Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Ich will für uns sagen, wir wollen ein Ja zu Europa sagen, wir wollen europäische Solidarität leisten, aber sie hat dort ihre Grenzen, wo durch zusätzliche Hebelwirkung und neue Bankenrechte beim Rettungsschirm der Europäischen Union unsere eigene Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Huster das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mohring, so richtig klar, was Sie nun eigentlich wollen als CDU, ist uns das nicht geworden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielleicht können wir das in der folgenden Debatte noch ein bisschen herausarbeiten. Ich will trotzdem noch mal zwei Sätze für die Leute draußen verlieren, damit verstanden wird, was meint „gehebelter Rettungsschirm“. Es ging ja in den letzten Tagen um diesen sogenannten ESFS, damit verbunden um die Garantien in Höhe von 440 Mrd. €, die zur Frage führen: Was passiert, wenn nicht nur Griechenland, sondern weitere Staaten, beispielsweise Spanien und Italien, Hilfe bedürfen? Damit war klar, das Geld wird nicht reichen, auch die 440 Mrd. € nicht und man braucht insgesamt für diesen Fall 2 Billionen €. Das ist dann die Hebelwirkung von Herrn Mohring, nämlich, wie kann man die 440 Mrd. € verfünffachen und das ist die Diskussion. Da ist ein Problem, man bekommt es nicht durch die Parlamente, so die Überlegung, das machen die dann nicht mehr mit. Also kam es zur Überlegung, dass dieser europäische Rettungsmechanismus bzw. seine Organisation ESM eine Banklizenz erhalten soll, Anleihen aufkauft und diese dann bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheiten für neue Kredite hinterlegt. Die Kritiker dieses Verfahrens,

Herr Mohring hat es ja vorgetragen, befürchten, dass damit die Notenpresse angeworfen wird und die EZB verfassungswidrig missbraucht wird. Vorbild dieses Prinzips ist de facto die Krisenbekämpfung in den USA seit 2008, die das in etwa mit so einem Hebel gemacht hat. Man kann für die Sorge, die damit verbunden ist, durchaus Verständnis haben, muss aber dann die Frage stellen, was stattdessen zu tun ist. Denn, Herr Mohring, die Spekulation gegen die Demokratien, gegen Parlamente und gegen Regierungen bleibt ja bestehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Frage haben sie nicht gestellt, damit haben Sie sich überhaupt nicht beschäftigt. Deshalb noch ein Satz von mir zur Analyse: Wir glauben, dass das, was uns jetzt als Staatsschuldenkrise kommuniziert wurde, in Wirklichkeit keine Staatsschuldenkrise ist, sondern es ist die Finanzkrise aus 2008 mit anderen Mitteln und direkte Folge, dass die eine Lehre aus der Finanzkrise 2008 war, dass man die Schieflage der Banken durch Staatsgarantien, durch Garantien der Guthaben und der Einkommen der Bürger de facto abgesichert hat und deswegen ist das Risiko jetzt bei den Staaten und ihren Schulden liegen geblieben. Und siehe da, genau diese Staaten werden nun Angriffsziele der Spekulation der Ratingagenturen, die das Problem verschärfen.

Die ganze Bildzeitungskampagne in den letzten Monaten gegen Griechenland und gegen andere Südstaaten soll eigentlich nur davon ablenken, dass wir es noch mit ein- und derselben Finanzmarktkrise zu tun haben und dass wir es in erster Linie bei allen Vorschlägen zur sogenannten Rettung Griechenlands mit Vorschlägen zu tun haben, die darauf zielen, die Banken zu retten, ohne dass diejenigen, die Geld geben - nämlich die Staaten in irgendeiner Form an den Banken beteiligt werden und sagen, was mit dem Geld geschieht.

Wenn an so einem Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Herr Dr. Josef Ackermann in Gera ist und über Euro und Europa reden darf, und so prominente Leute wie ihr Generalsekretär Dr. Voigt dort mit Beiträge hält, dann sollte man zumindest mal darauf hinweisen, dass Dr. Ackermann nicht ganz unverantwortlich ist für den Ausbruch der Krise und auch nicht ganz unverantwortlich ist für die bisherigen Vorschläge, nämlich am Ende Banken zu retten, so dass das Risiko bei den Staaten und bei den Bürgern bleibt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für DIE LINKE muss klar sein, für DIE LINKE ist klar, wer bezahlt, wer hilft, der soll auch darüber entscheiden, wie mit den Banken verfahren wird. Sonst geht das Spiel der Spekulation so ewig weiter.

(Abg. Mohring)

(Beifall DIE LINKE)

Man könnte - da komme ich zu meiner letzten Minute - hier lange darüber nachdenken, was wirkliche Ursachen sind; Grenzen unseres westlichen Wachstumsmodells usw. usf. Man könnte darüber nachdenken, welche Rolle ungleiche Vermögen spielen, man könnte darüber nachdenken, ob wir es eigentlich mit einem Währungskrieg zu tun haben, man könnte darüber nachdenken, dass die Spekulation bekämpft werden muss, wenn wir das Problem lösen wollen. Es sind nicht nur die Ratingagenturen, sondern es ist das dahinter liegende Prinzip der Spekulation, was letztlich Demokratie gefährden wird. Das alles wird nur aufhören, wenn die Spekulation eingedämmt wird. Dazu liegt Ihnen morgen oder übermorgen dann nochmals unser Antrag vor. Wir müssen an die ungleichen Vermögen ran, Vermögenssteuer in Deutschland. Wir müssen an die Erbschaften ran, die Erbschaftssteuer muss verändert werden. Und vor allen Dingen, meine Damen und Herren, Herr Mohring, wir brauchen in Europa eine Börsenumsatzsteuer, eine Finanzmarktsteuer, um diese Finanzspekulationen einzudämmen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Pidde das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat ein sehr aktuelles und ernstes Thema auf die Tagesordnung gesetzt, was die Menschen nicht nur in Thüringen beschäftigt wie kein zweites Thema. Dabei geht es den Menschen nicht um gehebelten oder ungehebelten Rettungsschirm, sondern es geht ihnen darum, was im Moment gerade passiert. Viele Menschen verstehen das nicht, was dort international im Euroraum passiert. Wenn man die Politik der Bundesregierung verfolgt, kommt man zu dem Eindruck, da verstehen viele auch nicht, worum es geht. Das Hin und Her der Bundesregierung, der Bundeskanzlerin, des FDP-Vorsitzenden, des Koalitionspartners, ist schon fast unerträglich und es ist auch unverantwortlich und am Ende wird das Ganze auch teuer.

Wenn wir einen Blick werfen in die „Welt am Sonntag“ von diesem Wochenende, dort hat der Weltbankpräsident Robert Zoellick die mangelnde Führung Deutschlands in der Eurokrise beklagt und ich zitiere - der Bundesregierung vorgeworfen: „… keine Vision für die weitere Entwicklung der Gemeinschaftswährung zu haben. Vieles in der Politik geschieht in der Art des Durchwurstelns, aber die Wirtschaft und die Märkte brauchen Orientierung

und Klarheit.“, so Zoellick in dem besagten Artikel. Eigentlich braucht man dem gar nicht mehr allzu viel hinzuzufügen.

Wir reden über die Folgen des Rettungsschirms und wissen selbst gar nicht, wie geht es denn da insgesamt weiter. Wird es überhaupt noch einen Rettungsschirm geben? Gibt es überhaupt einen Fall b, falls die Slowakei nicht zustimmen wird. Zu alledem gibt es keine Vorstellung, wie es überhaupt weitergehen soll. Wir merken, dass die Politik durch die Finanzmärkte eigentlich nur getrieben wird.

Es rächt sich jetzt, dass die Bundesregierung nach den Ereignissen im Jahr 2008 nicht bereit war, die Macht der Finanzmärkte wirksam zu beschneiden. Der bisherige weitgehende Verzicht darauf, neue Regeln für die Finanzmärkte durchzusetzen, hat die Gefahr neuer Krisen verschärft. Mit dem Resultat dieser Politik beschäftigen wir uns heute und das wird in der Folgezeit auch nicht anders sein.

Die SPD-Fraktion unterstützt alle ernsthaften Bemühungen und hat auch bei der Abstimmung im Bundestag zum Eurorettungsschirm bewiesen, dass sie bereit ist, in diesen schwierigen Fragen auch entsprechend zur Sache zu stehen und die notwendigen Maßnahmen mitzutragen. Die SPDBundestagsfraktion hat dabei folgende wesentliche Forderungen aufgemacht, die es wert sind, ernsthaft zu überlegen. Risikoreiche und realwirtschaftlich nutzlose Spekulationsgeschäfte müssen endlich beschränkt oder verboten werden. Kein Finanzmarktakteur und kein Finanzprodukt dürfen unreguliert bleiben. Wir brauchen wieder seriöse, nachhaltig funktionierende Finanzmärkte, die ihre ureigene Aufgabe erfüllen, nämlich Konsumenten und Wirtschaft mit soliden Finanzierungen zu versorgen und ihnen transparente Anlagemöglichkeiten zu bieten. Außerdem müssen die Finanzmarktakteure an der Finanzierung der Krisenfolgen beteiligt werden. Das Thema Finanztransaktionssteuer ist hier gerade angesprochen worden, das halten wir für ganz wichtig.

Wenn wir darüber reden, dass die Rekapitalisierung der Banken notwendig ist, dann haben wir ein sehr schönes Zitat gefunden vom britischen Konservativen und Thatcher-Biographen Charles Moore, das war im Handelsblatt neulich zu lesen. Er schreibt: „Die Banken reißen die Gewinne des internationalen Erfolges an sich. Sie kommen nur noch nach Hause, wenn sie kein Geld mehr haben, dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“ Das muss uns schon zu denken geben.

Meine Damen und Herren, eine Aktuelle Stunde ist natürlich viel zu kurz, um dieses Thema zu diskutieren, so aktuell es auch insgesamt sein mag. Ich würde mir wünschen, dass es der Bundesregierung mit den Regierungen im Euro-Raum gelingt, die Situation zu stabilisieren. Das ist wichtig für die Menschen in Europa, in Deutschland und auch in Thü

(Abg. Huster)

ringen. Die Redezeit ist um - fünf Minuten. Danke schön.

(Beifall SPD)

Schön, wenn Sie mitlesen. Ich rufe für die FDPFraktion den Abgeordneten Barth auf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die europäische Staatsschuldenkrise ist aktuell und sie wird uns mit Sicherheit auch noch lange beschäftigen. Seit wir das erste Mal über Hilfen, über Garantien für Griechenland diskutiert haben auch hier im Landtag, sind immer weitere Hilfen, größere Pakete, neue Garantien und immer weitere Erweiterungen der Hilfsfonds dazugekommen, ohne dass es das Problem auch nur ansatzweise dauerhaft gelöst hätte.

Die FDP-Fraktion hat schon im Mai 2010 hier im Hohen Hause darauf hingewiesen, dass man eine Schuldenkrise auf jeden Fall mal nicht mit neuen Schulden bekämpfen kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Die aktuelle Hilfsspirale kostet viel Geld, führt aber eben nicht zu einer Lösung der Probleme. Nach unserer Überzeugung kann nur eine Schuldensanierung, eine sogenannte Resolvenz ein überschuldetes Land wie Griechenland aus der Schuldenfalle führen. Ohne einen solchen Schritt wird es nicht gehen, wenn wir den Euro und wenn wir auch Europa retten wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist Unfug, wenn man aus einer kritischen Haltung zu den Rettungsschirmen und zu ihren Weiterungen, Hebelungen oder sonst irgendwie genannt, eine ablehnende Haltung zu Europa konstruiert.

(Beifall FDP)

Ein unkritisches Verhalten zu den Hilfen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gefährdet Europa, nicht ein kritisches Hinterfragen ihrer Sinnhaftigkeit und eben nicht genau das, was Kollege Mohring gesagt hat, die Abgrenzung zwischen Solidarität und Ausnutzen von angebotener Hilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall FDP)

Diese immer weitere gemeinsame Haftung wäre jedenfalls der Totengräber für jedes Gefühl der europäischen Gemeinsamkeit und der europäischen Solidarität. Denn es ist doch Fakt, dass sich die Menschen in unserem Land fragen, warum sie für die Schulden anderer Staaten haften und zahlen sollen, während die Bevölkerung der Nehmerländer ihrerseits über die mit dem Geld verbundenen Auf

lagen schimpft, von deutschen Protektoraten und ähnlichen Dingen redet und unsere Politiker dann mit Bildern von Hitler und Schlimmerem und Ähnlichem empfangen werden.

(Beifall FDP)

Es ist mir unbegreiflich, wie man glaubt, auf diese Weise Europa retten zu können. Das ist ein Programm zur Völkerentfremdung. Es wird nicht besser dadurch, dass es rein ökonomisch auch gar nicht gehen wird. Die paar Länder, die noch einigermaßen solide dastehen, haben im Übrigen überhaupt nicht genug Geld, um all das, um alle Verbindlichkeiten der Länder, die jetzt überschuldet sind, zu übernehmen. Immerhin lösen könnten wir es so nicht, aber die europäische Idee würde durchaus Schaden nehmen. Ein Gutes gibt es bis jetzt auch. Es ist immerhin gelungen, den gröbsten Unfug zu verhindern, die sogenannten Eurobonds, die die SPD, Herr Kollege Pidde und DIE GRÜNEN, am liebsten sofort umgesetzt hätten, und die sämtliche Haushalte in Deutschland auf absehbare Zeit ruiniert hätten, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Beifall CDU, FDP)

nämlich durch den Anstieg der Zinszahlungen. Wir haben das Geld auch nicht, wir müssen es auch schuldenfinanziert aufnehmen. Durch höhere Schulden entsteht Vertrauensverlust. Vertrauensverlust schlägt sich in höheren Zinsen nieder - allein in Thüringen in den nächsten Jahren bis zu 800 Mio. € Mehrkosten. Das wäre die Folge Ihres Lösungsansatzes Eurobonds. Es ist überhaupt kein Wunder, dass der mit Abstand untauglichste Vorschlag dann auch genau aus der Ecke von SPD und GRÜNEN kommt, die sich schon damals beim Stabilitäts- und Wachstumspaket vor allem dadurch hervorgetan haben, dass sie es untergraben haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Die Vision von einem der möglichen Kanzlerkandidaten, weil wir gerade bei Visionen waren, Herr Kollege Pidde, Herrn Steinbrück, wurde dieser Tage im Spiegel zitiert mit den Worten: „Natürlich müssen die Deutschen das alles bezahlen.“ Wenn das Ihre Vision ist, ist es in Ordnung. Für mich ist es eine Schreckensvision. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall FDP)

Zur Rettung Europas, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Lösung der Schuldenkrise brauchen wir eine geordnete Schuldensanierung, die damit verbundene Haftung der privaten Gläubiger und einen neuen Stabilitätspakt, der Zähne hat und den alten Stabilitätspakt endlich ersetzt. Wir müssen die immer weitere Ausweitung der Rettungsschirme endlich beenden. Das sieht eigentlich alles

(Abg. Dr. Pidde)

gar nicht schlecht aus, wäre da nicht der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der offenbar nicht nur die Bodenhaftung, sondern auch die Bindung an das Parlament völlig verloren hat und der, noch bevor der Deutsche Bundestag überhaupt dem Rettungsschirm zugestimmt hatte, schon einmal losgelaufen ist und gesagt hat, wir erlauben dem Rettungsschirm dann auch an die Finanzmärkte zu gehen und so eben die Summen noch weiter auszuhebeln. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, so eine Debatte ohne Not hilft uns nicht weiter. Herr Schäuble sollte den Willen des Parlaments respektieren, er sollte sich für die in Europa überfällige Insolvenzordnung einsetzen, für den Stabilitätspakt kämpfen. Und, lieber Herr Kollege Mohring, vielleicht könnten Sie Ihre Rede, die Sie hier gehalten haben, vor Ihrem CDU-Bundesvorstand in Anwesenheit von Herrn Schäuble noch einmal halten.

Herr Abgeordneter Barth, die Redezeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.