Protokoll der Sitzung vom 18.12.2009

Lassen Sie mich kurz zu Ende reden und dann kommen wir zu den Fragen.

Der Antrag sollte von unserer Seite auch an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit

überwiesen werden. Dort bietet sich uns die Möglichkeit, intensiv darüber zu diskutieren und Experten und Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Wir können der Landesregierung anschließend Anregungen gemeinsam für die künftige Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erstellung des nationalen Aktionsplans mitgeben. Außerdem erlaubt eine intensive Beschäftigung mit diesem Thema im Sozialausschuss das Benennen konkreter Handlungs- und Änderungsbedarfe bei der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes, was wir ja vorhaben. Ich danke.

Wie angekündigt, die Anfrage des Abgeordneten Kubitzki.

Frau Künast, ich habe ja nun weit und breit Ihre Bemerkungen gehört, dass die Terminschiene, die wir vorgegeben haben, Ihnen nicht gefällt, dass das zu kurz ist. Was wäre denn ganz konkret Ihr zeitlicher Umfang bis das erstellt werden kann?

Herr Kubitzki, ich habe das schon bei den Behinderten in dem außerparlamentarischen Bündnis gesagt, dass man im Sozialausschuss miteinander reden muss, wie der Zeitplan aussieht, damit etwas Ordentliches herauskommt.

(Beifall SPD)

Wenn ich Ihnen jetzt hier einen Termin sagen würde, bis dahin muss das klappen und wir wären noch gar nicht so weit, oder vielleicht sind wir auch ein halbes Jahr vorher schon fertig und können sagen, jetzt geht das los. Ich denke, es wäre falsch, hier einen Termin zu sagen.

(Beifall SPD)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat Abgeordneter Thomas Kemmerich von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Abgeordnete! Frau Ministerin, vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Sie haben mich in der Annahme oder in der Überzeugung bestärkt, dass es so schlecht gar nicht aussieht um die Fragen, die hier aufgeworfen sind. Das ist meine Kritik an dem Antrag. Wenn man ihn so auf den ersten Blick liest,

meint man, dass gar nichts getan wird. Natürlich bleibt immer der Anspruch auch an uns Politiker und auch an die, die neu im Landtag sind oder sich neu in den Ausschüssen befinden, hier noch weitere Verbesserungen anzupassen und weiter das Leben sich abbilden zu lassen in den zukünftigen Gesetzen und der zukünftigen Teilhabe der Leute, um die es hier geht in unserem Leben. Es wurde schon genannt, Gleichstellung ist eine interdisziplinäre Aufgabe, umfasst viele Lebensbereiche, deshalb greift es leider immer zu kurz, wenn man nur an einen Ausschuss überweisen kann oder muss. Ich denke, es sind alle Lebenslagen wichtig und richtig für die Menschen, dass sie von allen Lebenslagen berücksichtigt werden.

Wir als Fraktion und natürlich auch meine Person als Vorsitzender des Gleichstellungsausschusses werden uns dafür einsetzen, dass die hier aufgeworfenen Themen und von der Ministerin auch in Aussicht gestellten Themen sehr nachhaltig und zügig Einfluss nehmen können in das Leben. Eins wäre uns wichtig, und zwar die wirklich sehr konkrete Einbeziehung der Betroffenen in die Gestaltung von Gesetzen, dass es wirklich von der Basis in die Gesetze kommt und nicht von oben nach unten durchgereicht wird, nicht, was gedacht wird, was den Menschen hilft, sondern wirklich die Wünsche, Belange und Nöte der Menschen hören und sie dann konkret in Gesetze eingeben und vielleicht manchmal, nicht immer, versucht, den ganz großen Wurf zu machen, ein Gesetz entstehen zu lassen, das möglichst alles regelt, sondern auch in kleinen Schritten kann man die Lebenssituation konkret und schnell verbessern. Darauf freue ich mich in der Zusammenarbeit. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Ich erteile der Frau Abgeordneten Anja Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dankbar für den Sofortbericht, den wir gerade gehört haben. Ich möchte mich mit dem, was ich jetzt sage, anschließen an meine Kollegin Stange, die an vielen Stellen das gesagt hat, was meine Fraktion und ich namens meiner Fraktion teilen. Die UN-Konvention gilt als eines der bedeutendsten Dokumente in der Geschichte der Entwicklung der Menschenrechte. Die formulierten Ansprüche darin auf Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit und gleichberechtigte Teil

habe für Menschen mit Behinderungen werden den Menschenrechtsdiskurs verändern. Auch wenn das deutsche Recht für Menschen mit Behinderungen im internationalen Vergleich recht gut abschneidet, steht die deutsche Rechtsordnung durch das Übereinkommen vor großen Herausforderungen, deswegen ist es richtig, dass wir heute hier darüber reden. Deswegen ist es auch richtig, dass der Antrag in seinen drei Punkten so formuliert ist, um Berichterstattung zu forcieren. Ich unterstütze das ausdrücklich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Behinderungen von Menschen mit Beeinträchtigung als Prozess und Interaktion mit gesellschaftlichen Bedingungen gefasst wird, so steht ungleich stärker als bisher der Abbau der Barrieren, Ausbau der Instrumente zur Ermöglichung von Teilhabe und Befähigung, kurzum das Ziel der Inklusion im Mittelpunkt. Inklusion ist heute schon mehrmals erwähnt worden. Einige von uns, die in der Sitzung des außerparlamentarischen Bündnisses für Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen waren, haben sehr lange darüber debattiert, dass Inklusion insbesondere nicht mit Integration verwechselt werden darf.

(Beifall DIE LINKE)

Mit der Zugrundelegung des sozialen Modells von Behinderungen stellt diese UN-Konvention nichts weniger dar als die Akzeptanz von Behinderungen als Bestandteil menschlichen Lebens, kurz gesagt, sie stellt den Handlungsrahmen dar oder normative Leitlinien, um genau diese Gleichstellung Behinderter voranzutreiben.

Im außerparlamentarischen Bündnis für die Gleichstellung behinderter Menschen sind verschiedene Punkte angesprochen worden. Frau Stange hat das zum Teil skizziert. Ich will noch einmal drei nennen, die ich besonders wichtig finde, weil ich es sehr konkret herunterbrechen möchte, was sozusagen unsere Handlungszugänge angeht, die sehr konkret werden.

Das Erste ist, dass der Thüringer Landtag unter anderem keine barrierefreie Homepage hat. Es gibt da weder Texte in leicht verständlicher Sprache noch ist diese Seite - reden Sie mit den entsprechenden Verbänden - behindertengerecht oder barrierefrei, daran müssen wir arbeiten.

Das Zweite ist, dass wir in Thüringen nach wie vor Chancenlosigkeit vererben, indem wir einen viel zu hohen Stand - wir haben im Übrigen eine doppelte Quote an Förderschulen im Vergleich zum Bun

desdurchschnitt -, viel zu viele Förderschulen haben und meinen, wir können das Problem damit irgendwohin schieben und sind auch noch stolz darauf.

Das Dritte ist, dass Beratungsstellen ausgebaut werden müssen. Der Nachteilsausgleich ist vorhin schon angesprochen worden. An der Stelle müssen wir deutlich nachbessern.

Das sind nur drei Punkte, die in der Anhörung des außerparlamentarischen Bündnisses genannt wurden. Ich denke, dass jenseits der umfassenden Berichterstattung, die für meine Begriffe in fünf Monaten zu bewältigen sein müsste, auch das von uns in Angriff genommen werden muss.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich unterstütze ausdrücklich die Überweisung des Antrags sowohl beim Punkt I an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit als auch beim Punkt II an den Gleichstellungsausschuss und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.

Ich möchte aber noch einen Punkt sagen und vertiefen, der mir sehr wichtig ist beim Thema Bildung. Ich habe die Förderschulen eben angesprochen, da ist die UN-Konvention wirklich von erfrischender Eindeutigkeit, was die Menschen mit Behinderungen angeht. Da heißt es sehr schnörkellos und da muss man sich nicht über Übersetzungsprobleme unterhalten: „Die Vertragsstaaten gewährleisten ein inklusives Bildungssystem.“ Das haben wir in der Form in Thüringen nicht, wenn wir uns die Förderschulquote anschauen, daran müssen wir arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztlich ist Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen der Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen zu ermöglichen. Ich würde mir wünschen, dass wir im kommenden Diskurs uns einfach genau an dieser Konvention orientieren. Wir haben die Leitplanken, wir müssen uns nur daran orientieren. Das würde ich mir sehr wünschen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank auch an Sie, Frau Abgeordnete. Ich rufe jetzt auf den Abgeordneten Christian Gumprecht von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem sehr umfangreichen Bericht und den Vorworten der anderen Fraktionen kann ich mich kurzfassen. Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht. Wir werden im Sozialausschuss noch genügend Gelegenheit haben, uns intensiv und vor allem auch sachlich mit diesem Thema zu befassen.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch gar nicht groß vom Paradigmenwechsel in der Politik nach dem SGB IX sprechen, das wissen Sie alle genauso gut wie ich. Wir möchten - und ich denke, da sind sich alle hier im Hause einig -, dass Menschen mit Behinderung eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen oder - besser - in allen Bereichen des Lebens haben. Sie sollen, so gut es geht, selbstbestimmt und gleichberechtigt und voll integriert leben können. Dazu gehört auch größtmögliche Integration in den Arbeitsmarkt, dazu gehört auch gemeinsames Lernen und Spielen mit nicht behinderten Kindern.

Meine Damen und Herren, wir sehen in einer Behinderung keinen Makel, wir sehen darin die Vielfalt und Freiheit, anders zu sein. In den vergangenen Jahren hat sich ein bemerkenswerter Wandel in der Gesellschaft vollzogen hin zu Toleranz und Anerkennung der Würde des Lebens. Zahlreiche Akteure haben mitgewirkt, dass Thüringen in vielen Bereichen ein behindertenfreundliches Land ist, sei es im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, des Tourismus, der Barrierefreiheit und anderem. Natürlich gibt es dort auch immer noch Nachholbedarf. Wer sich den Bericht des Behindertenbeauftragten aus dem letzten Jahr noch einmal zur Hand nimmt und dem Sofortbericht der Ministerin eben gut zugehört hat, weiß, was ich meine. Thüringen hat schon viel erreicht, dennoch ist es auch unser Ziel, die tatsächlichen Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen kontinuierlich weiter zu verbessern. Dabei orientieren wir uns gern an den Forderungen der UN-Konvention für die Rechte der behinderten Menschen. Dies natürlich - und das wurde heute auch so zugesagt - unter Einbeziehung der Behindertenorganisationen, denn sie kennen die Stolpersteine des täglichen Lebens am besten. Grundsätzlich, meine Damen und Herren, ist dies alles Konsens in der Koalition. Dafür hätte es des Antrags eigentlich nicht bedurft, aber das wissen Sie genauso wie ich. Im Koalitionsvertrag ist die Umsetzung der UNKonvention über die Rechte der behinderten Menschen genauso festgeschrieben wie die Sicherung der Beratungsstellen, die Stärkung des Behindertenbeauftragten der Landesregierung sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten des Behindertenbeirats und der Behindertenverbände oder die Verbesserung der schwierigen Integration in den ersten Arbeits

markt. Wenn man über Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen spricht, gehören für mich auch die Werkstätten dazu, die so viel mehr leisten.

Meine Damen und Herren, selbst den Normencheck, den Sie so vehement fordern, haben wir bereits schon in unserem vorhandenen Behindertengleichstellungsgesetz; lesen Sie in § 9 nach. In der Beziehung, denke ich, hat der Antrag sehr viel mit Aktionismus zu tun. Aktionismus ist noch nicht gleich Handeln. Ich sage Ihnen zu, im Ausschuss werden wir über den geforderten Behindertenbericht genauso wie über den Landesaktionsplan diskutieren. Dieser steht - und das sage ich hier noch einmal zu der aufgeworfenen Diskussion - natürlich stark in Abhängigkeit zum nationalen Aktionsplan. Ich bin der Meinung, erst wenn dieser vorliegt, kann man sich in Thüringen wirksam und nicht doppelt hierzu positionieren und klar aufstellen.

Meine Damen und Herren, wir nehmen Ihren Antrag ernst im Interesse der Behinderten. Sowohl die Landesregierung als auch die Bundesregierung machen zuverlässig und meist stillschweigend ihre Arbeit im Sinne der Menschen mit Behinderungen, Stück für Stück. Da ist es gut, darauf aufmerksam zu machen, wo wir sogar fortschrittlich in diesem Bereich sind. Das hat uns der Sofortbericht der Ministerin nochmals klargemacht.

Meine Damen und Herren, wir arbeiten weiter daran, behinderten Menschen das Leben zu ermöglichen, auf das sie ein Recht haben, mit so viel Unterstützung wie nötig und so viel Eigenmitbestimmung wie nur möglich, aber immer auch unter der Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Situation eines jeden Einzelnen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gumprecht. Mir liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Deshalb schließe ich die Rednerliste. Ich frage, kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Ich sehe keinen Widerspruch. Jetzt geht es zunächst um die Frage der Weiterberatung des Sofortberichts in einem Fachausschuss. Ich gehe davon aus, das soll der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit sein. Ich habe Signale von den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU, dass diese dem zustimmen. Stimmt die FDP auch zu? Ja. Damit ist die Beratung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit festgeschrieben.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Nummer II des Antrags. Herr Abgeordneter Emde.

Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und dazu namentliche Abstimmung.

(Heiterkeit im Hause)

Also erstens, bei Ausschussüberweisung gibt es keine namentliche Abstimmung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens war der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit schon beantragt. Jetzt haben wir die vierte Beantragung und auch der Gleichstellungsausschuss ist beantragt.

(Unruhe im Hause)

Deshalb frage ich zuerst, wer ist für die Überweisung der Nummer II an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung vonseiten der Fraktion der FDP. Mit dem Abstimmverhalten hat sich auch die Frage für die CDU geklärt.