, der Wahlkampf ist vorbei und wir sollten aufhören, den Menschen und auch uns etwas in die Tasche zu lügen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wir lü- gen niemandem in die Tasche.)

Stichwort Vorreiterrolle: Hier hat Herr Primas heute schon zum zweiten Mal kundgetan, wie toll wir sind mit der Vorreiterrolle. Es gibt eine Institution, die sehr unverdächtig ist, grüne Positionen zu vertreten, das ist die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe, also eine Bundeseinrichtung, keine grüne Institution, kein Umweltverband, sondern eine Einrichtung, die genau dazu da ist zu evaluieren, wie es denn aussieht in diesem Bereich. Die Agentur hat 2008 ein Länderranking gemacht und siehe da, Thüringen ist überhaupt nicht Vorrreiter in Deutschland, sondern Thüringen belegt bei fast allen Kriterien vorletzte und letzte Plätze.

Ich habe es im Wahlkampf immer wieder angedeutet, wie schlecht Thüringen bei den wichtigen energie- und klimapolitischen Fragen ist. Herr Ex-Staatssekretär Juckenack hat dann gesagt: „Sie haben die falschen Fragen gestellt.“ Da frage ich Sie, wer stellt denn die richtigen Fragen oder wer entscheidet, wer auf dem richtigen Trip ist und was die richtigen Fragen sind? Ich glaube, dass die Fachagentur genau dort angesetzt hat, wo man ansetzen muss und sie hat festgestellt, dass Thüringen nicht Vorreiter ist und dass Thüringen ganz viele Hausaufgaben zu erledigen hat. Also, insofern erster Punkt: Thüringen hat in dem Bereich nicht die Vorreiterrolle, wie wir uns es immer erzählen lassen müssen, sondern Thüringen hat ganz viel Nachholbedarf in den wichtigsten Fragen und das hat die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe als völlig unverdächtige Einrichtung ganz klar im November 2008 auf den Tisch gelegt.

Herr Primas hat auf das Bioenergie-Programm abgezielt. Selbstverständlich, wir haben das alle außerordentlich begrüßt, als es auf den Tisch kam. Ich selbst maße mir das Urteil an, dass es das beste Bioenergie-Programm ist, was wir in Deutschland haben, da stimme ich mit Herrn Primas ausdrücklich überein. Der Landtag hat zum Glück oder zu unserer großen Freude entschieden, dass es ein sehr gutes Programm ist, das zu unterstützen ist, aber es war kein Geld dafür da, also eine Worthülse, eine Verlautbarung, eine ideologische Unterstützung,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber keinen Euro Geld, um dieses Programm auch umzusetzen. Was ist es dann wert? Da komme ich zu Herrn Weber. Herr Weber, alles, was Sie vorge

tragen haben, da kann jetzt, glaube ich, jeder und jedes Ministerium sagen, im Koalitionsvertrag steht das und das drin, wir haben tolle Dinge vor. Sprechen wir doch mal darüber, wenn wir mit der Finanzministerin fertig sind, dann werden wir mal schauen, was noch übrig geblieben ist.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was Sie dargelegt haben, sind Dinge, die wir außerordentlich unterstützen. Aber wir fragen uns, ob das alles Wirklichkeit wird, was davon übrig bleibt. Insofern sind wir ganz gespannt darauf, ob denn das, was Sie hier als wirklich optimistischen Ausblick kundgetan haben, auch wirklich Realität wird. Also noch einmal: Vorreiterrolle heißt etwas anderes, Vorreiterrolle heißt, dort wirklich mal Hand anzulegen, Geld reinzustecken und das, was Herr Weber hier so schön darstellt hat, auch wirklich mit Geld auszustatten.

Wir haben da wirklich große Bedenken, ob das so wird. Insofern hoffen wir, dass wir hier ein ganz klares Zeichen setzen. Deswegen bitte ich Sie, dieses Vorhaben von den LINKEN und den GRÜNEN zu unterstützen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. Das Wort hat Abgeordnete Wolf von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident - ich habe es mir extra groß aufgeschrieben, sonst würde ich auch in die Falle tappen -, meine Damen und Herren, das Klima und Kinder, beide haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Beide taugen hervorragend für Sonntagsreden, beide machen sich toll zum Produzieren von Bildern, gerade für Politiker, das Kind auf dem Arm, der Eisberg im Hintergrund, immer gut. Bei beiden Themen sind sich alle einig, dass Maßnahmen notwendig sind, alle sind sich immer gleich einig in ihrer Betroffenheit, wenn etwas Dramatisches passiert und jeder schiebt es immer gleichsam auf den anderen, wenn nicht gehandelt wird.

Aber, meine Damen und Herren, es ist Zeit zum Handeln, wir können uns Verhandlungstricks, Schuldzuweisungen und Ignoranz nicht mehr leisten, nicht mal - und das sage ich ausdrücklich - vornehme Zurückhaltung, egal ob in Kopenhagen oder in Erfurt. Der Klimawandel fordert uns alle zu schnellstmöglichem - und ich sage bewusst - aktiven Handeln auf. Wir sitzen alle in einem Boot, wir können uns nicht

zurücklehnen und mit den Fingern auf die anderen zeigen. Selbst wenn, wie schon angedeutet, Kopenhagen nicht den Erwartungen gerecht wird, so sind wir doch in Thüringen gefragt, aktiv etwas gegen den Klimawandel zu tun. An der Stelle will ich auch ausdrücklich sagen, ich habe das Gefühl, dass Thüringen an vielen Stellen - punktuell passiert natürlich was, da sind wir uns einig - aus diesem Dornröschenschlaf noch nicht erwacht ist. Ich meine hier ausdrücklich nicht die Solaranlagen, nicht die Biomasseanlagen und zum Teil auch die Windräder, die, wenn es auch noch zu wenig sind, aber durchaus schon vorhanden sind im Land. Leider habe ich oft den Eindruck, dass das alles im Land passiert ist nicht wegen der Thüringer Politik, sondern trotz der Thüringer Landespolitik.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Viel zu viel Windräder, Frau Wolf.)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zu wenig, wir brau- chen doppelt so viele.)

Die Debatte heute Morgen zu den Dienstautos hat mich an der Stelle leider in meiner Annahme bestätigt. Ich persönlich fand die Debatte ausgesprochen bedauerlich.

Ich komme mit dem Zug und dem Fahrrad hier ganz prima hoch, und das finde ich auch sehr angenehm.

Wir brauchen engagiertes Handeln auf den vielfältigsten Ebenen. Wir haben das vorhin schon kurz angedeutet. Gerade im Bereich Verkehrspolitik herrscht aus meiner Sicht hier im Land ganz oft noch wirklich die völlige Ignoranz. Der ÖPNV wird immer noch sträflich vernachlässigt. Das flache Land wird fast völlig aufgegeben. Mobilität ist oftmals eben doch nur mit dem Auto möglich. Da gebe ich Ihnen ja völlig recht, wenn Sie einwerfen, dass man nicht immer hier mit dem Zug hinkommt. Das ist schade.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Nicht so pauschal.)

Die Landesregierung betrachtet den ÖPNV als Alibi und nicht als echte Alternative zum Auto.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es richtig angesprochen, und es hat sich auch in der Debatte gezeigt, Straßenbau hat immer noch Vorrang. Die Schiene wird oft, wenn sie schon bedacht wird, dann nur im Zusammenhang mit dem ICE. Das ist mir an der Stelle zu kurz gedacht.

Ich will eins auch noch ausdrücklich sagen. Völlig vernachlässigt in Thüringen ist bisher der Radwegebau. Wir sind hier Schlusslicht. Das hat auch eine Anhörung und haben auch Studien gezeigt. Hier bedarf es dringend, wirklich ausgesprochen dringend, endlich aktiver Maßnahmen durch die Landesregierung.

Ein Beispiel, was ich noch ansprechen möchte: Im Wohnungsbau und gerade im Mietwohnungsbau brauchen wir einen wirklich stärkeren Einsatz auch über mögliche Förderprogramme.

Das sind nur einige Maßnahmen. Thüringen braucht einen umfassenden, ambitionierten Maßnahmekatalog. Das braucht eben nicht - und an der Stelle auch meine ausdrückliche Kritik an die Landesregierung - eine tiefgründige Analyse. Die Defizite in Thüringen liegen auf der Hand. Das hat auch die Anhörung im letzten Jahr im Umweltausschuss gezeigt. Es tut Not, zu handeln. Sie müssen jetzt handeln. Das habe ich versucht, klarzumachen. Dornröschen wurde wachgeküsst von ihrem Prinzen. Ich fürchte, dass uns dieser Prinz in Kopenhagen nicht gebacken wird. Wir müssen selbst aktiv werden. Das sage ich auch und ausdrücklich mit dem einen oder anderen Gedanken an die Fahrzeugflotte in der Tiefgarage. Wir müssen zum Vorreiter in Fragen des Umweltschutzes werden und nicht um das Schlusslicht kämpfen. Der Anspruch der 40-prozentigen Reduktion von C02 sollte nicht nur in Kopenhagen formuliert, sondern auch in Thüringen gelebt werden. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Mir liegt eine zweite Redemeldung des Abgeordneten Primas von der CDUFraktion vor. Aber wer nicht da ist, wird auch nicht aufgerufen. Herr Krauße, möchten Sie das übernehmen?

(Zuruf Abg. Krauße, CDU: Ja.)

Dann haben Sie das Wort. Das klären Sie mal untereinander. Herr Fraktionsvorsitzender, wenn Sie dann runterkommen von Ihrem Baum, können wir hier weitermachen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es ist wunderschön, viele Windräder zu haben. Ich hatte gestern Abend ein Gespräch mit einem älteren Herrn, der sagte mir: „Sag mal, wieso ist denn der Windpark dort drüben so schnell ad acta gelegt worden? Wind

energie ist doch etwas Feines.“ Ich sagte: „Ja, das mag sein, aber die Leute, die dort wohnen, sehen das anders.“

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau, aber das interessiert ja keinen.)

Jeder plädiert dafür, dass wir alles nachhaltig haben, dass wir Windenergie haben, dass wir Solarparks haben, dass wir unser eigenes Fleisch produzieren in Thüringen, um die Transporte von Dänemark hierher zu verhindern. Alles sehr gut, nur darf bitte eine solche Anlage nicht im Umkreis von 10 km meines Wohnorts stehen. Da gründe ich doch sofort eine Bürgerinitiative und bin gegen alles. Genauso läuft es leider.

Die Frage, wo Thüringen steht, Herr Dr. Augsten, in der Frage Nachhaltigkeit und nachwachsender Rohstoffe, alternative Energien, genau dieses Thema haben wir hier diskutiert. Ich hätte jetzt fast gesagt, Sie können das nicht wissen. Natürlich können Sie es wissen, Sie können es im Internet nachlesen. Sie können es in den Landtagsunterlagen nachlesen und das Ergebnis der Debatte war, ja, nach dieser Studie stehen wir überall ganz weit hinten, aber nicht, weil wir nichts gemacht haben, sondern deshalb, weil wir - ich drücke es mal vornehmen aus - im weitesten Sinne nicht die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt haben, weil wir nicht große Programme aufgeschrieben haben, sondern gehandelt haben, weil in Thüringen wirklich gehandelt wurde. Man muss schon sehr ignorant sein, um zu behaupten, dass wir hier überall an letzter Stelle stünden.

Kopenhagen - ein großes Thema, ich verfolge das mit Interesse. Nur muss man leider sagen, bis jetzt außer Spesen nichts gewesen, viel Energie verschwendet, viele Reisekosten produziert, Tonnen von Müll produziert, aber unterm Strich: Was kommt denn raus?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat es denn in der Hand gehabt?)

Gut, die Krawalltouristen hatten wieder mal ihre Befriedigung und die armen Polizisten mussten sich dort schützend vor das Tagungsgebäude stellen. Das kann nicht der Sinn von Nachhaltigkeit sein. Wer sich ein kleines bisschen mit der ganzen Frage beschäftigt - da kommt mein Kollege Herr Kummer, der hat es angesprochen, in Thüringen der Beirat für nachhaltige Entwicklung, sicher, der kommt jetzt erst zur Wirkung, der kommt jetzt erst zur Entfaltung. Wir werden aber nächstes Jahr im Frühjahr den ersten Bericht dazu haben und ich hoffe trotz aller kontroversen Debatten, die hier geführt werden, dass es

so sein wird, dass wir diesen Beirat beibehalten. Dort sitzen Fachleute, dort sitzen keine Profipolitiker und dort gibt es auch keine Fraktionsbildung und widerstreitende Meinungen in dem Sinne, wie es hier passiert, sondern dort unterhalten sich in der Tat Fachleute.

Ein bisschen verwundert hat mich - nein, eigentlich hat mich das überhaupt nicht verwundert, sondern ich habe nichts anderes erwartet - die ganze Diskussion zu Pkw, zu Verkehr, alles, was damit zusammenhängt im weitesten Sinne. Da muss ich dann wirklich sagen, als ich den Beitrag von Ihrer Kollegin Frau Siegesmund gehört habe, er war wirklich frei von Logik und auch überhaupt nicht getrübt von irgendwelcher Sachkenntnis - ärgerlich,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist klasse.)

sehr ärgerlich.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hochmut kommt vor dem Fall.)

Ja, ja. Ich sage Ihnen auch, warum.

Herr Abgeordneter, machen Sie es ziemlich schnell, Ihre Redezeit ist um.

Ich sehe es gerade blinken. Das Heft ist zwar vom VDA, es gibt aber auch von vielen anderen Institutionen solche Informationen. Da kann man wirklich mal nachlesen, wo unsere Automobilindustrie, wo unsere Verkehrsindustrie zurzeit steht und wo die Reise hingeht. Dann kann man hier auch fundierter reden. Vielen Dank.