Protokoll der Sitzung vom 06.07.2011

Umgekehrt würde mich natürlich auch interessieren, wie viele Aufträge denn die hessische Landesregierung an Thüringer Hochschulen bisher vergeben hat, gerade weil es sich explizit um Thüringer Problemlagen gehandelt hat.

(Beifall FDP)

(Abg. Gumprecht)

Aber das scheint auch nicht sonderlich zu interessieren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin alles Gute für Ihre Politik im Sinne einer nachhaltigen Steigerung und Sicherung der Thüringer Hochschullandschaft.

(Beifall FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Abgeordnete Siegesmund zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, aktuell kritisiert der Staatenbericht der Vereinten Nationen insbesondere die Sozialpolitik der Bundesrepublik. Gefordert wird darin ein umfassendes Armutsbekämpfungsprogramm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder weiß, Armut zeigt sich nicht allein beim Einkommen, sondern bei Gesundheit, bei Bildung, bei Chancen, auch bei Ernährung. Wir wissen, das sagt auch der Bericht der Vereinten Nationen, jedes vierte Kind geht ohne Frühstück in die Schule - ein Grund mehr, über Armut, Armutsbekämpfung und die Frage, wie wir als Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen etwas beisteuern können, das zu ändern, zu reden. Es fehlt auf Bundesebene ein Gesamtkonzept zur Armutsbekämpfung und - lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen - es fehlt genauso sehr in Thüringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es fehlt, sieht man am Sozialstrukturatlas. Ich bin dennoch sehr froh, dass die SPD als Grundlage für eine Debatte, die wir auf jeden Fall zu führen haben, dieses Thema zum Bestandteil der heutigen Aktuellen Stunde gemacht hat. Wir haben in einer Pressemitteilung das Ganze auch gewürdigt und haben gesagt, der Sozialstrukturatlas soll genutzt werden und wir wollen auch Maßnahmen ergreifen. Deswegen bin ich da - ganz anders als Herr Koppe - der Ansicht, es ist gut, dass diese Daten so zusammengefasst wurden, weil sie natürlich kontextualisiert werden, weil sie aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden, und das auf eine wissenschaftliche und empirische Art und Weise, die uns auch als Sozialpolitiker weiterhilft.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das hat er übrigens nicht in Abrede gestellt, sondern er hat nur gefragt, warum.)

Herr Barth, kommen Sie doch hier vor und sagen das einfach hier vorn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun ist es so, dass der Sozialstrukturatlas aber Folgendes

nicht tut, er ordnet uns die Daten nicht ein, diese Aufgabe müssen wir lösen, erledigen. Auch die Regierung, die heute sprechen wird, wird hoffentlich zeigen, was sie mit diesen Daten anzufangen gedenkt. Aber, und das unterstreiche ich an dieser Stelle noch einmal deutlich, es wurde auch schon mehrfach gesagt, es ist ein Anfang. Es sind keine politischen Rahmenbedingungen festgelegt. Und damit, dass Städte vermeintlich gerankt werden, kommen wir auch sozialplanerisch nicht wirklich voran. Das reicht also nicht. Schade, dass Frau Taubert heute hier nicht selber sprechen kann. Sie wird ja aus ihrer Sicht keine guten Nachrichten aus Südafrika mitbringen können. Aber der Staatssekretär wird sicherlich gleich für uns auch einordnen, wie das Ministerium gedenkt, mit den Daten weiter umzugehen.

Ich will Ihnen sagen, was aus unserer Sicht wichtig ist: Wir wollen, dass in Zukunft in Thüringen mehr nach den Bedarfen gefragt wird, Bedarfe, wenn es um soziale Förderung geht. Wir wollen wissen, ob es zentral um weitere Pro-Kopf-Förderung geht oder ob man sich auf Brennpunkte, auf einen sozialräumlichen Ansatz, wie Herr Kubitzki das fordert, konzentriert. Und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir mit den Mitteln, die eingesetzt werden, auch tatsächlich das beste Ergebnis, das Optimum erreichen können.

Ich will an dieser Stelle einfach drei - wir diskutieren ja hier auch politisch und nicht nur statistisch empirisch - Beispiele nennen, wo uns dieser Atlas auch weiterhelfen kann.

Erstes Beispiel: Wir wollen eine nachhaltige Familienpolitik. Wir wissen, die EFRE-Mittel laufen aus. Im Bereich Sondershausen gibt es ein Programm „Kinder stärken vor Ort“, wo der Sozialatlas einen Anschub geben kann bei der Frage, zu diskutieren: Wie kann man nachhaltige Projekte langfristig fördern, um ganze Regionen zu stabilisieren? Sondershausen ist ein Beispiel.

Zweites Beispiel: Wie nachhaltig sind Stiftungen? Wir haben heute einen Sonderausschuss gehabt und darüber diskutiert, wie Mittel verwendet werden, um familienpolitisch steuerungsfähig zu sein. Da gibt es ja neue Entwicklungen, das haben Sie alle mitbekommen. Wir wollen wissen - dafür kann der Strukturatlas auch Anlass geben -, wie effizient sind denn Mittel, die in Stiftungen hin und her geschoben werden?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittes Beispiel: Man kann da auch ganz formal rangehen an Instrumente, die sozialpolitisch angewandt werden in Thüringen. Wie kann ich denn mit Mitteln wie dem Landeserziehungsgeld denjenigen, die mit Kindern alleingelassen werden - es wird aufgezeigt, dass es sehr viele Einfamilienhaushalte gibt, wo nur ein Elternteil das Kind erzieht -, helfen?

(Abg. Koppe)

Sie sehen, es sind drei Punkte, bei denen es um Nachhaltigkeit geht, um den effizienten Einsatz von Mitteln, wo ich mir wünschen würde, dass Sie diese Datengrundlage auch nehmen, um aufzuzeigen, wo es politisch in Zukunft hingehen soll. Darauf bin ich sehr gespannt. Lassen Sie uns weiter diskutieren aufgrund dieser Datenlage, aber bitte konkret und bitte auch konkret nicht nur in der Fortführung des Sozialstrukturatlasses, sondern auch in der Frage konkret, wie es künftig mit der Armutsbekämpfung in Thüringen vorangehen soll. Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen keine Wortmeldungen seitens der Abgeordneten mehr vor. Für die Landesregierung bitte Herr Staatsekretär Dr. Schubert.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist richtig, dass die Ministerin nicht da ist. Sie ist jetzt gerade in Durban und dort ist ja leider entschieden worden, das sage ich mal aus der Sicht von München, dass Südkorea den Zuschlag bekommen hat. Aber na gut, so ist es halt. Sie ist Vorsitzende der Sportministerkonferenz und ich denke mal, da ist es angezeigt, dort auch Präsenz zu zeigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Koppe, erst einmal zu Ihrer Kritik: Das sehen die anderen Fraktionen etwas anders als Sie, ob die Notwendigkeit besteht, einen solchen Sozialstrukturatlas zu machen und die Daten zusammenzufassen auf wissenschaftlicher Basis. Ich kann auch nicht so ganz die Kritik verstehen, dass es nicht in Thüringen gemacht worden ist, weil die Wissenschaftlerin dabei Erfahrungen hat und weil sie auch aus Thüringen stammt und damit den Freistaat Thüringen kennt - der Herr Koppe ist jetzt gar nicht da. Dass das Ministerium das hätte selber machen sollen, ist auch eine schwierige Angelegenheit. Die Stabsstelle Strategische Sozialplanung hat jetzt gerade mal zwei Leute und das ist im Prinzip nicht zu leisten gewesen. Wir brauchen jetzt erst mal eine Grundlage, um auch weiterarbeiten zu können.

Der erste Thüringer Sozialstrukturatlas bietet auf Grundlage der Daten der Jahre 2009 und 2010 eine umfassende Darstellung der Lebenslagen der Thüringer Bevölkerung. Die Menschen und ihre Lebenssituation stehen im Mittelpunkt. Grundlagen sind Indikatoren der Bevölkerungs- und Haushaltsstruktur, Bildung und Betreuung, Erwerbsleben, Einkommen, Gesundheitszustand. Es handelt sich dabei um eine Zusammenführung - was wir schon gesagt haben - der wesentlich verfügbaren Sozialstrukturdaten zu einem verständlichen Gesamtüberblick. Bewusst dokumentiert ist der Atlas als

Istzustand zu einem bestimmten Zeitpunkt, alles andere würde ihn erst einmal an der Stelle überfrachten. Eine weitere Betrachtung bleibt einer Fortschreibung selbstverständlich dann überlassen. Auch wenn sich mittlerweile die Arbeitslosenzahlen, die Arbeitsmarktdaten in Thüringen weiter positiv entwickelt haben, also zu dem Stand damals 2009 oder 2010, so muss man doch sagen, dass die Aussagen zu Risiken und Potenzialen im regionalen Vergleich unverändert aktuell sind, nur auf einer etwas günstigeren Basis. Der unter Beteiligung der Ressorts erarbeitete Sozialstrukturatlas ist eine Basis für weitergehende Planungen und für Berichterstattungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, für eine bedarfsgerechte soziale Infrastruktur zu sorgen, ist vorrangig eine kommunale Aufgabe, das hat auch schon Abgeordneter Kubitzki gesagt, die Lebensqualität der Menschen von jung bis alt wird in erster Linie an den Bedingungen ihres unmittelbaren Wohnumfeldes gemessen. Das Land wiederum hat die Verpflichtung, die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen und auf vergleichbare Lebensbedingungen hinzuwirken. Diese Aufgabe im Land und in den Kommunen anzugehen, setzt verlässliche, verständliche und vergleichbare Daten voraus. Sie liegen jetzt mit dem Sozialstrukturatlas vor und sind damit auch für die 23 Landkreise und kreisfreien Städte eine Arbeitsgrundlage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Thüringen in Kenntnis der Lebenslagen der Menschen attraktiv und zukunftssicher zu gestalten, setzt die Berücksichtigung dreier wesentlicher Faktoren voraus.

Erstens: Aufgrund der bekannten Finanzsituation und auch der demographischen Entwicklung wird es so sein, dass die vorhandenen Angebote zu erhalten sind - das ist eigentlich die Hauptaufgabe -, aber auch weiterzuentwickeln und den entsprechenden Anforderungen, die da sind, anzupassen. Dies zu leisten, erhoffe ich mir von der Sozialplanung und dabei insbesondere von der Sozialplanung auf der örtlichen Ebene, weil Sozialpolitik, wie ich schon gesagt habe, vorrangig erst einmal Kommunalpolitik ist. Das wird eine der größten Schwierigkeiten sein, mit den vorhandenen Ressourcen effektiver und zielgenauer umzugehen. Verantwortlich für die Sozialplanung bleiben dabei immer die öffentlichen Träger, sowohl das Land als auch die Kommunen. Wir wollen deshalb die Kommunen auch weiter unterstützten. Nicht zuletzt haben wir ja die, was ich schon eben erwähnt habe, strategische Sozialplanung bei uns im Haus eingeführt und etabliert, die genau dies tun soll.

Als zweiter Punkt: Die demographische Entwicklung, die ich schon genannt habe und die uns doch gewisse Sorgen macht, hat eigentlich als Zielstellung für uns formuliert, dass wir uns sehr stark hin

(Abg. Siegesmund)

zu Familien- und Kinderfreundlichkeit orientieren müssen, noch weit mehr als das bisher der Fall ist. Wenn man sich einmal überlegt, dass Umweltbewusstsein noch vor vielleicht 20 oder 30 Jahren zwar nicht völlig unbekannt war, aber zumindest keine Rolle in der Gesellschaft gespielt hat und es heute für jeden eine Selbstverständlichkeit ist, muss das gleichermaßen in Zukunft für das Thema „Familienfreundlichkeit und Kinderfreundlichkeit“ gelten. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Politik,

(Beifall SPD)

sondern das ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, denn nur so können wir im Prinzip langfristig darauf hinwirken, dass die demographische Entwicklung wieder einigermaßen in die richtige Richtung gerät.

Als dritten Faktor möchte ich die älter werdende Bevölkerung nennen, die nicht nur Risiken mit sich bringt, sondern auch Chancen, vor allem wenn ich daran denke, dass Senioren ein Wissen haben, einen Erfahrungsschatz haben, der viel stärker noch zu heben ist, als das bisher der Fall ist, und vor allen Dingen, weil dort eine Ressource da ist und die ist Zeit. Diese Ressource muss viel stärker noch gehoben werden. Senioren müssen einfach noch stärker dazu animiert werden, sich noch mehr einzubringen, als es viele heute schon machen, denn hier liegt, wie gesagt, noch eine riesige Chance.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, für die Probleme, die ich jetzt nur kurz angerissen habe, weil es ja eine Aktuelle Stunde ist, bietet der Sozialstrukturatlas eine gute Grundlage. Das ist ein erster Schritt, wie wir schon gesagt haben. Die Erarbeitung weiterer Schritte wird folgen und ich bitte Sie um Unterstützung, dass wir zu guten Ergebnissen kommen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen in diesem Teil der Aktuellen Stunde mehr vor. Damit kann ich diesen Teil der Aktuellen Stunde und die gesamte Aktuelle Stunde schließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33

Fragestunde

Es ist jetzt 17.37 Uhr, also bis 18.37 Uhr. Innerhalb dieser Fragestunde rufe ich als Erstes die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Leukefeld, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/2909 auf.

Danke, Frau Präsidentin.

Trinkwasserschutzzone in Oberhof

In einer öffentlichen Veranstaltung am 7. Juni 2011 in Oberhof wurde informiert, dass das Landesverwaltungsamt plane, eine Trinkwasserschutzzone II b über einen wichtigen Teil des Planungsgebietes Stadtplatz in Oberhof zu legen. Damit wäre das Bauen an dieser Stelle untersagt.

Würde dies umgesetzt, wären die im Handlungskonzept Oberhof festgelegten Planungs- und Bauvorhaben nicht nur am Stadtplatz Oberhof, sondern auch am Grenzadler, am Wadeberg u.a. stark gefährdet. Es entsteht zudem der Eindruck, dass der eine (Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH - LEG -) von den Planungen des anderen (Landesverwaltungsamt) nichts weiß.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die Position zur Problematik Trinkwasserschutzzone im Bereich Oberhof?

2. Wieso kennt die LEG die Planungsabsichten des Landesverwaltungsamtes bezüglich der oben genannten Trinkwasserschutzzone nicht und wie ist der Abstimmungsprozess dazu erfolgt?

3. Welche Ausnahmeregelungen laut Wassergesetz könnten in Anwendung kommen, um die Baumaßnahmen nicht zu gefährden?